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Die Abbildung zeigt einen "Schachtelteufel" ("Jack-in-the-Box") als symbolische Darstellung einer Verpackung mit unbekanntem Inhalt. © istockphoto.com/fergregory

Erscheinung:15.05.2019 | Thema Verbraucherschutz Schöner Name, böse Überraschung

Bei Worst-of-Zertifikaten besteht keine Risikostreuung und Open-End-Zertifikate können nicht unendlich lange gehalten werden

Der deutsche Zertifikatemarkt ist vielfältig – nicht nur an Produkten, sondern auch an Zertifikatekategorien, Produktausgestaltungen und Produktbezeichnungen. Die Marketingnamen von Zertifikaten unterscheiden sich oft von Emittent zu Emittent und können bei Anlegern Missverständnisse hervorrufen. Zu Irritationen kommt es nach Erfahrungen der BaFin beispielsweise bei Worst-of- und Open-End-Zertifikaten. Beide Ausgestaltungsvarianten sind bei einer Vielzahl von verbreiteten Zertifikatekategorien zu finden.

Was sind Zertifikate?

Zertifikate sind Inhaberschuldverschreibungen nach § 2 Absatz 1 Nr. 3 Wertpapierhandelsgesetz (WpHG). Sie orientieren sich an der Wertentwicklung eines Basiswerts wie beispielsweise Aktien, Indizes und Rohstoff-Futures. Der Anleger erwirbt grundsätzlich jedoch keinerlei Rechte an dem Basiswert. Ein Zertifikat verbrieft keine Eigentums- oder Aktionärsrechte, sondern die Zahlung bzw. Rückzahlung eines Geldbetrages bzw. Lieferung eines Basiswerts. Dabei ist die Wertentwicklung des Zertifikats nicht ausschließlich von der Wertentwicklung des Basiswerts abhängig, sondern wird auch von weiteren Faktoren wie zum Beispiel der Volatilität und dem Zeitwert der Anlage beeinflusst.

Als Wertpapiere sind Zertifikate prinzipiell handelbar. Aufgrund von geringerer Liquidität beispielsweise im Vergleich zu Aktien-Standardwerten leitet sich jedoch der Kurs eines Zertifikats in der Regel nicht aus Angebot und Nachfrage ab, sondern wird vom Emittenten durch Market-Making auf Basis von internen Preisbildungsmodellen festgestellt (siehe BaFinJournal Januar 2019). Der Emittent kann allerdings die Preisstellung aussetzen oder den Handel mit den Zertifikaten beenden. Eine Garantie für die Preisfeststellung über Market-Making besteht daher nicht.

Für die Emission bzw. das Angebot von Zertifikaten gelten verschiedene aufsichtsrechtliche Pflichten. So müssen die Emittenten einen Wertpapierprospekt nach Vorgaben des Wertpapierprospektgesetzes (WpPG) erstellen und von der BaFin billigen lassen. Des Weiteren müssen sie ein Basisinformationsblatt (BIB, siehe Infokasten) erstellen und den Zielmarkt bestimmen.

Auf einen Blick:Basisinformationsblatt

Auf Grundlage der Verordnung über Basisinformationsblätter für verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte (PRIIPs-Verordnung) müssen die Emittenten Anlegern für bestimmte Finanzprodukte, zu denen auch Zertifikate zählen, ein einheitliches Informationsblatt zur Verfügung stellen. Ziel dieser Vorgabe ist es, den Anlegerschutz zu stärken und die Produkttransparenz zu verbessern. Der Umfang des Basisinformationsblatts (BIB) ist auf maximal drei DIN-A4-Seiten beschränkt. Die Inhalte bzw. die methodischen Vorgaben sind in aufsichtsrechtlichen Normen festgelegt. Mindestangaben im BIB sind unter anderem ein standardisierter Risikoindikator (siehe Abbildung 1), Kosteninformationen, der Zielmarkt sowie die empfohlene Haltedauer.

Abbildung 1:
Risikokategorisierung im Basisinformationsblatt -
beispielhaft Stufe 7

Darstellung eines Stufendiagrammes mit 7 Stufen. 1 steht für niedrigstes Risiko und 7 höchstes Risiko und ist in roter Farbe gekennzeichnet. BaFin Abbildung 1:  Risikokategorisierung im Basisinformationsblatt -  beispielhaft Stufe 7

Wie schon die Bezeichnung „Schuldverschreibung“ vermuten lässt, ist der Erwerber eines Zertifikats Gläubiger des Emittenten und trägt somit neben dem Risiko, dass sich der Basispreis anders entwickelt als erwartet (Marktrisiko), auch das Risiko, dass der Emittent zahlungsunfähig wird (Emittentenausfallrisiko). Bei Zertifikaten greifen die Einlagensicherungssysteme nicht. Daher besteht keine Rückzahlungsgarantie, und selbst Papiere mit Bezeichnungen wie „Kapitalschutz-Zertifikat“ oder „Garantiezertifikat“ bergen ein inhärentes Emittentenrisiko bis hin zum Totalverlust.

Das faule Ei im Korb: Worst-of-Zertifikate

Bei Worst-of-Zertifikaten handelt es sich um Korb-Zertifikate. Diese beziehen sich nicht auf die Wertentwicklung eines einzelnen Basiswerts, sondern auf eine Vielzahl von Basiswerten. Der Anspruch auf Verzinsung und/oder Rückzahlung hängt je nach Ausgestaltung somit von der Entwicklung mehrerer Basiswerte ab. Dadurch kann das Marktrisiko bei Korb-Zertifikaten grundsätzlich gemindert werden (Risikodiversifikation durch Streuung). Je höher die Anzahl an Basiswerten ist, desto größer ist grundsätzlich auch der Diversifikationseffekt. Die Wahrscheinlichkeit eines Wertverlusts aller Basiswerte sinkt, je höher die Zahl der verschiedenen Basiswerte ist. Verstärkt wird der Diversifikationseffekt bei Basiswerten, die negativ miteinander korreliert sind. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn ein Korb sowohl aus Aktien eines Pharmaunternehmens als auch aus Aktien eines Automobilkonzerns zusammengesetzt ist.

Anders ist es aber bei Worst-of-Zertifikaten. Bei dieser Ausgestaltungsvariante ist ausschließlich der Basiswert mit der schlechtesten Wertentwicklung für die Höhe der Rückzahlung maßgeblich. Die Wertentwicklung der anderen Basiswerte des Korbs ist hingegen nicht ausschlaggebend.

Der Worst-of-Mechanismus kann bei verschiedenen Zertifikatetypen eingebaut werden. Typisch ist eine solche Ausgestaltung etwa bei Aktienanleihen, Express-Zertifikaten und Bonus-Zertifikaten. Der Worst-of-Charakter lässt sich dabei oft nicht direkt den Marketingbezeichnungen der Emittenten entnehmen. Die Zertifikate tragen also das „Worst-of“ nicht unbedingt in ihrem Namen.

Die Funktionsweise des Worst-of-Mechanismus soll im Folgenden anhand eines Multi-Express-Zertifikats – auch das ist eine gängige Marketingbezeichnung – beispielhaft dargestellt werden. Express-Zertifikate haben in der Regel eine Laufzeit von drei bis fünf Jahren und einen jährlichen Beobachtungstag. Zum Zeitpunkt der Emission legt der Emittent zwei verschiedene Ereignisschwellen fest: die Tilgungsschwelle, bei deren Überschreitung die vorzeitige Rückzahlung erfolgt, und die Barriere, bei deren Berührung oder Unterschreitung statt der Rückzahlung des Nennbetrags eine Lieferung der betreffenden Aktien erfolgt.

Beispiel: Multi-Express-Zertifikat mit Worst-of-Struktur

In diesem Beispiel sind sowohl die Rückzahlung als auch die Zinszahlung von der Wertentwicklung der Basiswerte abhängig und mit einem Worst-of-Mechanismus ausgestaltet.

Abbildung 2:
Ermittlung der Rückzahlung eines Multi-Express-Zertifikats mit Worst-of-Struktur

Darstellung einer Grafik, die die Rückzahlung eines Mulit-Express-Zertifikates mit Worst-of-Struktur erläutert BaFin Abbildung 2:  Ermittlung der Rückzahlung eines Multi-Express-Zertifikats mit Worst-of-Struktur

Liegen die Kurse aller Basiswerte an einem der Beobachtungstage auf oder über der Tilgungsschwelle, erfolgt eine vorzeitige Rückzahlung zum Nennbetrag. Das Produkt wird vor dem eigentlich vorgesehenen Laufzeitende fällig, und der Anleger erhält seinen Anlagebetrag zurück. Andernfalls erfolgt die Rückzahlung spätestens zum Laufzeitende. Liegen zum Laufzeitende wiederum die Kurse aller Basiswerte auf oder über der Barriere, erhält der Anleger den Nennbetrag. Sollte jedoch der Kurs mindestens eines Basiswerts unter der Barriere liegen, erfolgt an Stelle der Rückzahlung des Nennbetrags eine Lieferung der Aktien des Basiswerts mit der schlechtesten Wertentwicklung.

Der Anleger erhält eine Zinszahlung, wenn zum Beobachtungstag die Kurse aller Basiswerte auf oder über der Barriere liegen. Liegt jedoch mindestens ein Kurs eines Basiswerts unter der Barriere, entfällt die Zinszahlung.

Tabelle 1 zeigt das Beispiel eines Multi-Express-Zertifikats mit einer Tilgungsschwelle von 90 Prozent des Startwerts, einer Barriere bzw. einem Basispreis von 55 Prozent des Startwerts und einem Nennbetrag von 1.000 Euro. Der dem Zertifikat zugrunde liegende Korb enthält acht Aktien. Betrachtet wird an dieser Stelle exemplarisch nur die letzte Beobachtungsperiode vor dem Laufzeitende.

Tabelle 1:
Beispielhafte Korb-Entwicklung eines Multi-Express-Zertifikats

Die Tabelle zeigt die beispielhafte Korb-Entwicklung eines Multi-Express-Zertifikats    BaFin Tabelle 1: Beispielhafte Korb-Entwicklung eines Multi-Express-Zertifikats

Die Kurse von drei Basiswerten (Aktie 2, Aktie 4 und Aktie 7) liegen zum Beobachtungstag unter der Tilgungsschwelle. Eine frühzeitige Rückzahlung ist somit nicht möglich. Dies ist im vorliegenden Beispiel jedoch auch hinfällig, da die letzte Periode vor Laufzeitende betrachtet wird. Darüber hinaus liegt der Kurs eines Basiswerts (Aktie 4) unter der Barriere. Somit erhielte der Anleger am Laufzeitende nicht den Nennbetrag zurück, sondern die Aktien. Im vorliegenden Beispiel erhielte der Anleger 81 Aktien, welche bei 7,93 Euro notieren.

Neben dieser Ausgestaltungsvariante können Multi-Express-Zertifikate auch so strukturiert sein, dass der Anleger bei Barriereunterschreitung nicht die Aktien geliefert bekommt, sondern einen Auszahlungsbetrag in Höhe des entsprechenden Aktienkurses erhält. Dieser wird von dem Emittenten auf Grundlage des Basispreises bestimmt. Bei einer solchen Ausgestaltung des Auszahlungsmechanismus würde der Anleger im vorliegenden Beispiel statt des Nennbetrags nur 642,62 Euro erhalten (siehe Abbildung 3). Der Anleger würde einen Verlust von etwa 36 Prozent erleiden. Da einer der Basiswerte die Barriere unterschreitet, erfolgt auch für diese Periode keine Zinszahlung.

Abbildung 3:
Berechnung des Auszahlungsbetrags zum Beispiel aus Tabelle 1

Grafik zur Berechnung des Auszahlungsbetrags an einem Beispiel aus Tabelle 1 BaFin Abbildung 3:  Berechnung des Auszahlungsbetrags zum Beispiel aus Tabelle 1

Hohe Komplexität

Aufgrund dieser Ausgestaltungsmerkmale besteht bei Worst-of-Zertifikate eine vergleichsweise hohe Komplexität. Aus Anlegersicht optimal verläuft ein Investment in Worst-of-Zertifikate meist nur, wenn alle Basiswerte an allen Stichtagen über der Barriere liegen und mindestens einer unter der Tilgungsschwelle verbleibt. Das sichert die Zinszahlung und am Ende der Laufzeit die Rückzahlung des vollen Nennbetrags.

Für das höhere Ausfallrisiko bei Korb-Zertifikaten mit Worst-of-Struktur wird auch meist ein höherer Zins-Kupon gezahlt. Somit wird dem Anleger wegen des höheren Risikos, das er bei solchen Zertifikaten zu tragen hat, auch die Aussicht auf eine möglicherweise höhere Rendite gewährt. Für den Anleger ist es aber grundsätzlich schwierig, das übernommene Risiko bzw. das Rendite-Risiko-Verhältnis verlässlich zu bewerten. Der Anleger muss Einschätzungen zu der Wertentwicklung einer Vielzahl von Basiswerten treffen. Darüber hinaus partizipiert er zwar nur an der Wertentwicklung des schlechtesten Basiswerts, trägt jedoch das kumulierte Ausfallrisiko aller Basiswerte des Korbs. Der Anleger muss also die Ausfallwahrscheinlichkeit jedes Basiswerts ermitteln und bewerten.

Bei Korb-Zertifikaten mit Worst-of-Ausgestaltung findet keine Risikostreuung (Diversifikation) wie bei einem herkömmlichen Korb-Produkt statt, sondern eine Risikokonzentration. Weil sich die Höhe der Rückzahlung ausschließlich an dem Basiswert mit der schlechtesten Wertentwicklung orientiert, erfolgt trotz der Vielzahl an Basiswerten keine Risikodiversifikation durch Streuung des Marktrisikos.

Um künftig solche Missverständnisse hinsichtlich Produktbezeichnungen und Produktstrukturen zu vermeiden, hat der Deutsche Derivate Verband (DDV) als Vertreter der deutschen Zertifikate-Emittenten vor kurzem „Grundsätze für die Emission von Worst-of-Schuldverschreibungen zum Vertrieb an Privatkunden in Deutschland“ veröffentlicht. Laut diesen Grundsätzen wird die Bezeichnung „Worst-of-Zertifikat“ vereinheitlicht und auch im Vertrieb dieser Produkte verwendet. Die Emittenten sollen die Grundsätze spätestens bis zum 1. Januar 2020 umsetzen.

Unendlich nur bis zur Kündigung: Open-End-Zertifikate

Open-End-Zertifikate sind Wertpapiere ohne festgelegte Laufzeit bzw. ohne vertraglich definierten Fälligkeitstermin. Die Emittenten haben Produktbezeichnungen mit Schlagwörtern wie „Open-End“, „Endlos“, „Endless“ oder „Unlimited“ hervorgebracht. Die Auszahlung bzw. Desinvestition erfolgt dabei nicht zum Laufzeitende, sondern zum Beispiel, indem der Anleger das Zertifikat ausübt, veräußert oder der Emittent es kündigt. Es ist ein Nachteil für den Kunden, wenn er die Anlage nicht so lange halten kann wie gewollt und teilweise suggeriert.

Wie auch in Bezug auf die Worst-of-Zertifikate handelt es sich bei der Open-End-Ausgestaltung um ein Strukturmerkmal, das in verschiedenen Zertifikatekategorien verwendet wird. Bei Hebelprodukten wie Faktor-Zertifikaten und Knock-Out-Produkten ist sie ein typisches Strukturmerkmal. Aber auch Anlageprodukte wie zum Beispiel Index- und Partizipations-Zertifikate können einen Open-End-Charakter haben. Auf den ersten Blick erscheint das nachvollziehbar, da unter den Begriff „Anlageprodukte“ in der Regel Zertifikate zu fassen sind, die der Anleger langfristig hält, wie es auch bei Open-End-Zertifikaten der Fall zu sein scheint. Das Investment kann für Anleger jedoch auch unfreiwillig kürzer ausfallen.

Kurzfristiges ordentliches Kündigungsrecht für den Emittenten

Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Emittenten von vermeintlich endlosen Open-End-Zertifikaten nicht nur ein außerordentliches Kündigungsrecht für außergewöhnliche Ereignisse haben, sondern auch ein ordentliches Kündigungsrecht mit teils sehr kurzen Fristen. Schon unrentable Absicherungsgeschäfte (Hedging) bzw. unrentables Market-Making oder ein nicht weiter verfügbarer Basiswert können den Emittenten dazu bringen, ein Zertifikat zu kündigen. Gerade bei Spekulationsprodukten wie Faktor-Zertifikaten sollte der Anleger wissen, dass der Emittent das Zertifikat jederzeit zum nächsten Handelstag kündigen kann. Bei vielen Hebelprodukten ist eine Kündigung sogar bereits erstmals zum Ausgabetag möglich.

Insbesondere Anleger, die langfristige Anlageziele verfolgen, könnten die Produktbezeichnung „Open-End-Zertifikat“ missverstehen. Sie ziehen oft den falschen Schluss, dass sie Zertifikate ohne festgelegte Laufzeit so lange halten können, wie sie wollen. Die „unbegrenzte Laufzeit“ besteht für den Anleger jedoch nur bis zu dem Zeitpunkt, zu dem der Emittent das Zertifikat kündigt.

Die Kündigungsfristen machen Open-End-Zertifikate für Anleger so schwer einschätzbar. Sie können in der Regel nicht verlässlich beurteilen, wann der Emittent das Produkt kündigt. Aus Beschwerden ist der BaFin bekannt, dass Anleger ihr Geld nicht selten zu einem unerwünschten Zeitpunkt zurückbekommen. Anders als bei Zertifikaten mit einem festgelegten Fälligkeitstermin rechnen Anleger meist nicht damit, dass die Anlagebeträge auf Initiative des Emittenten an sie zurückfließen.

Weitere Transaktionskosten bei Neuinvestition

Will der Anleger auch nach Kündigung durch den Emittenten auf die Wertentwicklung des Basiswerts setzen, muss er eine Neuinvestition in ein Zertifikat auf den gleichen Basiswert tätigen. Dabei fallen in der Regel erneut Transaktionskosten an.

Wenn dem Anleger nach der Kündigung durch den Emittenten kurzfristig keine Anschlussinvestition gelingt, nimmt er nicht weiter an der Wertentwicklung des Basiswerts teil und verpasst möglicherweise auch eine Werterholung nach vorangegangenen Verlusten (siehe Abbildung 4). Dies ist vor allem bei schwankungsstarken bzw. volatilen Basiswerten zu beobachten.

Abbildung 4:
Beispiel einer Wertaufholung bei Open-End-Anlagezertifikaten ohne Neuinvestition

Abbildung einer Wertentwicklung bei Open-End-Anlagezertifikaten ohne Neuinvestition BaFin Abbildung 4:  Beispiel einer Wertaufholung bei Open-End-Anlagezertifikaten ohne Neuinvestition

In dem abgebildeten Beispiel kündigt der Emittent das Open-End-Anlagezertifikat nach 31 Tagen (T31). Der Anleger erleidet dadurch einen Verlust von 26,6 Prozent. An den späteren Kursgewinnen kann er nur durch direkte Wiederanlage in ein vergleichbares Zertifikat auf diesen Basiswert teilhaben. Der Kurs des Basiswerts steigt im weiteren Zeitverlauf wieder leicht an. Ohne Kündigung hätte der Anleger das Zertifikat länger halten können und die zwischenzeitlichen Verluste reduziert. Bei einem Verkauf zum Zeitpunkt T46 hätte sich der Verlust auf nur 12,5 Prozent belaufen.

Um Missverständnissen vorzubeugen, hat der DDV Erläuterungen zu den Kündigungsrechten bei Open-End-Zertifikaten veröffentlicht. Er hat auch Mindeststandards zu Kündigungsfristen festgelegt. Demnach sollen Anlagezertifikate, die über einen Anlagehorizont von drei bis fünf Jahren verfügen, eine Mindestkündigungsfrist von einem Monat haben. Zertifikate, die einen Anlagehorizont von unter einem Jahr haben, können dagegen weiterhin eine Mindestkündigungsfrist von einem Tag aufweisen.

Was sollten Anleger beachten?

Auf einen Blick:Kontrollfragen für Anleger vor einem Zertifikate-Investment:

  • Habe ich das Produkt und die Risiken verstanden?
  • Entspricht das Produkt meiner Risikoneigung?

    • Bin ich bereit, das Risiko einzugehen?
    • Bin ich in der Lage, das Risiko finanziell zu tragen?
  • Entspricht das Produkt meiner Anlagestrategie?
  • Habe ich die Auszahlungsmechanismen und die Kostenstruktur verstanden?

Bevor Anleger in Zertifikate investieren, sollten sie sich deren Risiken bewusst sein. Anleger tragen – wie oben beschrieben – stets das Emittentenausfallrisiko und darüber hinaus in der Regel auch das Marktrisiko der Basiswerte. Wer sein Geld in Zertifikate investiert, geht immer das Risiko eines Totalverlusts ein. Zu beachten ist auch, dass nicht alle Zertifikate für jeden Anleger geeignet sind. Hebel- oder Spekulationsprodukte wie Optionsscheine, Knock-Out-Zertifikate und Faktor-Zertifikate setzen vertiefte Kenntnisse und Erfahrungen im Handeln von strukturierten Finanzinstrumenten voraus.

Anleger sollten sich vorab in Ruhe bestimmte Kontrollfragen stellen und ein Investment nur dann weiterverfolgen, wenn sie alle Fragen bejahen können (siehe Infokasten). Die Emittenten sind verpflichtet, dem Anleger die wichtigsten Informationen zur Verfügung zu stellen. Zu den öffentlich verfügbaren Dokumenten zählen zum Beispiel der Wertpapierprospekt, die endgültigen Bedingungen und das BIB.

Zusammenfassung

Zertifikate können mit bestimmten Produktbesonderheiten bzw. Strukturmerkmalen ausgestattet sein, die sich auf den ersten Blick nicht aus den Marketing- bzw. Produktbezeichnungen ergeben.

Abbildung 5:
Zusammenfassung der Produktbesonderheiten von Worst-of-Korb- und Open-End-Zertifikaten

Abbildung der Produktbesonderheiten von Worst-of-Korb- und Open-End-Zertifikaten BaFin Abbildung 5:  Zusammenfassung der Produktbesonderheiten von Worst-of-Korb- und Open-End-Zertifikaten

Bei Worst-of-Zertifikaten sollten Anleger beachten, dass es sich zwar um Zertifikate mit einer Vielzahl an Basiswerten handelt, die Höhe der Rück- oder Zinszahlung jedoch anhand des Basiswerts mit der schlechtesten Wertentwicklung bemessen wird. Insofern liegt keine möglicherweise vom Anleger angestrebte Risikostreuung, sondern eine Risikokonzentration (siehe Abbildung 5) vor.

Auch bei Open-End-Zertifikaten kann es aufgrund der Produktbezeichnungen zu Missverständnissen kommen. Der Emittent räumt sich bei diesen Produkten ein ordentliches Kündigungsrecht mit einer mitunter kurzen Kündigungsfrist von nur einem Tag ein. Der Anleger kann das Zertifikat daher mithin nicht nach Belieben unendlich halten, auch wenn Produktbezeichnungen wie „Open-End“, „Endlos“ oder „Unlimited“ diesen Anschein erwecken können. Insbesondere wenn Anleger eine langfristige Investition anstreben, sollten sie die Kündigungsrechte des Emittenten beachten.

Anleger sollten sich daher der Risiken, die mit einer Anlage in Zertifikate einhergehen, bewusst sein. Vor allem sollten sie die Produktbesonderheiten beachten und die Funktionsweise genau nachvollziehen können. Es ist hilfreich, sich vorab bestimmte Kontrollfragen zu stellen.

Hinweis

Der Beitrag gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im BaFinJournal wieder und wird nicht nachträglich aktualisiert. Bitte beachten Sie die Allgemeinen Nutzungsbedingungen.

Zusatzinformationen

BaFinJournal 05/2019 (Download)

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