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Abbildung des Kalendertages 21. Juli ©xtock - stock.adobe.com

Erscheinung:25.06.2019 | Thema Prospekte Neue Regeln für Wertpapierprospekte

Das Wertpapierprospektrecht steht vor einer grundlegenden Neuordnung: Ab Juli gilt die neue EU-Prospektverordnung. Was sich für Anleger und Emittenten alles ändert. Ein Überblick.

Öffentliche Angebote von Wertpapieren oder ihre Zulassung zum geregelten Markt sind an gesetzliche Pflichten gebunden. Anbieter von Wertpapieren müssen Anleger beispielsweise in einem Prospekt über Chancen und Risiken der Investition informieren. Diese Wertpapierprospekte sind für Verbraucher selten leicht verständlich, weil sie mitunter Hunderte Seiten umfassen. Doch das Wertpapierprospektrecht steht kurz vor einer grundlegenden Neuordnung. Denn ab dem kommenden Monat gelten neue Regeln für Unternehmen, die Wertpapiere auf dem Kapitalmarkt anbieten. Der Grund: Ab Sonntag, 21. Juli 2019 (Stichtag), gilt die neue EU-Prospektverordnung (Prospekt-VO), die bereits seit dem 20. Juli 2017 in Kraft getreten ist, in Gänze.

Hoffnungsträger EU-Prospektverordnung

Gleich mehrere Ziele sind mit der EU-Prospektverordnung verknüpft. Erstens soll sie dafür sorgen, dass Wertpapierprospekte für Verbraucher einfacher und nutzerfreundlicher gestaltet werden. Zielgenaue und kompakte Informationen in kürzeren Prospektzusammenfassungen sollen den Anlegerschutz verbessern. So sollen Anleger leichter fundierte Anlageentscheidungen treffen können.

Zweitens soll Unternehmen der Zugang zum Kapitalmarkt erleichtert werden. Der Aufwand zur Erstellung von Prospekten soll sich reduzieren. Beispiele dafür sind etwa die höheren Schwellen für die Prospektpflicht sowie reduzierte Prospektanforderungen – vor allem für kleine und mittlere Unternehmen und für Sekundäremissionen. Die Kapitalaufnahme soll hier einfacher und kostengünstiger als zuvor werden.

Drittens ist die neue EU-Prospektverordnung ein wichtiger Teil der Bemühungen zur Schaffung einer Europäischen Kapitalmarktunion. Ziel ist eine stärkere Harmonisierung sowohl des Aufsichtsrechts als auch der Aufsichtspraxis. Deutlich wird das aufgrund der Tatsache, dass an die Stelle der EU-Prospektrichtlinie, die von den EU-Mitgliedstaaten in nationales Recht umzusetzen war, nun eine unmittelbar anwendbare Europäische Verordnung gesetzt wird.

Die EU-Prospektverordnung ist daher ein Fortschritt sowohl für Unternehmen als auch für Anleger. Die BaFin tut alles, um den Übergang so einfach wie möglich zu gestalten.

Grundlegende Neugestaltung des Prospektrechts

Die grundlegende Neugestaltung des Prospektrechts zeigt sich darin, dass vieles, das bislang in nationalen Gesetzen – in Deutschland etwa im Wertpapierprospektgesetz (WpPG) – geregelt war, nun in der Europäischen Verordnung selbst normiert ist. Sie enthält Vorschriften für verschiedene Formen von Prospekten: einen Standardprospekt, einen Großkundenprospekt für Nichtdividendenwerte, einen Basisprospekt, einen vereinfachten Prospekt für Sekundäremissionen sowie einen EU-Wachstumsprospekt.

Erweiterte Ausnahmen von der Prospektpflicht

In der EU-Prospektverordnung sind die Schwellenwerte für die Prospektpflicht angehoben. So können öffentliche Angebote von Wertpapieren in Deutschland in naher Zukunft bis zu einem Gesamtgegenwert von acht Millionen Euro (einschließlich) prospektfrei erfolgen. Dabei ist unter Umständen ein Wertpapier-Informationsblatt zu veröffentlichen. Für bestimmte Angebote gelten besondere Regeln, insbesondere bei Angeboten an nichtqualifizierte Anleger (zum Beispiel Einzelanlageschwellen – siehe BaFinJournal Juli 2018, wobei künftig bei Wertpapieren, die Aktionären im Rahmen einer Bezugsrechtsemission angeboten werden, wiederum eine Ausnahme geschaffen werden soll).

Inhaltliche Anforderungen an Prospekte

Die EU-Prospektverordnung hält an dem Grundsatz fest, dass ein Prospekt die erforderlichen Informationen enthalten muss, die für den Anleger wesentlich sind, um sich ein fundiertes Urteil über folgende Punkte bilden zu können:

  • Die Vermögenswerte und Verbindlichkeiten, die Gewinne und Verluste, die Finanzlage und die Aussicht des Emittenten und eines etwaigen Garantiegebers,
  • die mit den Wertpapieren verbundenen Rechte und
  • die Gründe für die Emission und ihre Auswirkungen auf den Emittenten.

In der derzeit noch geltenden europäischen Durchführungsverordnung zur EU-Prospektrichtlinie (EU-Prospekt-DVO) von 2004 sind viele Einzelheiten für die Ausgestaltung der Prospekte in Anhängen geregelt. Diese legen für verschiedene Konstellationen von Wertpapieren im Detail fest, welche Angaben wie zu machen sind. Auch die neue EU-Prospektverordnung enthält entsprechende Anhänge. Diese gehen allerdings nicht so ins Detail und sollen durch weitere Vorgaben ergänzt werden, die Gegenstand einer neuen, von der Europäischen Kommission zu erlassenden Delegierten Verordnung sein sollen. Der Entwurf einer solchen Verordnung ist am 14. März 2019 bereits veröffentlicht worden, aber noch nicht in Kraft.

Leitlinien zu Risikofaktoren

Im Zusammenhang mit der EU-Prospektverordnung gibt es weitere Rechtsquellen, die zu beachten sind. Als Beispiele seien die Leitlinien der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA zu Risikofaktoren gemäß der EU-Prospektverordnung vom 26. März 2019 genannt. Ziel ist die kompaktere und fokussiertere Darstellung wesentlicher Risiken mit verständlicheren Angaben zu möglichen Auswirkungen. Formal werden diese Leitlinien erst mit ihrer Veröffentlichung in sämtlichen Amtssprachen auf der Internetseite der ESMA gelten. Nach der Veröffentlichung hat die BaFin innerhalb von zwei Monaten zu erklären, ob sie den Leitlinien folgt oder nicht. Die BaFin beabsichtigt, den Leitlinien vollumfänglich zu folgen und diese auch bereits ab dem Stichtag, 21. Juli 2019, bei der Prüfung von Prospekten nach neuem Recht in ihrer Verwaltungspraxis zu berücksichtigen.

Einheitliches Registrierungsformular

Mit gänzlicher Geltung der EU-Prospektverordnung wird auch das neue einheitliche Registrierungsformular eingeführt. Bestimmt ist es für Emittenten, deren Wertpapiere an einem geregelten Markt oder multilateralen Handelssystem im Sinne von Artikel 2 lit. u) EU-Prospektverordnung zugelassen sind. Auch für öffentliche Angebote von Wertpapieren kann es genutzt werden. Wer gemäß dem bis 21. Juli 2019 geltenden Recht Registrierungsformulare – etwa Aktienregistrierungsformulare für Börsengänge – gebilligt erhalten hat, kann diese Regelung in Anspruch nehmen.

Der Unterschied zu den bisherigen Registrierungsformularen ist die Möglichkeit, das einheitliche Registrierungsformular ohne vorherige Billigung durch die BaFin zu hinterlegen. Voraussetzung dafür ist, dass das einheitliche Registrierungsformular zuvor in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren eingereicht und gebilligt worden ist.

Mit dem einheitlichen Registrierungsformular kann ein Emittent den Status eines Daueremittenten erlangen und bei Einhaltung weiterer Voraussetzungen ein beschleunigtes Billigungsverfahren nutzen, in dem eine Prüffrist von nur fünf Arbeitstagen vorgesehen ist.

Regeln und Ausnahmen bei Zusammenfassungen

Artikel 7 EU-Prospektverordnung enthält neue Vorschriften über Zusammenfassungen in Prospekten. Im Grundsatz darf die Zusammenfassung nach der neuen Regelung nicht mehr als sieben Seiten lang sein. Eine Ausnahme besteht unter Umständen dann, wenn eine Ersetzung von Angaben durch solche in einem Basisinformationsblatt nach der Verordnung über Basisinformationsblätter für verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte (PRIIPs-Verordnung) stattfindet.

Inhaltlich gibt die EU-Prospektverordnung vier Abschnitte für die Zusammenfassung vor: eine Einleitung mit Warnhinweisen, Basisinformationen über den Emittenten, Basisinformationen über die Wertpapiere sowie Basisinformationen über das öffentliche Angebot und/oder die Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt.

Auf einen Blick:Erleichterungen für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) – EU-Wachstumsprospekt

Durch die EU-Prospektverordnung wird der EU-Wachstumsprospekt neu eingeführt. Er ersetzt mit voller Geltung der Verordnung ab dem 21. Juli 2019 den Artikel 26b EU-Prospekt-DVO samt den verhältnismäßigen Schemata für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) und Unternehmen mit geringer Marktkapitalisierung. Charakteristika eines EU-Wachstumsprospekts sind ein kürzerer Inhalt, eine verkürzte Zusammenfassung sowie eine Aufmachung nach gewissen Standards. Das Ziel dieses neuen Formats besteht darin, neue Finanzierungsquellen für KMU zu erschließen und die Kosten der Kapitalaufnahme zu senken.

Die folgenden natürlichen oder juristischen Personen können sich im Falle eines öffentlichen Angebots von Wertpapieren dafür entscheiden, einen EU-Wachstums prospekt auf der Grundlage der verhältnismäßigen Offenlegungsregelung zu erstellen, sofern sie keine Wertpapiere begeben haben, die zum Handel
an einem geregelten Markt zugelassen wurden:

  • KMU,
  • bestimmte andere Emittenten, die unter anderem gewisse Größenordnungen (zum Beispiel eine durchschnittliche Marktkapitalisierung von weniger als 500 Mio. Euro oder öffentliches Angebot von höchstens 20 Mio. Euro) nicht überschreiten gemäß Artikel 15 Absatz 1 EU-Prospektverordnung,
  • Anbieter von Wertpapieren, die von bestimmten in Artikel 15 Absatz 1 EU-Prospektverordnung genannten Emittenten begeben wurden.

Veröffentlichung von Prospekten

Auch die Regeln zur Veröffentlichung von Prospekten werden neu gefasst (Artikel 21 EU-Prospektverordnung). Künftig orientiert sich der Zeitpunkt der Veröffentlichung des Prospekts nicht mehr an dessen Billigung, sondern am Beginn des öffentlichen Angebots beziehungsweise der Zulassung zum Handel am geregelten Markt. Mithin ist der Prospekt nicht mehr unverzüglich nach der Billigung zu veröffentlichen, sondern nur noch rechtzeitig vor und spätestens mit Beginn des öffentlichen Angebots beziehungsweise der Zulassung zum Handel am geregelten Markt. Damit verschiebt sich der spätestmögliche Zeitpunkt der Veröffentlichung des Prospekts im Vergleich zur bisherigen Regelung nach hinten. Im Falle eines öffentlichen Erstangebots von Aktien, die also zum ersten Mal zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen werden, muss der Prospekt der Öffentlichkeit allerdings mindestens sechs Arbeitstage vor dem Ende des Angebots verfügbar sein.

Künftig ist für eine verordnungskonforme Veröffentlichung des Prospekts nur noch die elektronische Form über das Internet vorgesehen. Das soll Anlegern einen leichteren Zugang ermöglichen. Die bisherigen Veröffentlichungen über Anzeigen in Zeitungen und das Bereithalten einer gedruckten Fassung (Schalterpublizität) sind nicht mehr vorgesehen. Allerdings ist potenziellen Anlegern kostenlos eine Version des Prospekts auf einem dauerhaften Datenträger oder in gedruckter Form zur Verfügung zu stellen, wenn sie das verlangen sollten. Jedoch gilt dies nur in Rechtsordnungen, in welchen das öffentliche Angebot unterbreitet wird oder die Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt erfolgt.

Ab dem 21. Juli 2019 müssen Emittenten nach neuer Rechtslage mehr Metadaten (zum Beispiel Legal Entity Identifier, LEI, die globale Kennung für Rechtsträger im Finanzmarkt) melden, wenn sie einen Prospekt einreichen. Die einzelnen Angaben finden sich in Anhang VII zur Delegierten Verordnung (EU) zur Ergänzung der EU-Prospekt-Verordnung durch technische Regulierungsstandards1, der allerdings bis dato nur im Entwurfsstadium vorliegt.

Wie ist der Übergang geregelt?

Die EU-Prospektverordnung enthält eine Übergangsregelung für Prospekte, die nach nationalem Recht vor dem Stichtag gebilligt worden sind. Diese unterliegen demnach bis zum Ablauf ihrer Gültigkeit oder innerhalb von zwölf Monaten nach dem Stichtag, je nachdem, was zuerst eintritt, weiterhin diesem nationalen Recht.

Prospekte, die nach dem Recht erstellt werden, das bis zum Stichtag gilt, und die vor dem Stichtag eingereicht, am Stichtag aber noch nicht gebilligt sind, müssen dagegen auf die Rechtslage nach der neuen EU-Prospektverordnung umgestellt werden. Sie können nach dem Stichtag nicht mehr nach altem Recht gebilligt werden.

Für eine Übergangszeit von zwölf Monaten nach dem 21. Juli 2019 stellt die BaFin weiterhin bestimmte Funktionalitäten in ihrem Melde- und Veröffentlichungsportal (MVP-Portal) zur Verfügung, damit Einreicher auch nach dem 20. Juli 2019 ohne Modifikation ihrer Systeme. Nachträge und endgültige Bedingungen zu vor dem 21. Juli 2019 gebilligten Prospekten über das MVP-Portal hinterlegen können. Eine entsprechende Information hat die BaFin an die registrierten Nutzer des MVP-Portals bereits versandt.

Autor

Rüdiger Koch
BaFin-Referat Grundsatzfragen der Wertpapieraufsicht

Hinweis

Der Beitrag gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im BaFinJournal wieder und wird nicht nachträglich aktualisiert. Bitte beachten Sie die Allgemeinen Nutzungsbedingungen.

Fußnote:

  1. 1 Delegierte Verordnung (EU) zur Ergänzung der EU-Prospekt-Verordnung durch technische Regulierungsstandards für wesentliche Finanzinformationen in der Zusammenfassung des Prospekts, die Veröffentlichung und Klassifizierung von Prospekten, die Werbung für Wertpapiere, Nachträge zum Prospekt und das Notifizierungsportal und zur Aufhebung der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 382/2014 der Kommission und der Delegierten Verordnung (EU) 2016/301 der Kommission.

Zusatzinformationen

BaFinJournal 06/2019 (Download)

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