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Erscheinung:03.06.2009 | Geschäftszeichen BA 53-FR 2187-2009/0002 | Thema Compliance Erleichterte Beschlussfassungspflichten bei Organkrediten nach § 15 KWG

Wenn bei einem Organkredit der Kreditzins nach Ablauf der Zinsfestschreibungsfrist, jedoch noch innerhalb der Gesamtlaufzeit des Kredits und ohne nennenswerte Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse oder der Sicherheitensituation marktgerecht angepasst wird, darf nur dann auf eine erneute Beschlussfassung gemäß den Vorgaben des § 15 Abs. 1 KWG verzichtet werden, wenn entweder der Zinssatz unverändert bleibt oder die Beschlussfassungsorgane schon bei der Beschlussfassung über die Organkreditgewährung den späteren Zinssatz oder dessen genaue Berechnungsmethode festgelegt haben.

Die Prüfungsstelle des Sparkassenverbandes Baden-Württemberg hat bei der HV Stuttgart angefragt, ob bei einem Organkredit auf eine erneute Beschlussfassung gemäß den Vorgaben des § 15 Abs. 1 KWG verzichtet werden kann, wenn der Kreditzins nach Ablauf der Zinsfestschreibungsfrist, jedoch noch innerhalb der Gesamtlaufzeit des Kredits und ohne nennenswerte Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse oder der Sicherheitensituation marktgerecht angepasst wird.

Der Sparkassenverband Baden-Württemberg ist der Ansicht, dass solche Zinsanpassungen als vom ursprünglichen Beschluss erfasst angesehen werden können und daher grundsätzlich keine erneute Beschlussfassung auslösen sollten. Er beruft sich dabei auf die Argumentation des KWG-Kommentars Reischauer/Kleinhans, der in Tz. 2b zu § 15 KWG folgende Textpassage enthält: „Eine Änderung des Zinssatzes, die nachträglich bei einem bereits bestehenden Organkredit vorgenommen wird, erforderte nach bisheriger Auffassung grundsätzlich eine erneute Beschlussfassung, da dieser Vorgang als Gewährung einer neuen Kredits angesehen wurde (so Schr. des BAK vom 20. Juni 1974 - I 3-233-3/74). Dies wurde mit Schr. des BAK v. 6. September 1974 - I 3-233-3/74 dahingehend eingeschränkt, dass eine erneute Beschlussfassung dann nicht erforderlich ist, wenn die Änderung des Zinssatzes den bereits bestehenden vertraglichen Vereinbarungen entspricht, bspw. dann, wenn von vornherein eine Zinsgleitklausel vereinbart worden ist. Das BAK begründete seine oben beschriebene Auffassung damit, dass es sich bei der Veränderung des Zinssatzes bei bestehenden Organkrediten unter Berücksichtigung der Zielsetzung des § 15 um einen so bedeutenden Vorgang handele, dass er als Gewährung eines neuen Kredits zu bewerten sei. Diese Wertung war 1974 folgerichtig, weil damals ein von den Marktkonditionen abweichender Zinssatz grundsätzlich zulässig war, zur Vermeidung von Missbräuchen aber vom einstimmigen Geschäftsleiterbeschluss sowie der Zustimmung des Aufsichtsorgans abhängig sein sollte. Mit dem 4. Finanzmarktförderungsgesetz wurde dieser liberale Ansatz entsprechend den europarechtlichen Vorgaben dahingehend aufgegeben, dass Organkredite künftig grundsätzlich nur zu marktmäßigen Bedingungen vergeben werden dürfen (vgl. hierzu Anm. 1). Nach Meinung d. Verf. können Zinsanpassungen nach Ablauf der Festschreibungsfristen innerhalb der Gesamtlaufzeit des Kredits als vom ursprünglichen Beschluss erfasst angesehen werden und sollten daher grundsätzlich keine erneute Beschlussfassung auslösen. Damit würde auch die Wertung nachvollzogen, die in den MaRisk für derartige Sachverhalte getroffen wird (vgl. AT 2.3 Tz. 2, Erläuterungen und Anm. 7 hierzu im Anhang zu § 25 a)."

Dieser Ansicht hat sich die HV Stuttgart angeschlossen. Sie zitiert ein Schreiben des BAKred vom 19.03.1986 - I 3-233-4/85 zu Organkreditbeschlüssen bei Dispositionskrediten. Dieses Schreiben fordert, dass die Verzinsung entweder durch die Festlegung eines festen Zinssatzes oder die Vereinbarung einer Zinsgleitklausel zu regeln ist, die hinreichend konkretisiert sein muss. Die HV Stuttgart behauptet, dass eine Vereinbarung, dass nach Ablauf der Festzinsbindungsfrist der Kredit zu entsprechenden Marktkonditionen prolongiert wird, als eine Art Zinsgleitklausel angesehen werden könne.

Sie hingegen sind der Ansicht, dass es wegen der besonderen Missbrauchsgefahr, die mit der Vergabe von Organkrediten verbunden ist, entscheidend darauf ankomme, dass die Beschlussfassungsgremien die Kreditkonditionen (Laufzeit und Zins) ex ante konkretisieren. Auch bei einer Zinsanpassung zu Marktkonditionen (eine andere wäre ohnehin nicht erlaubt) gebe es teilweise erhebliche Spielräume nach oben oder unten. Deshalb müssten die Beschlussfassungsorgane zumindest von vornherein festlegen, dass sich der anzupassende Zins nach Ablauf der Zinsbindungsfrist an einem bestimmten Referenzzinssatz bemisst. Anderenfalls wäre der neue Zinssatz nicht mehr von den in § 15 KWG genannten Beschlussfassungsorganen festgesetzt und auch die Beurteilung der Marktmäßigkeit des Zinssatzes läge nicht mehr in der Verantwortung der gesetzlich vorgesehenen Beschlussfassungs- und Zustimmungsgremien. Diese Auffassung stehe auch im Einklang mit dem o. g. Schreiben des BAKred vom 19.03.1986, in dem ausgeführt wird, dass „die Festlegung eines festen Zinssatzes oder die Vereinbarung einer Zinsgleitklausel … (beim Zustimmungsbeschluss) … hinreichend konkretisiert sein muss“.

Ich teile Ihre Auffassung.

Wenn bei einem Organkredit der Kreditzins nach Ablauf der Zinsfestschreibungsfrist, jedoch noch innerhalb der Gesamtlaufzeit des Kredits und ohne nennenswerte Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse oder der Sicherheitensituation marktgerecht angepasst wird, darf nur dann auf eine erneute Beschlussfassung gemäß den Vorgaben des § 15 Abs. 1 KWG verzichtet werden, wenn entweder der Zinssatz unverändert bleibt oder die Beschlussfassungsorgane schon bei der Beschlussfassung über die Organkreditgewährung den späteren Zinssatz oder dessen genaue Berechnungsmethode festgelegt haben. Eine Vereinbarung, dass nach Ablauf der Festzinsbindungsfrist der Kredit zu entsprechenden Marktkonditionen prolongiert wird, ist zu unbestimmt und daher nicht als eine Zinsgleitklausel im Sinne des § 15 KWG anzusehen. Das entspricht auch der Wertung, die in den Schreiben des BAKred vom 19.03.1986, 22.03.1974, 20.06.1974 und vom 06.09.1974 enthalten ist. Ein weiteres Schreiben vom 01.08.1980 - I 3-233-3/74 - hat sich bereits zur Gestaltung einer Zinsgleitklausel geäußert: „Die Gefahr, dass einem Organkreditnehmer im Wege einer nachträglichen Konditionenumgestaltung aus sachfremden Erwägungen unzulässige Vorteile eingeräumt werden, besteht dann nicht, wenn die Höhe des Zinssatzes vertraglich an eine vorgegebene Bezugsgröße (z. B. Sparzins oder Diskontsatz) gebunden ist, auf deren Veränderung die kreditgewährende Bank keinen Einfluss hat.“ Diese Auslegung behalte ich bei.

Entgegen der Ansicht des Kommentators im Reischauer/Kleinhans ist die eher strenge Auslegung des § 15 KWG durch das BAKred nicht mit dem 4. Finanzmarktförderungsgesetz obsolet geworden. Es ist jetzt zwar nicht mehr erlaubt, die Zinsen nach Ablauf der Zinsfestschreibungsfrist auf Null zu senken. Wie Sie richtig bemerken, gibt es aber auch bei einer Zinsanpassung zu Marktkonditionen erhebliche Spielräume nach oben oder unten. Die Gefahr einer „Selbstbedienungsmentalität“, die § 15 KWG gerade verhindern soll, ist heutzutage nur betragsmäßig kleiner, aber nicht völlig ausgeschaltet.

Der Hinweis auf die Erläuterungen in den MaRisk, AT 2.3 Tz. 2, wonach die nach Ablauf von Zinsbindungsfristen (die nicht mit der Gesamtlaufzeit übereinstimmen) erfolgenden Zinsanpassungen als Bestandteil des Gesamtkreditvertrages angesehen werden können, die vor Kreditvergabe (mit)geprüft werden, ist kein zwingendes Argument, den § 15 KWG ebenso auszulegen. Die MaRisk sind ein Rundschreiben, das den § 25a KWG konkretisiert. Sie legen den Kreditbegriff des § 19 Abs. 1 KWG zugrunde, wie aus AT 2.3 Tz. 1 der MaRisk ausdrücklich hervorgeht. Der § 15 KWG hat aber seinen eigenen Kreditbegriff, der in § 21 KWG definiert ist. Ein Gleichlauf der Kreditbegriffe um jeden Preis ist offensichtlich vom Gesetzgeber nicht gewollt, sonst hätte er den Kreditbegriff vereinheitlicht. Wenn also eine Zinsanpassung keine gesonderte Kreditentscheidung im Sinne der MaRisk ist, heißt das noch lange nicht, dass sie auch niemals einen Organkreditbeschluss auslöst. Die Praktikabilitätsgründe, die im Regelungsbereich der MaRisk dafür sprechen, bei der großen Anzahl von Kreditverträgen, die ein Institut abschließt, nicht jede Zinsanpassung als eine gesonderte Kreditentscheidung mit dem dafür notwendigen Aufwand zu behandeln, werden im Organkreditregime vom Sinn und Zweck des § 15 KWG überlagert. Dieser hebt wegen der möglichen Verquickung von persönlichen Interessen und dem Interesse des Instituts die Organkredite aus dem Massengeschäft heraus und verbietet den Instituten, Organkredite wie jeden anderen Kredit zu behandeln.

Bitte leiten Sie mein Schreiben an die HV Stuttgart weiter. Darüber hinaus beabsichtige ich, dieses Schreiben auf meiner Internetseite www.bafin.de zu veröffentlichen.

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