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Erscheinung:17.03.2020 Wie sich ARUG II auf die Unternehmen und die Aufsicht auswirkt

Das Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie soll die Mitwirkung von Aktionären verbessern. Auch für institutionelle Anleger und Vermögensverwalter unter BaFin-Aufsicht gelten neue Transparenz- und Offenlegungspflichten. Deren Einhaltung überwacht die BaFin aber nicht aktiv.

Definitionen der Begriffe „Institutioneller Anleger“ und „Vermögensverwalter“ sowie neue Transparenzvorgaben und Offenlegungspflichten im Aktiengesetz: Das sind wesentliche Änderungen, die das Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) am 1. Januar 2020 für am Kapitalmarkt investierende Lebensversicherer und andere Unternehmen unter BaFin-Aufsicht mit sich gebracht hat.

Transparenzvorgaben nach § 134b AktG

Institutionelle Anleger (siehe Infokasten "Institutionelle Anleger") und Vermögensverwalter (siehe Infokasten "Vermögensverwalter") müssen nach § 134b Absatz 1Aktiengesetz AktG öffentlich beschreiben, wie sie in den Portfoliogesellschaften mitwirken. Die Mitwirkungspolitik umfasst insbesondere die Ausübung von Aktionärsrechten, die Überwachung wichtiger Angelegenheiten der Portfoliogesellschaften, den Meinungsaustauch mit anderen Gesellschaftsorganen und Interessenträgern der Gesellschaft, die Zusammenarbeit mit anderen Aktionären sowie den Umgang mit Interessenkonflikten. In einem jährlichen Bericht müssen institutionelle Anleger und Vermögensverwalter ihr Abstimmungsverhalten, die wichtigsten Abstimmungen und den Einsatz von Stimmrechtsberatern allgemein erläutern. Außerdem müssen sie ihr Abstimmungsverhalten veröffentlichen – „es sei denn, die Stimmabgabe war wegen des Gegenstands der Abstimmung oder des Umfangs der Beteiligung unbedeutend“ (§ 134b Absatz 3 AktG). Erfüllen institutionelle Anleger und Vermögensverwalter eine oder mehrere dieser Vorgaben nicht oder nicht vollständig, haben sie dies zu begründen (Comply-or-Explain-Verfahren).

Definition:Institutioneller Anleger

Darunter versteht § 134a Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 Aktiengesetz (AktG):

a) ein Unternehmen mit Erlaubnis zum Betrieb der Lebensversicherung im Sinne des § 8 Absatz 1 in Verbindung mit Anlage 1 Nummer 19 bis 24 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG),

b) ein Unternehmen mit Erlaubnis zum Betrieb der Rückversicherung im Sinne des § 8 Absatz 1 und 4 VAG, sofern sich diese Tätigkeiten auf Lebensversicherungsverpflichtungen beziehen,

c) eine Einrichtung der betrieblichen Altersversorgung gemäß den §§ 232 bis 244d VAG.

Definition:Vermögensverwalter

Das Aktiengesetz definiert Vermögensverwalter in § 134a Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 AktG wie folgt:

a) ein Finanzdienstleistungsinstitut mit Erlaubnis zur Erbringung der Finanzportfolioverwaltung im Sinne des § 1 Absatz 1a Satz 2 Nummer 3 Kreditwesengesetz (KWG),

b) eine Kapitalverwaltungsgesellschaft mit Erlaubnis gemäß § 20 Absatz 1 Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB).

Die Informationen zur Mitwirkungspolitik, den Umsetzungsbericht sowie den Bericht zum Abstimmungsverhalten müssen die verpflichteten Unternehmen für mindestens drei Jahre auf ihrer Internetseite öffentlich zugänglich machen und mindestens jährlich aktualisieren.

Offenlegungspflichten nach § 134c AktG

Zu den Transparenzvorgaben aus § 134b AktG treten die Offenlegungspflichten nach § 134c AktG. Danach müssen institutionelle Anleger im Bundesanzeiger oder auf ihrer Internetseite angeben, inwieweit die Hauptelemente ihrer Anlagestrategie dem Profil und der Laufzeit ihrer Verbindlichkeiten entsprechen und wie sie zur mittel- bis langfristigen Wertentwicklung ihrer Vermögenswerte beitragen.

Handelt ein Vermögensverwalter für den institutionellen Anleger, hat er diesem gegenüber zu berichten, wie seine Anlagestrategie und die Umsetzung mit dessen Vorgaben im Einklang stehen „und zur mittel- bis langfristigen Wertentwicklung der Vermögenswerte beitragen“ (§134c Absatz 4 Satz 1 AktG). Start den Bericht an den institutionellen Anleger zu adressieren, kann ihn der Vermögensverwalter auch auf seiner Internetseite veröffentlichen. Die wichtigsten Angaben – unter anderem Portfolioumsätze – benennt §134c AktG ganz zum Schluss. Im Gegensatz zu § 134b AktG können sich die Unternehmen nicht von einer Offenlegung nach § 134c AktG durch entsprechende Erklärung befreien.

Verhältnis zu aufsichtsrechtlichen Berichts- und Offenlegungspflichten

Vereinzelt überschneiden sich die Vorgaben der §§ 134b und 134c AktG mit aufsichtsrechtlichen Berichts- und Offenlegungspflichten. Wenn das der Fall ist, sind die neuen Anforderungen durch bestehende Pflichten grundsätzlich bereits erfüllt, wobei immer zu prüfen ist, ob erhobene Daten erst noch veröffentlicht werden müssen.

Versicherungs- und Pensionsfondsaufsicht

Versicherungsunternehmen unterliegen derzeit keinen mit § 134b AktG vergleichbaren aufsichtsrechtlichen Regelungen. Die Offenlegungspflichten nach § 134c Absatz 1 und Absatz 2 AktG sind jedoch thematisch zumindest teilweise von der Offenlegung im Solvabilitäts- und Finanzbericht (Solvency and Financial Condition ReportSFCR) und den Berichtspflichten des regelmäßigen aufsichtlichen Berichts (Regular Supervisory ReportingRSR) erfasst. § 40 Absatz 2 Satz 4 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) eröffnet den Versicherungsunternehmen die Möglichkeit, ihren Offenlegungspflichten nach § 134c Absatz 1 und Absatz 2 AktG im SFCR nachzukommen.

Bei Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung (EbAV) können sich die Regelungen der §§ 134b und 134c AktG mit dem Statement of Investment Policy Principles (SIPP) gemäß Artikel 30 der EbAV-II-Richtlinie überschneiden –umgesetzt in §§ 234i, 239 Absatz 2 VAG.
EbAV können Angaben zu ihrer Mitwirkungspolitik oder eine Erklärung, warum sie über keine Angaben gemäß § 134b AktG hierzu verfügen, in das SIPP integrieren oder im SIPP auf ein Dokument verweisen, das diese Angaben enthält. Bei ausreichender Detailtiefe können SIPP-Angaben zu den Anlagepolitikgrundsätze die Vorgaben nach § 134c Absatz 1, Absatz 2 AktG erfüllen.

Wertpapieraufsicht

Kapitalverwaltungsgesellschaften (KVGen) waren bereits vor Inkrafttreten von ARUG II gemäß § 3 Absatz 2 Kapitalanlage-Verhaltens- und -Organisationsverordnung (KAVerOV) sowie Artikel 37 der Delegierten Verordnung (EU) 231/2013 (AIFM Level 2-VO) verpflichtet, Strategien für die Ausübung von Stimmrechten zu entwickeln und diese auf ihren Internetseiten zu veröffentlichen bzw. dem Anleger auf Wunsch auszuhändigen. Die Strategien sollen unter anderem sicherstellen, dass KVGen – wenn sie Stimmrechte ausüben – die Anlageziele und die Anlagepolitik des Fonds beachten und Interessenkonflikte verhindern oder regeln. Die sich nun aus dem Aktiengesetz ergebenden Verpflichtungen ähneln den investmentrechtlichen Vorgaben. Sowohl bei den investmentrechtlichen Pflichten als auch beim neu eingeführten § 134b Absatz 1 AktG ist entscheidend, dass die KVG bei ihrem Engagement im Interesse des Fonds und seiner Anleger tätig wird. Aufsichtsrechtliche Pflichten, die mit § 134c AktG vergleichbar wären, bestehen hingegen nicht.

Andere Bereiche

Es ist nicht auszuschließen, dass sich der § 134c AktG mit Offenlegungspflichten nach der EU-Transparenz-Verordnung überschneidet. Beim Reporting zur Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken in Investitionsentscheidungen hätten die Unternehmen die Voraussetzungen der neuen Vorschrift somit bereits erfüllt.

Keine erweiterten Aufsichtspflichten der BaFin

Das ARUG II beinhaltet keine unmittelbare Aufgaben- oder Kompetenzzuweisung an die BaFin. Sie ist nicht verpflichtet, Verstöße gegen die §§ 134b und 134c AktG aktiv zu überwachen. Wiederholte oder nachhaltige Verstöße gegen Normen des Aktiengesetzes können auf eine mangelhafte Geschäftsorganisation hindeuten. Hinweise hierauf können sich beispielsweise aus Gesprächen mit Abschlussprüfern oder aus dem Abschlussprüfungsbericht ergeben. Die BaFin wertet entsprechende Hinweise in ihrer Aufsichtspraxis aus und ergreift gegebenenfalls Maßnahmen. Verstöße gegen gesetzliche Vorgaben sind für die Aufsicht zudem immer auch Anlass, um zu überprüfen, ob sie das Risiko, das von dem entsprechenden Unternehmen ausgeht, richtig eingeschätzt hat.

Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten

Das Bundesamt für Justiz (BfJ) ist dafür zuständig, Ordnungswidrigkeiten wegen Verstößen gegen Informations- und Veröffentlichungspflichten nach den §§ 134b ff. AktG zu verfolgen. Sofern ausnahmsweise Ordnungswidrigkeitentatbestände sowohl auf Verstößen gegen §§ 134b und 134c AktG als auch gegen aufsichtliche Offenlegungspflichten beruhen, regelt das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) in seinem § 39, welche Verwaltungsbehörde zuständig ist.

Entwicklung eines Stewardship-Code

Vereinzelte Stimmen aus der Wissenschaft sprechen sich dafür aus, einen Stewardship-Code (siehe Infokasten "Stewardship-Code") zu entwickeln. Aus Sicht der BaFin ist es jedoch nicht notwendig, sich als Aufsichtsbehörde an diesen Arbeiten zu beteiligen.

Definition:Stewardship-Code

Ein Stewardship-Code umfasst Prinzipien, denen institutionelle Investoren bei der Vermögensverwaltung folgen und auf die sie auch in den Portfoliounternehmen hinwirken. Er hat seinen Ursprung in Großbritannien. Für ihn existiert keine gesetzliche Definition in Deutschland oder der Europäischen Union.

ARUG II und das VAG verfolgen unterschiedliche Zielsetzungen. Anders als im Aktiengesetz liegt der Fokus der BaFin auf dem Schutz der Belange der Versicherten. So wünschenswert es ist, die Governance-Strukturen im Management von Unternehmen, in die ein von der BaFin beaufsichtigtes Unternehmen investiert, zu fördern und zu verbessern: Das ist kein primäres aufsichtliches Ziel. Eine entsprechende Interpretation würde den gesetzlichen Auftrag der BaFin überdehnen. Vergleichbares gilt für die Investmentaufsicht.

Ergebnis

Der Gesetzgeber hat dem BfJ die Überwachung der Einhaltung der Transparenz- und Offenlegungspflichten aus §§ 134b und 134c AktG übertragen. Im Gegensatz dazu überwacht die BaFin die Einhaltung aktienrechtlicher Vorgaben nicht aktiv, berücksichtigt Verstöße gegen die Pflichten jedoch im Rahmen ihrer üblichen Aufsichtspraxis.

Hinweis

Der Beitrag gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im BaFinJournal wieder und wird nicht nachträglich aktualisiert. Bitte beachten Sie die Allgemeinen Nutzungsbedingungen.

Zusatzinformationen

BaFinJournal 03/2020 (Download)

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