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Erscheinung:01.08.2013 14:46 Uhr | Thema Makroaufsicht Finanzstabilitätsgesetz weitet Zusammenarbeit von BaFin und Bundesbank aus

Die Zusammenarbeit von BaFin und Deutscher Bundesbank ist durch das Finanzstabilitätsgesetz (FinStabG) ausgeweitet worden und erstreckt sich nun auch auf die Versicherungsaufsicht der BaFin. Zuvor gab es auf diesem Gebiet nur einzelne Berührungspunkte. BaFin und Bundesbank hatten vor allem in der Bankenaufsicht zusammengearbeitet.

Mit dem FinStabG, das am 1. Januar 2013 in Kraft getreten ist, erhielt die Bundesbank den Auftrag, den deutschen Finanzmarkt makroprudenziell zu beaufsichtigen. Dazu soll sie unter anderem laufend die Sachverhalte analysieren, die für die Finanzstabilität maßgeblich sind, um Gefahren zu identifizieren. Der Gesetzgeber zog damit Konsequenzen aus der Finanzkrise: Nicht nur die einzelnen Akteure, sondern auch die Finanzmärkte als Ganzes mussten in den Fokus der Aufsicht rücken. Die BaFin ist weiterhin für die mikroprudenzielle Aufsicht zuständig.

Das FinStabG verpflichtet BaFin und Bundesbank, sich gegenseitig über Beobachtungen, Feststellungen und Einschätzungen zu informieren, die sie zur Erfüllung ihrer jeweiligen Aufsichtsaufgaben brauchen. Felix Hufeld, BaFin-Exekutivdirektor der Versicherungsaufsicht, und der unter anderem für das Ressort Finanzstabilität zuständige Bundesbank-Vorstand Dr. Andreas Dombret erklären im Interview, was das im Detail für die Versicherungsaufsicht bedeutet.

Aufgabenteilung in der deutschen Bankenaufsicht

BaFin und Deutsche Bundesbank arbeiten bei der Überwachung der Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute eng zusammen. Die Bundesbank nimmt die Aufgaben der laufenden Überwachung gemäß § 7 Absatz 1 des Kreditwesengesetzes wahr. Danach wertet sie unter anderem die Berichte und Meldungen aus, die die Institute regelmäßig einzureichen haben, und prüft, ob deren Eigenkapitalausstattung und Risikosteuerungsverfahren angemessen sind. Im Rahmen der laufenden Aufsicht berücksichtigt die Bundesbank auch die makroprudenziellen Erkenntnisse aus ihrer Tätigkeit nach dem FinStabG, die Vorgaben, Warnungen und Empfehlungen der relevanten europäischen Stellen sowie des Ausschusses für Finanzstabilität und beachtet die inhaltlichen Vorgaben der BaFin.

Die BaFin beurteilt abschließend, ob das Institut über ein solides Risikomanagement und eine solide Risikoabdeckung verfügt und ob es sicherstellt, dass seinen Risiken eine angemessene Liquiditäts- und Eigenmittelausstattung gegenübersteht. Der BaFin obliegt die abschließende Beurteilungs- und Entscheidungsbefugnis bei allen aufsichtsrechtlichen Maßnahmen und Auslegungsfragen. Dabei stützt sie sich in der Regel auf die Bewertungen der Bundesbank.

BaFin und Bundesbank haben die Kompetenzen, die ihnen der Gesetzgeber jeweils zugewiesen hat, in einer Vereinbarung konkretisiert. Die BaFin hat zudem im Benehmen mit der Bundesbank eine Richtlinie (Aufsichtsrichtlinie) erlassen.

Ausschuss für Finanzstabilität

Die Erkenntnisse der Bundesbank fließen auch in die Beratungen des Ausschusses für Finanzstabilität (AFS) ein. Dieser Ausschuss, zentrales Element des FinStabG, wurde gegründet, um die Zusammenarbeit von Bundesbank und BaFin auf dem Gebiet der Finanzstabilität zu stärken. Seine wesentlichen Aufgaben bestehen darin, Gefahren für die Finanzstabilität zu identifizieren und Warnungen und Empfehlungen zur Abwehr von Gefahren auszusprechen.

Der Ausschuss setzt sich aus jeweils drei Vertretern des Bundesfinanzministeriums (BMF), der BaFin und der Bundesbank sowie – in beratender Funktion – einem Vertreter der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung (FMSA) zusammen. Das BMF wird durch Staatssekretär Dr. Thomas Steffen, den Leiter der Finanzmarktabteilung, Dr. Levin Holle, und durch den Leiter der Grundsatzabteilung, Dr. Ludger Schuknecht, repräsentiert. Von Seiten der BaFin nehmen Präsidentin Dr. Elke König sowie die Exekutivdirektoren für die Banken- und die Versicherungsaufsicht, Raimund Röseler und Felix Hufeld, an den Sitzungen teil. Für die Bundesbank sitzen im AFS Vizepräsidentin Sabine Lautenschläger, Vorstand Dr. Andreas Dombret und Dr. Karlheinz Bischofberger, Leiter des Zentralbereichs Finanzstabilität. Die FMSA wird durch den Vorsitzenden des Leitungsausschusses vertreten, Dr. Christopher Pleister. Der Bundesfinanzminister und der Präsident der Deutschen Bundesbank können an den Sitzungen des Ausschusses teilnehmen.

Interview mit Dr. Andreas Dombret und Felix Hufeld

„Beide Organisationen profitieren von der speziellen Expertise der anderen“

Herr Dr. Dombret, Herr Hufeld, aufgrund des Finanzstabilitätsgesetzes arbeiten Bundesbank und BaFin nun auch in der Versicherungsaufsicht zusammen. Wie sind die Aufgaben verteilt?

Hufeld: Das ist schnell erklärt: Die mikroprudenzielle Versicherungsaufsicht, also die Aufsicht über einzelne Versicherer, Versicherungsgruppen und Pensionsfonds, ist nach wie vor allein Sache der BaFin. Die Bundesbank ist daran nicht beteiligt. Das ist also anders als in der Bankenaufsicht.

Dombret: Die Bundesbank hat nach dem Finanzstabilitätsgesetz mit dafür zu sorgen, dass das Finanzsystem stabil bleibt. Sie ist für die makroprudenzielle Überwachung aller Sektoren des Finanzsystems zuständig – also auch für den der Versicherer. Das Gesetz weist der Bundesbank insbesondere analytische Aufgaben zu. Wir identifizieren potenzielle Gefahren und bewerten Sachverhalte, die sich auf die Finanzstabilität insgesamt auswirken könnten. Diese Beiträge bilden die Grundlage für die Beratungen im AFS, dem Ausschuss für Finanzstabilität, in den auch das BMF, die BaFin und die FMSA ihre Sichtweisen einbringen. Aufbauend auf dieser Risikoanalyse kann der AFS dann Warnungen und Empfehlungen aussprechen.

Damit geht einher, dass BaFin und Bundesbank jetzt mehr Informationen austauschen als früher.

Dombret: Ja, das Finanzstabilitätsgesetz sagt ganz klar, dass wir uns gegenseitig sämtliche Beobachtungen, Feststellungen und Einschätzungen mitteilen, die wir benötigen, um unsere jeweiligen Aufgaben zu erfüllen. Beide Organisationen profitieren von den Informationen und der speziellen Expertise der jeweils anderen. Der Gesetzgeber will ausdrücklich, dass wir Hand in Hand zusammenarbeiten und uns über relevante Daten, Fakten und Beurteilungen austauschen. Und diesem Wunsch werden wir gemeinsam nachkommen.

Wie sieht das konkret aus?

Hufeld: Das haben wir in einer gemeinsamen Verwaltungsvereinbarung geregelt, die bei der BaFin für alle Aufsichtsbereiche gilt. Die Vereinbarung muss jetzt mit Leben erfüllt werden. Wir haben bei allen Daten, die wir oder die Bundesbank erheben, geprüft, für welche Aufsichtsperspektive diese relevant sind. Bestimmte Daten, die regelmäßig erhoben werden, werden laufend übermittelt. Grundsätzlich kann die BaFin auf alle Daten und Informationen der Bundesbank zurückgreifen – und vice versa –, soweit dies gebraucht wird, um das jeweilige Mandat zu erfüllen. Wie wir dabei am besten vorgehen, werden wir jetzt in der Praxis einüben.

Müssen die Versicherer befürchten, dass ihnen der Informationsaustausch Nachteile bringt?

Dombret: Im Gegenteil. Es liegt ja in ihrem ureigenen Interesse, dass wir uns um ein stabiles Finanzsystem bemühen. Die Erfahrungen der vergangenen Jahre haben nachdrücklich gezeigt, welche Gefahren mit systemischen Risiken und einer Ansteckung über Branchengrenzen hinweg verbunden sind.

Hufeld: Das sehe ich auch so. Umgekehrt gilt das, was Herr Dombret sagte, natürlich auch für die mikroprudenzielle Aufsicht. Wenn uns die Bundesbank wertvolle Erkenntnisse aus der makroprudenziellen Sicht übermittelt, profitieren davon zuallererst die Versicherer beziehungsweise die Gemeinschaft der Versicherten. Und für die Unternehmen ist es auch positiv, dass sie keinen regulären Meldeweg zur Bundesbank aufbauen müssen. Wir übermitteln die Daten, die uns vorliegen, an die Bundesbank. Natürlich bleiben die Daten vertraulich – die Bundesbank unterliegt schließlich wie die BaFin der Verschwiegenheitspflicht.

Was machen Bundesbank und BaFin mit den Informationen?

Dombret: Das ist gesetzlich geregelt: Wir erfüllen mit Hilfe der Informationen unseren jeweiligen Auftrag. Für uns heißt das, dass wir auf die Daten der BaFin zurückgreifen, um die Stabilität des Finanzsystems insgesamt aus makroprudenzieller Sicht zu beurteilen. Die BaFin ihrerseits nutzt unsere Daten und Erkenntnisse, um die Versicherer wirksam zu beaufsichtigen und so sicherzustellen, dass sie ihre Verträge dauerhaft erfüllen können. Wie bereits erwähnt, fließen die Erkenntnisse außerdem in die Beratungen des Ausschusses für Finanzstabilität ein.

Hufeld: Die volkswirtschaftliche und makroprudenzielle Expertise der Bundesbank wird für uns in vielfältiger Weise wertvoll sein. Denken Sie etwa an das Thema Niedrigzinsphase. Die Bundesbank analysiert die Informationen, die wir ihr zur Verfügung stellen, und wertet sie aus. Die Ergebnisse werden wir wiederum für unsere mikroprudenzielle Aufsicht nutzbar machen. Der Informationsaustausch ist also keine Einbahnstraße, sondern führt zu einer fruchtbaren Symbiose aus makro- und mikroprudenziellem Know-How, die den deutschen Finanzplatz stärken wird.

Zum Thema Niedrigzinsphase: Wie sieht hier die Zusammenarbeit konkret aus?

Hufeld: Bei diesem Thema wird deutlich, wie wichtig unsere Zusammenarbeit ist. Erst wenn wir die maßgeblichen volkswirtschaftlichen und makroprudenziellen Faktoren und die Besonderheiten der einzelnen Versicherer würdigen, können wir ein verlässliches und umfassendes Bild der Situation zeichnen. Auch im Ausschuss für Finanzstabilität spielt das anhaltend niedrige Zinsniveau selbstverständlich eine wichtige Rolle. Wir müssen uns also direkt zu Beginn unserer Zusammenarbeit mit einem schwierigen Thema beschäftigen. Dies wird unsere Zusammenarbeit aber nur stärken, dessen bin ich mir sicher.

Dombret: Die Wirkungen der Niedrigzinsphase sind ja in allen Finanzsektoren spürbar. Kreditinstitute und die Versicherer müssen dies in ihren Geschäftsplanungen entsprechend berücksichtigen. Da die Bundesbank bereits seit einigen Jahren die Auswirkungen des Niedrigzinsumfeldes auf das Finanzsystem und insbesondere natürlich auch auf die Lebensversicherer beobachtet, erwarte ich eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit der BaFin auch auf diesem Gebiet.

Ein weiteres Thema, das aus makro- und mikroprudenzieller Sicht von großer Bedeutung ist, ist die Systemrelevanz. Der Finanzstabilitätsrat FSB (Financial Stability Board) hat kürzlich neun Versicherer als global systemrelevant eingestuft. Welche Bedeutung messen Sie diesem Schritt bei?

Dombret: Mit der Veröffentlichung dieser ersten Liste global systemrelevanter Versicherer haben wir einen weiteren Schritt getan auf dem Weg hin zu einem stabileren Finanzsystem. Es sind nicht nur Banken, die systemisch relevant sein können, sondern auch Marktinfrastrukturen oder eben Versicherer. Maßgeblich für die Systemrelevanz eines Versicherers sind dabei vor allem seine Vernetzung im Finanzsystem und der Umfang seines nichttraditionellen beziehungsweise Nichtversicherungsgeschäfts. Daher unterstütze ich den jetzigen Schritt des FSB voll und ganz. Es ist aber auch klar, dass noch ein gehöriges Stück Wegstrecke vor uns liegt. Wir müssen die mit dieser Einstufung verbundenen regulatorischen Konsequenzen jetzt konkretisieren und endgültig festzurren. Das wird nicht einfach. Denken Sie nur einmal an die Herausforderung, erstmalig für den Versicherungssektor eine international einheitliche Grundlage für etwaige Kapitalzuschläge zu schaffen.

Hufeld: Es ist gut, dass wir jetzt wissen, woran wir sind. Zwar sind Versicherer anders systemrelevant als etwa Banken, denn bei Versicherern findet untereinander kein Handel statt. Doch die Identifikation global systemrelevanter Versicherer hilft uns ganz entscheidend dabei, die Finanzstabilität zu wahren und die Versicherungsnehmer zu schützen. Was aus meiner Sicht dem Schutz der Versicherungsnehmer vor allem dient, sind funktionsfähige Sanierungs- und Abwicklungspläne sowie eine der Komplexität angemessene Aufsicht. Aber, wie bereits gesagt: Die regulatorischen Konsequenzen müssen wir nun noch konkretisieren. Dass auf der Liste kein Rückversicherer auftaucht, heißt übrigens nicht, dass diese Unternehmen als nicht systemrelevant angesehen werden. Über dieses Thema wird im kommenden Jahr entschieden.

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