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Erscheinung:16.02.2017 Asset-Management: FSB verabschiedet Empfehlungen zur Reduzierung struktureller Risiken

Der Finanzstabilitätsrat FSB hat Empfehlungen zur Reduzierung struktureller Risiken im Asset-Management-Sektor verabschiedet. Sie zielen darauf ab, Regulierungslücken zu schließen und so Finanzstabilitätsrisiken bei Fonds entgegenzuwirken, die aus der Liquiditätsinkongruenz, dem Verschuldungsgrad (Leverage), operationellen Risiken und Risiken im Zusammenhang mit Wertpapierleihgeschäften entstehen können. Von zentraler Bedeutung sind für das FSB die Risiken aus der Liquiditätsinkongruenz und dem Leverage. Zwölf der insgesamt 14 Empfehlungen betreffen diese beiden Bereiche.

Die Empfehlungen des FSBs besitzen eher richtungsgebenden Charakter. Um diese in konkrete aufsichtliche Standards zu überführen, sind zum Teil weitere technische Arbeiten erforderlich. Die Internationale Vereinigung der Wertpapieraufsichtsbehörden IOSCO wird die meisten Empfehlungen deshalb weiter konkretisieren und operationalisieren. Die zur Liquiditätsinkongruenz soll IOSCO bis Ende 2017 umsetzen, die zum Verschuldungsgrad bis Ende 2018. Das FSB wird die Umsetzung eng begleiten und regelmäßig überprüfen.

Auf einen Blick:Asset-Management

Beim Asset-Management geht es um die kollektive Verwaltung von Investmentvermögen. Verantwortlich dafür ist der Asset-Manager, der im deutschen Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) als Verwaltungsgesellschaft bezeichnet wird. Die kollektive Vermögensverwaltung umfasst insbesondere die Portfolioverwaltung, das Risikomanagement und andere administrative Tätigkeiten. Im Gegensatz zu Kreditinstituten, die Geschäfte auf eigenes Risiko tätigen, agiert der Asset-Manager nach einer Anlagestrategie, die in den Anlagebedingungen festgelegt ist. Da er für Rechnung des Investmentvermögens handelt, kommen den Anlegern einerseits die Gewinne zugute, andererseits tragen sie jedoch auch das Verlustrisiko.

Das Investmentvermögen ist rechtlich getrennt vom Vermögen der Verwaltungsgesellschaft. Verbriefte Anteile an solchen Sondervermögen werden als Anteilscheine bezeichnet. Verwahrt werden die Vermögensgegenstände eines Fonds von sogenannten Verwahrstellen. Dabei handelt es sich in der Regel um Kreditinstitute.

Regulierung marktbasierter Finanzierungsformen

Die Empfehlungen sind Teil einer breiter angelegten Initiative des Finanzstabilitätsrats zur Stärkung der Regulierung widerstandsfähiger, marktbasierter Finanzierungsformen. Obgleich der Asset-Management-Sektor – ausgenommen Geldmarktfonds – während der Finanzkrise keine signifikanten Finanzstabilitätsrisiken offenbart hat, erschien es dem FSB dennoch angebracht, den Sektor genauer zu beleuchten, denn das global verwaltete Fondsvermögen ist in den vergangenen Jahren rasant gewachsen. Betrug es im Jahr 2005 noch 53,6 Billionen US-Dollar, waren es 2015 bereits 76,7 Billionen. Das entspricht ungefähr 40 Prozent der Aktiva des globalen Finanzsystems.

Einerseits kann eine verstärkte marktbasierte Intermediation dazu beitragen, dass der Wettbewerb gestärkt und Mittel effizient eingesetzt werden. Andererseits sind in den vergangenen Jahren angesichts der anhaltend niedrigen Zinsen auch vermehrt Anlagen in weniger liquide Asset-Klassen geflossen. Investmentfonds, die in diese Asset-Klassen investiert haben und zugleich die kurzfristige Rücknahme von Anteilscheinen ermöglichen, könnten bei unerwarteten größeren Mittelabflüssen gezwungen sein, Vermögensgegenstände mit erheblichen Preisabschlägen zu veräußern. Dies könnte unter bestimmten Voraussetzungen dazu führen, dass die Marktvolatilität steigt und Ansteckungseffekte auf andere Asset-Klassen entstehen. Im schlimmsten Fall drohen negative Auswirkungen auf die gesamte Finanz- und Realwirtschaft.

Liquiditätsinkongruenz

Risiken aus der Liquiditätsinkongruenz können insbesondere dann entstehen, wenn offene Investmentfonds in illiquide Vermögensgegenstände investieren, zugleich aber eine kurzfristige, beispielsweise tägliche Rücknahme der Anteilscheine ermöglichen. Um diese Risiken besser einschätzen zu können, empfiehlt das FSB, die Transparenz zu erhöhen und die Offenlegungsanforderungen gegenüber den zuständigen Aufsichtsbehörden und Investoren zu verbessern.

Weitere Empfehlungen zielen im Kern darauf ab, Fondsmanagern und Aufsichtsbehörden zusätzliche Instrumente an die Hand zu geben, mit deren Hilfe sie die Liquiditätstransformation begrenzen können. Eine Empfehlung sieht vor, dass die Fondsanlagestrategie grundsätzlich in Einklang mit den Bedingungen für die Anteilscheinrückgabe stehen sollte; die Aufsichtsbehörden sollten entsprechende Vorschriften erlassen oder Leitfäden für die Fonds entwickeln. Als wichtig erachtet das FSB auch, dass die zuständigen Behörden die entsprechenden Voraussetzungen dafür schaffen, dass Fondsmanager die Instrumente zur Begrenzung der Liquiditätstransformation auch in einem angespannten Marktumfeld anwenden können.

Leverage

Als weitere mögliche strukturelle Schwachstelle hat das FSB den Leverage ausgemacht. Fonds können ihren Verschuldungsgrad generell auf verschiedenem Wege erhöhen, indem sie etwa Kredite aufnehmen oder Wertpapierleihgeschäfte tätigen. Über den Einsatz von Derivaten kann sogenannter synthetischer Leverage aufgebaut werden.

Der Einsatz von Leverage kann dazu beitragen, dass sich Risiken verstärken und Ansteckungsgefahren für andere Marktteilnehmer und Märkte erhöhen. Deshalb überwachen und regulieren die meisten Mitgliedstaaten des FSBs den Aufbau von Leverage bei Fonds, jedoch nicht alle. Zudem hat die Untersuchung des FSBs ergeben, dass die Methoden und Ansätze zur Berechnung des Leverages zum Teil sehr unterschiedlich ausgestaltet sind. Unterschiede existieren insbesondere bei der Anerkennung von Netting- und Hedging-Effekten1).

Das FSB empfiehlt deshalb, dass IOSCO einheitliche Verfahren zur Bestimmung von Fonds-Leverage entwickelt, so dass künftig eine aussagekräftigere Überwachung des Leverages für Finanzstabilitätszwecke stattfinden kann. Die zuständigen Aufsichtsbehörden sollten die erforderlichen Daten gesammelt, bewertet und aggregiert an IOSCO übermitteln. Bis spätestens Ende 2019 soll die Datensammlung weltweit angelaufen sein.

Operationelle Risiken und Wertpapierleihgeschäfte

Operationelle Risiken können beispielweise bei der Übertragung von Kundengeldern auf einen anderen Asset-Manager entstehen, wenn das Marktumfeld angespannt ist. Das FSB fordert deshalb auch hier, dass die nationalen Aufsichtsbehörden entsprechende Vorschriften oder Leitfäden formulieren, die sich an das Risikomanagement der Asset-Manager richten.

Abschließend empfiehlt das FSB, dass Aufsichtsbehörden die Risiken aus Entschädigungen (Borrower Indemnifications) überwachen, die Asset-Manager bei Wertpapierleihgeschäften für die von ihnen verwalteten Fonds wahrnehmen. Sofern erforderlich, sollten sie sicherstellen, dass mögliche Verluste aus diesen Aktivitäten abgedeckt sind.

Ergebnisse der Konsultation

Das FSB hatte seine Empfehlungen im Sommer zur Konsultation gestellt (siehe BaFinJournal Juli 2016) und dazu über 50 Stellungnahmen erhalten. Nach deren Auswertung sowie einer Industrieanhörung hat es die Empfehlungen in einigen Punkten geändert.

Beispielsweise stellen die Empfehlungen nun deutlicher heraus, dass sich die Offenlegungsanforderungen gegenüber Aufsichtsbehörden und Investoren durchaus voneinander unterscheiden können. Ebenso hat das FSB klargestellt, dass für die Bewertung der Risiken aus dem Fonds-Leverage ein abgestuftes Verfahren zur Anwendung kommt. Zunächst sollen die konsistenten Leverage-Messverfahren als Indikatoren genutzt werden, um die Fonds zu ermitteln, die in einem zweiten Schritt einer zusätzlichen Überprüfung auf Basis risikobasierter Leverage-Messverfahren unterzogen werden. Entgegen der Entwurfsfassung hat das FSB zudem präzisiert, dass die Anforderungen an das Management operationeller Risiken nicht nur für einzelne, systemisch bedeutsame, sondern für alle Asset-Manager gelten, und zwar entsprechend der Risiken, die von ihren Aktivitäten für das Finanzsystem ausgehen.

Hintergrund

Der Finanzstabilitätsrat hatte die Arbeiten an einem Rahmenwerk zur Identifizierung global systemrelevanter Nicht-Banken und Nicht-Versicherer, sogenannten NBNI G-SIFIs (Non-Banks Non-Insurers Global Systemically Important Financial Institutions), im Juli 2015 zurückgestellt, um zunächst die Empfehlungen zur Reduzierung struktureller Risiken im Asset-Management-Sektor ausarbeiten zu können (siehe BaFinJournal August 2015).

Sobald IOSCO diese umgesetzt hat, wird sich das FSB erneut dem Rahmenwerk für NBNI G-SIFIs widmen. Im Fokus stehen dabei etwaige, von einzelnen Fonds oder Asset-Managern ausgehende Restrisiken, die nicht bereits im Rahmen der sektorweiten Regulierung adressiert werden konnten.

Hinweis

Der Beitrag gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im BaFinJournal wieder und wird nicht nachträglich aktualisiert. Bitte beachten Sie die Allgemeinen Nutzungsbedingungen.

Fußnote:

  1. 1) Netting: Verrechnung gegenseitiger Ansprüche zweier Geschäftspartner. Hedging: Absicherungsgeschäfte.

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