BaFin - Navigation & Service

Erscheinung:17.08.2015 Versicherungsvertrieb: Neue europäische Richtlinie auf der Zielgeraden

Wie in der Juli-Ausgabe des BaFinJournals berichtet, haben sich Europäische Kommission, Rat und Parlament Ende Juni in den Trilog-Verhandlungen auf eine neue Versicherungsvertriebsrichtlinie (Insurance Distribution DirectiveIDD) geeinigt. Nun sind zunächst technische Fragen zu klären und der Text sprachlich anzupassen, bevor Rat und Parlament der Richtlinie formal zustimmen können.

Gegenwärtig ist damit zu rechnen, dass die IDD im Dezember 2015 in Kraft tritt. Sie findet zwei Jahre nach ihrem Inkrafttreten Anwendung.

Die IDD ersetzt die Versicherungsvermittlerrichtlinie von 2002. Anders als diese regelt sie die gesamte Vertriebskette. Sie gilt somit für alle Vertreiber von Versicherungsverträgen, also nicht nur für Makler und gebundene Vermittler, sondern auch für den Direktvertrieb. Aus diesem Grund wurde sie in Versicherungsvertriebsrichtlinie umbenannt.

Die neue IDD gilt jedoch nicht, wenn die Versicherung als Nebendienstleistung bei der Veräußerung eines anderen Produkts vermittelt wird und die Prämie 600 Euro jährlich – bei Verträgen von bis zu drei Monaten 200 Euro – nicht überschreitet. Dies kann unter anderem Reiserücktrittsversicherungen betreffen. Allerdings müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass wesentliche Anforderungen der IDD auch bei nicht erfassten Vermittlungsgeschäften eingehalten werden.

Kein Provisionsverbot

Ein Provisionsverbot bei der Vermittlung von Versicherungsgeschäften ist nicht vorgesehen. Eine solche Regelung, wie sie bereits in Skandinavien oder den Niederlanden existiert, hätte für Deutschland gravierende Auswirkungen gehabt.

Die verbreitete Praxis hierzulande ist nämlich, dass der Versicherer die Provision des Vermittlers zunächst übernimmt und diese dann aus den ersten Prämien finanziert, beispielsweise im so genannten Zillmerverfahren. Dieses Vertriebsmodell wäre bei einem Provisionsverbot nicht mehr möglich gewesen. Stattdessen können die Mitgliedstaaten entscheiden, ob sie solche Vertriebswege verbieten wollen oder nicht.

Eine generelle Pflicht zur Offenlegung der Vermittlerprovisionen gibt es nach der IDD nicht. Vielmehr müssen Versicherer ihren Kunden in der Regel nur die Basis der Vergütung mitteilen, also wie sie sich bemisst und wer sie zahlt – nämlich der Kunde, entweder unmittelbar an den Vermittler oder mittelbar durch seine Prämien. Die Mitgliedstaaten müssen jedoch sicherstellen, dass die Vergütung keine Anreize setzt, die dem Interesse des Kunden schaden könnten. Strengere Regelungen gibt es lediglich für Versicherungsanlageprodukte nach der neuen europäischen PRIIPs-Verordnung1. Hier enthält die Prämie einen Sparanteil, der für den Kunden in Investmentprodukten angelegt wird.

Mehr Transparenz

Allerdings einigten sich die Trilog-Parteien auf erhöhte Anforderungen an die Transparenz. So müssen Vermittler gegenüber dem Kunden offen legen, ob sie als gebundene Vermittler, als Makler oder als Angestellte eines Versicherers tätig sind.

Außerdem haben sie anzugeben, ob sie an einem Versicherungsunternehmen beteiligt sind.

Informations- und Wohlverhaltenspflichten

Die IDD enthält konkrete Informations- und Wohlverhaltenspflichten für den Vertrieb von Versicherungsprodukten. Sie betreffen insbesondere Vorgaben zur Vermeidung von Interessenkonflikten, zur Transparenz bei Verkaufsanreizen für den Vertrieb und zur Beratung und Information der Kunden. Letztere muss geeignet und angemessen sein.

Für Versicherungsanlageprodukte (PRIIPs) soll die Kommission die Wohlverhaltenspflichten nach der IDD in Delegierten Rechtsakten konkretisieren. Für Versicherungsprodukte ohne Anlage-Element, insbesondere Risikolebens- und Sachversicherungen, ist keine weitere Konkretisierung der Wohlverhaltenspflichten vorgesehen.

Produktinformationsblatt für Sachversicherungen

Anbieter von Sachversicherungen müssen nach der IDD künftig europaweit vor Vertragsabschluss ein Produktinformationsblatt an ihre Kunden aushändigen. Darin sind in verständlicher Form die wesentlichen Merkmale des Versicherungsprodukts darzulegen, und zwar in der Sprache des Mitgliedstaats, in dem es vertrieben wird. Die Inhalte des Informationsblatts entsprechen im Wesentlichen denen, die in Deutschland für Versicherungen bereits heute gesetzlich vorgegeben sind.

Die IDD ermächtigt die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung EIOPA , Durchführungsstandards mit Vorgaben zu Form und Inhalt der Produktinformationsblätter für Sachversicherungen zu erlassen und hierzu eine Verbraucherstudie durchzuführen. Die Standards sollen ein Jahr nach Inkrafttreten der IDD Geltung erlangen.

Erlaubnispflicht

Die Entscheidung darüber, ob Versicherungsberater eine Erlaubnis der Aufsicht benötigen, bleibt den Mitgliedstaaten überlassen. Die Richtlinie sieht lediglich vor, dass sich Berater zu registrieren haben.

Querverkäufe und Produktentwicklung

Die IDD enthält darüber hinaus Regelungen zu Querverkäufen und zu Produktentwicklungsprozessen.

Wird ein Versicherungsprodukt gemeinsam mit einem Nichtversicherungsprodukt vermittelt (Querverkauf), dann muss der Vermittler dem Kunden mitteilen, ob er die Produkte auch separat erwerben kann. Ist dies der Fall, dann muss er ihn über den Inhalt der Komponenten und deren Kosten separat informieren und die Produkte in der Regel auch separat anbieten.

Die Regelungen zu Produktentwicklungsprozessen richten sich an Versicherer sowie Vertreiber, die Versicherungsprodukte konzipieren. Letzteres kommt in Deutschland kaum vor. Wer Versicherungsprodukte entwickelt, muss nach der IDD den Produktentwicklungsprozess schriftlich niederlegen. Hierin sind die Zielgruppe, die relevanten Risiken und die Vermarktungsstrategie festzuhalten. Diese Information ist allen Vertreibern des Produkts zugänglich zu machen. Die Vertreiber müssen sich mit dem Produkt vertraut machen und die Vorgaben des Herstellers beachten, insbesondere zur Zielgruppe.

Die IDD ermächtigt die Kommission, Prinzipien für Produktentwicklungsprozesse zu erlassen. Diese müssen auf dreifacher Ebene das Proportionalitätsprinzip berücksichtigen: bezogen auf das konkrete Geschäft, das konkrete Versicherungsprodukt sowie den konkreten Vertreiber.

Mindestharmonisierung

Wie die europäische Finanzmarktrichtlinie MiFID II (Markets in Financial Instruments Directive II), die den Erwerb von Investmentprodukten regelt, soll zwar auch die IDD einheitliche Bedingungen in der Europäischen Union schaffen. Allerdings hat die MiFID II eine maximale Harmonisierung der nationalen Vorgaben zum Ziel; die IDD hingegen ist als Mindestharmonisierungsrichtlinie konzipiert. Das bedeutet, dass den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung Spielraum verbleibt.

Die IDD enthält somit weniger strenge Vorgaben als die MiFID II, insbesondere zu Provisionen und zum Adressatenkreis. Die Mitgliedstaaten können jedoch strengere Vorschriften einführen oder sich dazu entschließen, das Beratungsgeschäft erlaubnispflichtig zu machen.

Wichtige Ermächtigungen in der Versicherungsvertriebsrichtlinie

Ermächtigung zu Delegierten Rechtsakten

  • Artikel 18: Durchführungsstandard für Produktinformationsblätter für Schaden- und Unfallversicherungen
  • Artikel 21a Absatz 2: Prinzipien für Produktentwicklungsprozesse für Versicherungsverträge
  • Artikel 23: Kriterien zur Vermeidung von Interessenkonflikten bei verpackten Anlageprodukten für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukten (Packaged Retail and Insurance-based Investment ProductsPRIIPs)
  • Artikel 24: Kriterien für Transparenz über Verkaufsanreize für den Vertrieb (unter anderem Vergütung und Provisionen) bei PRIIPs
  • Artikel 25: Kriterien zur Geeignetheit und Angemessenheit der Beratung und Information des Kunden über PRIIPs
  • Artikel 8: Ermächtigung der europäischen Versicherungsaufsichtsbehörde EIOPA , ab dem 31. Dezember 2017 alle fünf Jahre indexbasiert die Höhe der Berufshaftpflichtversicherung für Vertreiber anzupassen

Ermächtigung zu Leitlinien

  • Artikel 25 Absatz 5a: Leitlinien zur kaufmännischen Beurteilung von PRIIPs, die so strukturiert sind, dass das mit dem Produkt verbundene Risiko für den Kunden schwer zu verstehen ist

Optionen der Mitgliedstaaten

  • Anwendung der Anforderungen nach Artikel 24 und 25 auch bei professionellen Kunden im Sinne der europäischen Finanzmarktrichtlinie II (MiFID II) (zum Beispiel beaufsichtigte Unternehmen und institutionelle Anleger)
  • Einführung eines Provisionsverbots

Hinweis

Der Beitrag gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im BaFinJournal wieder und wird nicht nachträglich aktualisiert. Bitte beachten Sie die Allgemeinen Nutzungsbedingungen.

Fußnote:

  1. 1) Verordnung über Basisinformationsblätter für verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte (Packaged Retail and Insurance-based Investment Products Regulation).
Autor: Dr. Harald Eschmann, Ursula Gerold, BaFin

Zusatzinformationen

Fanden Sie den Beitrag hilfreich?

Wir freuen uns über Ihr Feedback

Es hilft uns, die Webseite kontinuierlich zu verbessern und aktuell zu halten. Bei Fragen, für deren Beantwortung wir Sie kontaktieren sollen, nutzen Sie bitte unser Kontaktformular. Hinweise auf tatsächliche oder mögliche Verstöße gegen aufsichtsrechtliche Vorschriften richten Sie bitte an unsere Hinweisgeberstelle.

Wir freuen uns über Ihr Feedback