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Erscheinung:05.09.2012 00:00 Uhr | Thema Prospekte

Änderungen im Wertpapierprospektrecht

Fünf Jahre nach ihrem Inkrafttreten wurde die Prospektrichtlinie turnusgemäß überarbeitet und durch eine Änderungsrichtlinie angepasst bzw. ergänzt. Das machte zahlreiche Änderungen im Wertpapierprospektgesetz (WpPG) erforderlich, die am 1. Juli 2012 in Kraft getreten sind.1)

Auch die EU-Prospektverordnung (EU-ProspVO) wurde durch die Verordnung 486/2012 (Erste delegierte Änderungsverordnung) zum Stichtag 1. Juli 2012 geändert und ergänzt. Eine weitere Änderungsverordnung ist zu erwarten.

Wie im BaFinJournal 07/12 bereits angekündigt, gibt der folgende Beitrag einen ausführlichen Überblick über die wesentlichen Änderungen des Prospektrechts. Ausgenommen ist die umfassende Neuordnung des Basisprospektregimes, über die Sie sich auf der Internetseite der BaFin informieren können.

Ziele der Überarbeitung

Die Überarbeitung der Richtlinie zielt auf verschiedene Aspekte ab. Sie soll Rechtsunsicherheiten bei der Prospektpflicht in Vertriebsketten und im Nachtragsrecht klären, zu hohe Auflagen beseitigen, die Unternehmen und Finanzmittlern in der EU die Aufnahme von Mitteln auf den Wertpapiermärkten erschwerten, und Bürokratiekosten abbauen. Gleichzeitig soll der Anlegerschutz weiter verbessert werden: Die genauen Vorgaben an Struktur und Inhalt von Prospektzusammenfassungen sollen gewährleisten, dass die Informationen, die Kleinanleger erhalten, ausreichend wie auch bedarfsgerecht sind und sich verschiedene Angebote besser miteinander vergleichen lassen.

Vorgaben für die Prospektzusammenfassung

Die Prospektzusammenfassung soll nach den Erwägungsgründen der Änderungsrichtlinie die zentrale Informationsquelle für den Anleger sein. Sie muss neben den allgemeinen Warnhinweisen nach § 5 Absatz 2b WpPG alle erforderlichen Schlüsselinformationen nach § 5 Absatz 2a WpPG enthalten. Der Begriff der Schlüsselinformationen wurde neu in das WpPG eingeführt und ist in § 2 Nr. 18 WpPG definiert. Danach sind Schlüsselinformationen grundlegende und angemessen strukturierte Informationen, die dem Anleger zur Verfügung zu stellen sind. Sie sollen ihm ermöglichen, Art und Risiken des Emittenten, des Garantiegebers und der Wertpapiere, die ihm angeboten oder zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen werden sollen, zu verstehen und unbeschadet des § 5 Absatz 2b Nr. 2 WpPG zu entscheiden, welchen Wertpapierangeboten er weiter nachgehen sollte.

Artikel 24 Absatz 1 der neuen Fassung der EU-Prospektverordnung (EU-ProspVO n.F.) enthält im Zusammenhang mit dem neuen Anhang XXII genaue Vorgaben, wie die Prospektzusammenfassung zu strukturieren ist und welche inhaltlichen Angaben sie enthalten muss. Sie ist demnach in fünf Abschnitte zu unterteilen: A: Einleitung und Warnhinweise; B: Emittent und etwaige Garantiegeber; C: Wertpapiere; D: Risiken; E: Angebot. Innerhalb dieser Abschnitte sind in zwingend vorgegebener Reihenfolge je nach Art der ansonsten verwendeten Anhänge (zum Beispiel Anhänge I und III bei Aktienemissionen oder Anhänge IV und V bei Schuldverschreibungen) die entsprechenden Unterpunkte abzuarbeiten. Ist im konkreten Einzelfall ein Unterpunkt nicht einschlägig, etwa wenn Angaben zur Gruppe des Emittenten verlangt werden, der Emittent aber keiner Gruppe angehört, ist zu diesem Unterpunkt das Wort „entfällt“ mit einer stichwortartigen Begründung zu vermerken. Anders verhält es sich bei solchen Unterpunkten, die für die betreffende Emissionsart von vornherein nicht vorgesehen sind. So wird beispielsweise in Abschnitt D (Wertpapiere) der Unterpunkt C.7 (Dividendenpolitik) nur für Prospekte verlangt, die nach Anhang I aufgebaut sind, also für Aktienprospekte. Für Schuldverschreibungsprospekte ist dieser Unterpunkt daher zu ignorieren und auch nicht mit dem Vermerk „entfällt“ zu versehen.

Zusammenfassung bei verkürzten Prospekten

In Anhang XXII sind die neuen verkürzten Anhänge XXIII bis XXIX, die kleine und mittlere Unternehmen (KMUs), Unternehmen mit geringer Marktkapitalisierung (Small Caps) und Emittenten von Bezugsrechtskapitalerhöhungen verwenden können (dazu weiter unten mehr), nicht genannt. Daraus könnte abgeleitet werden, dass solche verkürzten Prospekte keine Zusammenfassung benötigten. Diese Schlussfolgerung widerspräche jedoch § 5 Absatz 2 Satz 1 WpPG. Darin heißt es, dass der Prospekt vorbehaltlich des Satzes 5 eine Zusammenfassung enthalten muss. Satz 5 befreit solche Prospekte von der Zusammenfassung, die die Zulassung von Nichtdividendenwerten mit einer Mindeststückelung von 100.000 Euro an einem organisierten Markt betreffen.

Die BaFin sieht die Regelung in Satz 5 als abschließend an, so dass in allen übrigen Fällen – auch bei verkürzten Prospekten für KMUs, Small Caps und bei Bezugsrechtsemissionen – eine Zusammenfassung erforderlich ist. Sie ist dann entsprechend den vergleichbaren, nicht verkürzten Anhängen zu erstellen, ohne dass der Vermerk „entfällt“ für die Informationsbestandteile zu verwenden ist, die wegen der Verkürzung auch im Hauptteil nicht ausgeführt sind. In diesem Fall ist der BaFin mitzuteilen, welche Angaben, die für die Zusammenfassung vergleichbarer regulärer Anhänge vorgeschrieben sind, aufgrund der verkürzten Anhänge nicht und auch nicht freiwillig gemacht wurden. Entscheidet sich ein Anbieter jedoch dafür, über die verkürzten Anhänge hinaus freiwillig weitere Angaben in den Prospekt aufzunehmen, sind diese Angaben auch in die Zusammenfassung aufzunehmen, wenn dies laut Anhang XXII der EU-ProspVO n.F. für die vergleichbaren nicht verkürzten Anhänge vorgeschrieben ist.

Umfang und Verweise

Die Länge der Zusammenfassung richtet sich nach der Komplexität des Emittenten und seiner Wertpapiere. Sie darf jedoch höchstens 7 Prozent des Prospekts einnehmen oder 15 Seiten lang sein, je nachdem, welche Vorgabe länger ist. Die BaFin rechnet bei der Bestimmung der Gesamtlänge des Prospekts die historischen Finanzinformationen, die durch Verweis einbezogenen Dokumente sowie die Zusammenfassung selbst als Teil des Prospekts mit ein.

Weiterhin schreibt Artikel 24 Absatz 1 EU-ProspVO n.F. vor, dass die Zusammenfassung keine Verweise auf andere Teile des Prospekts enthalten darf. Sie ist klar und verständlich zu formulieren, wobei die Schlüsselinformationen auf leicht zugängliche und verständliche Weise zu präsentieren sind.

ESMA-Vorgaben für die Prospektzusammenfassung

Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA (European Securities and Markets Authority) hat in ihrem Frage- und Antwortkatalog einen neuen Punkt 80 aufgenommen, der detaillierte Anforderungen an das Format der Zusammenfassung aufführt und vor den Abschnitten A bis E zusätzlich einen einleitenden Text verlangt. Die BaFin wird sich an diesen Vorgaben orientieren.

Auf die Gestaltung der Zusammenfassung bei verkürzten Anhängen wird ESMA in den nächsten Monaten noch eingehen.

Erleichterte Angabepflichten für Bezugsrechtskapitalerhöhungen

Artikel 26a der EU-ProspVO n.F. sieht im Vergleich zu den Angabepflichten nach Anhang I und III erleichterte Angabepflichten bei Bezugsrechtsemissionen vor, die sich ausschließlich an Altaktionäre richten. Hierfür wurden die neuen Anhänge XXIII und XXIV geschaffen, die im genannten Fall anstelle der Anhänge I und III anwendbar sind. So sind beispielweise keine Angaben zur Geschäfts- und Finanzlage und zur Eigenkapitalausstattung zu machen und historische Finanzinformationen nur für das letzte Geschäftsjahr anzugeben anstatt für die vorangegangenen drei Geschäftsjahre. Dem Emittenten steht es allerdings frei, einen Prospekt freiwillig nach den ausführlicheren Anhängen I und III zu gestalten.

Diese so genannten verhältnismäßigen Schemata in den Anhängen XXIII und XXIV gelten nach Artikel 26a Absatz 1 der EU-ProspVO n.F. für Bezugsrechtsemissionen, sofern vom Emittenten begebene Anteile derselben Gattung zuvor schon zum Handel an einem geregelten Markt oder zum Handel über ein multilaterales Handelssystem (Multilateral Trading-Facility – MTF) im Sinne des Artikels 4 Absatz 1 Nr. 15 der MiFID (Markets in Financial Instruments Directive) zugelassen wurden. Der Begriff „Bezugsrechtsemission“ ist in Artikel 2 Nr. 13 der EU-ProspVO n.F. definiert und umfasst jede Emission satzungsmäßiger Bezugsrechte, in deren Rahmen neue Anteile gezeichnet werden können und die sich nur an Altaktionäre richtet. In der deutschen Fassung der Verordnung wurde „statutory“ mit „satzungsmäßig“ übersetzt. Die BaFin versteht hierunter aber auch gesetzliche Bezugsrechte, die nicht eigens in der Satzung verankert wurden.

Voraussetzungen

Nach Artikel 26a Absatz 2 dürfen die oben genannten Emittenten die Schemata der Anhänge XXIII und XXIV aber nur dann nutzen, wenn die Geschäftsbedingungen des MTF die Voraussetzungen aus Artikel 26a Absatz 2 Buchstaben a bis c erfüllen.

Die Bestimmungen, wann Finanzinformationen sowie Insiderinformationen nach Buchstaben a und b zu veröffentlichen bzw. der Öffentlichkeit zugänglich zu machen sind, dürften in ihrer Anwendung unproblematisch sein. Nach Auffassung der BaFin erfordern die Bestimmungen zur Verhinderung von Insiderhandel und Marktmanipulation im Sinne von Artikel 26a Absatz 2 Buchstabe c jedoch mindestens folgende Regelungen in den Geschäftsbedingungen der multilateralen Handelssysteme:

  • Personen, die bei einem Emittenten von Aktien Führungsaufgaben wahrnehmen oder zu ihm in enger Beziehung stehen, müssen Geschäfte mit Aktien des Emittenten oder Finanzinstrumenten, die sich auf die Aktien beziehen (insbesondere Derivate), dem Emittenten mitteilen. Der Emittent ist verpflichtet, diese Geschäfte unverzüglich zumindest auf der Internetseite zu veröffentlichen.
  • Emittenten von Aktien müssen ein Verzeichnis über die Personen führen, die für sie tätig sind und bestimmungsgemäß Zugang zu Insiderinformationen haben.

Nachweise

Emittenten, die bei einem Bezugsrechtsangebot von den verkürzten Anhängen XXIII und XXIV der EU-ProspVO n.F. Gebrauch machen möchten, müssen im Billigungsantrag glaubhaft darlegen, dass die Voraussetzungen für die Erleichterungen aus Artikel 26a der EU-ProspVO n.F. vorliegen. Die Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass die oben beschriebenen Anforderungen an multilaterale Handelssysteme erfüllt sind, können durch eine entsprechende Bestätigung des Betreibers des jeweiligen MTF dargelegt werden. Kann eine solche Bestätigung der BaFin nicht vorgelegt werden, hat der Emittent die Erfüllung der Voraussetzungen an das MTF durch folgende konkrete Angaben glaubhaft darzulegen:

  • Angabe des MTF im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 Nr. 15 der Richtlinie 2004/39/EG, auf dem die Aktien des Emittenten zum Handel zugelassen sind,
  • Angabe der jeweiligen Bestimmungen in den Geschäftsbedingungen des MTF, mit denen die Voraussetzungen von Artikel 26a Absatz 2 Buchstaben a bis c der EU-ProspVO n.F. erfüllt werden.

Neubewertung von Bezugsrechtsemissionen an Altaktionäre

Die BaFin hat in ihrer Verwaltungspraxis Bezugsrechtsemissionen, die sich ausschließlich an Alt-aktionäre richteten, bisher nicht als öffentliche Angebote angesehen und in solchen Fällen auch keinen Prospekt verlangt – im Gegensatz zu allen anderen Mitgliedstaaten der EU mit Ausnahme von Österreich. Da die neuen Anhänge XXIII und XXIV der EU-ProspVO n.F. jedoch durch ihre Existenz voraussetzen, dass es sich bei den betreffenden Fallgestaltungen um ein öffentliches Angebot handelt – sonst wäre kein Prospekt erforderlich –, erachtet die BaFin ab 1. Juli 2012 Bezugsrechtsemissionen an Altaktionäre als öffentliches Angebot.

Nach Auffassung der BaFin dürfen die neuen Anhänge auch verwendet werden, wenn sich die Bezugsrechtsemission zwar nur an Altaktionäre richtet, jedoch ein öffentlicher Bezugsrechtshandel eingerichtet ist.

Nach Artikel 26a Absatz 3 EU-ProspVO n.F. ist mit einer Erklärung am Prospektanfang stets unmissverständlich darauf hinzuweisen, dass sich die Bezugsrechtsemission an die Anteilseigner des Emittenten richtet und der Umfang der im Prospekt veröffentlichten Angaben an dieser Emissionsart bemessen ist.

Erleichterte Angabepflichten für KMUs und Small Caps

Auch kleine und mittlere Unternehmen sowie Unternehmen mit geringer Marktkapitalisierung profitieren von erleichterten Prospektanforderungen. Die EU-ProspVO n.F. sieht für diese Unternehmen folgende neue Anhänge vor:

  • Anhang XXV: verhältnismäßiges Schema für die Emittentenangaben bei Aktienemissionen
  • Anhang XXVI: verhältnismäßiges Schema für die Emittentenangaben bei Emissionen von Schuldverschreibungen und derivativen Wertpapieren mit einer Mindeststückelung von unter 100.000 Euro
  • Anhang XXVII: verhältnismäßiges Schema für die Emittentenangaben bei Emissionen von Schuldverschreibungen und derivativen Wertpapieren mit einer Mindeststückelung von 100.000 Euro

Diese verhältnismäßigen Schemata sehen erhebliche Erleichterungen vor; so müssen beispielsweise die historischen Finanzinformationen nicht mehr im Prospekt abgedruckt werden, sondern es muss lediglich eine Erklärung abgegeben werden, aus der hervorgeht, dass diese Finanzinformationen erstellt und geprüft wurden und wo sie erhältlich sind.

Definitionen

Die EU-ProspVO enthält selbst keine Definition für die Begriffe „KMU“ und „Small Cap“. Bei der Auslegung greift die BaFin daher auf die Prospektrichtlinie zurück, die die entsprechenden Definitionen in Artikel 2 Absatz 1 Buchstaben f und t enthält.

Kleine und mittlere Unternehmen sind danach Gesellschaften, die laut ihrem letzen Jahresabschluss bzw. konsolidierten Jahresabschluss im letzten Geschäftsjahr zumindest zwei der nachfolgenden drei Kriterien erfüllen: eine durchschnittliche Beschäftigtenzahl von weniger als 250, eine Gesamtbilanzsumme von höchstens 43 Mio. Euro und ein Jahresnettoumsatz von höchstens 50 Mio. Euro.

Dass es sich im konkreten Fall um ein KMU handelt, hat der Anbieter entweder in der Überkreuzcheck-liste nach Artikel 24 Absatz 4 EU-ProspVO oder im Anschreiben nachzuweisen. Die zwei Angaben, die auf den Emittenten zutreffen, müssen jedenfalls unter Hinweis auf die konkrete Seitenzahl im Jahresabschluss stets genannt werden. Der letzte Jahresabschluss ist der BaFin zu Beweiszwecken mit zu übersenden, sofern er nicht auf einfache Weise im Internet zu finden ist.

Unternehmen mit geringer Marktkapitalisierung sind laut Prospektrichtlinie auf einem geregelten Markt notierte Unternehmen, deren durchschnittliche Marktkapitalisierung auf der Grundlage der Notierungen zum Jahresende für die vorangegangenen drei Kalenderjahre weniger als 100 Mio. Euro betrug. Nach Ansicht der BaFin kommt es auf den offiziellen Schlusskurs an einem organisierten Markt am jeweils letzten Börsenhandelstag der vorangegangenen drei Kalenderjahre an. Sofern es Notierungen auf mehreren organisierten Märkten gab, ist jeweils der höchste offizielle Schlusskurs am letzten Börsenhandelstag der vorangegangenen drei Kalenderjahre maßgeblich. Gab es nur Schlusskurse für die letzten beiden Kalenderjahre oder nur für das letzte Kalenderjahr, so sind diese heranzuziehen.

Der Emittent hat wie beim Nachweis der Eigenschaft als KMU die entsprechenden Angaben zum Nachweis der Small-Cap-Eigenschaft entweder in der Überkreuzcheckliste oder im Anschreiben zu nennen und außerdem die Anzahl der Aktien mitzuteilen, damit die BaFin die Marktkapitalisierung berechnen kann.

Änderung von Schwellenwerten

Im Zuge der Richtlinienüberarbeitung wurden auch einige Schwellenwerte geändert, die sowohl den Anwendungsbereich des WpPG als auch, innerhalb dieses Anwendungsbereichs, die Ausnahmen von der Prospektpflicht betreffen.

Das WpPG ist nach § 1 Absatz 2 Nr. 4 nicht auf Wertpapiere anzuwenden, die von Einlagenkreditinstituten oder von Emittenten ausgegeben wurden, deren Aktien bereits zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind. Dies gilt aber nur, wenn der Verkaufspreis für alle im Europäischen Wirtschaftsraum angebotenen Wertpapiere weniger als 5 (zuvor: 2,5) Mio. Euro beträgt. Diese Obergrenze ist über einen Zeitraum von zwölf Monaten zu berechnen.

Ebenso sind bestimmte Nichtdividendenwerte vom Anwendungsbereich ausgenommen, die Einlagenkreditinstitute dauernd oder wiederholt ausgeben, wobei der Verkaufspreis aller im Europäischen Wirtschaftsraum angebotenen Wertpapiere 75 (zuvor: 50) Mio. Euro nicht übersteigen darf. Diese Obergrenze ist nach § 1 Absatz 2 Nr. 5 WpPG ebenfalls über einen Zeitraum von zwölf Monaten zu berechnen.

Nach § 3 Absatz 2 Nr. 2 WpPG gilt die Verpflichtung, einen Prospekt zu veröffentlichen, nicht für ein Angebot von Wertpapieren, das sich in jedem einzelnen Staat des Europäischen Wirtschaftsraums an weniger als 150 (zuvor: 100) nicht qualifizierte Anleger im Sinne von § 2 Nr. 6 WpPG richtet. Ebenfalls nicht prospektpflichtig sind Angebote, die sich nur an Anleger richten, die Wertpapiere ab einem Mindestbetrag von 100.000 (zuvor: 50.000) Euro je Angebot erwerben können, oder von Wertpapieren, die eine Mindeststückelung von 100.000 (zuvor: 50.000) Euro haben. Dementsprechend gelten die Anhänge IX und XIII nur für Wertpapiere ab einer Mindeststückelung von 100.000 Euro.

Vertriebsketten

Ob und wer einen Prospekt innerhalb einer Vertriebskette zu erstellen hat, wird nun in § 3 Absatz 3 WpPG klargestellt: Nach dieser Vorschrift müssen Institute im Sinne des § 1 Absatz 1b des Kreditwesengesetzes (KWG) oder Unternehmen, die ein nach § 53 Absatz 1 Satz 1 oder § 53b Absatz 1 Satz 1 oder Absatz 7 KWG tätiges Unternehmen (Finanzintermediär2)) sind, für ein späteres Angebot oder eine spätere endgültige Platzierung von Wertpapieren keinen weiteren Prospekt erstellen, solange ein gültiger Prospekt nach § 9 WpPG vorliegt und der Emittent oder die Personen, die die Verantwortung für den Prospekt übernommen haben, in dessen Verwendung schriftlich eingewilligt haben.

In welcher Form diese Einwilligung kundzutun ist, wird sich aus der erwarteten Zweiten Delegierten Verordnung zur EU ProspVO ergeben. Diese hat die EU-Kommission am 4. Juni 2012 veröffentlicht, sie steht aber noch unter dem Vorbehalt, dass Rat und Europäisches Parlament nicht innerhalb von drei Monaten ab Übermittlung von ihrem Vetorecht Gebrauch machen.

Nach dem Vorschlag der Europäischen Kommission wird ein Emittent seine Zustimmung zur Weiterverwendung seines Prospekts innerhalb einer Vertriebskette im Prospekt erteilen müssen, und zwar nach den Vorgaben des neuen Artikels 20a in Verbindung mit dem neuen Anhang XXX. Danach werden zwei Fallgruppen unterschieden: a) die Finanzintermediäre, denen die Zustimmung erteilt werden soll, sind bereits bekannt, oder b) es wird eine generelle Zustimmung an alle Finanzintermediäre erteilt. Die Zustimmung kann stets unter Bedingungen erteilt werden.

Solange diese delegierte Verordnung noch nicht in Kraft getreten ist, verlangt die BaFin keine Zustimmungserklärung im Prospekt als zwingende Voraussetzung dafür, dass der Prospekt von einem Finanzintermediär verwendet werden darf. Sie empfiehlt Emittenten in Anwendung von Frage 81 der ESMA-FAQ jedoch, eine Zustimmungserklärung in den Prospekt aufzunehmen. Diese sollte den Anforderungen aus der erwarteten Zweiten Delegierten Verordnung entsprechen. Den Begriff „schriftlich“ aus § 3 Absatz 3 WpPG legt die BaFin nicht als Schriftformerfordernis im Sinne von § 126 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) aus. Diese Vorschrift regelt detailliert, was die Parteien tun müssen, wenn zum Beispiel ein Vertrag „schriftlich“ niedergelegt werden muss.

Mitarbeiterbeteiligungsprogramme

Mitarbeitern können Wertpapiere nun in größerem Umfang angeboten werden, ohne dass die Prospektpflicht greift: Solange ein Dokument zur Verfügung gestellt wird, das über die Anzahl und die Art der Wertpapiere informiert und in dem die Gründe und die Einzelheiten zu dem Angebot dargelegt werden, sind Mitarbeiterbeteiligungsprogramme von Arbeitgebern oder von einem Unternehmen, das im Sinne des § 15 Aktiengesetz mit dem Arbeitgeber verbunden ist, von der Prospektpflicht befreit, wenn der Emittent seine Hauptverwaltung oder seinen Sitz in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums hat. Dabei spielt es keine Rolle, ob Wertpapiere des Emittenten an einem Markt zum Handel zugelassen sind oder nicht (§ 4 Absatz 1 Nr. 5a WpPG). Hat der Emittent seinen Sitz außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums, so ist er nach § 4 Absatz 1 Nr. 5b WpPG dennoch von der Prospektpflicht befreit, wenn seine Wertpapiere bereits an einem organisierten Markt in Sinne des § 2 Nr. 16 WpPG zugelassen sind.

Trifft auch dies nicht zu, so ist es nur dann möglich, Mitarbeitern prospektfrei Wertpapiere anzubieten, wenn Wertpapiere des Emittenten an einem Drittmarkt zugelassen und folgende Voraussetzungen erfüllt sind: Die Europäische Kommission hat für den betreffenden Markt des Drittlandes einen Gleichwertigkeitsbeschluss erlassen, und ausreichende Informationen wie auch das genannte Dokument liegen in einer in der internationalen Finanzwelt üblichen Sprache vor (§ 4 Absatz 1 Nr. 5c WpPG).

Ein solcher Gleichwertigkeitsbeschluss kann nur auf Antrag der zuständigen Behörde eines Mitgliedstaates erlassen werden. Darin muss die Behörde darlegen, weshalb sie der Ansicht ist, dass der Rechts- und Aufsichtsrahmen eines Drittlandes als gleichwertig anzusehen ist, und die hierfür relevanten Informationen vorlegen (Artikel 1 Nr. 4ii der Änderungsrichtline).

Kriterien der Gleichwertigkeit

Die Änderungsrichtlinie legt bestimmte Kriterien fest, die erfüllt sein müssen, damit der Rechts- und Aufsichtsrahmen eines Drittmarktes als gleichwertig mit einem organisierten Markt der EU betrachtet werden kann. Die Europäische Kommission hat ESMA darüber hinaus mit Mandat vom 19. Januar 2011 beauftragt, weitere Kriterien zu entwickeln, anhand derer eine Gleichwertigkeitsprüfung vorgenommen werden kann. ESMA wird jedoch zunächst die Überarbeitungen der Transparenzrichtlinie und der Marktmissbrauchsrichtlinie abwarten.

Solange kein Beschluss über die Gleichwertigkeit des betreffenden Marktes eines Drittstaates gefasst ist und ESMA keine andere Entscheidung trifft, wird die BaFin Prospekte von Drittstaatenemittenten, deren Wertpapiere an einem Markt zugelassen sind, dann akzeptieren, wenn sie alle nach Frage 71 der ESMA-FAQ erforderlichen Informationsbestandteile enthalten. Für diese Fallgruppe gilt die alte Rechtslage demnach praktisch fort.

Gültigkeits- und Hinterlegungsvorschriften

Die zwölfmonatige Gültigkeit eines Prospekts bemisst sich künftig ab dem Datum der Billigung, nicht mehr ab dem Datum der Veröffentlichung (§ 9 Absätze 1, 2 und 4 WpPG). Der Billigungstag lässt sich stets mit Gewissheit ermitteln; das Datum der Veröffentlichung dagegen lässt sich unter Umständen – insbesondere bei elektronischer Veröffentlichung – im Nachhinein nur schwer nachvollziehen.

§ 9 Absatz 5 WpPG wurde gestrichen. Er regelte, dass nach Ablauf der zwölfmonatigen Gültigkeit kein neues öffentliches Angebot von Wertpapieren auf der Grundlage des Prospekts erfolgen und auch keine Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt beantragt werden durfte. Im Umkehrschluss wurde daraus abgeleitet, dass ein Verkauf der im Prospekt beschriebenen Wertpapiere auch über die zwölfmonatige Gültigkeitsdauer hinaus möglich war, solange der Prospekt nach § 16 WpPG aktuell gehalten wurde. In der Praxis hat dies teilweise zu einer unübersichtlichen Dokumentation geführt, da Wertpapiere über Jahre hinweg auf der Grundlage eines Prospekts angeboten wurden, der durch zahlreiche Nachträge aktualisiert worden war. Künftig ist also für vollständige Prospekte nach Ablauf der zwölfmonatigen Gültigkeitsdauer im Sinne des § 9 Absatz 1 WpPG ein neuer Prospekt zu veröffentlichen, wenn die Wertpapiere weiterhin angeboten werden sollen.

Nach § 13 Absatz 5 WpPG ist nunmehr die elektronische Fassung des Prospekts zwingend vor der Billigung an die BaFin zu übermitteln. Diese Regelung wurde erforderlich, weil die BaFin aufgrund der Omnibus-I-Richtlinie und deren Umsetzung in § 13 Absatz 2 Satz 1 WpPG die Billigungsbescheinigung eines Prospekts sowie eine Kopie desselben gleichzeitig mit der Billigung der ESMA zu übermitteln hat.

Wegfall des § 10 WpPG

Auch § 10 WpPG wurde gestrichen. Damit muss ein Emittent, dessen Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind, dem Publikum nun nicht mehr ein Dokument zur Verfügung zu stellen, das alle Informationen enthält (oder auf sie verweist), die der Emittent in den vorausgegangenen zwölf Monaten auf Grund der Vorschriften des Wertpapierhandelsgesetzes, die die Transparenzrichtlinie in nationales Recht umsetzen, veröffentlicht oder dem Publikum zur Verfügung gestellt hat. Diese Regelung ist überflüssig geworden, da das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) bereits umfangreiche Pflichten zur Veröffentlichung oder zur Verfügungstellung von Informationen vorsieht.

Nach § 37 Absatz 3 WpPG ist das jährliche Dokument letztmalig für Jahresabschlüsse, die vor dem 1. Juli 2012 zu veröffentlichen waren, zu erstellen, dem Publikum zur Verfügung zu stellen und bei der BaFin zu hinterlegen.

Durch den Wegfall von § 10 WpPG wurden auch Änderungen im WpHG erforderlich, zum Beispiel in § 2 Absatz 1b. Diese Vorschrift sah vor, dass für Drittstaatenemittenten, deren Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums zugelassen sind, die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat ist, wenn das jährliche Dokument nach § 10 des WpPG bei der BaFin zu hinterlegen ist. Anstelle des Verweises auf das Dokument nach § 10 WpPG muss der Drittstaatenemittent seinen Herkunftsmitgliedstaat nun wählen. Hat der Emittent keine Wahl getroffen, wird fingiert, dass der betreffende Drittstaatenemittent die Bundesrepublik Deutschland als Herkunftsstaat gewählt hat, bis er eine andere Wahl trifft.

Nachtrag und Widerruf

Weiterhin ist zu beachten, dass sich die Regelungen zum Nachtrag und zum Widerrufsrecht geändert haben. Die Änderungen betreffen vor allem Fälle, bei denen Wertpapiere öffentlich angeboten und zusätzlich zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen werden sollen: Ist das öffentliche Angebot abgeschlossen, bevor die Wertpapiere in den Handel am organisierten Markt eingeführt werden, stellt § 16 Absatz 1 Satz 1 WpPG nunmehr klar, dass ein Nachtrag auch nach dem Ende des öffentlichen Angebots bis zur Einführung der Wertpapiere in den Handel veröffentlicht werden muss.

Werden Wertpapiere nach der Einführung in den Handel an einem organisierten Markt parallel öffentlich angeboten, so ist der Prospekt bis zum Ende des öffentlichen Angebots nach § 16 WpPG zu aktualisieren. Es kann deshalb zu Situationen kommen, in denen ein Umstand sowohl eine Ad-hoc-Mitteilungspflicht nach § 15 WpPG als auch eine Nachtragspflicht nach § 16 WpPG auslöst.

Das Recht, eine auf den Erwerb oder die Zeichnung der Wertpapiere gerichtete Willenserklärung zu widerrufen, wurde erweitert. § 16 Absatz 3 Satz 1 WpPG sieht bei öffentlichen Angeboten von Wertpapieren nunmehr vor, dass der Anleger seine Willenserklärung innerhalb von zwei Werktagen nach Veröffentlichung des Nachtrags widerrufen kann, sofern der neue Umstand oder die Unrichtigkeit gemäß § 16 Absatz 1 WpPG vor dem endgültigen Schluss des öffentlichen Angebots und vor der Lieferung der Wertpapiere eingetreten ist. Die Formulierung der Widerrufsbelehrung im Nachtrag ist daher an die neue Fassung des § 16 Absatz 3 WpPG anzupassen. Außerdem ist im Nachtrag der Zeitpunkt, zu dem der nachtragspflichtige Umstand eingetreten ist, so genau wie möglich zu bezeichnen, wenn möglich auch mit Uhrzeit.

Hinweis

Der Beitrag gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im BaFinJournal wieder und wird nicht nachträglich aktualisiert. Bitte beachten Sie die Allgemeinen Nutzungsbedingungen.

Fußnoten

  1. 1) Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2010/73/EU und zur Änderung des Börsengesetzes vom 26. Juni 2012, BGBl. I, S. 1375 ff.
  2. 2) Finanzintermediäre sind, vereinfacht ausgedrückt, Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute sowie deutsche Zweigstellen von ausländischen Unternehmen, die Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen erbringen.
Autor: Dr. Kerstin Henningsen, BaFin

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