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Erscheinung:26.02.2013 15:22 Uhr Ratingagenturen unter ESMA-Aufsicht

In der Europäischen Union werden Kreditratingagenturen seit mehr als einem Jahr allein von der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA (European Securities and Markets Authority) beaufsichtigt. Der vorliegende Beitrag gibt einen Überblick über die mit dieser Aufgabe zusammenhängenden Herausforderungen und über bestehende und geplante Vorschriften für Ratingagenturen.

Neue gesetzliche Grundlage

Mit der EU-Rating-Verordnung wurde – als Reaktion auf die Finanzkrise – im Jahr 2010 in der EU der regulatorische Grundstein für eine staatliche Aufsicht über Kreditratingagenturen gelegt. Damit folgte die EU dem Beispiel der USA, die bereits 2006 als erster wichtiger Finanzplatz einen substanziellen aufsichtsrechtlichen Rahmen für die Tätigkeit der Ratingagenturen geschaffen hatten.

Europaweit besteht nun für alle Ersteller von Kreditratings eine Registrierungspflicht. Vor der Registrierung müssen die Ratingagenturen ein umfangreiches Prüfungs- und Genehmigungsverfahren durchlaufen. Haben sie dieses Verfahren erfolgreich abgeschlossen, können sie mit ihrer Tätigkeit beginnen, die laufend von der ESMA beaufsichtigt wird.

Verwendungsfähige Ratings

Die wesentlichen Marktteilnehmer dürfen nach der EU-Rating-Verordnung für aufsichtliche Zwecke ausschließlich auf Kreditratings von Ratingagenturen zurückgreifen, die bei der ESMA registriert sind bzw., als „Registrierungsersatz“, über eine Zertifizierung für drittstaatliche Agenturen verfügen. Verwendet werden dürfen außerdem Ratings, die von einer registrierten Ratingagentur gemäß dem in der EU-Rating-Verordnung vorgesehenen Mechanismus übernommen wurden (Endorsement).

Ein Rating im Sinne der Verordnung ist jedes Bonitätsurteil, das anhand eines festgelegten und definierten Einstufungsverfahrens für Ratingkategorien (wie beispielsweise die weit verbreiteten Ratingskalen von AAA bis D) abgegeben wird und sich auf ein Unternehmen, einen Schuldtitel oder eine finanzielle Verbindlichkeit, eine Schuldverschreibung, eine Vorzugsaktie oder ein anderes Finanzinstrument bzw. auf den jeweiligen Emittenten bezieht. Nicht von der EU-Rating-Verordnung erfasst sind unter anderem private Ratings (die nur dem Auftraggeber bekanntgegeben werden), Finanzanalysen im Sinne der Marktmissbrauchsrichtlinie (Market Abuse Directive – MAD) und der Finanzmarktrichtlinie (Markets in Financial Instruments DirectiveMiFID) sowie Kreditscorings.

Vorschriften zu Organisation, Darstellung und Transparenz

Die EU-Rating-Verordnung enthält umfangreiche Vorschriften zur inneren Organisation einer Ratingagentur, die potenzielle Interessenkonflikte vermeiden oder verringern und eine möglichst hohe Qualität der Ratings sicherstellen sollen. Daneben umfasst sie zahlreiche Darstellungs- und Transparenzvorschriften, die es den Verwendern von Ratings ermöglichen sollen, die Grundlagen und Aussagekraft eines Ratings besser zu verstehen. Die verwendeten Ratingmethoden müssen gemäß der Verordnung „streng, systematisch und beständig“ sein und einer Validierung unterliegen, die auf historischen Erfahrungswerten (insbesondere Rückvergleichen) beruht.

Zugleich hat der Gesetzgeber jedoch festgeschrieben, dass die ESMA als zuständige Aufsichtsbehörde keinen Einfluss auf den Inhalt der Ratings oder die Methoden nehmen darf. Dies steht nur scheinbar im Widerspruch zu den zuvor genannten Vorschriften, zeigt aber, dass sich die Kontrolle der Ratingmethoden durch die ESMA nur in äußerst engen Grenzen bewegen kann.

ESMA als europaweit zuständige Aufsichtsbehörde

Nach der ursprünglichen Fassung der EU-Rating-Verordnung wurden die Ratingagenturen von den nationalen Aufsichtsbehörden beaufsichtigt, die in Aufseher-Kollegien miteinander kooperierten. Die ESMA, bzw. ihre Vorgänger-Institution, der Ausschuss der Europäischen Wertpapier-Regulierungsbehörden CESR (Committee of European Securities Regulators), hatte nur eine unterstützende Funktion.

Mit der ersten Novelle der Verordnung (Credit Rating Agency Regulation II – CRA II) konzentrierte der europäische Gesetzgeber die europaweite Aufsichtszuständigkeit bei der ESMA und verlieh dieser entsprechend umfassende Exekutivkompetenzen. In der Praxis bedeutete dies, dass mit Abschluss der letzten Registrierungsverfahren im Oktober 2011, die noch Aufseher-Kollegien begonnen hatten, sämtliche Aufsichtsbefugnisse über Ratingagenturen auf die ESMA übergegangen sind und diese seitdem allein für die Anwendung der EU-Rating-Verordnung verantwortlich ist. Die Mitwirkung der nationalen Aufsichtsbehörden wie der BaFin konzentriert sich nun auf die Mitarbeit im entsprechenden Fachausschuss der ESMA, der Leitlinien und Empfehlungen sowie technische Regulierungs- und Durchführungsstandards entwickelt, welche entweder von der ESMA selbst oder der EU-Kommission unter Mitwirkung des Europäischen Parlaments und des Rats verabschiedet werden, sowie auf die Mitwirkung bei der Beschlussfassung im Rat der Aufseher, dem Lenkungsgremium der ESMA. Dieser fasst letztinstanzlich alle Beschlüsse über Tätigkeit und Maßnahmen der Behörde, entscheidet also auch, ob Sanktionen gegen beaufsichtigte Unternehmen verhängt werden.

Die gesamte praktische Aufsichtstätigkeit, auch die Vor-Ort-Prüfungen bei Ratingagenturen, übernimmt das Ratingagenturen-Referat des ESMA-Sekretariats in Paris, das gegenwärtig knapp 20 Mitarbeiter zählt. Die EU-Rating-Verordnung räumt der ESMA allerdings die Möglichkeit ein, unter bestimmten Voraussetzungen einzelne Aufsichtstätigkeiten an nationale Aufsichtsbehörden zurück zu übertragen, wobei jedoch die Verantwortung für alle Maßnahmen die ESMA trägt.

Tätigkeit der ESMA seit Kompetenzübergang

Europaweit sind bislang 33 Registrierungen an 19 verschiedene Firmen sowie eine Zertifizierung erteilt worden. Neben den „großen Drei“ (Fitch, Moody’s, Standard & Poors) haben nämlich auch sehr viele kleine und mittelständische Agenturen eine Registrierung bzw. Zertifizierung erhalten. Die Liste dieser Ratingagenturen ist auf der ESMA-Homepage einsehbar. Dort finden sich auch ein detaillierter Tätigkeitsbericht des Ratingagentur-Referats der ESMA für das Jahr 2011/12 sowie der Arbeitsplan für 2013.

Bereits vor und kurz nach Übernahme der Aufsichtszuständigkeit hat die ESMA zahlreiche grundlegende Auslegungsentscheidungen zur EU-Rating-Verordnung getroffen. Zudem hat sie für das Zertifizierungsverfahren die Ratingagentur-Gesetzgebung einer Reihe von Drittstaaten auf ihre Vergleichbarkeit mit der Verordnung hin überprüft und diverse Verwaltungsabkommen – Memoranda of Understanding – mit drittstaatlichen Aufsichtsbehörden abgeschlossen.

Schwierige Abgrenzung zwischen Ratings und Scorings

Gegenwärtig steht die ESMA vor der Aufgabe, im Markt nach Anbietern von Bonitätseinschätzungen zu suchen, die bisher keine Registrierung beantragt haben, dies aber gemäß der Verordnung tun müssten. Denn insbesondere die Abgrenzung zwischen Ratings und Scorings, die für das Bestehen der Registrierungspflicht entscheidend ist, hat sich in der Praxis mangels klarer gesetzlicher Vorgaben bisweilen als schwierig erwiesen. Einige Marktteilnehmer haben daher noch gar nicht erkannt, dass ihre Tätigkeit vom Anwendungsbereich der EU-Rating-Verordnung erfasst ist.

Der Übergang der Aufsichtszuständigkeit auf die junge Behörde ESMA fand unter Rahmenbedingungen statt, die alles andere als einfach waren: Er fiel genau in die Zeit, in der die Ratings zahlreicher europäischer Staaten herabgestuft wurden. Während das zuständige Sekretariat bei der ESMA – von der Leitung bis hin zur Arbeitsebene – erst noch aufgebaut werden musste, war bereits eine Fülle wichtiger Maßnahmen zu treffen, die nicht selten im Fokus des öffentlichen Interesses standen.

Ausblick

Auch die rege Tätigkeit der Brüsseler Gesetzgebungsorgane ließ und lässt weder der ESMA noch den Ratingagenturen viel Zeit zum Durchatmen. Denn innerhalb des kurzen Zeitraums seit Inkrafttreten der neuen EU-Rating-Verordnung im Jahre 2010 steht nun bereits die zweite Verordnungsnovelle (CRA III) vor der Tür. Auch sie wird eine Reihe neuer Vorschriften für die Ratingagenturen und damit auch neuer Aufsichtsaufgaben für die ESMA mit sich bringen.

Die CRA III will der Bezugnahme auf externe Ratings – insbesondere in aufsichtlichen Regelwerken – soweit möglich eindämmen. Ferner werden die Möglichkeiten, sich an Ratingagenturen finanziell zu beteiligen, Beschränkungen unterworfen, um Interessenkonflikte zu verhindern. Darüber hinaus sieht die geplante Novelle vor, dass bestimmte Mandate bei den Ratingagenturen innerhalb vorgegebener Zeiträume rotieren müssen, legt besondere Regelungen zu Staatenratings fest und führt eine europäische Ratingplattform sowie zivilrechtliche Haftungsregelungen ein.

Die Verhandlungen zwischen EU-Kommission, Rat und EU-Parlament (Trilogverfahren) wurden Anfang Dezember 2012 beendet. Stimmt das EU-Parlament der CRA III zu, dürfte die neue Verordnung im Sommer 2013 in Kraft treten.

Hinweis

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Autor: Bernd Goller, BaFin

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