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Erscheinung:30.04.2014 Vergütung: BaFin setzt ESMA-Leitlinien in Mindestanforderungen an die Compliance um

Finanzmarktexperten und Öffentlichkeit sind sich darin einig, dass nicht ordnungsgemäß konzipierte Vergütungsanreize in der Finanzkrise Fehlentwicklungen vielfach verursacht oder beschleunigt haben. Europäische und nationale Aufsichtsbehörden haben diesem Umstand inzwischen Rechnung getragen.Vergütungsstrukturen im Wertpapierdienstleistungsgeschäft sind in den Fokus konkreter aufsichtlicher Betrachtungen gerückt.

Am 11. Juni 2013 veröffentlichte die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA (European Securities and Markets Authority) Leitlinien zu Vergütungsgrundsätzen und -verfahren, die auf der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente MiFID (Markets in Financial Instruments Directive) basieren und zum 30. Januar 2014 in Kraft getreten sind. Die BaFin hat die Vorgaben der Leitlinien in ihrem Rundschreiben 4/2010 (WA) – MaComp1 in die deutsche Verwaltungspraxis umgesetzt.

Die Regelungen sollen verhindern, dass bei der Vergütung Fehlanreize entstehen, die dazu führen könnten, dass Mitarbeiter nicht im Kundeninteresse oder nach den Wohlverhaltensregeln des Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) handeln. Im Fokus der Regularien stehen die Vorgaben zur Gestaltung variabler Vergütungskomponenten. So macht das Regelwerk zum Beispiel Vorgaben dazu, welche variablen Vergütungskomponenten angemessen sind, untersagt variable Vergütungen nach rein quantitativen Kriterien und schreibt vor, im Interesse der Kunden qualitative Kriterien zu verwenden. Zudem verbietet es, unterschiedliche Anreize für verschiedene Produkte zu setzen.

Vergütung

Vergütung im Sinne des Moduls BT 8 der MaComp ist jede Form direkter oder indirekter Zahlung oder Leistung von Wertpapierdienstleistungsunternehmen an relevante Personen. Grundsätzlich ist daher jede Gewährung eines Vorteils als Vergütung anzusehen. Finanzielle und nicht-finanzielle Leistungen sind gleichermaßen erfasst. BT 8.1 Nr. 3 enthält einen nicht abschließenden Katalog.

Neues Modul in den MaComp

Für die Umsetzung der Vergütungsleitlinien hat die BaFin die MaComp um das neue Modul BT 8 erweitert. Dieses vervollständigt den umfangreichen Kanon bereits bestehender aufsichtsrechtlicher Vergütungsregelungen, die unter anderem im Kreditwesengesetz (KWG) und der Institutsvergütungsverordnung (InstitutsVergV) festgeschrieben sind.

Während diese aufsichtsrechtlichen Regelwerke im Wesentlichen das Solvenzrecht betreffen und verhindern sollen, dass systemische Risiken für das jeweilige Institut entstehen, haben die Vergütungsregeln des BT 8 eine andere Zielrichtung: Sie konzentrieren sich auf vergütungsbezogene Risiken, die für das Kundeninteresse bestehen. Die Regelungen des neuen Moduls bestehen zum Teil neben den bisherigen Normen, ohne dass es zu wechselseitigen Beschränkungen käme; zum Teil ergänzen sie sie um zusätzliche Vorgaben. Überschneidungen sollten so ausgeschlossen sein. Sollte es doch zu einem Konflikt kommen, tritt BT 8 hinter die anderen Regelungen zurück.

Relevante Personen

Von den Anforderungen des BT 8 betroffen ist die Vergütung, die an so genannte relevante Personen gewährt wird. Dies sind Personen, die die Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen oder das allgemeine Verhalten des Wertpapierdienstleistungsunternehmens maßgeblich beeinflussen und mitgestalten können, vor allem im Hinblick auf Kundeninteressen. Relevante Personen sind damit im Wesentlichen die Personen, die unmittelbar im Kundenkontakt stehen, wie Anlageberater, Vermögensverwalter, vertraglich gebundene Vermittler oder festangestellte Außendienstmitarbeiter und ihre Vorgesetzten.

Daneben sind auch solche Personen als relevant einzustufen, die die Rahmenbedingungen der Wertpapierdienst- und -nebendienstleistungen gestalten und beispielsweise die Grundsätze und Verfahren,Dienst- und Arbeitsanweisungen oder Vorgaben wie Provisionslisten oder das Produktuniversum des Unternehmens mitbestimmen. Schließlich sind relevante Personen auch diejenigen, die Hilfsmittel für die Dienstleistung oder Nebendienstleistung beisteuern, die die Entscheidung des Kunden direkt oder indirekt beeinflussen können. Zu dieser Gruppe gehören etwa die Ersteller von Marketingmaterialien oder Finanzanalysen.

Teilweise können auch Mitarbeiter der Beschwerdeabwicklung, Schadensbearbeitung, Kundenbindung und Produktentwicklung maßgeblichen Einfluss erlangen und so im Kundeninteresse tätig werden. So müssen insbesondere die Mitarbeiter der Produktentwicklung die Interessen der Kunden beachten, wenn sie Eigenschaften neuer Produkte in deren Sinne strukturieren wollen. Eine ähnliche Bedeutung dürfte den Mitarbeitern der Compliance-Funktion zukommen, die durch ihre Schulungs-, Beratungs- und Überwachungsaufgaben zumindest mittelbar auch im Kundeninteresse tätig werden und an zahlreichen relevanten Prozessen mitwirken, etwa an der Festlegung der Grundsätze für die Ziele des Vertriebs. Letztlich gilt BT 8 auch für alle, die mit der Unternehmenssteuerung befasst sind – insbesondere die Geschäftsleitung.

Organisatorische Vorkehrungen

BT 8 der MaComp schreibt vor, dass alle Wertpapierdienstleistungsunternehmen ein Vergütungssystem einführen. Da dies bereits nach den solvenzrechtlichen Normen Pflicht war, sollten sich die Vorgaben des BT 8 für relevante Personen ohne unverhältnismäßigen Mehraufwand integrieren lassen.

Bei der Einrichtung des Vergütungssystems sind einige formelle Vorgaben zu beachten. So ist insbesondere das Interessenkonflikt- und Risikomanagement einzubeziehen. Das Vergütungssystem ist zudem mit dem Verfahren zur Einführung neuer Produkte oder Dienstleistungen zu koppeln. Letztverantwortlich für die Ausgestaltung und Umsetzung des Vergütungssystems ist die Geschäftsleitung, auch wenn sie entsprechende Aufgaben delegiert hat. Bei der Ausgestaltung, also bei der Erstellung, Abänderung oder (teilweisen) Aufhebung, ist der Rat der Compliance-Funktion einzuholen.

Überwachung

Die Compliance-Funktion ist zudem für die Überwachung der Konzeption, der Inhalte und der Anwendung des Vergütungssystems zuständig. Hierfür gelten die Verfahrensgrundsätze, die in BT 1.2.1 niedergelegt sind. Sie enthalten zum Beispiel Vorgaben zu Vor-Ort-Besuchen oder Stichproben. Die Compliance-Funktion muss das Vergütungssystem hiernach auch in die Risikoanalyse aufnehmen. Vergütungsbezogene Risiken fließen dadurch in das Risikoprofil des Unternehmens ein.

Darüber hinaus enthält das Modul BT 8 einen Beispielkatalog für gute Überwachungspraktiken. Er soll der Compliance-Funktion unverbindlich Möglichkeiten aufzeigen, wie sie ihre Aufgabe besonders vorbildlich erfüllen könnte. Ein Vorschlag ist, zu Überwachungszwecken ein möglichst breites Spektrum an Informationen auszuwerten, die etwa aus Befragungen der Kunden, einer Überprüfung der Kundenrendite, Trend- und Ursachenanalysen, Beschwerden oder Prüfungen der Internen Revision oder der Wirtschaftsprüfer stammen könnten.

Ausgestaltung des Vergütungssystems

Für die inhaltliche Ausgestaltung des Vergütungssystems stellt BT 8 zunächst einige allgemeine Anforderungen auf. Dazu gehört, dass Vergütungssysteme nicht zu komplex sein dürfen. Dies soll zum einen der Gefahr vorbeugen, dass Mitarbeiter das Vergütungssystem nicht verstehen. Zum anderen soll das Vergütungssystem möglichst einheitlich ausgelegt werden können, einfach handhabbar und leicht zu überwachen sein.

Wichtig ist nach BT 8 zudem, dass bei der Konzeption und Überprüfung des Vergütungssystems alle Faktoren und Risiken zu identifizieren und zu berücksichtigen sind, die für die Vergütung und deren Auswirkungen relevant sind. Das Unternehmen soll eine Analyse vornehmen, um Umfang, Intensität, Begleitumstände und potenziellen Aufwand zur Vermeidung vergütungsbezogener Interessenkonflikte besser abschätzen und berücksichtigen zu können.

Variable Vergütungskomponenten

Ein besonderes Augenmerk des BT 8 liegt auf variablen Vergütungsbestandteilen. Hierauf bezieht sich die Mehrzahl der inhaltlichen Vorgaben. Dabei erkennen die MaComp an, dass sich eine variable Vergütung wie kaum ein anderes Instrument eignet, um Mitarbeiter zu steuern. Sie ist damit für die Unternehmensführung unabdingbar. Die Geschäftsleitung kann mit ihrer Hilfe nicht nur betriebswirtschaftliche Verhaltensanreize setzen, sondern auch aufsichtsrechtliche Belange umsetzen. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass die variable Vergütung auch leicht für Fehlanreize verantwortlich sein kann. Diese gilt es durch eine erhöhte Aufmerksamkeit der Aufsicht und klare Vorgaben zu minimieren.

Diesem Anliegen kommt BT 8 durch drei wesentliche Vorgaben nach. Erstens wurde eine Obergrenze für variable Vergütungselemente eingeführt: Sie müssen in einem angemessenen Verhältnis zur fixen Vergütungskomponente stehen und dürfen im Regelfall maximal deren Höhe erreichen. Zweitens dürfen variable Vergütungskomponenten nicht mehr ausschließlich aufgrund quantitativer Kriterien berechnet werden. Ihre Höhe muss sich vielmehr auch nach qualitativen Kriterien richten, die im Interesse der Kunden liegen. Solche qualitativen Kriterien können etwa die Kundenrendite oder -zufriedenheit, die Zahl der Kundenbeschwerden oder die besonders sorgfältige Beachtung gesetzlicher Vorgaben sein.

Drittens dürfen unterschiedliche Produkte nicht mit unterschiedlichen Provisionen versehen werden. Ein Mitarbeiter darf also für den erfolgreichen Vertrieb eines aktiv verwalteten Fonds keine höhere Prämie erhalten als beispielsweise für den Vertrieb einer Aktie. Abweichungen von dieser Regelung sind nur in seltenen, begründeten Ausnahmefällen gestattet. Die Regelung soll bewirken, dass sich Mitarbeiter bei der Betreuung ihrer Kunden von deren Interessen statt vom Blick auf die für sie lukrativsten Produkte leiten lassen.

Wie die Wertpapierdienstleistungsunternehmen diese Regeln umzusetzen haben, hängt jeweils davon ab, wie ausgeprägt die möglichen Interessenkonflikte sind. In BT 8 finden sich daher keine absoluten Vorgaben wie eine konkrete Zahl erforderlicher qualitativer Bemessungskriterien oder eine exakte summenmäßige Obergrenze für variable Vergütungskomponenten. Die Unternehmen sollen diese Instrumente über die angesprochenen Mindestregelungsinhalte hinaus mit der erforderlichen Flexibilität zum Ausgleich der Interessenkonflikte heranziehen können, die sie intern identifiziert haben.

Umsetzung des BT 8

Der BT 8 der MaComp ist am 30. Januar 2014 in Kraft getreten. Seitdem hat jedes Wertpapierdienstleistungsunternehmen zumindest den Anpassungsbedarf seines Vergütungssystems zu analysieren.

Für die Umsetzung der übrigen Vorgaben gilt eine flexible Frist, die sich danach richtet, wie hoch der Anpassungsaufwand im einzelnen Unternehmen ist. Die Teile des Vergütungssystems, deren Anpassung zeitnah erfolgen kann, sind somit entsprechend rasch zu ändern. Neu abzuschließende Arbeitsverträge oder Betriebsvereinbarungen beispielsweise sind daher innerhalb kurzer Zeit umzustellen – im Gegensatz zu solchen, die bereits gelten und rechtlich bindend sind, so dass deren Auslaufen abgewartet werden muss. Die Regelungen des BT 8 verlangen dabei nicht Unmögliches: Anpassungen sind nur dann vorzunehmen, wenn dies rechtlich zulässig ist, etwa durch Kündigung oder wenn auf die anzupassende Vergütung kein Rechtsanspruch besteht. In allen anderen Fällen sind die Institute aber gehalten, auf eine Anpassung hinzuwirken, indem sie beispielsweise neue Verträge anbieten.

Fußnote

  1. 1 Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion und die weiteren Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten nach §§ 31 ff. Wertpapierhandelsgesetz für Wertpapierdienstleistungsunternehmen.

Interview mit Dr. Günter Birnbaum: „Schutz der Anleger im Fokus“

Dr. Günter Birnbaum ist Leiter der BaFin-Abteilung für Grundsatzfragen zur Auslegung und Prüfung der Wohlverhaltensregeln

Herr Dr. Birnbaum, wem kommen die neuen Regeln für Vergütungen zugute?

Bei der Überarbeitung der MaComp stand der Schutz der Anleger im Fokus. Die neuen Vergütungsvorgaben stellen klar, dass es einen konkreten Zusammenhang zwischen dem Interesse der Kunden und der Vergütung der Mitarbeiter von Instituten gibt. Diese haben laut Gesetz vor allem im Kundeninteresse zu handeln – und eben nicht nur im Interesse des Unternehmensprofits.

Müssen die betroffenen Personen, zum Beispiel Anlageberater, jetzt um ihr Gehalt bangen?

Die Vergütungsregeln geben nicht vor, wie viel ein Berater verdienen darf. Das ist und bleibt Sache der Parteien, die das Gehalt aushandeln. Die Art und Weise der Vergütung muss aber dem Kundeninteresse ausreichend Rechnung ragen. Kurz gesagt: Nicht nachvollziehbare Gehaltsexzesse auf Kosten der Kunden darf es nicht geben. Umgekehrt sollte ein Mitarbeiter, der den Kunden nachweislich besonders gut beraten hat, auch entsprechend vergütet werden.

Dennoch: Ist es wirklich notwendig, nach Beratungsprotokoll, Mitarbeiter- und Beschwerderegister und Produktinformationsblatt jetzt auch noch den Beraterlohnzettel zu regulieren?

Ein ganz klares Ja. Fehlentwicklungen, die auf falsch gesetzten Vergütungsanreizen beruhen, müssen korrigiert werden. Allerdings darf man diese Regelungen nicht in einen Topf werfen: Anders als Beratungsprotokoll und Mitarbeiter- und Beschwerderegister betreffen die Vergütungsvorgaben nicht ausschließlich die Anlageberatung gegenüber Privatkunden. Sie gelten vielmehr für alle Personen, die mit Wertpapierdienstleistungen betraut sind, also zum Beispiel auch für Mitarbeiter in der Finanzportfolioverwaltung. Dabei ist es egal, ob es sich um Privatkunden oder um professionelle Kunden handelt.

Was müssen die betroffenen Institute beachten?

Sie sind nun aufgefordert, ihre Vergütungsstrukturen im Wertpapiergeschäft zu untersuchen, zu überdenken und gegebenenfalls zu korrigieren. Das gilt vor allem für die Institute, die ihre Mitarbeiter teilweise variabel vergüten, da in diesen Fällen besonders häufig Interessenkonflikte entstehen können. Ist der Anteil an variabler Vergütung zu hoch, kann das zu nicht erwünschten Anreizen führen, indem zum Beispiel mit Depots von Kunden Umsätze und damit Provisionen generiert werden, obwohl diese nicht im Interesse der Kunden liegen. Die Institute müssen die Vergütung nun in geordnete Strukturen gießen, sofern sie das bisher nicht getan haben. Dazu gehört auch, dass die Institute die Umsetzung laufend und nachvollziehbar überwachen.

Wie stellt die BaFin sicher, dass die Institute die Vergütungsregeln umsetzen?

Wir werden den Prozess natürlich aufmerksam beobachten, sowohl über regelmäßige eigene Prüfungen vor Ort als auch mit Hilfe von Wirtschaftsprüfern. Das wird uns hoffentlich recht bald ein konsistentes Bild liefern. Wenn wir Fehlentwicklungen oder Nachlässigkeiten feststellen, werden wir sie nachdrücklich ansprechen und die Institute dazu anhalten, sie zu korrigieren. Mit der neuen MiFID, der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente, wird die Beaufsichtigung der Vergütung wohl ohnehin konkreten Eingang in das Gesetz finden. Darauf können sich die Institute schon jetzt vorbereiten.

Hinweis

Der Beitrag gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im BaFinJournal wieder und wird nicht nachträglich aktualisiert. Bitte beachten Sie die Allgemeinen Nutzungsbedingungen.

Autor: Dr. Thorsten Becker, Dr. Chan-Jae Yoo, BaFin

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