BaFin - Navigation & Service

Die Abbildung zeigt den amtierende Chefbankenaufseher bei der Europäischen Zentralbank, Andrea Enria. © BaFin/Wolter Foto

Erscheinung:18.09.2019 Enria fordert mehr Transparenz

Seit Anfang des Jahres ist Andrea Enria Chefbankenaufseher bei der Europäischen Zentralbank. Bei seinem Antrittsbesuch bei der BaFin stellte er seine ehrgeizigen Pläne vor.

An eines kann sich Andrea Enria immer noch nicht gewöhnen: rechtzeitig die Hand zu heben. Seitdem er Chef des Aufsichtsgremiums des Single Supervisory Mechanism (SSM) bei der Europäischen Zentralbank (EZB) ist, wird seine Stimme wieder mitgezählt. In seinem vorigen Job, bei der Europäischen Bankenaufsicht (EBA), war das noch anders. Dort musste er sich als Chairman enthalten. Über diese Umgewöhnungsphase hat der neue Mann bei der EZB-Bankenaufsicht Ende August bei der BaFin in Bonn berichtet.

Andrea Enria, Ökonom, Ende 50, schlank, schmale Brille, ist kein Unbekannter in der europäischen Aufsichtsszene. Seit Anfang des Jahres leitet der Italiener die EZB-Bankenaufsicht. Zuvor war er Chef der EBA, führte viele Jahre in der Banca d'Italia die Bankenaufsicht und arbeitete in unterschiedlichen Funktionen in der EZB. Nun sitzt er dem mächtigen Aufsichtsgremium vor, dem Supervisory Board (SB), das über das Wohl und Wehe von Banken in der Eurozone entscheidet.

Große Banken in der Eurozone (Significant Institutions - SIs) stehen seit Ende 2014 unter direkter Aufsicht der EZB. Derzeit überwacht sie 114 Institute, darunter die Deutsche Bank und die Commerzbank. Neben den EZB-Vertretern setzt sich das Gremium aus Repräsentanten der nationalen Aufsichtsbehörden der Euro-Länder zusammen. Deutschland wird von BaFin-Präsident Felix Hufeld und Bundesbank-Vorstand Joachim Wuermeling vertreten. Das Supervisory Board trifft sich im Schnitt alle drei Wochen im Eurotower in Frankfurt am Main.

Besuch bei der BaFin in Bonn

Bei seinem Antrittsbesuch bei der BaFin in Bonn sprach EZB-Chefbankenaufseher Andrea Enria mit BaFin-Präsident Felix Hufeld und Raimund Röseler, Exekutivdirektor für Bankenaufsicht. Im Anschluss suchte er den Fachaustausch mit mehr als 100 BaFin-Aufseherinnen und -Aufsehern bei einer Diskussionsrunde.

Der diplomatische Enria steht mit seinen leisen Tönen der Kultur der EZB nahe. Doch auch die Sicht eines nationalen Aufsehers ist ihm aus seiner Zeit bei der Banca d’Italia vertraut. Sein uneitler Auftritt passt zu dem soliden Auftrag, ein Mittler zwischen Europas Zentralbank und den nationalen Aufsichtsbehörden zu sein – und ein gemeinsames Verständnis zu schaffen. „Wir alle kommen aus unseren Heimatländern mit unterschiedlichen aufsichtlichen Backgrounds zur EZB“, sagte Enria und ergänzte: „Da müssen wir erst eine gemeinsame Kultur entwickeln.“

Europäisierung der Finanzaufsicht vor fünf Jahren

BaFin-Präsident Hufeld erinnerte daran, dass „die Europäisierung der Finanzaufsicht“ erst vor fünf Jahren mit der Gründung des SSM begonnen habe – und der Erfolg beachtlich sei. „Die BaFin bringt ihren deutschen Background in die europäische Aufsicht durch großes Fachwissen und Know-how ein“, sagte Hufeld.

In seinem neuen Job als Chef des Supervisory Boards gibt Enria die Richtung vor. „Transparenz, Praktikabilität und Priorisierung“ seien die Leitbegriffe, die er bei der Aufsichtspraxis auf europäischer Ebene noch stärker in den Mittelpunkt rücken wolle. Um dieses Ziel zu erreichen, plane er, Aufgaben und Prozesse zu prüfen. Auch Kollegen der BaFin und der Bundesbank arbeiten mit der EZB in Teams bei der laufenden Aufsicht der Großinstitute eng zusammen.

Enria erklärte zudem, dass ihm „Offenheit und Transparenz“ bei Entscheidungen und den zugrundeliegenden Kriterien wichtig seien, damit die Bankenaufsicht der EZB für einzelne Institute und den gesamten Bankensektor berechenbar sei. Aber auch in einem solchen regelbasierten Ansatz müssten die Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden.

Unberechenbar ist dagegen noch der Ausgang des Brexits. Der oberste EZB-Bankenaufseher rechnet damit, dass zwei Dutzend Institute im Zuge des bevorstehenden EU-Austritts Großbritanniens erhebliche Geschäftsteile von London nach Kontinentaleuropa verlagern werden. Schätzungsweise 1,3 Billionen Euro an Vermögenswerten würden in diesem Fall von der britischen Hauptstadt in den Euroraum bewegt. Die Institute haben sich seiner Meinung nach auf den Brexit vorbereitet und aufsichtliche Anforderungen erfüllt. „Die Banken dürfen mit ihren Anstrengungen jetzt aber nicht nachlassen“, warnte Enria.

Signal zu mehr Proportionalität

Was die Verhältnismäßigkeit bei der laufenden Aufsicht von Großbanken im Vergleich zu kleinen und mittleren Instituten betrifft, zeigte sich der EZB-Chefaufseher gesprächsbereit. Seiner Meinung nach sollten sich die Anforderungen, die Aufsicht und Regulierung an die jeweiligen Institute richten, an deren Risikoprofil orientieren. Ob es konkrete Entlastungen für kleine und mittlere Banken geben soll, ließ er offen. Das Signal des EZB-Vertreters hin zu mehr Proportionalität in der Aufsichtspraxis freute BaFin-Präsident Hufeld und Exekutivdirektor Röseler. Beide machen sich im Namen der deutschen Aufsicht in diversen europäischen und internationalen Gremien regelmäßig für dieses Thema stark.

Autorin

Annkathrin Frind
BaFin-Referat Reden und Publikationen

Hinweis

Der Beitrag gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im BaFinJournal wieder und wird nicht nachträglich aktualisiert. Bitte beachten Sie die Allgemeinen Nutzungsbedingungen.

Zusatzinformationen

BaFinJournal 09/2019 (Download)

Fanden Sie den Beitrag hilfreich?

Wir freuen uns über Ihr Feedback

Es hilft uns, die Webseite kontinuierlich zu verbessern und aktuell zu halten. Bei Fragen, für deren Beantwortung wir Sie kontaktieren sollen, nutzen Sie bitte unser Kontaktformular. Hinweise auf tatsächliche oder mögliche Verstöße gegen aufsichtsrechtliche Vorschriften richten Sie bitte an unsere Hinweisgeberstelle.

Wir freuen uns über Ihr Feedback