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Erscheinung:16.01.2017 Hypothekendarlehen: Traditionelles Geschäftsfeld der Versicherer unter dem Einfluss regulatorischer Rahmenbedingungen

Die Vergabe grundpfandrechtlich besicherter Darlehen – auch Realkredite oder umgangssprachlich Hypothekendarlehen genannt – hat in der Versicherungswirtschaft eine lange Tradition: Sie reicht bis ins 19. Jahrhundert zurück. Bis heute ist die Vergabe von Hypothekendarlehen bei den meisten Versicherern ein fester Bestandteil der Anlagestrategie. Die Branche stellt somit seit vielen Jahren unter Beweis, dass sie Geschäfte mit Hypothekendarlehen sicher betreiben kann. Versicherer können Banken natürlich keinesfalls ersetzen, stellen für private Darlehensnehmer aber dennoch eine wichtige Alternative dar.

Berichte, wonach es sich bei Hypothekendarlehen für Versicherer um eine neue Anlageklasse handeln soll, treffen somit nicht zu, genauso wenig wie die Behauptung, dass Versicherer den Banken das Tätigkeitsfeld der Darlehensvergabe zunehmend streitig machen. Im Gegenteil: Der Umfang dieses Geschäftsfelds hat in den vergangenen Jahren sogar stark abgenommen. Um dies zu verdeutlichen, beleuchtet der vorliegende Beitrag die Entwicklung dieses traditionellen Geschäftsfelds und der regulatorischen Rahmenbedingungen.

Definition:Hypothekendarlehen

Hypothekendarlehen sind grundpfandrechtlich besicherte Kredite, die dem Erwerb oder der Erhaltung einer Immobilie dienen. Grundpfandrechtlich besichert bedeutet, dass der Kreditgeber dingliche Rechte – also eine Grundschuld oder Hypothek – an dem Grundstück erhält, um das Darlehen abzusichern.

Historische Entwicklung

Schon bevor 1901 das Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) in Kraft trat, investierten Versicherer in Hypothekendarlehen. Diese gehörten damals neben öffentlichen Anleihen und festverzinslichen Wertpapieren zu den wichtigsten Anlagekategorien überhaupt. Um 1900 hatte in Deutschland fast jeder Lebensversicherer eine eigene Hypothekenabteilung. Noch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts beteiligten sie sich durch die Vergabe von Darlehen in erheblichem Umfang am Wiederaufbau des privaten Wohnungsbestands nach dem Zweiten Weltkrieg. Vor dem Hintergrund einer solch langen Historie überrascht es daher immer wieder, wenn von einem neuen Geschäftsfeld für Versicherer die Rede ist.

Als 1975 mit der Einführung des Anlagekataloges durch die damalige Vorschrift des § 54a VAG ein zunehmend individuellerer Anlagespielraum entstand, ging der Umfang der Anlageklasse hypothekarisch besicherter Darlehen zurück – insbesondere aufgrund der breiteren Diversifizierung der Kapitalanlagen. Die Versicherer rückten aber nicht vollständig von Hypothekendarlehen ab.

2002 trat die Anlageverordnung (AnlV) in Kraft, die bis zum Inkrafttreten des europäischen Aufsichtsregimes Solvency II Anfang 2016 das Herzstück der Kapitalanlageregulierung in Deutschland bildete. Grundpfandrechtlich besicherte Darlehen erhielten im Anlagekatalog der AnlV, der heute in § 2 Absatz 1 Nr. 1 zu finden ist, eine eigene Kategorie.

Starker Rückgang

Damals lag der Anteil der grundpfandrechtlich besicherten Darlehen noch bei rund 7,5 Prozent. In den letzten Jahren ist er auf etwa vier Prozent zurückgegangen. Der Großteil entfällt auf Darlehen, die durch Wohnbauten besichert sind. Der Anteil gewerblich genutzter Bauten an den Kapitalanlagen der Versicherer beträgt 0,5 Prozent.

Grund für den starken Rückgang der grundpfandrechtlich besicherten Darlehen sind die anhaltend niedrigen Zinsen. Angesichts des Aufwands, der mit der Investition in Hypothekendarlehen verbunden ist, ist die Verzinsung kaum noch auskömmlich. Um ihr Portfolio ausreichend zu diversifizieren, investiert ein Großteil der Versicherer aber nach wie vor in diese Anlageklasse.

Anteil der Hypothekendarlehen an den Kapitalanlagen der Versicherer (2003 bis 2015)

Anteil der Hypothekendarlehen an den Kapitalanlagen der Versicherer (2003 bis 2015) Anteil der Hypothekendarlehen an den Kapitalanlagen der Versicherer (2003 bis 2015) BaFin Anteil der Hypothekendarlehen an den Kapitalanlagen der Versicherer (2003 bis 2015)

Baufinanzierungsvolumen

Auch wenn die Darlehensvergabe durch Versicherer Tradition hat, so ist sie dennoch nach wie vor ein klassisches Bankgeschäft. Dies wird deutlich, wenn man das Volumen der Kredite miteinander vergleicht, die Banken und Versicherer insgesamt vergeben.

Das von Versicherern finanzierte Volumen von Wohnimmobiliendarlehen belief sich Ende 2015 auf insgesamt 49,3 Milliarden Euro. Das Volumen der Kredite, die Banken an wirtschaftlich unselbstständige und sonstige Privatpersonen für den Wohnungsbau vergaben, betrug im gleichen Zeitraum 887,1 Milliarden Euro. Somit wurde gerade einmal etwa jedes 20. Darlehen für Wohnimmobilien von einer Versicherung begeben. Dies widerlegt Berichte, wonach Versicherer zunehmend in das Kreditgeschäft der Banken vordringen.

Regulatorische Anforderungen

Bei der Darlehensvergabe unterliegen Versicherer eigenen versicherungsaufsichtsrechtlichen Vorgaben, die immer wieder an neue Marktgegebenheiten angepasst wurden.

Bis Ende 2015 hatten alle Erstversicherer bei der Anlage des Sicherungsvermögens insbesondere die Vorgaben der bereits erwähnten Anlageverordnung einzuhalten. Für Pensionskassen, Sterbekassen und kleine Versicherungsunternehmen, die nicht unter das neue Aufsichtsregime Solvency II fallen, gelten diese Vorgaben weiterhin.

Zum Teil sind die Anforderungen an Versicherer an bankenaufsichtsrechtliche Normen angelehnt. So müssen auch sie bei der Investition in grundpfandrechtlich besicherte Darlehen den Beleihungswert ermitteln, um sicherzustellen, dass sie die im Pfandbriefgesetz (PfandBG) geregelten Grundätze erfüllen. Dazu sind die dauernden Eigenschaften des Grundstücks und der Ertrag zu berücksichtigen, den das Grundstück jedem Besitzer nachhaltig gewähren kann, wenn dieser es ordnungsgemäß bewirtschaftet. Gemäß § 14 Absatz 1 PfandBG darf die Beleihung 60 Prozent des ermittelten Beleihungswerts nicht übersteigen.

Solvency II

Mit dem Inkrafttreten von Solvency II zum 1. Januar 2016 haben sich die Rahmenbedingungen für einen Großteil der Versicherer gewandelt. Ein Novum ist, dass Versicherer bei einer Investition in Hypothekendarlehen nun verpflichtet sind, diese mit Eigenmitteln zu unterlegen.

Eine andere wesentliche Neuerung ist, dass Versicherungsunternehmen ihre gesamten Vermögenswerte gemäß § 124 VAG nach dem Grundsatz der unternehmerischen Vorsicht anlegen müssen. Demnach dürfen sie ausschließlich in Vermögenswerte investieren, deren Risiken sie hinreichend identifizieren, bewerten, überwachen, steuern und kontrollieren können. Außerdem sind sämtliche Vermögensanlagen so anzulegen, dass die Sicherheit, Qualität, Liquidität und Rentabilität des Portfolios als Ganzes sichergestellt sind.

Diese Anforderungen setzen zwar nicht ausdrücklich die Anwendung von Beleihungsgrundsätzen voraus, erfordern aber von den Versicherern, dass sie unternehmensindividuelle Vorgaben zur Vergabe von Hypothekendarlehen schaffen (Artikel 261 der Delegierten Verordnung zu Solvency II). Hierbei müssen sie auch die Bonität des Schuldners und den Wert des zu beleihenden Grundstücks berücksichtigen.

Wohnimmobilienkreditrichtlinie

Im März vergangenen Jahres ist das Umsetzungsgesetz zur europäischen Wohnimmobilienkreditrichtlinie in Kraft getreten (siehe Fachartikel von April 2016). Dies hat auch zu Änderungen im VAG geführt. Versicherungsunternehmen, die entsprechende Darlehen vergeben, haben die aufsichts- und zivilrechtlichen Pflichten, die die Richtlinie vorgibt, somit ebenfalls zu beachten.

Aufsichtlich relevant ist vor allem der neu eingefügte § 15a VAG, der auf § 18a des Kreditwesengesetzes (KWG) verweist. Dieser enthält konkrete Anforderungen, die Versicherer einhalten müssen, wenn sie Verbraucherimmobiliendarlehen vergeben. Beispielsweise dürfen sie keinen Verbraucherdarlehensvertrag abschließen, wenn die Prüfung der Kreditwürdigkeit des Kunden negativ ausfällt.

Des Weiteren müssen die Mitarbeiter, die mit der Darlehensvergabe an Verbraucher befasst sind, speziell hierfür über ausreichende Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen. Die konkreten Anforderungen an die Qualifikation soll eine eigene Verordnung regeln. Darüber hinaus ist nun gesetzlich vorgeschrieben, dass sowohl interne als auch externe Gutachter, die während des Prozesses der Darlehensvergabe die betreffende Immobilie bewerten, über die erforderliche fachliche Kompetenz verfügen müssen. Zudem müssen sie vom Darlehensvergabeprozess so unabhängig sein, dass eine objektive und unparteiische Bewertung der Immobilie sichergestellt ist.

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