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Erscheinung:21.07.2016 | Thema Makroaufsicht Finanzstabilität: Internationaler Währungsfonds - Gutes Zeugnis für deutschen Finanzsektor

Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat seinen aktuellen Bericht zur Stabilität des deutschen Finanzsektors veröffentlicht, den er im Rahmen des Financial Sector Assessment Programs (FSAP) geprüft hatte. Der IWF stellt dem deutschen Finanzsektor insgesamt ein gutes Zeugnis aus.

Sowohl im Hinblick auf die allgemeine Stabilitätslage – hier wertete der IWF Stresstests aus und betrachtete Risiken wie das Niedrigzinsumfeld – als auch hinsichtlich struktureller Fragen wie Krisenbewältigung, Aufsichtsregime, makroprudenzielle Instrumente, Sanierung und Restrukturierung zeichnet der IWF das Bild eines gefestigten, trotz bestehender Anfälligkeiten insgesamt stabilen und widerstandsfähigen deutschen Finanzsystems. Die Einschätzungen des IWF decken sich weitgehend mit der Bewertung aller relevanten deutschen und europäischen Behörden, nämlich des Bundesfinanzministeriums, der BaFin, der Deutschen Bundesbank, der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung (FMSA), der europäischen Abwicklungsbehörde und der Europäischen Zentralbank. Gleichwohl bestehen in Einzelfragen teils deutliche Auffassungsunterschiede.

Als Teil des Stabilitätsberichts hat der IWF auch die Einhaltung der internationalen Aufsichtsstandards durch Banken und Finanzmarktinfrastrukturen geprüft und bewertet. Auch hier schneidet Deutschland insgesamt gut ab, auch wenn einzelne Einschätzungen des IWF von deutscher Seite nicht geteilt werden, insbesondere im Hinblick auf die Einhaltung der Bankenaufsichtsstandards. Darüber hinaus veröffentlichte der IWF sechs Technische Papiere.

Financial Sector Assessment Program
Das Financial Sector Assessment Program (FSAP ) ist eine umfassende Bewertung nationaler Finanzsektoren durch den Internationalen Währungsfonds (IWF) und die Weltbank. Analysiert werden die Widerstandsfähigkeit, die Qualität des regulatorischen und aufsichtlichen Rahmenwerks und die Fähigkeit zur Bewältigung von Finanzkrisen. Auf Basis der Ergebnisse entwickeln IWF und Weltbank länderspezifische Empfehlungen für die mikro- und die makroprudenzielle Ebene. Den FSAP gibt es seit 1999. Die Prüfungen finden grundsätzlich alle fünf Jahre statt.

Allgemeine Stabilitätslage

Der IWF hebt in dem Bericht die Bedeutung des deutschen Finanzsektors für die europäische Finanzstabilität hervor. Mit der Deutschen Bank, dem Versicherungskonzern Allianz und der Clearinggesellschaft Eurex Clearing sind drei global systemrelevante Finanzinstitute in Deutschland ansässig. Deutschland ist zudem der drittgrößte Wertpapiermarkt der EU. Darüber hinaus erfüllt der Bundesanleihemarkt dem IWF zufolge eine globale Save-Haven- und Benchmark-Funktion, sei also ein sicherer Anlageplatz und wichtiger internationaler Vergleichsmaßstab.

Der deutsche Finanzsektor erscheine aufgrund seiner großen Anzahl von Banken und Versicherern sowie der Vielzahl unterschiedlicher Modelle sehr heterogen. Dank maßgeblicher EU-weiter und globaler Reformen sei der deutsche Finanzsektor insgesamt widerstandsfähig, insbesondere aufgrund der Solvenz- und Liquiditätsanforderungen der europäischen Eigenmittelrichtlinie (Capital Requirements Directive IV – CRD IV) und -verordnung (Capital Requirements RegulationCRR) und der Einführung makroprudenzieller Instrumente. Die Errichtung des Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory MechanismSSM) und des Abwicklungsmechanismus (Single Resolution MechanismSRM) sowie die europäische Sanierungs- und Abwicklungsrichtlinie hätten die Bankenaufsicht gestärkt. Auch die global gültigen Prinzipien für Finanzmarktinfrastrukturen, die der Ausschuss für Zahlungsverkehrs- und Abrechnungssysteme CPSS1 und die Internationale Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden IOSCO gemeinsam erarbeitet haben, hätten zur Stärkung der europäischen und damit der deutschen Finanzmarktinfrastruktur beigetragen.

Risiken und Stresstests

Risiken könnten laut IWF aus der heimischen, europäischen und globalen Finanzarchitektur erwachsen. Die europäische Aufsichtsarchitektur befinde sich noch im Aufbau, woraus Risiken für die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Behörden und damit für effiziente Entscheidungsprozesse resultierten. Das Niedrigzinsumfeld berge Risiken für die Profitabilität der Banken und Versicherer, insbesondere, wenn sie an traditionellen Geschäftsmodellen festhielten und risikoträchtigere Ertragsstrategien zuließen. Ein globaler Wachstums-schock, ein Konjunktureinbruch in Schwellenländern oder erneute Spannungen im Euro-Raum könnten angesichts des hohen Grads an Vernetzung weltweit zu rasch steigenden Risikoprämien und Vermögenspreisvolatilitäten führen und damit zu finanziellen Risiken in Deutschland sowie grenzüberschreitenden Ansteckungsrisiken.

Das deutsche Bankensystem ist dem IWF zufolge im europäischen Vergleich, gemessen an der regulatorischen Eigenkapitalquote, sehr gut kapitalisiert. Bei einem Solvenz-Stresstest des IWF, an dem alle in Deutschland operierenden Banken teilgenommen haben, schnitten die Institute sowohl im Basis-Szenario als auch beim Liquiditätstest gut ab.

Auch die deutschen Lebensversicherer unterzog der IWF einem Stresstest. Er legte dabei ein Sicherheitsniveau zugrunde, das deutlich über jenes von Solvency II hinausgeht, und unterstellte ein extremes Stress-Szenario. Der Stresstest zeigte, dass der größte Teil der deutschen Lebensversicherer auch bei Eintritt eines schweren Stressereignisses die Solvenzanforderungen gemäß Solvency II erfüllt.2

Makroprudenzielle Aufsicht

Der IWF bezeichnet das deutsche makroprudenzielle Rahmenwerk, das unter anderem aus dem Finanzstabilitätsgesetz besteht und in die EU-weite makroprudenzielle Politik eingebettet ist, als weitgehend angemessen, um eine effiziente makroprudenzielle Überwachung zu leisten.

Wenngleich Mandat, Aufgaben und Verantwortungsbereiche klar seien, gebe es jedoch Raum für Verbesserungen, da die Überwachung des Markts kurzfristig verfügbare, umfassende und granulare Daten erfordere.

Bankenregulierung und -aufsicht

Der IWF bewertet die Regulierung und Aufsicht über Banken in Deutschland insgesamt positiv. Zwar fiel die Bewertung weniger positiv aus als bei der letzten Prüfung 2011, aber die Herabstufungen ergeben sich aus neuen Gewichtungen und der Verschärfung der Kernprinzipien für effektive Bankenaufsicht des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht BCBS. Hinzu kommt, dass Deutschland sich bei der Prüfung für die härteste Beurteilungsgrundlage entschieden hatte, also inklusive der zusätzlichen Kriterien. Die Aufsichtsbehörden werden die vier Jahre bis zur nächsten Prüfung intensiv nutzen, um die Schwächen bei der Erfüllung der verschärften Anforderungen so weit wie möglich zu beseitigen.

Die Herabstufungen beruhen darüber hinaus darauf, dass die Prüfer des IWF das deutsche „Two-Tier-System“ bemängelten, also die Trennung von Aufsichtsrat und Geschäftsleitung, obschon Basel III dieses als gleichwertig mit dem „One-Tier-System“ einstuft, bei dem ein Organ beide Funktionen wahrnimmt.

Ferner ist Deutschland das erste Land, das unter dem neuen europäischen Bankenaufsichtsregime, dem SSM, beurteilt wurde.

Finanzmarktinfrastruktur

Die Überprüfungen der Einhaltung der Aufsichtsstandards für Zentrale Gegenparteien (Central CounterpartiesCCPs) – beschränkt auf die Eurex Clearing AG als global systemrelevante CCP – sind sehr zufriedenstellend verlaufen.

Der IWF sieht die Prinzipien für Finanzmarktinfrastrukturen von CPSS und IOSCO – bis auf eine Ausnahme – sowohl seitens der Eurex Clearing als auch seitens der deutschen Behörden als vollständig erfüllt an.

Versicherungsregulierung und -aufsicht

In Bezug auf den Versicherungssektor kommt der IWF ebenfalls zu einem guten Ergebnis. Er stellt fest, dass die Einführung von Solvency II die Regulierung und Aufsicht über Versicherer verbessert, da das neue Aufsichtssystem einem mehr risikobasierten Ansatz folgt. Die geringe Rentabilität der Geschäftsmodelle werde allerdings durch das Niedrigzinsumfeld verschärft. Dies erschwere es den Lebensversicherern, garantierte Leistungen an die Versicherungsnehmer zu zahlen. Ungeachtet der großen Herausforderungen und der Umsetzung von Solvency II hätten Lebensversicherer im Allgemeinen aber nach wie vor eine signifikante Verlustausgleichskapazität.

Verbesserungen bei der Intensität der Versicherungsaufsicht sind aus Sicht des IWF offensichtlich. Die BaFin unterstütze die systemweite Überwachung mit Analyse-Tools. Auch die Überprüfungen der Einhaltung der ausgewählten Aufsichtsstandards sind für den Versicherungssektor sehr zufriedenstellend verlaufen.

Regulierung und Beaufsichtigung von Investmentfonds

Der IWF bewertet die Aufsicht der BaFin über Investmentfonds als entschieden, aber fair. Er hebt die gute Zusammenarbeit zwischen der BaFin, die bei den Marktteilnehmern ein hohes Standing habe, und den beaufsichtigten Marktteilnehmern positiv hervor. Der IWF betont außerdem, dass die BaFin zusammen mit der Bundesbank eine gute Datengrundlage habe, um Einzelrisiken zügig und präzise erkennen zu können.
In Bezug auf das Liquiditätsmanagement kommt der IWF zu dem Ergebnis, dass seit der letzten Untersuchung zusätzliche Schutzmaßnahmen implementiert wurden. Er empfiehlt jedoch weitere Instrumente zur Liquiditätssteuerung. Nach der derzeitigen Gesetzeslage stehen den deutschen Vermögensverwaltern (Asset-Managers) nur die Aussetzung der Rücknahme von Anteilsscheinen sowie – nach der Verwaltungsauffassung der BaFin – die Sachrücknahme zur Verfügung, also die Rücknahme gegen Wertpapiere statt Barzahlung. Für die Einführung weiterer Liquiditätstools wäre eine Gesetzesänderung erforderlich.

Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung

Im Rahmen des FSAPs hat der IWF auch einige Aspekte des deutschen Systems zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung überprüft. Er würdigt insbesondere die deutlichen Fortschritte beim Straftatbestand der Geldwäsche nach § 261 Strafgesetzbuch (StGB). Durch die Erweiterung des Vortatenkatalogs um die sogenannte Selbstgeldwäsche – dabei wird ein Gegenstand, der aus einer rechtswidrigen Tat herrührt, ohne Hinweis auf die rechtswidrige Herkunft in Verkehr gebracht – entspreche der Straftatbestand nun weitgehend den internationalen Standards. Darüber hinaus betrachtet der IWF das Kontenabrufverfahren als äußerst effektives Instrument, das unter anderem der BaFin und den Strafverfolgungsbehörden unter bestimmten Voraussetzungen einen schnellen Zugriff auf Daten eines Bankkunden und seines wirtschaftlich Berechtigten erlaubt.

Der IWF hebt zudem die in Deutschland geltende Gruppen-Compliance positiv hervor. Finanzinstitute sind hier verpflichtet, auch in ihren ausländischen Tochtergesellschaften und Zweigniederlassungen zumindest die wesentlichen Standards zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung einzuhalten, die in Deutschland gelten.

Bankenabwicklung und Krisenmanagement

Den Rahmen für das Krisenmanagement sieht der IWF durch die deutsche Umsetzung der Sanierungs- und Abwicklungsrichtlinie als signifikant gestärkt an. Er bescheinigt Deutschland erhebliche Fortschritte bei der Sanierungs- und Abwicklungsplanung.

Auch bei der Einlagensicherung habe Deutschland durch die Umsetzung der europäischen Richtlinie im Einlagensicherungsgesetz Fortschritte erzielt. Die Empfehlung des IWF aus dem vorangegangenen FSAP, eine einheitliche Garantie von 100.000 Euro pro Einleger festzulegen und die Einlagensicherungssysteme adäquat vorzufinanzieren, wurden dadurch erfüllt. Die EU-Einlagensicherungsrichtlinie enthält sowohl harmonisierte Regelungen zur Sicherungsgrenze als auch für eine Fondsausstattung.

Hinweis

Der Beitrag gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im BaFinJournal wieder und wird nicht nachträglich aktualisiert. Bitte beachten Sie die Allgemeinen Nutzungsbedingungen.

Fußnoten

  1. 1 Inzwischen umbenannt in Ausschuss für Zahlungsverkehr und Marktinfrastrukturen (Committee on Payments and Market Infrastructures – CPMI).
  2. 2 Einzelheiten zum Stresstest für Lebensversicherer hat die BaFin auf ihrer Internetseite veröffentlicht.
Autor: Manfred Berg, BaFin

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