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Die Abbildung zeigt das Direktorium der BaFin sowie die Pressesprecherin des Präsidenten auf der Jahrespressekonferenz 2019. © BaFin

Erscheinung:15.05.2019 BaFin-Jahrespressekonferenz

Finanzaufseher ohne Sheriffstern

Mehr als 60 Journalisten, dutzende Nachfragen und fast drei Stunden: BaFin-Präsident Felix Hufeld und die Exekutivdirektoren haben in Frankfurt am Main die längste Jahrespressekonferenz in der Geschichte der Finanzaufsicht gegeben.

Den Sheriffstern hat sich Felix Hufeld an diesem Morgen nicht ans Revers seines schwarzen Anzugs geheftet. Die goldene Dienstmarke der US-Polizisten kennt der BaFin-Präsident nur aus Filmen. „Wir sind nicht im Wilden Westen, sondern ein Rechtsstaat“, sagt Hufeld zum Auftakt der Jahrespressekonferenz seiner Bundesbehörde, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht.

Damit will er mit falschen Erwartungen an die Aufsicht aufräumen. Man könne nicht mit einem Sheriffstern an der Brust losreiten und irgendwelche Verdächtigen wie mutmaßliche Geldwäscher verhaften, sagt er. Hinweise auf Straftaten geben die Aufseher an Polizei und Staatsanwaltschaft weiter. Wenn die Strafverfolger dann ermittelten, bedeute es nicht, dass die BaFin geschlafen habe – im Gegenteil. „Sich um des vermeintlichen Erfolgs willen zu einer Behörde mit Allzuständigkeit aufzuschwingen, oder zu einer solchen gemacht zu werden“, erklärt der BaFin-Präsident, „wäre rechtsstaatlich bedenklich.“

Wie groß das Interesse der Öffentlichkeit an der BaFin ist, lässt sich allein an einer Zahl ablesen: Mehr als 60 Finanz- und Wirtschaftsjournalisten nationaler wie internationaler Presse und Fernsehsender sind Anfang Mai der Einladung zur diesjährigen Jahrespressekonferenz nach Frankfurt am Main gefolgt. Für sie ist es ein Pflichttermin, wenn BaFin-Präsident Hufeld und die weiteren Exekutivdirektoren einmal im Jahr Bilanz ziehen.

Mit einer Dauer von fast drei Stunden war es zudem die längste Pressekonferenz in der Geschichte der Finanzaufsicht. Der Grund: Die Journalisten stellten dem gesamten BaFin-Direktorium dutzende Fragen.

Die gescheiterte Fusion von Deutscher Bank und Commerzbank, die vermeintlichen Fehler der Aufsichtsbehörden in Estland und Dänemark im Geldwäscheskandal der Danske Bank, die Ermittlungen beim Zahlungsdienstleister Wirecard und die Finanzlage von Pensionskassen standen im Mittelpunkt der Fragen. Auch eine neue Arbeitseinheit in der BaFin, eine Art Intensivstation für kriselnde Banken, lässt Journalisten aufhorchen.

Wie steht es derzeit um Deutschlands Finanzsystem? „Alles in allem ist der Finanzsektor heute stabiler und widerstandsfähiger als vor Ausbruch der Subprime-Krise“, schätzt BaFin-Präsident Hufeld die Lage ein. Banken hielten mehr Eigenkapital vor und hätten sich ein Liquiditätspolster zugelegt. „Doch selbst der historisch einmalige regulatorische Kraftakt nach Ausbruch der Krise hat weder die alten Risiken abgeschafft, noch sämtliche neuen Herausforderungen vorweggenommen“, sagt er.

„Die beste Regulierung kann keine Krisen verhindern“

Ständige Wachsamkeit sei daher das höchste Gebot für Finanzaufseher. Andernfalls könnten sie von Risiken überrollt werden – so wie vor knapp zehn Jahren bei Ausbruch der Subprime-Krise. Seither hätten die Aufseher neue Instrumente zur Hand. Dank maßgeschneiderter Abwicklungspläne seien sie in der Lage, Banken geordnet abzuwickeln. Doch Krisen, gibt Hufeld offen zu, könne auch die beste Regulierung nicht verhindern.

Gleich mehrere Sorgen treiben den BaFin-Präsidenten derzeit um. Die mangelhafte Profitabilität und die geringen Sparbemühungen der Banken gehören dazu. „Da vermisse ich den gebotenen Rumms, den wir in diesem Kontext in Deutschland einfach brauchen“, sagt Hufeld. Seit der Subprime-Krise seien die Gesamtkosten der deutschen Kreditwirtschaft noch weiter gestiegen. Betroffen seien Sparkassen und Volksbanken genauso wie private Großbanken. „Das zeigt mir, dass der Druck immer noch nicht hoch genug ist“, sagt Hufeld.

Obwohl Sparpläne in den Instituten bereitlägen, mangele es an Umsetzungswillen und Härte. „Die Vorstände der Banken müssen dieses Thema ganz oben auf die Tagesordnung setzen“, mahnt der BaFin-Präsident. „Wenn wir als Aufseher die Institute nicht auf das Problem hinweisen, hätten wir versagt.“

Oberster Bankenaufseher sieht Finanzstabilität in Gefahr

Auch Raimund Röseler, Exekutivdirektor für die Bankenaufsicht bei der BaFin, greift Banken gegenüber härter durch. Anfang des Jahres hat er eine eigene Einheit für kriselnde Institute gegründet, die von ihr eng beaufsichtigt werden. „Es sind Banken auf der Intensivstation“, sagt er. Derzeit stehe eine einstellige Zahl an Instituten unter Sonderbeobachtung. „Wir betreiben Vorsorge, solange die Konjunktur noch gut ist, um gerüstet zu sein, wenn es tatsächlich zu einem Abschwung kommt“, erklärt der oberste Bankenaufseher.

Zugleich sieht er die Finanzstabilität in Gefahr, da es zu einer „möglichen Erosion der Kreditvergabestandards in Verbindung mit einer reduzierten Risikovorsorge“ kommen könne. „Es ist sehr viel Liquidität im Markt, bei einer gleichzeitig begrenzten Kreditnachfrage. In einem solchen Umfeld könnte manche Bank den Anreiz verspüren, Kredite aggressiv und zu besonders guten Konditionen zu vergeben“, sagt Röseler. Die BaFin habe daher die Sorge, dass die Institute ihre Anforderungen an die Bonität ihrer Kreditnehmer oder die Qualität ihrer Kreditsicherheiten aufweichen und zugleich nicht ausreichend Risikovorsorge betreiben könnten. Mit der Bundesbank hat die BaFin daher eine Umfrage zu den Vergabestandards bei knapp 100 Instituten in Deutschland erhoben (siehe BaFinJournal April 2019). Die Ergebnisse stehen noch aus.

Röselers Warnungen folgen auf ein Jahrzehnt, in dem die deutsche Wirtschaft fast durchgängig gewachsen und die Quote der notleidenden Kredite deutlich gesunken ist. Er weist darauf hin, dass die Bundesregierung und die fünf führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute ihre Prognosen zuletzt allerdings deutlich gesenkt hätten.

Auf Nachfrage wehrt sich Röseler gegen den Vorwurf, die BaFin habe im Entscheidungsgremium der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde EBA mit weiteren europäischen Bankenaufsehern gegen die Empfehlung einer Untersuchungskommission gestimmt. Der Hintergrund: Den Aufsichtsbehörden in Estland und Dänemark wurden im Umgang mit dem Danske-Geldwäscheskandal Verstöße gegen EU-Recht unterstellt. Beide Behörden hätten untereinander zu wenige Informationen ausgetauscht, um den Fall aufzudecken.

Röseler erklärt, er sei als Exekutivdirektor selber Teil des Gremiums gewesen, dass die kritische Empfehlung ausgesprochen habe. Später in der entscheidenden EBA-Sitzung seien dann neue Fakten präsentiert worden. Der Vorwurf eines Rechtsbruchs ließ sich nicht mehr aufrechthalten. Daraufhin habe er sein „Urteil aus gutem Grund revidiert“. Dennoch sei der Beschluss des EBA-Gremiums „kein Freispruch erster Klasse“. Es habe Aufsichtsfehler gegeben, die derzeit aufgearbeitet würden.

Geldwäschebekämpfung funktioniert am besten international

Aus diversen Geldwäscheskandalen in Europa zieht Dr. Thorsten Pötzsch, Exekutivdirektor für Abwicklung, der bei der BaFin auch für die Geldwäscheprävention zuständig ist, den Schluss: „Während Gesetzesbrecher mehrfach nachweisen konnten, wie erfolgreich sie grenzüberschreitend zusammenarbeiten, endeten die Kompetenzen von Polizei, Justiz und Aufsicht bei der Geldwäschebekämpfung meist an nationalen Schlagbäumen.“ Die Aufsichtsbehörden der einzelnen EU-Staaten müssten daher bei der Geldwäschebekämpfung noch effizienter zusammenarbeiten, mahnt er.

Die gemeinsame EU-Geldwäscherichtlinie setzen die einzelnen EU-Staaten unterschiedlich um. „Dass es bislang noch keine einheitlichen Regelungen in Europa gab, hat vor allem einer Gruppe genutzt: den Gesetzesbrechern.“ Dass die Politik nun regulatorisch aktiv werde, sei gut so. Insbesondere der Aktionsplan des EU-Ministerrats und die Roadmap der EU-Kommission sollen in Europa Konvergenz in der Aufsicht, also europaweite einheitliche Vorschriften, bringen.

Dass die EBA künftig Untersuchungen auf nationaler Ebene erzwingen und notfalls selbst als Aufsicht handeln könne, lobt Pötzsch. Ein „Aufseher der Aufseher“ dürfe die EBA hingegen nicht werden.

MiFID II – eine gemischte Zwischenbilanz

Anderthalb Jahre nach Inkrafttreten wird die zweite europäische Finanzmarktrichtlinie (Markets in Financial Instruments Directive II – MiFID II) immer noch kontrovers diskutiert. „Marktuntersuchungen der BaFin zeigen allerdings, dass sich bei den meisten Unternehmen die Prozesse geräuschloser eingespielt haben, als wir dies beim Umfang des Regelwerks erwarten durften“, erklärt Elisabeth Roegele, Vizepräsidentin und Exekutivdirektorin für Wertpapierhandel bei der BaFin.

Was die zentralen Verhaltenspflichten von Unternehmen gegenüber Anlegern betrifft, sieht sie allerdings noch Handlungsbedarf. Obwohl die Institute bei den Kostenvoranschlägen, den Ex-ante-Kosteninformationen (siehe BaFinJournal Juli 2018), vor allem in der Prognosequalität Fortschritte erzielt hätten, fielen die Kosteninformationen für die Kunden noch immer sehr unterschiedlich aus. „Das macht einen echten Kostenvergleich unmöglich“, weiß Roegele. Im Hinblick auf einheitliche Standards müsse daher auf europäischer Ebene noch einmal nachjustiert und an Kompromissen gearbeitet werden.

Bei den Geeignetheitserklärungen (siehe BaFinJournal September 2018) – also den schriftlichen Erklärungen, in denen Finanzberater Kunden im Anschluss an eine Anlageberatung erklären, warum ihre Empfehlung, etwa ein bestimmtes Finanzprodukt zu kaufen, zum jeweiligen Kunden passt – erfüllen noch zuviele Unternehmen die Vorgaben nicht vollständig. „Damit können wir uns nicht zufrieden geben“, sagt Roegele.

So gut wie fehlerfrei zeichnen Bankenmitarbeiter Roegele zufolge jene Beratungsgespräche per Telefon auf, die zu Wertpapiergeschäften führen können (siehe BaFinJournal Juni 2018). Sie sei zufrieden, wie die Institute die Vorgaben zur Telefonaufzeichnung (Taping) inzwischen umsetzten.

Hinweis:Reden

Die Reden des Präsidenten und der Exekutivdirektoren sind auf der Internetseite der BaFin veröffentlicht.

Solvency II soll noch besser werden

Diese Kritik am europäischen Aufsichtsregime für Versicherer, Solvency II, hört Dr. Frank Grund des Öfteren: „aufgebläht, zahlenfixiert und bürokratisch“. Doch der Exekutivdirektor für Versicherungs- und Pensionsfondsaufsicht teilt diese Meinung nicht unbedingt. „Solvency II hat sich als marktwertbasiertes System bewährt und das Risikomanagement verbessert.“

Wie gesetzlich auf EU-Ebene vorgegeben, wird Solvency II derzeit überprüft. Bis Mitte 2020 müssen sich die Aufsichtsbehörden der Mitgliedsstaaten und die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung EIOPA auf eine Technische Empfehlung an die EU-Kommission einigen. Mit dem Review, meint Grund, könne Solvency II noch besser werden. Das betreffe vor allem die Standardformel, das Langfristgeschäft und das Berichtswesen.

Auf jeden Fall müssten seiner Meinung nach negative Zinsen bei der Standardformel, mit der Versicherer ihre Solvabilitätskapitalanforderung berechnen, berücksichtigt werden, wie das bei internen Modellen schon der Fall ist. Im Moment gehe das Standardmodell davon aus, dass es Negativzinsen nicht gibt.

„Der Solvency-II-Review muss auch die Bedürfnisse des Langfristgeschäfts angemessen widerspiegeln“, sagt Grund. Lebensversicherungen müssten ihre Verpflichtungen gegenüber Kunden in der Regel zu einem Zeitpunkt erfüllen, der bisweilen weit in der Zukunft liegen könne. „Lebensversicherer können Schwankungen in der Kapitalanlage aussitzen“, erklärt er. Das müsse sich bei den Kapitalanforderungen zeigen.

Grund spricht sich dafür aus, die Proportionalität zu schärfen (siehe BaFinJournal März 2019), also kleine und risikoärmere Versicherer anders zu behandeln als große und risikoreichere. Regulierung und Aufsicht müssten an Art, Umfang und Komplexität von Risiken von Unternehmen ausgerichtet werden.

Die Zahl der Pensionskassen, die intensiv beaufsichtigt werden müssten, sei, so Grund, innerhalb eines Jahres von 45 auf 31 gefallen. Das bewertet er als Erfolg der Aufsicht.

Die BaFin digitalisiert sich weiter

Auch innerhalb der Bundesbehörde gibt es derzeit reichlich Bewegung. „Die BaFin befindet sich mitten im digitalen Wandel“, erklärt Béatrice Freiwald. Die Exekutivdirektorin für Innere Verwaltung und Recht bei der BaFin forciert die Digitalisierung der Finanzaufsicht. Zugleich stellt sie Effizienzgewinne in Aussicht.

„Die Binnendigitalisierung ist einer der Grundpfeiler der Digitalisierungsstrategie der BaFin“, sagt sie. Künftig werde ein Chief Digital Officer (CDO) die Digitalisierungsaktivitäten der BaFin bündeln und mit seinen Kolleginnen und Kollegen aus dem Digital-Office im Blick behalten, dass sich die Prozesse weiter verbessern.

„Digitaler werden muss ebenfalls die Kommunikation mit den von uns beaufsichtigen Unternehmen“, sagt Freiwald. Die BaFin habe schon einen Großteil ihrer Aufsichts- und Unterstützungsprozesse digitalisiert. Die Unternehmen könnten schon verschiedene Meldeverfahren nutzen, um auf elektronischem Wege Daten bei der BaFin einzureichen. Diese Möglichkeiten wolle die Aufsicht weiter ausbauen.

Auf Nachfrage ordnet Freiwald ein, warum der Etat der BaFin in den vergangenen Jahren gestiegen sei. Bei der Betrachtung der Kosten müsse man beachten, dass der BaFin zuletzt zahlreiche neue Aufgaben zugeschrieben worden seien, erklärt die Exekutivdirektorin für Innere Verwaltung und Recht. Mit der Nationalen Abwicklungsbehörde habe man zum Beispiel eine ganze Behörde in die BaFin integriert.

Hinweis:Jahresbericht

Zur Jahrespressekonferenz hat die BaFin auch ihren Jahresbericht 2018 veröffentlicht. Er ist auf ihrer Internetseite abrufbar.

Hinweis

Der Beitrag gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im BaFinJournal wieder und wird nicht nachträglich aktualisiert. Bitte beachten Sie die Allgemeinen Nutzungsbedingungen.

Zusatzinformationen

BaFinJournal 05/2019 (Download)

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