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Abbildung Spielzeugregenschirmes über Holzmännchen als symbolische Darstellung für Verbraucherschutz © istock.com / Andrii Yalanskyi

Erscheinung:25.06.2019 | Thema Verbraucherschutz ESA-Review soll Verbraucherschutz stärken

Europäische Aufsichtsbehörden EBA, EIOPA und ESMA erhalten erweiterte Zuständigkeiten

Die Überprüfung des Europäischen Systems der Finanzaufsicht (European System of Financial Supervision – ESFS) erweitert die Befugnisse der Europäischen Aufsichtsbehörden (ESAs) im Verbraucherschutz. Angesichts seiner wachsenden Bedeutung in der Finanzaufsicht kam das nicht überraschend. Die Neuregelungen sind das Ergebnis eines Kompromisses zwischen dem Europäischen Parlament und dem Rat der Europäischen Union, der am 21. März 2019 erzielt wurde (siehe BaFinJournal Mai 2019).

Nachdem das Europäische Parlament am 16. April 2019 in erster Lesung dem gefundenen Kompromiss zugestimmt hat, schließen sich nun weitere formale Arbeiten an, damit das Verfahren mit dem endgültigen Wortlaut förmlich abgeschlossen werden kann. Die Änderungen sollen ab 1. Januar 2020 anwendbar sein.

Verbraucher vor Schäden bewahren

Grundsätzlich sind die beschlossenen Änderungen in den drei Gründungsverordnungen der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde EBA, der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung EIOPA und der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA gleichlautend. Allerdings werden auch ihre jeweiligen Besonderheiten berücksichtigt. Während in Artikel 1 der EBA- und EIOPA-Gründungsverordnungen die allgemeine Zuständigkeit für Kundenschutz (customer protection) ausdrücklich um Verbraucherschutz (consumer protection) ergänzt wird, kommt in Artikel 1 der ESMA-Verordnung stattdessen der Anlegerschutz (investor protection) hinzu. Artikel 8 der Gründungsverordnungen enthält die generelle Aufgabenzuweisung an die ESAs, Verbraucher und Anleger (alle ESAs) sowie Einleger (EBA), Versicherungsnehmer und Begünstigte (EIOPA) zu schützen.

Artikel 9 der drei Gründungsverordnungen überträgt den ESAs dann spezifische Aufgaben bezüglich Verbraucherschutz und Finanztätigkeiten und stellt damit die zentrale Verbraucherschutzvorschrift dar. Dementsprechend wurden insbesondere in dieser Vorschrift spezielle erweiterte Befugnisse für den Verbraucherschutz eingefügt.

Trend zu präventivem Verbraucherschutz

Der neu gefasste Absatz 1 des Artikels 9 der Gründungsverordnungen ermächtigt EBA, EIOPA und ESMA nun explizit dazu, Verbrauchertrendanalysen im Hinblick auf Kosten- und Gebührenentwicklungen vorzunehmen. Die ESAs hatten bereits 2018 aufgrund eines entsprechenden Mandats der EU-Kommission erste Analysen dieser Art erstellt. Dabei hat sich gezeigt, dass die Datenerhebung für solche Analysen oft nur durch umfangreiche Abfragen bei den beaufsichtigten Unternehmen möglich ist. Des Weiteren sind die ESAs nun ausdrücklich berechtigt, thematische Arbeiten und Überprüfungen zum Marktverhalten durchzuführen. Außerdem sollen sie Risikoindikatoren (retail risk indicators) entwickeln, um frühzeitig potenzielle Ursachen für Schäden bei Verbrauchern zu identifizieren. Diese beiden Befugnisse sind nicht gänzlich neu, da die ESAs diese in der Vergangenheit in extensiver Auslegung ihres Mandats teilweise bereits ausgeübt haben. Dieser vorbeugende Ansatz entspricht dem Trend zu risikobasierter Wohlverhaltensaufsicht und präventivem Verbraucherschutz.

Offenlegungsvorschriften und Mystery-Shopping

Ein wichtiges Mittel für mehr Verbraucherschutz lautet Transparenz. Der europäische Gesetzgeber erweitert dementsprechend die Kompetenzen der ESAs. So sollen die ESAs allgemeine Offenlegungsvorschriften entwickeln, welche einheitlichen Wettbewerbsbedingungen (Level-Playing-Field) dienen und einen fairen Zugang zu Finanzdienstleistungen und Produkten innerhalb der EU gewähren.

Die ESAs sollen künftig auch die Testkäufe (Mystery-Shopping) der zuständigen Aufsichtsbehörden innerhalb der EU koordinieren (siehe Infokasten „Mystery-Shopping“). Da die vorhandenen aufsichtlichen Mittel als ausreichend angesehen werden, ist das Instrument des Mystery-Shoppings im deutschen Finanzaufsichtsrecht derzeit nicht geregelt und wird nicht eingesetzt, so dass diese Vorschrift derzeit keine Wirkung für Deutschland und die BaFin entfaltet.

Definition:Mystery-Shopping

Geschulte Personen von Aufsichtsbehörden oder spezialisierten Agenturen treten als Testkunde bzw. Testkäufer in einer normalen Beratungs-/Einkaufssituation auf. Mystery-Shopping bei Finanzdienstleistungen verfolgt häufig das Ziel, die Qualität der Beratung zu beurteilen. Die Qualitätsbeurteilung erfolgt nach einem zuvor festgelegten Kriterienkatalog.

Erweiterung der Interventionsbefugnisse

Artikel 9 Absatz 5 ihrer Gründungsverordnungen ermächtigt die ESAs bereits heute dazu, in genau geregelten Fällen die Vermarktung, den Vertrieb oder Verkauf bestimmter Finanzprodukte oder Finanztätigkeiten zu untersagen (siehe Infokasten „Produktinterventionsbefugnisse“). Die Überarbeitung dieser bereits bestehenden Produktinterventionsbefugnisse gibt ihnen nun die Möglichkeit, nicht nur aus Gründen der Finanzmarktstabilität gegen Finanzinstrumente einzuschreiten, sondern auch, um erhebliche Schäden von Verbrauchern abzuwenden. Auch wird das Intervall zur Überprüfung bereits erlassener Produktinterventionsentscheidungen von drei auf sechs Monate verlängert. Die BaFin begrüßt diese Verlängerung, da sich die bisherige Frist als sehr kurz erwiesen hat. Dadurch, dass für den Erlass einer Produktinterventionsentscheidung nach wie vor eine Ermächtigung in einem Spezialgesetz erforderlich ist, ufern die Befugnisse der ESAs nicht aus. Weitere bereits bestehende Befugnisse der ESAs können diese nun explizit zu Zwecken des Verbraucher- bzw. Anlegerschutzes ausüben. Dieser ist in diesem Zusammenhang zum eigenständig zu schützenden Rechtsgut aufgewertet worden:

  • Artikel 18 Absatz 3 der überarbeiteten ESA-Gründungsverordnungen ermächtigt EBA, EIOPA und ESMA dazu, in einem Krisenfall auch Maßnahmen zum Verbraucher und Investorenschutz zu ergreifen.
  • Artikel 22 gewährt den ESAs Befugnisse, um systemischen Risiken Rechnung zu tragen. Nach dem nunmehr geänderten Absatz 4 können die ESAs bei Gefahren für Verbraucher oder Investoren ein bestimmtes Finanzprodukt, Institut oder Marktverhalten genauer
    untersuchen.

Auf einen Blick:Produktinterventionsbefugnisse

Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde EBA, die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung EIOPA und die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA verfügen über das Instrument der Produktintervention (siehe BaFinJournal September 2017). Mit diesem können sie die Vermarktung, den Vertrieb und den Verkauf von bestimmten Finanzprodukten beschränken oder sogar verbieten, wenn diese erhebliche Bedenken für den Anlegerschutz aufwerfen oder eine Gefahr für die Stabilität oder Integrität des Finanzsystems oder des Finanzmarkts darstellen.

Verbraucherschützer im Rat der Aufseher

Artikel 40 der drei Gründungsverordnungen bekommt einen zusätzlichen Absatz. Dieser sieht vor, dass auch ein Vertreter der nationalen Verbraucherschutzbehörde zu Sitzungen des Rats der Aufseher hinzugeladen werden kann. Der Rat der Aufseher ist das beschließende Organ bei den Europäischen Aufsichtsbehörden und gibt die Leitlinien für die Arbeiten vor. Die Vorschrift betrifft vor allem Jurisdiktionen, die über keine integrierte Finanzaufsicht verfügen. Die Niederlande und das Vereinigte Königreich besitzen zum Beispiel eigenständige Marktaufsichts-/Verbraucherschutzbehörden. Diese können nun etwa bei EBA und EIOPA neben der für die prudenzielle Aufsicht zuständigen Behörde, die in der Regel reguläres, stimmberechtigtes Mitglied im Rat der Aufseher ist, ebenfalls mit einem Vertreter an den Sitzungen teilnehmen. Sie besitzen jedoch kein Stimmrecht. Auch für die Sitzungen der ESMA sind nunmehr Vertreter der Verbraucherschutzbehörden ohne Stimmrecht teilnahmeberechtigt. Für die BaFin bringt diese Regelung keine praktischen Änderungen mit sich, da sie über ein Mandat zur Wahrung der kollektiven Verbraucherinteressen verfügt und damit bereits Verbraucherschutzaspekte in den Rat der Aufseher einbringen kann.

Zusammenarbeit mit Datenschützern

Auch der gestiegenen Bedeutung des Datenschutzes trägt der ESA-Review Rechnung: Artikel 9 Absatz 4 der Gründungsverordnungen sieht nun vor, dass EBA, EIOPA und ESMA jeweils ein Komitee für Verbraucherschutz und Finanzinnovationen errichten. Alle drei Behörden verfügen bereits über solche Komitees, entweder als ein integriertes Gremium oder in Form von zwei getrennten Gremien. Diese sollen künftig eng mit dem Europäischen Datenschutzausschuss EDSA zusammenarbeiten, um Rechtsunsicherheit in Datenschutzfragen zu vermeiden. Da Verbraucherschutz häufig untrennbar mit Datenschutzfragen einhergeht, bewertet die BaFin diese Vorschrift positiv.

Fazit

Einige der neuen Kompetenzen üben einzelne ESAs bereits jetzt aus. Der ESA-Review hat diese nun aber gesetzlich verankert. Andere Kompetenzen sind ganz oder in Teilen neu. Die neuen Ermächtigungsgrundlagen lassen den ESAs Raum zur Interpretation. Es wird sich daher erst in Zukunft zeigen, wie die ESAs ihre neuen Befugnisse mit Leben füllen.

Autorinnen

Dr. Dorothee Kohleick
Sina Weinhold-Koch
BaFin-Referat für Verbraucherschutz international

Hinweis

Der Beitrag gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im BaFinJournal wieder und wird nicht nachträglich aktualisiert. Bitte beachten Sie die Allgemeinen Nutzungsbedingungen.

Zusatzinformationen

BaFinJournal 06/2019 (Download)

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