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Erscheinung:15.10.2015 BaFin und SEC: Aufsichtspraxis im internationalen Vergleich

Medien und Öffentlichkeit vergleichen die BaFin gern mit der US-amerikanischen Bundes-Kapitalmarktaufsichtsbehörde, der U.S. Securities and Exchange Commission (SEC). Dabei wird die SEC häufig als die schlagkräftigere Behörde wahrgenommen – insbesondere wegen der hohen Geldstrafen und Vergleichssummen, die sie verhängt beziehungsweise vereinbart.

Grund für die unterschiedliche Wahrnehmung von BaFin und SEC sind Abweichungen bei den Zuständigkeiten und Befugnissen der beiden Behörden sowie zwischen dem US-amerikanischen und dem deutschen beziehungsweise europäischen Rechtssystem. Die Höhe der verhängten Geldstrafen darf jedoch nicht zu falschen Schlüssen verleiten: Die sachliche Analyse zeigt nämlich, dass die Aufsichtspraxis der BaFin eine vergleichbare Wirkung auf die von ihr beaufsichtigten Unternehmen hat wie die Aufsicht der SEC auf die Kapitalmarktteilnehmer in den USA. Zudem werden sich die Befugnisse der BaFin durch die neue EU-Finanzmarktregulierung in den kommenden Monaten erweitern, insbesondere durch die Umsetzung der zweiten Finanzmarktrichtlinie (Markets in Financial Instruments Directive II – MiFID II), der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie und von Teilen der Marktmissbrauchsverordnung.

Zuständigkeit

Ein wichtiger Unterschied zwischen BaFin und SEC ist der Zuständigkeitsbereich. Das Modell der Universalaufsicht, das die BaFin verkörpert, gibt es in den USA nicht. Während die BaFin Wertpapier-, Banken- und Versicherungsaufsicht unter ihrem Dach vereint, ist die SEC nicht für die Aufsicht über Banken und Versicherungen zuständig. Sie beaufsichtigt insbesondere Anlagevermittler (Broker), Kapitalanlagegesellschaften (Investment Advisers), Clearinghäuser und Börsen, beispielsweise die New York Stock Exchange.

Die BaFin beaufsichtigt Kreditinstitute – gemeinsam mit der Deutschen Bundesbank und gegebenenfalls der Europäischen Zentralbank –, Finanzdienstleistungsinstitute, Versicherungsunternehmen, Pensionsfonds und Kapitalanlagegesellschaften. Die Aufsicht über die Börsen ist hingegen Sache der Börsenaufsichtsbehörden der Länder.

Gemeinsam ist BaFin und SEC, dass sie Wertpapieremittenten und Transaktionen auf den Finanzmärkten beaufsichtigen (Marktaufsicht), einschließlich der Überwachung des Insiderhandelsverbots und der Einhaltung von Transparenzpflichten. Die Marktaufsicht der SEC ist jedoch umfassender, da zu ihren Aufgaben auch die Verfolgung von Verstößen gehört, die nach deutschem Recht einen Kapitalanlagebetrug nach § 264a Strafgesetzbuch darstellen würden. Dafür sind in Deutschland ausschließlich die Strafverfolgungsbehörden zuständig. Sowohl BaFin als auch SEC sind außerdem für die Billigung von Wertpapierprospekten zuständig.

Wesentliche Befugnisse

Beide Behörden sind mit umfangreichen Befugnissen ausgestattet. Die Befugnisse der SEC sind im Securities Act und im Securities Exchange Act geregelt, die der BaFin in verschiedenen Finanzmarktgesetzen wie zum Beispiel dem Wertpapierhandelsgesetz (WpHG), dem Kreditwesengesetz (KWG), dem Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) und dem Wertpapierprospektgesetz (WpPG).

Wesentliche Befugnisse von SEC und BaFin

Wesentliche Befugnisse von SEC und BaFin BaFin Wesentliche Befugnisse von SEC und BaFin

Die Befugnisse von SEC und BaFin sind im Allgemeinen vergleichbar. Ein ganz entscheidender Unterschied ist jedoch die Möglichkeit der SEC, vor Zivilgerichten zu klagen. Die BaFin hat die Möglichkeit zur Zivilklage nicht. Grund hierfür ist unter anderem, dass deutsche Verwaltungsbehörden ihre Anordnungen im Wege des Verwaltungszwangs selbst vollstrecken können und daher nicht auf die Beantragung eines gerichtlichen Vollstreckungstitels angewiesen sind, um ihre Aufgaben zu erfüllen.

Bedeutsam sind auch die weitreichenden Untersuchungsbefugnisse der SEC: Durch Zustellung einer behördlichen Anordnung (Subpoena) kann die SEC die Vorlage von Unterlagen verlangen und Personen zu einer Anhörung laden. Verstöße gegen eine Subpoena werden von den US-Gerichten mit sehr empfindlichen Sanktionen belegt, die bis zur Inhaftierung des Verstoßenden reichen können. Eine der Subpoena vergleichbare Befugnis hat die BaFin zwar nicht. Sie kann ihre Anordnungen aber mit Zwangsmitteln durchsetzen, unter anderem, indem sie die erforderlichen Maßnahmen selbst vornimmt (Ersatzvornahme) oder durch unmittelbaren Zwang, etwa mit Hilfe von Vollstreckungsbeamten. Im Zusammenhang mit der Aufklärung von Verstößen kommt als Zwangsmittel aber in der Regel die Verhängung eines Zwangsgelds in Betracht. Dieses beträgt grundsätzlich bis zu 250.000 Euro; für bestimmte Fälle sind auch höhere Summen vorgesehen. Wird das Zwangsgeld nicht gezahlt, kann das zuständige Gericht auf Antrag der BaFin unter bestimmten Voraussetzungen Zwangshaft anordnen. Missachtet eine Person eine vollziehbare Anordnung der BaFin, die auf die Vorlage von Unterlagen oder das Erscheinen zu einer Vernehmung gerichtet ist, kann die BaFin zudem ein Bußgeld verhängen (§ 39 Absatz 3 Nummer 1 Buchstabe a, Absatz 4 in Verbindung mit § 4 Absatz 3 Satz 1 WpHG). Kommt es zu einem Kapitalmarktstrafverfahren, greifen in Deutschland darüber hinaus die – ebenfalls weitreichenden – Untersuchungsbefugnisse der Strafverfolgungsbehörden.

Weitgehend vergleichbar sind die Befugnisse von SEC und BaFin zur Aussetzung des Handels mit Wertpapieren sowie der Billigung von Wertpapierprospekten und zur Abberufung von Organmitgliedern. Aufgrund ihrer Zuständigkeit kann die BaFin im Gegensatz zur SEC auch Organmitglieder von Kreditinstituten und Versicherungsunternehmen abberufen.

Im Übrigen gibt es qualitative Unterschiede bei den Befugnissen. Beispielsweise kann die SEC, anders als die BaFin, im Wege der Zivilklage Gewinnabschöpfungen durchsetzen und Boni von bestimmten Organmitgliedern kürzen.

Höhe der Geldstrafen in den USA

Auch die Bemessungsmethode und die Höhe der Geldstrafen, die SEC beziehungsweise US-Zivilgerichte und BaFin verhängen können, sind unterschiedlich.

Der Securities Act sieht ein dreistufiges Sanktionsregime für Geldstrafen vor, die die SEC nach Abschluss eines Verwaltungssanktionsverfahrens und die Bundesgerichte in Folge einer erfolgreichen Zivilklage der SEC verhängen können. Die Höhe der Strafe richtet sich nach der Schwere des Verstoßes und der Schadenshöhe sowie danach, ob es sich bei dem Bestraften um eine natürliche Person oder um ein Unternehmen handelt.

Geldstrafen nach dem Securities Act

Geldstrafen nach dem Securities Act BaFin Geldstrafen nach dem Securities Act

Die SEC eröffnete nach eigenen Angaben im Geschäftsjahr 2013/2014 insgesamt 755 Verfahren zur Sanktionierung von Verstößen gegen Kapitalmarktvorschriften (Enforcement-Verfahren). Sie verhängte Geldstrafen von insgesamt 4,16 Milliarden US-Dollar. Dieser Betrag schließt jedoch die von der SEC vereinbarten Vergleichssummen ein, weshalb ein Vergleich der Erfolgsbilanzen von SEC und BaFin nicht allein an den Gesamtbetrag der Geldstrafen anknüpfen kann. Das US-Recht setzt der Höhe von Vergleichssummen kaum Grenzen. Hinter der Vereinbarung von Vergleichen stehen seitens der SEC insbesondere Effizienzüberlegungen. Auf diese Weise kann sie Untersuchungsverfahren beenden, ohne ein Verwaltungssanktions- oder Zivilklageverfahren einleiten und durchlaufen zu müssen. Dies schafft Kapazitäten für die Aufklärung anderer Verstöße.

US-Zivilgerichte hatten in den vergangenen Jahren wiederholt kritisiert, dass Vergleiche der SEC in der Regel nicht mit einem Schuldeingeständnis verbunden und der Höhe nach zu gering waren. Die SEC hat darum ihre Praxis zum Teil geändert. Jetzt akzeptiert sie bei schwerwiegenden Verstößen Vergleichsvereinbarungen grundsätzlich nur noch dann, wenn mit ihnen ein Schuldeingeständnis einhergeht. Kritiker fordern jedoch weiterhin höhere Vergleichssummen.

Die BaFin ihrerseits hat keine Möglichkeit, umfassende Vergleiche abzuschließen. Lediglich bei Bußgeldverfahren kommen so genannte Verständigungen vor. Hierbei handelt es sich um eine Form der gütlichen Einigung in einem Bußgeldverfahren, insbesondere aus prozessökonomischen Gründen. Nach ihrer Verwaltungspraxis kann die BaFin, abhängig vom Verfahrensstadium, einen Bußgeld-Abschlag von bis zu 30 Prozent gewähren. Vereinbarungen, die das Bußgeldverfahren insgesamt ohne Schuldspruch beenden, sind nicht möglich.

Bußgeldhöhe nach deutschem Recht

Nach deutschem Recht hängt die Bußgeldhöhe davon ab, welches Strafmaß das Gesetz für den konkreten Bußgeldtatbestand vorsieht. Bestimmte Ordnungswidrigkeiten nach dem WpHG werden derzeit mit Geldbußen von höchstens 1 Million Euro pro Verstoß belegt. Nach dem KWG können in bestimmten Fällen Geldbußen von bis zu 5 Millionen Euro pro Verstoß verhängt werden. Von der Befugnis zur Verhängung vergleichsweise hoher Geldbußen hat die BaFin vor kurzem Gebrauch gemacht. Reicht die Geldbuße nicht aus, um den wirtschaftlichen Vorteil aus dem Verstoß zu kompensieren, kann das Bußgeld bei Unternehmen auf 10 Prozent des Nettoumsatzes im Geschäftsjahr vor dem Verstoß oder auf das Zweifache des durch den Verstoß erlangten Vermögensvorteils heraufgesetzt werden, je nachdem, welcher Betrag höher ist. In Folge der Umsetzung der neuen EU-Finanzmarktregulierung wird die Bußgeldhöhe auch für einige Tatbestände im WpHG auf ein ähnliches Niveau ansteigen.

Im Jahr 2014 hat die BaFin in 178 Verfahren Geldbußen in Höhe von fast 4 Millionen Euro aufgrund von Verstößen gegen das Wertpapierrecht verhängt (siehe BaFin-Jahresbericht 2014). Diese Zahlen dürfen nicht eins zu eins mit denen der SEC verglichen werden. Die moderate Höhe der Bußgelder erklärt sich im deutschen Recht überwiegend daraus, dass schwerwiegende Verstöße gegen Kapitalmarktgesetze in der Regel strafrechtlich sanktioniert werden. Insbesondere bei Verstößen gegen das Verbot der Marktmanipulation und das Insiderhandelsverbot gibt die BaFin die Vorgänge an die zuständige Staatsanwaltschaft ab, wenn ein ausreichender Anfangsverdacht vorliegt. In den USA ist das Bundesministerium der Justiz zwar für die Verfolgung von Kapitalmarktstraftaten zuständig. Dort sind aber parallele Untersuchungen desselben Sachverhalts von Seiten des Justizministeriums und der SEC üblich, die auch unterschiedliche Sanktionen nach sich ziehen können.1

Weitere gesetzliche Sanktionen

In Deutschland und anderen EU-Mitgliedstaaten gibt es darüber hinaus weitere Sanktionsmöglichkeiten für Rechtsverstöße, die eine noch stärkere Wirkung als Geldbußen entfalten können. Das amerikanische Kapitalmarktrecht kennt beispielsweise nicht den so genannten Rechtsverlust: Solange bedeutende Aktionäre, die Aktien an einem Emittenten aus Deutschland erworben haben, ihre Pflicht zur Einreichung von Stimmrechtsmitteilungen nach dem WpHG nicht erfüllen, können sie die Stimmrechte aus ihren Aktien nicht ausüben (Stimmrechtsverlust). Der Stimmrechtsverlust führt unter Umständen dazu, dass Hauptversammlungsbeschlüsse des betreffenden Emittenten anfechtbar und möglicherweise unwirksam sind, wenn sie auf Grundlage der Stimmen zustande gekommen sind, die vom Rechtsverlust erfasst sind. Außerdem entfällt vorübergehend der Anspruch auf Dividenden, wenn die Meldepflicht vorsätzlich verletzt wird. Nur, wenn ein Aktionär die Mitteilung nicht vorsätzlich unterlässt und sie nachholt, bleibt sein Anspruch erhalten. Der Rechtsverlust motiviert Marktteilnehmer zusätzlich, die Meldepflichten zu erfüllen.

Zusätzliche Befugnisse der BaFin

Neben den repressiv wirkenden Sanktionen, die nach einem Verstoß verhängt werden, entfalten die Prüfungen und Aufsichtsgespräche der BaFin bei den beaufsichtigten Unternehmen eine wichtige präventive Wirkung. Sie tragen dazu bei, Verstöße gegen Rechtsvorschriften frühzeitig zu erkennen und abzustellen. Ein wichtiges Instrument der BaFin zur Herstellung von Rechtstreue ist insbesondere die Möglichkeit, Organmitglieder von beaufsichtigten Unternehmen zu missbilligen oder zu verwarnen.

Seitdem das Kleinanlegerschutzgesetz in Kraft getreten ist, hat die BaFin zudem gemäß § 4b WpHG die Möglichkeit, die Vermarktung, den Vertrieb oder den Verkauf bestimmter Finanzinstrumente oder strukturierter Einlagen zu verbieten oder zu beschränken. Sie kann dies dann erwägen, wenn das Finanzinstrument oder die strukturierte Einlage erhebliche Bedenken für den Anlegerschutz aufwirft oder eine Gefahr für das ordnungsgemäße Funktionieren und die Integrität der Finanz- oder Warenmärkte oder für die Stabilität des Finanzsystems darstellt. Diese Befugnis zur Produktintervention findet im US-Kapitalmarktrecht kein Gegenstück. Sie wird dazu beitragen, die öffentliche Wahrnehmung der BaFin als das zu stärken, was sie ist: eine Aufsichtsbehörde mit wirksamen Befugnissen.

Hinweis

Der Beitrag gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im BaFinJournal wieder und wird nicht nachträglich aktualisiert. Bitte beachten Sie die Allgemeinen Nutzungsbedingungen.

Fußnote:

  1. 1) Obwohl SEC und Justizministerium bei Untersuchungen teilweise zusammenarbeiten, handelt es sich um voneinander unabhängige Behörden, deren Befugnisse sich in einigen Punkten überschneiden. Das US-Recht ist im Gegensatz zum deutschen Recht weniger darauf fixiert, die Zuständigkeiten von Kapitalmarktaufsicht und Strafverfolgungsbehörde genau aufeinander abzustimmen.
Autor: Dr. Nikita Litsoukov, BaFin

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