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BaFinPerspektiven 2 | 2019 © Vera Kuttelvaserova/stock.adobe.com / BaFin

Erscheinung:28.05.2019 BaFinPerspektiven 2 | 2019

Nachhaltigkeit - Herausforderung und Chance ‎für die Kreditwirtschaft

Für Bankenaufseher war Nachhaltigkeit lange Sache der Kapitalmärkte. Insbesondere klimatische und ökologische Veränderungen machen aber auch vor dem Bankensektor nicht Halt. Nachhaltige Finanzierung eröffnet den Instituten auch Ertragsmöglichkeiten.

Einleitung

Alle reden von Nachhaltigkeit – und das zu Recht: Die Notwendigkeit, den Nachhaltigkeitsgedanken tiefer in der Gesellschaft zu verankern, wird immer offensichtlicher. Das zeigt bereits der Blick auf die Themen Umweltverschmutzung und Klimawandel, auf die dieser Artikel den Fokus richtet. So notierten die Meteorologen in den vergangenen 20 Jahren allein 18 der heißesten Jahre seit Beginn der Wetteraufzeichnungen1 Mitte des 19. Jahrhunderts.2 Aus gutem Grund ist die Europäische Union (EU) deshalb im Rahmen des Pariser Klimaabkommens die Verpflichtung eingegangen, die CO2-Emissionen bis 2030 um 40 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren.3

Ein ernstgemeinter ökologischer Umbau der Wirtschaft erfordert aber bislang nicht gekannte Anstrengungen. Die derzeitigen Debatten über die Energie- und die Verkehrspolitik geben einen Vorgeschmack darauf. Und man muss kein Prophet sein, um zu behaupten, dass der Klimawandel auch die europäische Finanzindustrie – und damit auch den Bankensektor – massiv verändern wird. Wenn wir gar nichts oder nicht genug tun, werden die Auswirkungen noch viel dramatischer (siehe Tabelle 1).

Tabelle 1: Erwartete volkswirtschaftliche Auswirkungen bei unterschiedlichen Erwärmungspfaden

Tabelle 1: Erwartete volkswirtschaftliche Auswirkungen bei unterschiedlichen Erwärmungspfaden Quelle: Eigene Darstellung – in Anlehnung an Chief Risk Officers Forum, Januar 2019 Tabelle 1: Erwartete volkswirtschaftliche Auswirkungen bei unterschiedlichen Erwärmungspfaden

Wie aber kann eine Bankenlandschaft, die im wahren Wortsinn nachhaltig ist, konkret aussehen – und welche Rolle hat die Aufsicht dabei zu spielen? An dieser Stelle einige Überlegungen darüber, wie die Bankenaufsicht der BaFin ihr bisheriges aufsichtliches Instrumentarium auf einen Kurs hin zu mehr Nachhaltigkeit ausrichten wird.

Nachhaltigkeitsrisiken und -chancen

Für Bankenaufseher war Nachhaltigkeit lange Zeit Sache der Kapitalmärkte, ging es doch zunächst vor allem darum, Mittel für die Erreichung der Klimaziele zu generieren. Aber auch Bankenaufseher und -regulierer müssen sich mit dem Thema beschäftigen, denn klimatische, ökologische und sozialethische Veränderungen machen auch vor dem Bankensektor nicht Halt. Ganz zu schweigen von den erheblichen Risiken, die damit verbunden sein können, auch wenn diese nicht immer sofort schlagend werden. Dies machte bereits der im Oktober 2018 erschienene Fortschrittsbericht des Network for Greening the Financial System (NGFS), einem Netzwerk verschiedener Zentralbanken und Aufsichtsbehörden, deutlich. Der am 17. April 2019 veröffentlichte umfassende Bericht des Netzwerks empfiehlt Aufsichtsbehörden unter anderem die Einbeziehung von klimabezogenen Risiken in die Beaufsichtigung von Instituten.

Zugleich eröffnet nachhaltige Finanzierung den Banken und Sparkassen Chancen – und zwar im ökologischen und im ökonomischen Sinne. Der Finanzierungsbedarf ist enorm: Schätzungen zufolge brauchen allein der Energiesektor und die damit verbundene Infrastruktur in der EU jährlich 175 bis 290 Milliarden Euro4, um die Klimaschutzziele zu erreichen, auf die sich die Mitgliedsstaaten der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen am 12. Dezember 2015 in Paris verständigt haben5.

Es liegt an den Kreditinstituten, diese Chancen zu erkennen und sich mit ihren Geschäftsmodellen und Strukturen darauf einzustellen. Institute, die sich nicht anpassen, werden langfristig vielleicht keine Investoren, Kunden und keine jungen und motivierten Mitarbeiter mehr finden. Ich wage die Behauptung, dass auf lange Sicht nur ein auf Nachhaltigkeit bedachtes Kreditinstitut auch selbst nachhaltig im Markt bestehen kann.

Beschreibung der Nachhaltigkeitsrisiken

Von Klima- und Umweltrisiken zu finanziellen Risiken

Klima- und Umweltrisiken, soziale Risiken und Risiken aus der Unternehmensführung werden auch mit der Abkürzung ESG (Environmental, Social and Governance) umschrieben6 . Mit Nachhaltigkeit werden derzeit aber in erster Linie Klima- und Umweltrisiken verbunden.

Klima- und Umweltrisiken lassen sich unterteilen in:

  • Physische Risiken: Dazu zählen Schäden durch Stürme, Starkregen, Überflutungen, Hagel, extremen Schneefall, Trockenheit, Meeresspiegelanstieg und die schleichende Verschlechterung von Produktions- und Arbeitsbedingungen. Banken sind - im Gegensatz zu Versicherungsunternehmen - von direkten physischen Risiken nicht an erster Stelle betroffen, sondern nur in besonderen Situationen, etwa, wenn ein zentrales Rechenzentrum infolge eines extremen Wetterereignisses nicht mehr funktionsfähig ist, was durch das operationelle Risiko bereits adressiert sein sollte.

    Gravierender wiegen im Bankensektor die indirekten physischen Risiken. Zum Beispiel können Kredite an Kunden ausfallen, weil ihre von der Bank kreditierten Gebäude oder Produktionsanlagen zerstört worden sind. Oder aber, weil ihre Einkommensbasis gemindert oder vernichtet worden ist, man denke nur an Missernten in der Landwirtschaft. Verstärkt wird das indirekte physische Risiko dadurch, dass auch die für eine Finanzierung hinterlegte Sicherheit physisch zerstört werden kann oder Gebäude und Produktionsstätten nicht mehr versicherbar sind.

  • Transitionsrisiken (Übergangsrisiken): Das sind unter anderem Risiken, die aus politisch motivierten Veränderungen resultieren, etwa wenn fossile Brennstoffe gezielt verteuert und Umweltabgaben eingeführt werden. Aber auch das Risiko, dass Kunden sich von „schmutzigen“ Unternehmen abwenden, zählt zu dieser Kategorie – ebenso wie die Auswirkungen neuer und eventuell disruptiver Technologien und Haftungsrisiken für die Verursacher von Umweltverschmutzungen7. Transitorische Risiken wirken im Finanzsektor fast ausschließlich indirekt. Bei Kreditinstituten kommen sie insbesondere durch Bewertungsrisiken zum Tragen, zum Beispiel durch Immobilien- oder Unternehmenswertminderungen.
  • Finanzstabilitätsrisiken: Physische und transitorische Risiken werden stärker in den Markt hineinwirken, als es heute vorstellbar ist. Aus ihnen können sogar Risiken für die Finanzstabilität erwachsen.

Alle bisher von der Bankenaufsicht berücksichtigten Risikoarten – Kredit-, Markt-, operationelles und Liquiditätsrisiko – beinhalten auch einen Nachhaltigkeitsrisikobezug (siehe Tabelle 2). Somit ist aus aufsichtlicher Sicht keine eigene Kategorie „Nachhaltigkeitsrisiko“ notwendig.

Wie sich die verschiedenen umwelt- und klimabezogenen Risiken in die bestehende Risikostruktur einordnen lassen, zeigt Tabelle 2:

Tabelle 2 Einordnung von Nachhaltigkeitsrisiken in die derzeitige Risikostruktur

Tabelle 2 Einordnung von Nachhaltigkeitsrisiken in die derzeitige Risikostruktur Quelle: BaFin Tabelle 2 Einordnung von Nachhaltigkeitsrisiken in die derzeitige Risikostruktur

Meine britischen Kollegen der Prudential Regulation Authority (PRA) haben ihren Bankenmarkt untersucht. Demnach betrachten 30 Prozent der befragten Institute Klimarisiken primär als eine Angelegenheit der Corporate Social Responsibility (CSR). 60 Prozent betrachten jedoch Klimarisiken bereits als finanzielle Risiken in einem Drei- bis Fünfjahreshorizont und zehn Prozent wenden sogar eine Langzeit-Strategie an8. Auch wenn sich der britische Markt in Teilen vom deutschen unterscheidet, finanzielle klimabedingte Risiken betreffen auch bei uns alle Risikoarten.

Kredit- und Gegenparteiausfallrisiken

Bei Kredit- und Gegenparteiausfallrisiken schlagen sich die Nachhaltigkeitsrisiken sowohl in der Ausfallwahrscheinlichkeit des Kreditnehmers als auch beim Wert der Sicherheit nieder. Beispiel: Ein Sturm zerstört ein kreditfinanziertes Bürogebäude. Selbst in entwickelten Märkten sind die Sicherheiten lediglich in einem Umfang versichert, der unterhalb von zehn Prozent des Bruttoinlandsproduktes liegt, (Risiko-) Lebensversicherungen nicht mitgerechnet9. Das heißt, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit Verluste entstehen, die nicht versichert sind und durch Eigenkapital wieder auszugleichen wären. Stimmen aus der Versicherungswirtschaft bezeichnen eine um vier bis fünf Grad erwärmte Welt als nicht mehr versicherbar10, was Kreditnehmer bei einmaligen oder wiederkehrenden Katastrophen existenziell gefährden kann.

Viele Retail-Banken sehen in einem gestiegenen Überflutungsrisiko und der Gefahr von verheerenden Stürmen die bedeutendsten klimabezogenen Finanzrisiken. Aber auch die Energiewende und strukturelle Klimaänderungen könnten Verluste und Betriebsunterbrechungen verursachen.

Marktrisiko

Beim Marktrisiko wirken die physischen Risiken direkt über den Preis. Eine vernichtete Ernte steht dem Markt nicht mehr zur Verfügung, egal, ob ein Starkregen oder eine Dürreperiode der Grund war. Wenn aber extreme Wetterereignisse zunehmen und sich die klimatischen Verhältnisse verschlechtern, kann sich das auch negativ auf makroökonomische Größen wie das Wirtschaftswachstum, die Beschäftigungsquote und die Inflationsrate auswirken, zum Beispiel wenn die öffentliche Infrastruktur leidet und das Steueraufkommen sinkt11. Damit aber nicht genug: Wenn die Ratingagenturen dazu übergehen, infolge von Klimaereignissen die Risiken von Staaten, Regionen und Kommunen höher zu bewerten, und wenn deren Anleihen dadurch abgewertet werden, könnte ein Teufelskreis entstehen. Kreditratingagenturen entwickeln deshalb zunehmend Methoden, um die physischen Auswirkungen des Klimawandels auf Staaten zu bewerten.

Auch wird sich die ökologische Transformation der Wirtschaft spürbar auf Art und Umfang des Wirtschaftswachstums sowie auf die Produktivität und die Zusammensetzung der Investitionen auswirken. Hinzu kommt, dass die unvermeidliche Belastung kohlenstoffintensiver Industrien dazu führen wird, dass sich auch die Preise, die für die verschiedenen Formen von Energie und Rohstoffen zu zahlen sind, verändern. So haben 2018 Veränderungen im EU-Emissionshandelssystem zu einem Rekordpreis der Zertifikate von 25 Euro je Tonne CO2 geführt, was einem Plus von 300 Prozent in zwölf Monaten entspricht. Um das Pariser Zwei-Grad-Ziel tatsächlich zu erreichen, wären wissenschaftlichen Studien zufolge allerdings 100 Euro je Tonne CO2 oder mehr erforderlich, und das nicht nur in der EU.12 Eine abrupte und weitreichende Neubewertung der klimabedingten Finanzrisiken könnte Märkte destabilisieren und zu einer prozyklischen Entwicklung führen. Eine simultane Reaktion der Kreditinstitute darauf könnte insbesondere dann kritisch werden, wenn nicht klar ist, welche Banken solche Risikopositionen in ihren Büchern haben. Dann drohen hohe Verluste und Liquiditätsprobleme.13 Im schlimmsten Fall könnte eine angespannte Risikolage durch die Drittrundeneffekte sogar verschärft werden.

Operationelle Risiken

Etwas anders verhält es sich bei operationellen Risiken (OpRisk). Fraglos erhöht der Klimawandel das OpRisk-Risikoprofil. Extremwetterereignisse können die Geschäftskontinuität beeinträchtigen und sich sogar auf Niederlassungen und gruppeninterne Dienstleister in anderen Erdteilen auswirken. Grundsätzlich sind die direkten physischen Risiken der Kreditinstitute über das operationelle Risiko abgedeckt. Dies gilt jedoch nicht für alle Reputationsrisiken, die entstehen können, weil Banken die Umorientierung auf Nachhaltigkeit verschlafen haben, wenn zum Beispiel das Geschäftsgebaren als unmoralisch gewertet wird und Rechtsrisiken entstehen. Die Stimmung des Marktes ändert sich. Stakeholder verfolgen immer aufmerksamer die Reaktion des Bankensektors auf den Klimawandel.14 Die Kreditinstitute müssen daher Geschäftsbeziehungen zu emissionsintensiven Unternehmen bei der strategischen Ausrichtung eines Institutes hinterfragen.

Regulatorische und aufsichtliche Behandlung von Nachhaltigkeitsrisiken

Nur wenn wir die nachhaltigkeitsbezogenen Risiken kennen, können wir sie auch richtig regulatorisch und aufsichtlich steuern. Was wir brauchen, sind Vorgaben und Handlungsschemata, die in der Praxis auch funktionieren. Einen passenden regulatorischen Rahmen bietet das Baseler Regelwerk mit seinen drei Säulen. Säule 1 umfasst die Kapitalanforderungen, Säule 2 die Grundprinzipien für die qualitative Bankenaufsicht und das Risikomanagement in den Banken und Säule 3 die Offenlegungspflichten.

Ansatzpunkt Säule 3

Zunächst ein Blick auf die Transparenzvorgaben der Säule 3, denn hier finden wir die Werkzeuge, die wir brauchen, um eine echte Vergleichbarkeit der Finanzprodukte herzustellen und um Green Washing zu verringern. Außerdem muss es vordringliches Ziel sein, allen Anlegern zu ermöglichen, sich bewusst für grüne, weniger grüne oder gar braune Investments zu entscheiden. Natürlich mache ich mir keine Illusionen darüber, dass private Investitionen in grüne Anlagen zum Teil auch Ausdruck persönlicher Überzeugungen sind, die sich wandeln können. Was davon bleibt, werden wir insbesondere dann erfahren, wenn sich die Konjunktur einmal abschwächt und möglicherweise wieder nur Renditeerwartungen das persönliche finanzielle Handeln bestimmen.
Andererseits ist nachhaltige Finanzierung längst keine Angelegenheit für eine kleine, besonders ökologisch orientierte Klientel mehr. Braune Investments beinhalten das Risiko, mittel- bis langfristig einen Wertverlust zu erfahren.

Ziel der Transparenz soll auch sein, die Langfristigkeit von Investments bewerten zu können. Nachhaltigkeit heißt Langfristigkeit. Und wir müssen all denen, die heute noch von einer Quartalsmeldung zur nächsten denken, aufzeigen, dass sich auch langfristige Investments lohnen. Die Arbeiten an einer einheitlichen Taxonomie in Europa sind noch nicht abgeschlossen.

Transparenz als Mittel der Werbung

Mehr Transparenz hilft nicht nur den Anlegern und Investoren, sondern auch den Unternehmen. Diese tun gut daran, neue Transparenzanforderungen nicht als Belastung oder überbordende Bürokratie zu empfinden, sondern als Gelegenheit, um offensiv mit ihrem Einsatz für mehr Nachhaltigkeit um Kunden zu werben. Zum Beispiel, indem sie offen kommunizieren, nach welchen Maßstäben sie finanzieren oder anlegen und welche Werte ihr Management motiviert. Kreditinstitute, denen die Vermittlung ihres Nachhaltigkeitsansatzes gelingt, setzen entscheidende Impulse für die eigene wirtschaftliche Zukunft. In gewissem Umfang werden sie hierzu bereits durch die Verordnung über die nachhaltigkeitsbezogene Offenlegung im Finanzsektor verpflichtet werden15 Junge Kunden haben ein ernsthaftes Interesse an diesen Themen und ziehen ökologische und soziale Aspekte bei ihren ökonomischen Entscheidungen maßgeblich mit ins Kalkül. Die aktuellen Schülerproteste im Rahmen der „Fridays for Future“ zeigen, dass eine nachhaltige Zukunft für die junge Generation eine enorme Bedeutung hat. Diese jungen Demonstranten von heute sind Bankkunden von morgen.

Ansatzpunkt Säule 2

Nun ein Blick auf die Säule 2 des Baseler Regelwerks und damit auf die Integration von Aspekten der Nachhaltigkeit in den aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozess (Supervisory Review and Evaluation ProcessSREP). Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde EBA (European Banking Authority) hat in der fünften europäischen Eigenkapitalrichtlinie (Capital Requirements Directive - CRD V) ein entsprechendes Prüfungsmandat für die Integration von Nachhaltigkeitsaspekten erhalten; bevor wir die Allokation von Kapital für Säule-2-Risiken diskutieren, sollten aber erst einmal die „weichen“ Anforderungen formuliert werden. Bis das EBA-Mandat abgearbeitet ist, geht es zunächst um Banksteuerung, Risikomanagement und Governance. Institute sollten sich „top down“ vom Vorstand bis in die Abteilungen mit den neuen beziehungsweise als neu wahrgenommenen Risiken befassen, eine Strategie und einen Fitnesscheck entwickeln. Was sind die Haupttreiber des eigenen Geschäfts? Wo können sich Nachhaltigkeitsrisiken niederschlagen? Welche Portfolien sind betroffen? Welche Prozesse müssen gegebenenfalls angepasst werden? Sind Risikolimits neu zu setzen? Ist die Organisation noch richtig aufgestellt? All diese Punkte sind bereits im Kreditwesengesetz (KWG) und den Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) abstrakt adressiert. Daher wird die BaFin ihre Vorstellungen von der konkreten Integration von Nachhaltigkeitsrisiken zunächst als Erwartungen mit Empfehlungscharakter formulieren und öffentlich konsultieren. Bis Jahresende 2019 wird die BaFin ein Papier herausgeben, in dem sie formuliert, wie sie sich die Einbindung von Nachhaltigkeitsaspekten in das Risikomanagement der Kreditinstitute vorstellt.

Diese Erwartungen werden anschließend bei Vertretern der Finanzindustrie verprobt. Selbstverständlich können Banken und Sparkassen, die bereits jetzt über geeignete Prozesse verfügen, der Aufsicht nachweisen, dass sie damit die neu formulierten Erwartungen schon angemessen berücksichtigen. Mit ihrem Papier will die BaFin insbesondere jene Institute ansprechen, die sich dem Thema Nachhaltigkeit erst annähern. Wir wollen sie auf die sich verändernde Risikolage aufmerksam machen und sie dafür sensibilisieren, dass sie über ihre strategische Ausrichtung, ihre Aufbau- und Ablauforganisation und ihre Kommunikation nach innen wie nach außen nachdenken müssen. Außerdem möchten wir den Banken und Sparkassen eine Richtschnur an die Hand geben, an der sie sich orientieren können, um das für sie notwendige Maß an Transparenz festzulegen. Später werden wir den Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken auch im Rahmen unserer laufenden Aufsicht prüfen und so schrittweise zu einer soliden Säule-2-Abdeckung kommen, möglicherweise inklusive zusätzlicher Kapitalausstattung.

Säule 1

Über die Kapitalanforderungen der Säule 1 wurde in internationalen Foren, die sich mit der Abdeckung von Nachhaltigkeitsrisiken in Finanzmärkten beschäftigen, von Anfang an sehr kontrovers diskutiert. Vor allem der von einigen geforderte Green Supporting Factor erhitzte die Gemüter – in Finanzwirtschaft und Aufsicht gleichermaßen. Sollte schon wieder ein gesellschaftliches oder politisches Ziel in die Bankbilanzen verschoben werden? So sehr ich diese Absicht verstehe, so sehr muss ich als Aufseher zur Vorsicht mahnen. So gibt es bislang wenige Modelle eines Green Supporting Factors. Zur risikoadäquaten Unterlegung von „grünen“ und „braunen“ Risikopositionen sind daher noch viele Fragen zu klären.

Die EBA erhält im Rahmen der zweiten europäischen Eigenkapitalverordnung (Capital Requirements Regulation - CRR 2) einen entsprechenden Prüfauftrag und wird den europäischen Gesetzgeber-Organen binnen sechs Jahren einen Bericht vorlegen. Notwendig sind verlässliche Daten. Allein auf Grundlage der vorhandenen Daten wird aber nur schwer abzuschätzen sein, wie sich Investitionen in nachhaltige Anlagen im Krisenfall entwickeln16. Um Nachhaltigkeitsrisiken realistisch prognostizieren zu können, ist der Aufbau weiterer Expertise unabdingbar.

Abschluss

Abschließend möchte ich betonen, dass Nachhaltigkeit für mich weit mehr ist als ein Thema, mit dem ich mich nur beruflich beschäftige. Nachhaltigkeit liegt mir persönlich am Herzen. Wer sehenden Auges die Wirklichkeit wahrnimmt, muss anerkennen, vor welche Herausforderungen der Klimawandel die Gesellschaft – und damit auch die Kreditwirtschaft – stellen wird. Auf diese Herausforderungen werden wir nur mit einer engagierten und strategisch gut positionierten Finanzindustrie adäquat antworten können – und nicht ohne oder gar gegen sie. Für die Banken und Sparkassen bedeutet das eine Menge mühsamer Anpassungen, aber auch Chancen. Mit ökologischen und sozialen Argumenten lassen sich neue Kunden und motivierte Mitarbeiter gewinnen. Wer die Chancen der Nachhaltigkeit fahrlässig verpasst, wird Risiken eingehen, welche die Gesellschaft möglicherweise nicht mehr zu übernehmen bereit ist.

Fußnoten:

  1. 1 Vgl. EU-Kommission, „A Clean Planet for all - A European strategic long-term vision for a prosperous, modern, competitive and climate neutral economy“, 2018.
  2. 2 Vgl. Internetseite des Deutschen Wetterdienstes, abgerufen 1. April 2019.
  3. 3 a.a.O. (Fn. 1).
  4. 4 Einschließlich Kosten für den Austausch der Fahrzeugflotte, vgl. EU Kommission a.a.O. (Fn. 1).
  5. 5 Vgl. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, Die Klimakonferenz in Paris, abgerufen am 29.3.2019.
  6. 6 Die Vereinten Nationen haben in ihren Sustainable Development Goals 17 Entwicklungsziele formuliert, die dazu beitragen sollen, eine nachhaltige Entwicklung auf ökonomischer, sozialer und ökologischer Ebene sicherzustellen. Staaten und Regierungen, aber auch Unternehmen, Bildungseinrichtungen und die Zivilgesellschaft sollen sich dabei einbringen.
  7. 7 Vgl. Oliver Wyman, Climate Change – Managing a new financial risk, 2019.
  8. 8 PRA, Transition in Thinking: The impact of climate change on the UK banking sector, abgerufen am 29.3.2019.
  9. 9 OECD, Global Insurance Market Trends 2016, abgerufen am 29.3.2019.
  10. 10 CRO-Forum, The heat is on – Insurability and resilience in a Changing Climate, abgerufen am 29.3.2019.
  11. 11 Stenek, Amado, Connell, Climate Risk and Financial Institutions – Challenges and Opportunities, in: Scott, van Huizen, Jung (2017), The Bank of England’s response to climate change.
  12. 12 Vgl. Vermeulen/Schets/Lohuis/Kölbl/Jansen/Heeringa, An energy transition risk stress test for the financial system of the Netherlands, in: DNB Occasional Studies Volume 16 -7, 2018; IEA/IRENA, Perspectives for the Energy Transition, 2017.
  13. 13 European Systemic Risk Board, Too late, too sudden: Transition to a low-carbon economy and systemic risk, abgerufen am 29.3.2019.
  14. 14 a.a.O. (Fn. 7).
  15. 15 Pressemeldung Europäische Kommission, Capital Markets Union: Commission welcomes agreement on sustainable investment disclosure rules, abgerufen am 29.3.2019.
  16. 16 Ein empirischer Beleg begegnet allerdings dem Problem, dass vergangenheitsbezogene Verlustdaten in Zeiten von Klimawandel und Energiewende eventuell um Simulationen und Modelle ergänzt werden müssen.

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