BaFin - Navigation & Service

Erscheinung:02.04.2012 00:00 Uhr

Auskunfts- und Vorlegungsersuchen gegenüber Rechtsanwalt ist rechtmäßig

Nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 13. Dezember 2011 kann die BaFin auch gegenüber einem Rechtsanwalt ein Auskunfts- und Vorlegungsersuchen gemäß § 44c Absatz 1 Kreditwesengesetz (KWG) ermessensfehlerfrei erlassen, wenn andere Aufklärungsmaßnahmen nicht erfolgversprechend erscheinen.

Mit dieser Entscheidung des BVerwG besteht nunmehr weitgehend Rechtssicherheit für die BaFin, wenn es um Auskunfts- und Vorlegungsersuchen an einen Rechtsanwalt geht. Das Urteil stärkt die Handlungsfähigkeit der BaFin bei der Bekämpfung des schwarzen Kapitalmarkts.

Schwarzer Kapitalmarkt

Als schwarzen Kapitalmarkt betrachtet die BaFin die Gesamtheit der Bank- und Versicherungsgeschäfte sowie sonstiger Finanzdienstleistungen, die ohne die nach dem Kreditwesengesetz (KWG) oder Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) erforderliche Erlaubnis betrieben werden. Dabei plant nicht jedes Unternehmen des Schwarzen Kapitalmarktes von vornherein den Betrieb unerlaubter oder ungesetzlicher Anlagegeschäfte. Viele suchen lediglich einen Vorteil gegenüber den etablierten Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten, insbesondere indem sie die nicht unerheblichen Anfangskosten für eine regelkonforme Geschäftsorganisation einsparen. Die Konsequenzen tragen vor allem die Anleger, und zwar mit hohen Wertverlusten oder gar dem Totalverlust ihrer Anlagegelder.

Schutz der Allgemeinheit

Rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass ein Unternehmen unerlaubt Bankgeschäfte betreibt oder Finanzdienstleistungen erbringt, richtet die BaFin regelmäßig nach § 44c KWG ein Auskunfts- und Vorlegungsersuchen an dieses Unternehmen. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse ermöglichen es der BaFin, gegen Unternehmen einzuschreiten, die unerlaubt Bankgeschäfte betreiben oder Finanzdienstleistungen erbringen. Die Vorschrift dient damit dem Schutz der Allgemeinheit und des einzelnen Anlegers vor unseriösen Angeboten auf dem Finanzmarkt.

Wenn sich Unternehmen des schwarzen Kapitalmarkts – zumeist vom Ausland aus und daher für die BaFin nicht greifbar – an den deutschen Markt wenden und als Kapitalsammelstelle einen Rechtsanwalt einsetzen, müssen sie künftig damit rechnen, dass die BaFin den Rechtsanwalt zur Auskunftserteilung und Vorlage von Unterlagen heranzieht.

Klage eines Rechtsanwalts

Das BVerwG hatte über folgenden Fall geurteilt: Der spätere Kläger, ein Rechtsanwalt, nahm im Jahr 2007 auf seinem Girokonto Geldbeträge verschiedener Zahlungsanweiser in Höhe von insgesamt 496.000 Euro mit dem Betreff „S. D. E. Portfolio“ oder vergleichbaren Verwendungszwecken entgegen. 120.000 Euro hob der Kläger in bar ab, 155.000 Euro verwendete er für den Erwerb von Wertpapieren. Weitere 170.000 Euro sollten an einen anderen Rechtsanwalt überwiesen werden.

Das kontoführende Kreditinstitut erstattete aufgrund der Zahlungsanweisung über 170.000 Euro eine Geldwäscheverdachtsanzeige, die sie unter anderem an die BaFin übermittelte. Ferner erhielt die BaFin auf anonymem Wege Unterlagen, unter anderem einen Treuhandvertrag und einen Vermögensverwaltungsvertrag der „D. E. Portfolio GbR“.

Die BaFin gab dem Kläger Gelegenheit zur Anhörung, woraufhin dieser jedoch im Wesentlichen auf seine anwaltliche Pflicht zur Verschwiegenheit verwies und keinerlei Angaben zu seinem Auftraggeber machte. Daraufhin ersuchte die BaFin, auf § 44c Absatz 1 KWG gestützt, den Kläger, ihr sämtliche Geschäfts- und Kontounterlagen vorzulegen, die seine Geschäftstätigkeit im Zusammenhang mit der Gesellschaft „S.“ und der „D. E. Portfolio GbR“ beträfen oder hiermit im Zusammenhang stünden, und Auskunft über die Geschäftsangelegenheiten zu erteilen. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein, den die BaFin zurückwies.

Weg durch die Instanzen

Gegen den Widerspruchsbescheid der BaFin erhob der Kläger eine Anfechtungsklage beim Verwaltungsgericht Frankfurt am Main. Dieses wies die Klage mit Urteil vom 14. Mai 2009 ab. Die Begründung: Der Kläger könne sich nicht auf seine anwaltliche Verschwiegenheitspflicht berufen, weil die von ihm betriebene Tätigkeit nicht spezifisch anwaltlicher Art sei.

Auf die daraufhin vom Kläger eingelegte Berufung hob der Hessische Verwaltungsgerichtshof (HessVGH) mit seinem Urteil vom 10. November 2010 das angefochtene Auskunfts- und Vorlegungsersuchen auf und änderte dabei das Urteil der ersten Instanz ab. Zwar ging auch der HessVGH davon aus, dass die Voraussetzungen zum Erlass eines Auskunfts- und Vorlegungsersuchens vorlägen, jedoch könne sich der Kläger doch auf die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht berufen. Die Schweigepflicht erstrecke sich auf alles, was einem Rechtsanwalt in Ausübung seines Berufs bekannt geworden sei. Ausnahmen hiervon müssten spezialgesetzlich ausdrücklich vorgesehen sein.

Die Verschwiegenheitspflicht entfalle nur, wenn der Mandant auf den Schutz verzichte. Weitere Einschränkungen für die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht gebe es nicht. Sie solle die eigenständige und unabhängige Funktion des Rechtsanwalts zur Durchsetzung des Rechts im Interesse des Mandanten schützen und das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant von staatlicher Kontrolle frei halten.

Revisionsentscheidung des BVerwG

Die BaFin ging beim Bundesverwaltungsgericht in Revision. Dieses hob das Urteil des HessVGH wegen Verstoßes gegen Bundesrecht auf.

Der HessVGH gehe zu Unrecht davon aus, dass die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht der Auskunftspflicht nach § 44c Absatz 1 Satz 1 KWG vorgehe. Die Auffassung des VGH, die Verschwiegenheitspflicht könne nur aufgrund einer ausdrücklichen Regelung eingeschränkt werden, sei mit Bundesrecht nicht vereinbar.

Die Verschwiegenheitspflicht gelte nicht ausnahmslos. Auskunftspflichten, die das Gesetz jedermann oder einer nicht nach dem Beruf abgegrenzten Gruppe aufgibt, träfen grundsätzlich auch Rechtsanwälte. Auch die spezielle Regelung von Zeugnis- und Auskunftsverweigerungsrechten in den Verfahrensordnungen lasse darauf schließen, dass die Erfüllung allgemeiner gesetzlicher Pflichten nicht schon unter Berufung auf die anwaltliche Verschwiegenheit verweigert werden könne. Die berufsspezifische Pflicht zur Anzeige schwerer Straftaten (§§ 138, 139 Absatz 3 Satz 2 Strafgesetzbuch) lasse ebenfalls erkennen, dass die Anzeigepflicht für jedermann und damit grundsätzlich auch für Rechtsanwälte gelte.

Aus der Freiheit der anwaltlichen Berufsausübung nach Artikel 12 Absatz 1 Grundgesetz (GG) folge ebenfalls nicht, dass die Ausnahmen von der anwaltlichen Verschwiegenheit im Gesetz speziell geregelt werden müssten. Dem Grundrecht des Rechts-anwalts könne bei der Anwendung des § 44c KWG im Rahmen des behördlichen Ermessens Rechnung getragen werden. Damit sei dem Grundrechtsschutz Genüge getan.

Keine Ermessensfehler der BaFin

Dass die BaFin bei der von ihr zu treffenden Ermessensentscheidung der Verschwiegenheitspflicht des Rechtsanwalts keinen Vorrang eingeräumt habe, sei rechtsfehlerfrei. Das Auskunfts- und Vorlegungsersuchen sei verfassungskonform, insbesondere stelle es keinen unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsfreiheit dar. Die Ziele, die das KWG mit der Auskunfts- und Vorlagepflicht nach § 44c Absatz 1 verfolge, beruhten auf legitimen Gründen des gemeinen Wohls, die grundsätzlich geeignet seien, das Grundrecht des Rechtsanwalts auf freie Ausübung seines Berufs einzuschränken. Die Vorschriften des KWG dienten dem Schutz der Integrität des Kredit- und Finanzmarkts und der Stabilität des Finanzsystems. Daneben bezweckten die Vorschriften den Ein- und Anlegerschutz. Die Auskunfts- und Vorlagepflicht gemäß § 44c KWG diene dazu, der Aufsichtsbehörde Erkenntnisquellen zu verschaffen, damit sie gegen Unternehmen einschreiten könne, die unerlaubt Bankgeschäfte betreiben oder Finanzdienstleistungen erbringen. Sie diene damit dem Schutz der Allgemeinheit und des einzelnen Anlegers vor unseriösen Angeboten auf dem Finanzmarkt.

Das Auskunfts- und Vorlegungsersuchen der BaFin sei geeignet aufzuklären, ob die Mandantin des Rechtsanwalts Finanzdienstleistungen erbringe oder erbracht habe. Es sei auch erforderlich gewesen. Ein Einschreiten gegen die Auftraggeberin sei zwar als milderes und die Verschwiegenheitspflicht nicht beeinträchtigendes Mittel theoretisch denkbar gewesen, tatsächlich habe es aber im konkreten Fall keinen Erfolg versprochen. Die Auftraggeberin sei der BaFin nicht bekannt gewesen, so dass ein Vorgehen gegen diese gar nicht möglich gewesen sei. Auch im Verwaltungsverfahren habe der Rechtsanwalt weder verantwortliche Personen noch eine zustellungsfähige Postanschrift genannt. Die Inanspruchnahme des Rechtsanwalts sei somit für die BaFin die einzige Möglichkeit gewesen, ihre Aufsichtsbefugnisse effektiv wahrzunehmen. Die BaFin sei auch nicht verpflichtet gewesen, schrittweise vorzugehen und ihr Begehren zunächst auf die Benennung von Namen, Anschrift und verantwortliche Personen des Auftraggebers zu beschränken.

Hinweis

Der Beitrag gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im BaFinJournal wieder und wird nicht nachträglich aktualisiert. Bitte beachten Sie die Allgemeinen Nutzungsbedingungen.

Autor: Angela Denzel, BaFin

Fanden Sie den Beitrag hilfreich?

Wir freuen uns über Ihr Feedback

Es hilft uns, die Webseite kontinuierlich zu verbessern und aktuell zu halten. Bei Fragen, für deren Beantwortung wir Sie kontaktieren sollen, nutzen Sie bitte unser Kontaktformular.

Wir freuen uns über Ihr Feedback