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Erscheinung:24.07.2012 08:47 Uhr Asset-Encumbrance: Was wird aus unbesicherten Bankanleihen?

Mit der Finanzkrise kam es zu einer Vertrauenskrise gegenüber Banken. Investoren waren immer weniger oder nur zu hohen Zinsen bereit, in unbesicherte Anleihen der Banken zu investieren. Daher nutzten Banken stärker besicherte Finanzierungsformen. Dies sind vor allem Covered Bonds (in Deutschland Pfandbriefe), Repurchase Agreements (Repos) und, als Sonderfall, die Long-Term Refinancing-Operations (LTROs) der Europäischen Zentralbank (EZB). Der Anteil von Asset-Backed Securities (ABS) ist hingegen seit der Krise rückläufig. Wie sich diese Entwicklung auf die Situation der Gläubiger unbesicherter Forderungen auswirken kann, soll in diesem Beitrag genauer beleuchtet werden.

Aktuelle Zahlen verdeutlichen den Trend zu stärker besicherten Finanzierungsformen: Im Jahr 2012 werden bei Banken der Eurozone 1.100 Mrd. Euro fällig, 80 Prozent davon unbesichert – die bisherigen Refinanzierungen 2012 sind aber nur zu 20 Prozent unbesichert.1 Durch den wachsenden Anteil besicherter Refinanzierung wird im Insolvenzfall ein immer größerer Teil der Vermögensgegenstände einer Bank konkreten Investoren vorrangig zugeteilt (Asset-Encumbrance). Infolgedessen werden Gläubiger unbesicherter Anleihen in der Insolvenz des Emittenten letztlich auf die Zuteilungsquote aus einer relativ kleinen und meist weniger werthaltigen Insolvenzmasse verwiesen. Nicht betroffen sind die Ansprüche der Einleger gegen die Einlagensicherungssysteme: Jene werden im Rahmen der Obergrenzen unabhängig von der Insolvenzmasse entschädigt, wobei der Rückgriffsanspruch des Einlagensicherungssystems wiederum unter der Asset-Encumbrance leiden würde.

Die freie Insolvenzmasse wird außerdem durch die steigende Bedeutung der Stellung von Sicherheiten in Derivate-Transaktionen reduziert. Diese Entwicklung entspricht ausdrücklich den Empfehlungen der G 20 und den neuen europäischen Regulierungsinitiativen, beispielsweise der geplanten Verordnung über die europäische Marktinfrastruktur EMIR. Nach Angaben des internationalen Derivateverbandes ISDA stieg die Besicherung bei OTC-Derivaten seit 2007 von 65 Prozent auf ca. 70 Prozent (2012).

Europaweiter Anstieg

Obwohl Daten nur eingeschränkt verfügbar sind, ist in den meisten europäischen Ländern gegenüber 2005 ein deutlicher Anstieg der Asset-Encumbrance zu beobachten. Neben Griechenland hat der spanische Bankensektor die mit Abstand höchste (und steigende) Asset-Encumbrance in Europa. Auch der deutsche Bankensektor liegt aggregiert bei über 10 Prozent (siehe Abb. 1).

Abb. 1: Asset-Encumbrance in Prozent der der aggregierten Bilanzsumme
(Doppelzählungen sind möglich, da beispielsweise Covered Bonds wiederum auch als Sicherheiten für LTROs verwendet werden können.)

Asset-Encumbrance in Prozent der der aggregierten Bilanzsumme

Asset-Encumbrance in Prozent der der aggregierten Bilanzsumme Carmel Asset Management, April 2012

Wichtiger als die absolute Höhe der Asset-Encumbrance ist für den „unbesicherten Gläubiger“ jedoch deren Änderung. Eine Ausweitung besicherter Zahlungsverpflichtungen eines Emittenten führt dabei typischerweise wegen der Überbesicherung zu einem überproportionalen Entzug von Vermögensgegenständen aus der für unbesicherte Gläubiger verfügbaren Insolvenzmasse. Für den Gläubiger ergibt sich daraus im Insolvenzfall eine sinkende Insolvenzquote beziehungsweise eine wachsende Verlustrate (Loss-Given Default – LGD).

Bei einigen europäischen Banken ist die Asset-Encumbrance im Jahr 2011 deutlich angestiegen. Eine wichtige Ursache hierfür ist vor allem die verstärkte Nutzung bzw. rechtliche Einführung von Covered Bonds als Refinanzierungsform. Einen Rückgang gab es nur in Deutschland, Irland und Luxemburg, den drei Ländern, wo Öffentliche Pfandbriefe dominieren (s. Abb. 2).

Abb. 2: Ausstehendes Covered-Bond-Volumen
Öffentl.Hypo- thekenGesamt 2010Anstieg ggü. 2009Anteil an Bilanz- summe

Quellen: ECBC, Berechnungen der BaFin

a) einschließlich Schiffspfandbriefe
b) einschließlich Mixed Assets

Österreich21.1269.64730.77323%3,1%
Dänemark0332.505339.227a)4%40,9%
Frankreich75.548156.239320.480b)11%4,1%
Deutschland412.090219.947639.842a)-11%7,7%
Griechenland019.75019.750204%3,8%
Irland36.55029.03765.587-19%4,3%
Italien10.09226.92537.01761%1,0%
Luxemburg28.889028.889-9%2,7%
Niederlande040.76440.76444%1,8%
Norwegen1.83769.87171.70832%14,5%
Portugal1.40027.73029.13036%5,2%
Spanien18.350343.401361.7513%10,4%
Schweden0188.750188.75041%16,4%
UK3.548205.370208.9182%4,2%
Gesamt609.4301.669.9362.382.5854%6,5%

Nach Angaben des Verbandes deutscher Pfandbriefbanken (vdp) ist das Volumen (Nominalwert) an Hypothekenpfandbriefen in Deutschland im ersten Quartal 2012 geringfügig auf 209 Mrd. Euro und das von Öffentlichen Pfandbriefen deutlich auf 330 Mrd. Euro gesunken. Verglichen mit der aggregierten Bilanzsumme des deutschen Bankensektors von 8.523 Mrd. Euro (Bilanzstatistik der Monetären Finanzinstitute, Deutsche Bundesbank) erscheint dies relativ gering. Bezogen auf einzelne Pfandbriefbanken ist der Anteil natürlich deutlich höher.

Bei deutschen Pfandbriefen sind außerdem laut vdp die Überdeckungsquoten von 2008 bis zum ersten Quartal 2012 bei Hypothekenpfandbriefen von 20 auf 29 Prozent und bei Öffentlichen Pfandbriefen von 11 auf 21 Prozent gestiegen, was den Encumbrance-Effekt weiter verstärkt. Bei den deutschen Banken ist der Anteil der Deckungsmassen (Cover-Pool) einschließlich der Überdeckung an der Bilanzsumme wegen § 28 Pfandbriefgesetz zumindest transparent.

International steigt die prozentuale Überdeckung teilweise noch stärker. Grund hierfür sind die steigenden Anforderungen der Ratingagenturen an den Cover-Pool, um trotz fallender Bankratings hohe (möglichst AAA)-Ratings der Covered Bonds beizubehalten.

LTROs der Europäischen Zentralbank

Ein zweiter wichtiger Grund für den Anstieg der Asset-Encumbrance ergibt sich aus den beiden mit Sicherheiten zu hinterlegenden 3-Jahres-Tendern der EZB (LTROs). Das Volumen der begebenen 3-Jahres-Tender betrug im Dezember 2011 489 Mrd. Euro und im Februar 2012 nochmal 530 Mrd. Euro; insgesamt ergibt sich also ein Volumen von 1.019 Mrd. Euro zuzüglich kürzer laufender LTROs.

Auch bei den LTROs ist vor allem in den peripheren Euro-Ländern eine relativ hohe Überdeckung zu erwarten, da dort die knappen zulässigen Sicherheiten (ECB Eligible Assets) um riskantere Assets mit entsprechend höheren Sicherheitsabschlägen erweitert wurden.

Nach Angaben der EZB haben sich auch viele deutsche Banken an den 3-Jahres-Tendern der EZB beteiligt. Die Deutsche Bundesbank und die BaFin prüfen, ob aus der Nutzung der LTROs durch deutsche Institute Risiken entstehen könnten.

Auswirkung auf unbesicherte Gläubiger

Letztlich würde sich bei hoher Asset-Encumbrance eine eventuelle Insolvenz zu Lasten der (wenigen verbliebenen) Anleger in unbesicherten Finanzierungsformen auswirken. Grund hierfür ist, dass nur noch wenige frei verfügbare Assets vorhanden sind und diese typischerweise von geringerer Qualität sind als Sicherungsvermögen von Covered Bonds oder von Sicherheiten bei Repos. Insofern steigt bei wachsender Encumbrance der Verlust im Insolvenzfall für Gläubiger unbesicherter Forderungen überproportional an.

Seit der Finanzkrise ist der Anteil der für die Banken kostengünstigen besicherten Refinanzierung zu Lasten der teureren unbesicherten Refinanzierung deutlich angestiegen. Hieraus ergibt sich eine Negativ-Schleife zu noch mehr besicherter Finanzierung und noch teurerer unbesicherter Finanzierung.

Begrenzung der Asset-Encumbrance?

Deshalb gibt es national wie international Bestrebungen, die Asset-Encumbrance als Ganzes oder beispielsweise die Emission von Covered Bonds oder die Größe des Sicherungsvermögens (Cover-Pool) zu begrenzen.

Ähnliche Vorschläge gibt es auf europäischer Ebene im Rahmen der Verhandlungen über das Regulierungspaket CRD IV. Sie dürften jedoch kaum oder nur eingeschränkt umsetzbar sein. Eine absolute Begrenzung scheint besonders kritisch, da damit bestehende stabile Geschäftsmodelle insbesondere bei Emittenten von Hypotheken-Pfandbriefen gefährdet würden. Auch würden den Banken insbesondere bei Refinanzierungsengpässen und Rating-Herabstufungen Handlungsoptionen entzogen.

In Ländern mit neuen Covered-Bond-Gesetzen hingegen wird deren Volumen zum Schutze von Gläubigern unbesicherter Finanzierungsformen teilweise begrenzt (zum Beispiel in Kanada auf 4 Prozent der Bilanzsumme, in Australien auf 8 Prozent, in Neuseeland auf 10 Prozent). Dies erscheint dort sinnvoll, da damit die Akzeptanz der neuen Gesetze bei Gläubigern unbesicherter Forderungen verbessert und eine zu starke Erhöhung der Encumbrance von vornherein eingeschränkt wird.

Eine eher flexible Begrenzung der Asset-Encumbrance ergibt sich aus dem Gesetzesvorschlag der EU-Kommission für eine Richtlinie zur Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen vom 6. Juni 2012. Dort werden in Artikel 37 ff. die Grundlagen für ein Bail-in dargestellt. Unter anderem muss sichergestellt werden, dass eine von den nationalen Behörden festzulegende „ausreichende“ Menge an Verbindlichkeiten für Restrukturierungsmaßnahmen zur Verfügung steht. Dabei sind besicherte Verbindlichkeiten im Umfang des Werts der Sicherheiten ausdrücklich ausgeschlossen; für Covered Bonds im Sinne von Artikel 22 Absatz 4 der OGAW-Richtlinie (also inklusive Pfandbriefe nach dem Pfandbriefgesetz) ist derzeit ein nationales Wahlrecht vorgesehen.

Hinweis

Der Beitrag gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im BaFinJournal wieder und wird nicht nachträglich aktualisiert. Bitte beachten Sie die Allgemeinen Nutzungsbedingungen.


Autor: Dr. Steffen Meusel, BaFin

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