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Die Abbildung zeigt BaFin-Exekutivdirektor Dr. Thorsten Pötzsch in einer Interviewsituation. © Hardy Welsch - BaFin

Erscheinung:15.10.2019 | Thema Geldwäschebekämpfung „Ein Geldwäscheskandal kann eine Bank in die Insolvenz führen“

BaFin-Exekutivdirektor Dr. Thorsten Pötzsch erklärt im Interview, worauf es beim Kampf gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung ankommt, und wie eine neue Allianz von Behörden und Banken dabei helfen soll.

Aufseher, Strafverfolger und Banken in Deutschland bündeln ihre Kräfte im Kampf gegen Finanzkriminalität. Die Finanzaufsicht BaFin, die Financial Intelligence Unit (FIU) des Zolls und das Bundeskriminalamt haben mit mehr als einem Dutzend Banken Ende September die Anti Financial Crime Alliance, die AFCA, gegründet. Die neue öffentlich-private Partnerschaft hat das Ziel, gemeinsam gegen Geldwäscher und Terrorfinanzierer vorzugehen. Im Mittelpunkt steht dabei vor allem eines: der Austausch von Wissen und Informationen.

BaFin-Exekutivdirektor Dr. Thorsten Pötzsch ist Mitglied des sechsköpfigen Management-Boards, das an der Spitze der neuen Institution steht. Im Gespräch mit dem BaFinJournal spricht er über seine neue Aufgabe, die jüngsten Geldwäscheskandale und wie sich der Missbrauch des Finanzsystems verhindern lässt.

Das Schadenspotenzial für einzelne Geldhäuser kann ein unkalkulierbares Ausmaß erreichen – und sogar zur Insolvenz einer Bank führen.

Herr Dr. Pötzsch, Sie haben jetzt mit anderen Behörden und einigen Banken eine Taskforce gegründet. Nimmt das Problem der Geldwäsche in Deutschland Überhand?

Nein, auch wenn ein engagierter Tageszeitungsleser diesen Eindruck möglicherweise gewinnen kann. Man kann jedoch sagen, dass das Thema wesentlich stärker in das öffentliche Bewusstsein gerückt ist. Was in der Tat zugenommen hat, sind die Geldwäscheverdachtsmeldungen der Verpflichteten in Deutschland, insbesondere aus dem Finanzsektor, der im Fokus der BaFin liegt.

Wie groß ist der Schaden, der durch Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung entsteht?

Für die Wirtschaft ist der Schaden immens. Es gibt zum Umfang von Geldwäsche nur ungefähre Schätzungen, die angesichts des großen Dunkelfeldes nur schwer verifiziert werden können. Wenn man sich aber die wenigen Studien anschaut, die es dazu gibt, stellt man fest: Das gesamte Geldwäschevolumen im Finanz- und Nichtfinanzsektor Deutschlands liegt deutlich über 50 Milliarden Euro und erreicht wahrscheinlich die Größenordnung von mehr als 100 Milliarden Euro jährlich. Auch die vierte Geldwäscherichtlinie weist darauf hin: Bei drohender Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung können die Solidität, die Integrität und die Stabilität der Kreditinstitute wie der sonstigen Finanzinstitute schweren Schaden nehmen. Auch das Vertrauen in das Finanzsystem schwindet.

Auf einen Blick:Die vierte und fünfte EU-Geldwäscherichtlinie

Das deutsche Geldwäschegesetzes (GwG) fußt derzeit auf der vierten EU-Geldwäscherichtlinie. Mit der fünften EU-Geldwäscherichtlinie beabsichtigt der europäische Gesetzgeber, das präventive System weiter zu verbessern, um Geldwäschepraktiken und Terrorismusfinanzierung noch wirksamer zu bekämpfen. Die Vorgaben der Richtlinie sind bis zum 10. Januar 2020 in nationales Recht umzusetzen. Geplant ist, unter anderem zusätzliche Unternehmen in den Kreis der Verpflichteten aufzunehmen sowie die Anforderungen der Sorgfaltspflicht bei Transaktionen zu erhöhen, die in Zusammenhang mit als hochriskant eingestuften Drittländern stehen.

Kritiker nennen Deutschland „ein Geldwäscheparadies“. Wird es Kriminellen hierzulande zu leicht gemacht, illegal erworbenes Geld zu waschen?

Sicherlich gibt es bei der Prävention von Geldwäsche noch Luft nach oben. Das gilt nicht nur für Deutschland, sondern lässt sich auch international konstatieren. Ich begrüße es daher, dass mit der Umsetzung der fünften Geldwäscherichtlinie regulatorische Schlupflöcher geschlossen und bekannt gewordene Geldwäscherisiken adressiert werden. Wir als BaFin werden das aus aufsichtlicher Sicht eng und robust begleiten.

Der Kampf gegen Geldwäsche ist bislang eine hoheitliche Aufgabe des Staates. Warum beteiligen Sie nun mehr als ein Dutzend Banken aus der Privatwirtschaft an der neuen Anti-Geldwäsche-Allianz AFCA?

Die besten Ergebnisse erzielt man bekanntlich dann, wenn alle an einem Strang ziehen. Und trotz unterschiedlicher Rollen sind wir einer gemeinsamen Aufgabe verpflichtet: dem Kampf gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung. Daher freue ich mich, dass sich mit der AFCA ein breites Bündnis verschiedener Beteiligter zusammengeschlossen hat, um einen umfassenden Wissenstransfer und Informationsaustausch sicherzustellen.

Welches Interesse haben Banken, Geldwäsche zu verhindern?

Es steht im ureigenen Interesse von Banken, nicht für Zwecke von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung missbraucht zu werden. Allein um Reputationsschäden und erhebliche finanzielle Schäden zu verhindern, die unter Umständen auch die Existenz einer Bank gefährden können. Die jüngsten internationalen Geldwäscheskandale, wie etwa Russian Laundromat, Azerbaijan Laundromat, Troika Laundromat, Mirror Trades und Danske zeigen: Das Schadenspotenzial für einzelne Geldhäuser kann ein unkalkulierbares Ausmaß erreichen – und sogar zur Insolvenz einer Bank führen. Tatsächlich ist dieser Fall im vergangenen Jahr eingetreten. Lettlands drittgrößte Bank, die ABLV, ist nach Geldwäschevorwürfen in eine existenzielle Krise gerutscht. Sie ist nun insolvent.

Was hat den Ausschlag für die Gründung der Anti-Geldwäsche-Allianz AFCA gegeben?

Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass eine Vernetzung zwischen Praktikern auf der einen Seite und der Aufsicht auf der anderen Seite essentiell ist, um Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung vorzubeugen. Die AFCA soll darauf eine Antwort sein. Wir haben sie mit der Absicht gegründet, eine dauerhafte, strategische Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zu etablieren. Es sollen Lösungsansätze erarbeitet werden, die den strategischen Informationsaustausch vertiefen. Das Ziel ist, Muster und Phänomene zu identifizieren, die uns dabei helfen, neue Typologien zu entwickeln, um die Prävention von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung allgemein zu verbessern.

Welche Aufgaben übernimmt die BaFin als Mitglied?

Die BaFin ist neben der federführenden Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen des Zolls, auch bekannt als Financial Intelligence Unit, FIU, und dem Bundeskriminalamt einer der Vertreter des öffentlichen Sektors im Management-Board der AFCA. Die Industrie ist ebenfalls mit drei Beteiligten vertreten. Als Mitglied des Management-Boards bestimmt die BaFin die gesamtstrategische Ausrichtung der AFCA mit. Zudem stellt sie den Co-Chair der ersten Arbeitsgruppe, die für den Finanzsektor zuständig ist. Selbstverständlich wird die BaFin auch ihre Expertise als Allfinanzbehörde in die Waagschale legen. Zudem nimmt die BaFin eine Kontroll- und Bindegliedfunktion wahr. Mittelfristig müssen wir schauen, wie die produktiven Ergebnisse der AFCA auch tatsächlich Anwendung in den Sicherungssystemen der Verpflichteten finden.

Großbritannien dient mit der Joint Money Laundering Intelligence Taskforce, der JMLIT, als Vorbild. Was werden Sie von den Briten übernehmen?

In der Konzeptionierungsphase der AFCA wurde selbstverständlich auch auf andere existierende Modelle geschaut. So auch auf die Joint Money Laundering Intelligence Taskforce, eine gemeinsame Arbeitsgruppe des öffentlichen und privaten Sektors unter Leitung der National Crime Agency. Im Kern geht es bei all diesen Modellen um einen strukturierten und strategischen Austausch von Informationen zwischen verschiedenen Playern – dem behördlichen Sektor einerseits und dem privatwirtschaftlichen Sektor andererseits. Informationen, die zunächst fragmentiert vorliegen, werden systematisch zusammengeführt. Sie bieten Potenzial für zusätzliche Erkenntnisse, die dann wiederum von den Präventionssystemen des Privatsektors zu berücksichtigen sind. Wir wollen von allen vergleichbaren Projekten lernen, und werden gute Ansätze, die zur AFCA passen, sicherlich auch in Zukunft übernehmen.

Herr Dr. Pötzsch, vielen Dank für das Interview.

Die Fragen stellte Annkathrin Frind, BaFin-Referat Reden und Publikationen

Hinweis

Der Beitrag gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im BaFinJournal wieder und wird nicht nachträglich aktualisiert. Bitte beachten Sie die Allgemeinen Nutzungsbedingungen.

Zusatzinformationen

BaFinJournal 10/2019 (Download)

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