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Erscheinung:15.04.2015 Langjähriger BaFin-Exekutivdirektor Karl-Burkhard Caspari: „Mit einem weinenden und einem lachenden Auge“

Interview: Langjähriger BaFin-Exekutivdirektor Karl-Burkhard Caspari - „Mit einem weinenden und einem lachenden Auge“

Herr Caspari, Ende März haben Sie sich in den wohlverdienten Ruhestand verabschiedet. Mit welchem Gefühl haben Sie die BaFin verlassen?

Ich habe mit einem weinenden und einem lachenden Auge Abschied genommen. Weinend deshalb, weil ich die Wertpapieraufsicht mit all ihren spannenden Themen, aber auch die europäische Dimension und den internationalen Austausch vermissen werde. Er war immer sehr befruchtend. Auch die Menschen, die Kollegen vermisse ich. Aber so ist es nun mal im Leben.

Warum gehen Sie auch mit einem lachenden Auge?

Die vielen Überraschungseier, die einem der Markt gern von jetzt auf gleich ins Nest legt, werde ich sicherlich nicht vermissen. Es ist manchmal wie eine Wundertüte. Hinzu kommt die europäische Regulierungswelle, die einen fast zu überrollen droht. Sie ist inzwischen so schnell, dass man faktisch meist hinterherhetzt: Während man noch damit beschäftigt ist, ein neues Gesetz in die Praxis umzusetzen, kommt schon die nächste Regulierung. Über die erste OGAW-Richtlinie beispielsweise hat man 20 Jahre lang diskutiert, bis sie schließlich 1985 im Amtsblatt veröffentlicht wurde – heute ist es häufig nur noch eine Frage von anderthalb Jahren oder gar wenigen Monaten, bis eine neue Richtlinie auf den Weg gebracht wird.

Wie kommt das?

Das ist natürlich eine Folge der Globalisierung und des technischen Fortschritts: Der elektronische grenzüberschreitende Handel hat die Kapitalmärkte viel enger miteinander verknüpft. Die Aufsicht muss darauf reagieren und Antworten finden. Aber es ist ebenso wichtig, dass ausreichend Zeit bleibt, die Regeln auch mal einige Jahre lang anzuwenden. Erst dann kann man sehen, wie sie tatsächlich wirken. Die schnelle Taktzahl der Regulierung führt im Übrigen dazu, dass die Richtlinien im Nachhinein technisch ausgefeilt werden müssen. Das geschieht über Verordnungen, Technische Standards und Leitlinien. Es ist aber wichtig, dass dieses fein gewobene Regulierungsnetz einhaltbar und überwachbar bleibt. Manchmal ist es schon mühsam, den Gesamtüberblick zu behalten – selbst für mich, der ich fast 35 Jahre lang mit Kapitalmarktgesetzgebung befasst war.

In dieser langen Zeit haben Sie viel erlebt und viel bewegt. Woran erinnern Sie sich besonders?

Eine der spannendsten Herausforderungen war sicherlich das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz, mit dem 1994 in Deutschland erstmals eine Kapitalmarkt-Gesetzgebung mit einer entsprechend zuständigen Aufsichtsinstitution verankert wurde. Es hat letztlich die Schaffung einer deutschen Wertpapieraufsicht und damit der BaFin überhaupt erst ermöglicht. Ich hatte damals als Referatsleiter im Bundesfinanzministerium unter anderem die schwierige Aufgabe, die Bundesländer davon zu überzeugen, ihre Zuständigkeit für die Aufsicht teilweise auf den Bund zu übertragen. Das hat mich viel Zeit, Mühe und Überzeugungskunst gekostet, was sich aber am Ende ausgezahlt hat. An die Zusammenarbeit mit den Kollegen aus den Ländern erinnere ich mich noch heute gern zurück.

Sie waren seit Gründung der BaFin 2002 Vizepräsident, seit April 2008 leiteten Sie die Wertpapieraufsicht. Was waren aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen?

Ganz allgemein gesprochen sicherlich die Finanzmarktkrise, deren Folgen wir immer noch spüren. Sie hat zur Schaffung der ESMA geführt und die Regulierungswelle erst ausgelöst, über die wir vorhin sprachen. Ziel ist es, die Märkte robuster zu gestalten und ihre Transparenz zu verbessern. Ein wichtiger Meilenstein auf diesem Weg war die Europäische Marktinfrastrukturverordnung EMIR von 2012. Besonders deutlich in Erinnerung geblieben ist mir auch das Leerverkaufsverbot von 2010. Es war eine ganz besondere Herausforderung, da es von Grund auf neu zu entwickeln und mit weitreichenden Entscheidungen verbunden war. Wir mussten als Vorreiter die richtige Balance finden zwischen der Eindämmung übertriebener Handelsaktivitäten und dem Freiraum, den der Markt braucht, um liquide zu bleiben. Hätten wir ihn erwürgt, wäre damit niemandem geholfen gewesen.

Wagen wir auch einen Blick in die Zukunft: Mit welchen Themen wird sich Ihre Nachfolgerin Elisabeth Roegele besonders intensiv auseinanderzusetzen haben?

Oh, da gibt es einen ganzen Strauß. Es gilt unter anderem, die Finanzmarktrichtlinie MiFID II und die Marktmissbrauchsverordnung zu implementieren. In Bezug auf die Vorgaben der MiFID II zu Produktentwicklung und -verboten dürfte es sich auszahlen, dass Frau Roegele die Dinge auch aus der anderen Perspektive kennt und Aspekte aus der Praxis einbringen kann. Die AIFM-Richtlinie hingegen ist bereits umgesetzt; hier muss der Fokus nun wieder auf die Marktaufsicht bei Fonds gerichtet werden. Bald kommt außerdem das Kleinanlegerschutzgesetz, das den Schutz der Verbraucher auf dem Grauen Kapitalmarkt vor allem durch mehr Transparenz verbessern wird. Es wird aber auch die Möglichkeiten der BaFin verbessern, Auswüchsen rechtzeitig entgegenzusteuern – etwa dank der neuen Ad-hoc-Pflicht für die Anbieter von Vermögensanlagen. Darüber hinaus gibt es Herausforderungen, die zunächst einmal unabhängig von neuen Gesetzen sind.

Welche sind das?

Beispielsweise wird sich die Wertpapieraufsicht weiterhin der Bekämpfung von Marktmanipulation widmen müssen. Ein wichtiges internationales Thema ist die Aufsicht über Finanzmarktinfrastrukturen. Überhaupt wird die europäische Regulierungsflut, wird die ESMA auch Frau Roegele auf Trab halten. Der schöne Satz „We’ll always have Paris“ aus dem Film Casablanca könnte kaum besser passen – schließlich hat die ESMA ihren Sitz in der französischen Hauptstadt.

Welche Tipps geben Sie Frau Roegele mit auf den Weg?

Es liegt mir fern, kluge Ratschläge zu erteilen. Wenn man ein solches Amt antritt, kann man nichts weniger gebrauchen als einen Vorgänger, der einem mit gut gemeinten Tipps im Wege steht. Ich kenne Frau Roegele seit mehr als zehn Jahren. Sie ist hervorragend für ihre neue Rolle gerüstet: Sie kennt Wirtschaft, Börsen und auch Verwaltung aus dem Effeff und wird ihre vielseitige Erfahrung und ihr Wissen hier optimal einbringen können.

Werden Sie privat weiterhin mit Themen der Wertpapieraufsicht zu tun haben?

Sicherlich werde ich das eine oder andere Mal auf der ESMA-Internetseite nachschauen, was sich so tut. Man muss aber auch loslassen können. Es gibt genug schöne Dinge, für die ich während meines Arbeitslebens immer zu wenig Zeit hatte.

Wofür wollen Sie die Zeit nutzen?

Ich freue mich schon sehr darauf, mich meiner umfangreichen Sammlung von Musik der 60er und 70er Jahre zu widmen. Ich werde mich außerdem um meine Gesundheit kümmern – und die Freiheit genießen, nach Lust und Laune verreisen zu können, wann immer mir danach ist.

An welche Ziele denken Sie da?

Das wird sich zeigen. Oder, wie der Rheinländer sagen würde: Et kütt wie et kütt.

Herr Caspari, wir danken Ihnen für das Interview und wünschen Ihnen alles Gute.

Zur Person: Karl-Burkhard Caspari

Exekutivdirektor der Wertpapieraufsicht bis März 2015

Karl-Burkhard Caspari war bis Ende März 2015 Exekutivdirektor der Wertpapieraufsicht und Vizepräsident der BaFin. Zudem war er Mitglied des Boards of Supervisors der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA und der Internationalen Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden IOSCO.

Vor seiner Zeit bei der BaFin war Caspari mehr als zwanzig Jahre lang beim Bundesministerium der Finanzen tätig – zunächst unter anderem als Referent für Börsen- und Wertpapierrecht, anschließend als Leiter der Referate Kreditabwicklungsfonds sowie Börsen- und Investmentrecht, bevor er schließlich Unterabteilungsleiter Banken-, Versicherungs-, Investment-, Börsen- und Wertpapierwesen wurde. Seine Karriere startete der Jurist bei der Oberfinanzdirektion Nürnberg.

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