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Erscheinung:15.04.2017 | Thema Solvabilität Captives: BaFin lädt konzerneigene Versicherungsunternehmen zum Austausch

BaFin-Exekutivdirektor Dr. Frank Grund und weitere Experten der Versicherungsaufsicht trafen sich im März mit Vertretern konzerneigener Versicherungsunternehmen, sogenannten Captives, in Bonn zum Austausch. Die 20 Teilnehmer repräsentierten fast alle deutschen Captives, darunter die von BASF, Siemens und Metro. Auch der europäische Verband der Captive-Eigentümer (European Captive Insurance and Reinsurance Owners‘ Association – ECIROA) nahm an der Veranstaltung teil.

Im Mittelpunkt der Diskussionen stand die Anwendung des Proportionalitätsgrundsatzes1) unter dem europäischen Aufsichtsregime Solvency II. Dieser besagt, dass die Anforderungen von Solvency II so zu erfüllen sind, dass sie der Art, dem Umfang und der Komplexität der Risiken des individuellen Unternehmens gerecht werden. Verglichen mit großen Versicherungsunternehmen stellen Captives ein vergleichsweise geringes Risiko für den deutschen Versicherungsmarkt dar, da sie in eine Nichtversicherungs-Unternehmensgruppe eingebunden sind. Sie versichern Risiken, die im Konzern selbst entstehen und die sie in der Regel gut überblicken können.

Viele Captive-Vertreter sind der Ansicht, dass Solvency II ihrem besonderen Geschäftsmodell nicht ausreichend Rechnung trägt. Die vorgesehenen Erleichterungen bleiben weit hinter ihren Erwartungen zurück. Den Captives ist daher an einer möglichst weiten Auslegung des Proportionalitätsgrundsatzes gelegen. Exekutivdirektor Grund betonte, auch der BaFin gehe es um eine risikoadäquate, proportionale Behandlung der Captives. Darum lege sie so viel Wert auf den direkten Kontakt mit den Unternehmen.

Definition:Captive

Captive (Re)Insurance Undertakings – kurz Captives – sind Erst- oder Rückversicherer, die einem Industrie-, Handels- oder Finanzunternehmen gehören, welches selbst kein Versicherer oder Rückversicherer ist, und die primär die Risiken der Eigentümer übernehmen. Werden auch gruppenexterne Risiken abgesichert, handelt es sich nicht um eine Captive im Sinne von Solvency II. Gleichwohl greifen die Überlegungen in Bezug auf die Proportionalität weitgehend auch hier. Captives gehören meist zu großen Konzernen, da für das firmeneigaptive (Re)Insurance Undertakings – kurz Captives – sind Erst- oder Rückversicherer, die einem Industrie-, Handels- oder Finanzunternehmen gehören, welches selbst kein Versicherer oder Rückversicherer ist, und die primär die Risiken der Eigentümer übernehmen. Werden auch gruppenexterne Risiken abgesichert, handelt es sich nicht um eine Captive im Sinne von Solvency II. Gleichwohl greifen die Überlegungen in Bezug auf die Proportionalität weitgehend auch hier. Captives gehören meist zu großen Konzernen, da für das firmeneigene Versicherungsportfolio eine gewisse Betriebsgröße erreicht sein muss. Erstversicherungs-Captives übernehmen Konzernrisiken direkt; Rückversicherungs-Captives übernehmen einen Teil dieser Risiken über einen zugelassenen Erstversicherer.ene Versicherungsportfolio eine gewisse Betriebsgröße erreicht sein muss. Erstversicherungs-Captives übernehmen Konzernrisiken direkt; Rückversicherungs-Captives übernehmen einen Teil dieser Risiken über einen zugelassenen Erstversicherer.

Herausforderungen für Captives

Für Captives ist es mit erheblichem Aufwand verbunden, die Solvency-II-Regeln adäquat umzusetzen. Nach Holger Kraus, RISICOM Rückversicherung AG, stehen Captives in einem Spannungsfeld: Einerseits müssten sie hohe aufsichtsrechtliche Anforderungen erfüllen, was mit steigenden Betriebskosten einhergehe. Andererseits sei das Versicherungsgeschäft für die jeweilige Konzernmutter kein Kerngeschäft, so dass der Fokus weniger auf der Combined Ratio (Schaden-Kosten-Quote) liege als vielmehr auf den Betriebskosten. Daher bestehe die Gefahr, dass der Betrieb einer Captive konzernintern unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten zunehmend kritisch gesehen werde.

Auch die Berichterstattungspflichten stellten für viele Captives eine Herausforderung dar, berichteten Unternehmensvertreter. Alle Solvency-II-Unternehmen müssen einmal pro Quartal sowie jährlich quantitative Meldungen bei der BaFin einreichen. Darüber hinaus müssen sie jedes Jahr einen ORSA-Bericht2) sowie für die Öffentlichkeit einen Solvabilitäts- und Finanzbericht (Solvency and Financial Condition Report – SFCR) erstellen, der bei bestimmten Änderungen auch unterjährig zu aktualisieren ist. Hinzu kommt mindestens alle drei Jahre ein Bericht an die Aufsichtsbehörde (Regular Supervisory Report – RSR), dessen Frequenz diese nach bestimmten Kriterien unternehmensindividuell festlegt.

Nach Proportionalitätsgesichtspunkten seien Vereinfachungen möglich, sagte BaFin-Referatsleiterin Ricarda Maier. „Auf Antrag können Unternehmen im Einzelfall von bestimmten Berichtspflichten befreit werden. Das rechtliche Rahmenwerk verlassen können wir aber nicht.“ So sei weder eine generelle Befreiung von der Einreichung der narrativen Berichte noch von der quantitativen Berichterstattung möglich, erklärten Viktoria Klepke und Anja Graham (beide BaFin).

Die Unternehmensvertreter kritisierten insbesondere den SFCR: Bei Captives fehle es an einem entsprechend interessierten Publikum. „Der SFCR dient nicht nur der Information der Öffentlichkeit, sondern auch der Aufsicht“, hielt BaFin-Referentin Sibylle Schulz entgegen. Die BaFin werde aber auch die Berichte unter Berücksichtigung der Proportionalität prüfen.

Bündeln und Ausgliedern von Funktionen

Die Teilnehmer erörterten auch die Bündelung und Ausgliederung von Schlüsselfunktionen. Solvency II sieht vier Schlüsselfunktionen vor: die unabhängige Risikocontrolling-Funktion, die Compliance-Funktion, die Interne Revision und die Versicherungsmathematische Funktion. Viele Captives sind personell schwach besetzt – sie bestehen teilweise lediglich aus einigen Vorstandsmitgliedern. Nach Proportionalitätsgrundsätzen können Schlüsselfunktionen zusammengefasst werden, wenn dies mit dem Risikoprofil des Unternehmens vereinbar ist. „Risikoaufbauende und risikokontrollierende Funktionen sind jedoch zu trennen“, erinnerte BaFin-Referent Dr. Marco Henkel. Interessenkonflikte seien generell zu vermeiden.

Werden Schlüsselfunktionen ausgegliedert, muss das Unternehmen einen Ausgliederungsbeauftragten bestellen. Diese Rolle kann ein Vorstandsmitglied übernehmen, wenn die Zuständigkeiten angemessen getrennt sind und alle Aufgaben ordnungsgemäß erfüllt werden.

Aufsichtsratsmitglieder und Vorstände

Bei Aufsichtsratsmitgliedern ist insbesondere die fachliche Eignung ein wichtiges Thema. Häufig werden Mitarbeiter anderer Konzernunternehmen in den Aufsichtsrat einer Captive entsandt. „Die BaFin berücksichtigt dann auch deren berufliche Erfahrungen aus dem Nichtversicherungsbereich“, sagte Aufseher Christian Elbers. Gegebenenfalls müssten die Aufsichtsratsmitglieder Fortbildungen absolvieren.

Auch die neuen Regeln für die Vergütung von Versicherungsvorständen kamen zur Sprache. Die Delegierte Verordnung zur Ergänzung von Solvency II enthält – ebenso wie das Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) – Vorgaben zur Vergütung als Teil einer ordnungsgemäßen Geschäftsführung. BaFin-Experte Kaj Hanefeld sagte, es gebe keine Übergangsfrist; Altverträge gälten jedoch fort. Sie seien im Sinne einer Hinwirkungspflicht anzupassen, sobald sich die Gelegenheit biete. Die Vergütung könne fest oder variabel gestaltet sein. Eine variable Vergütung dürfe sich jedoch nicht an Kennzahlen orientieren, die nicht zum Versicherungsgeschäft gehören.

Blick nach Europa

Unternehmensvertreter brachten auch zur Sprache, dass die EU-Mitgliedstaaten die Solvency-II-Vorschriften aus ihrer Sicht unterschiedlich streng auf Captives anwenden. Eine Vereinheitlichung der Aufsichtspraxis in der EU sei wünschenswert.

Auch die BaFin habe großes Interesse an einer europaweit einheitlichen Anwendung der Vorgaben, erklärte Exekutivdirektor Grund. „Sie wird den Unterschieden nachgehen“, kündigte er an.

Hinweis

Der Beitrag gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im BaFinJournal wieder und wird nicht nachträglich aktualisiert. Bitte beachten Sie die Allgemeinen Nutzungsbedingungen.

Fußnoten:

  1. 1) Zum Thema Proportionalität bei Banken siehe Interview „Das Thema Proportionalität drängt“.
  2. 2) ORSA: Own Risk and Solvency Assessment – Unternehmenseigene Risiko- und Solvabilitätsbeurteilung.

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