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Erscheinung:30.06.2014 Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz: Stellungnahmen zu öffentlichen Angeboten und Angebotsänderungen

Seit das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) 2002 in Kraft getreten ist, ergeben sich bei Vorständen und Aufsichtsräten, die Stellungnahmen nach § 27 WpÜG abzufassen haben, immer wieder Anwendungsfragen. Oft ist ihnen nicht klar, wie sie die Stellungnahme umfassend rechtssicher gestalten können.

Die BaFin muss daher häufig veranlassen, dass die Verfasser die Stellungnahme ergänzen oder sogar Maßnahmen ergreifen, weil beispielsweise eine Ordnungswidrigkeit vorliegt. Denn nach § 60 Absatz 1 Nr. 1 WpÜG handelt ordnungswidrig, wer die Veröffentlichung einer Stellungnahme vorsätzlich oder leichtfertig nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig vornimmt.

Die BaFin möchte mit diesem Beitrag einem breiten Publikum vermitteln, wie sie die Vorgaben aus § 27 WpÜG beurteilt. Auf diese Weise möchte sie dazu beitragen, mögliche Fehlerquellen zu minimieren. Gleichzeitig will die BaFin darauf hinwirken, dass die Inhaber von Wertpapieren der Zielgesellschaft bestmöglich informiert sind, damit sie eine ausgewogene Entscheidung darüber treffen können, ob sie ein Angebot annehmen.

Inhaltliche Fehlerquellen

Gerade inhaltlich gibt es zahlreiche mögliche Fehlerquellen, von denen einige im Folgenden dargestellt werden sollen. Zunächst sollten sich die Verfasser einer Stellungnahme fragen, ob es sinnvoll ist, viele Angaben aus der Angebotsunterlage lediglich zu wiederholen, ohne ihre Stellungnahme in der Folge darauf zu stützen. Dies gilt insbesondere, wenn sie diese Angaben nicht als Zitat kenntlich machen.

Weiterhin haben sie darauf zu achten, dass sie tatsächlich durchgängig eine Stellungnahme abgeben, dass sie also ein Angebot bewerten und beurteilen, vor allem mit Blick auf § 27 Absatz 1 Satz 2 WpÜG. Bereits der Begriff „Stellungnahme“ legt nahe, dass stets Stellung zu nehmen ist. Wenn Vorstand und Aufsichtsrat etwa die Ziele, die der Bieter mit dem Angebot verfolgt, lediglich zur Kenntnis nehmen oder als nachvollziehbar bezeichnen, so ist dies kein wertendes Element. Gleiches gilt, wenn sie nur ihr Verständnis äußern. Denn hierdurch paraphrasieren sie letztlich nur die Angaben aus der Angebotsunterlage mit Leerformeln oder beurteilen sie so pauschal, dass der Adressat der Stellungnahme die Meinung der Organe der Zielgesellschaft zum Angebot oder zu einer Angebotsänderung nicht erfährt.

Eine Wertung liegt nur dann vor, wenn sich die Organe der Zielgesellschaft positiv, negativ oder im Einzelfall auch neutral zu den Aussagen des Angebots beziehungsweise dessen Änderungen positionieren. Die Stellungnahme sollte weitestgehend begrüßend oder kritisierend sein. Eine neutrale Stellungnahme ist nur dann zulässig, wenn der Bieter im Angebot beziehungsweise der Änderung des Angebots keine Aussagen trifft oder nur solche, die nicht positiv oder negativ bewertet werden können.

Vollständigkeit

Ferner muss die Stellungnahme zumindest auf alle Aspekte eingehen, die in § 27 Absatz 1 Satz 2 WpÜG genannt sind, und direkt auf die Aussagen des Angebots beziehungsweise der Änderungen des Angebots abstellen. Einzelne Aussagen können nicht erst relativiert oder unter den Vorbehalt gewisser Ereignisse gestellt werden. In diesem Falle wäre die Stellungnahme unzureichend, da sie teilweise auf ein Aliud bezogen wäre. Im Einzelfall kann es aber ausreichen, wenn Vorstand beziehungsweise Aufsichtsrat der Zielgesellschaft nur ihr Verhalten beschreiben, sofern daraus deutlich wird, ob sie etwa die Ziele des Bieters positiv oder negativ beurteilen. Das kann zum Beispiel der Vorschlag an die Hauptversammlung sein, vom Bieter erwünschte Personen in den Aufsichtsrat der Zielgesellschaft zu wählen.

Darüber hinaus bedeutet der Begriff „insbesondere“ in § 27 Absatz 1 Satz 2 WpÜG, dass auch auf andere Gesichtspunkte als die dort genannten Regelbeispiele einzugehen ist, nämlich auf alle Aspekte, die aus der Perspektive der Inhaber von Wertpapieren der Zielgesellschaft für die Beurteilung des Angebots oder einer Änderung von Bedeutung sein können.

Begründung und Gliederung

Zudem ist darauf zu achten, dass die Stellungnahme immer begründet sein muss. Diese Frage stellte sich in der Vergangenheit insbesondere dann, wenn die Art und Höhe der Gegenleistung nach § 27 Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 WpÜG ohne weitere Begründung als nicht angemessen bezeichnet wurde. In diesem Fall muss das Organ der Zielgesellschaft in der Stellungnahme zwar nicht angeben, welche Höhe die Gegenleistung seiner Ansicht nach haben müsste – ob nun feste Gegenleistung oder Spanne. Wohl aber müssen Gründe dargelegt werden, warum die gebotene Gegenleistung nicht angemessen ist.

Eine weitere Fehlerquelle ist, dass eine Stellungnahme zu den voraussichtlichen Folgen eines erfolgreichen Angebots für die Zielgesellschaft, die Arbeitnehmer und ihre Vertretungen, die Beschäftigungsbedingungen und die Standorte der Zielgesellschaft nicht mit einer Stellungnahme zu den Zielen vermischt werden darf, die der Bieter mit dem Angebot verfolgt. Gesamtdarstellungen sind zwar rechtlich zulässig, aber unübersichtlich. Sie führen daher häufig dazu, dass Stellungnahmen lückenhaft sind.

Höhe der Beteiligung und Namen

Beabsichtigen die Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat der Zielgesellschaft, das Angebot für sämtliche gehaltenen Aktien der Zielgesellschaft anzunehmen beziehungsweise nicht anzunehmen, müssen sie die Höhe ihrer Beteiligungen in der Stellungnahme nicht offenlegen. Soll das Angebot jedoch nur für einen Teil der gehaltenen Aktien angenommen werden, so muss die Höhe der einzelnen Beteiligungen angegeben werden.

Wollen nicht alle Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat der Zielgesellschaft das Angebot annehmen beziehungsweise ablehnen, sind in der Stellungnahme zudem die Namen derer zu nennen, die das Angebot annehmen oder nicht annehmen wollen. § 27 Absatz 1 Satz 2 Nr. 4 WpÜG bezieht sich nicht auf die Annahmeabsichten von Personen, die den Organmitgliedern einer Zielgesellschaft nahestehen.

Handlungsempfehlung

Ob eine Empfehlung, das Angebot anzunehmen oder nicht anzunehmen, in die Stellungnahme aufzunehmen ist, wird in der Gesetzesbegründung zu § 27 WpÜG beschrieben. Die Stellungnahme kann sowohl zustimmenden als auch ablehnenden Charakter haben; im Einzelfall ist auch eine Stellungnahme denkbar, die sich einer konkreten Handlungsempfehlung an die Aktionäre enthält. Allerdings sollte dann begründet werden, warum keine Handlungsempfehlung erfolgt.

Verfahrenstechnische Fehlerquellen

Auch verfahrenstechnisch gibt es wesentliche Punkte, die zu beachten sind. Dazu gehört vor allem, dass die Stellungnahme unverzüglich veröffentlicht werden muss. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat im Hinblick auf § 27 WpÜG konkretisiert, was Unverzüglichkeit im Sinne des § 121 Absatz 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch bedeutet.1 Danach gilt, dass die Stellungnahme im Regelfall innerhalb von zwei Wochen veröffentlicht werden muss, nachdem der Bieter die Angebotsunterlage übermittelt hat. In einfachen oder besonders eilbedürftigen Fällen kommt auch eine kürzere Zeitspanne in Betracht. Dies dürfte vor allem dann gelten, wenn Bieter und Zielgesellschaft einen Unternehmenszusammenschluss beabsichtigen und darum etwa im Rahmen eines Business-Combination-Agreements bereits miteinander kooperieren. In einem solchen Fall sind die Umstände, zu denen Stellung zu nehmen ist, den Organen der Zielgesellschaft auch dann hinreichend bekannt, wenn der Bieter die Angebotsunterlage nicht nochmals übermittelt. Wird die Stellungnahme mehr als zwei Wochen nach Übermittlung der Angebotsunterlage veröffentlicht, ist dies in aller Regel nicht mehr unverzüglich und kann nur in seltenen Ausnahmefällen in Betracht kommen, wenn besondere Umstände und Erschwernisse vorliegen.

Grundsätzlich gilt, dass sowohl der Vorstand als auch der Aufsichtsrat der Zielgesellschaft selbst dafür einstehen müssen, dass ihre Stellungnahme rechtzeitig veröffentlicht wird. Das gilt auch, wenn Vorstand und Aufsichtsrat der Zielgesellschaft gemeinsame Stellungnahmen veröffentlichen, wie in der Praxis üblich. Dadurch wartet ein Organ oft auf die Willensbildung des anderen, was die Veröffentlichung der gemeinsamen Stellungnahme verzögern kann. Der Maßstab der Unverzüglichkeit verändert sich auch nicht dadurch, dass Rat von Sachverständigen eingeholt wird, etwa um prüfen zu lassen, ob Transaktionspreise im Rahmen unternehmerischer Initiativen angemessen sind (Fairness-Opinions).

Inhaltliche und verfahrenstechnische Vorgaben aus § 27 WpÜG

Nach § 27 Absatz 1 Satz 1 Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) sind Vorstand und Aufsichtsrat der betroffenen Zielgesellschaft verpflichtet, zu jedem öffentlichen Angebot nach dem WpÜG sowie zu jeder Angebotsänderung eine begründete Stellungnahme abzugeben. Dabei müssen sie nach § 27 Absatz 1 Satz 2 WpÜG insbesondere eingehen auf

  • die Art und Höhe der angebotenen Gegenleistung,
  • die voraussichtlichen Folgen eines erfolgreichen Angebots für die Zielgesellschaft, die Arbeitnehmer und ihre Vertretungen, die Beschäftigungsbedingungen und die Standorte der Zielgesellschaft,
  • die Ziele, die der Bieter mit dem Angebot verfolgt und
  • die Absicht der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats, soweit sie Inhaber von Wertpapieren der Zielgesellschaft sind, das Angebot anzunehmen.

Die formellen Regelungen nach § 27 Absatz 2 und Absatz 3 WpÜG ergänzen diese inhaltlichen Vorgaben. So müssen Vorstand und Aufsichtsrat der Zielgesellschaft die Stellungnahme unverzüglich nach Übermittlung der Angebotsunterlage und deren Änderungen durch den Bieter veröffentlichen und die BaFin darüber informieren. Sie haben die Stellungnahme gleichzeitig dem zuständigen Betriebsrat oder, falls es keinen gibt, unmittelbar den Arbeitnehmern zu übermitteln.

Hinweis

Der Beitrag gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im BaFinJournal wieder und wird nicht nachträglich aktualisiert. Bitte beachten Sie die Allgemeinen Nutzungsbedingungen.

Autor: Dr. Michael Hippeli, BaFin

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