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Erscheinung:22.10.2008 Vorgehensweise zur Berücksichtigung von Aufwendungen für Auslagerungen bei der Ermittlung des relevanten Indikators

Rechtsnorm
§ 271 Abs 1, 4 und 5 SolvV i.V.m. § 270 Abs. 2 SolvV

§ 271 Solvabilitätsverordnung

Definition des relevanten Indikators

(1) Der relevante Indikator ist auf Grundlage folgender Posten nach der Kreditinstituts-Rechnungslegungsverordnung durch die Institute zu ermitteln, wobei Erträge zu addieren und Aufwendungen abzuziehen sind:

  1. Zinserträge,
  2. Zinsaufwendungen,
  3. laufende Erträge aus Aktien und anderen nicht festverzinslichen Wertpapieren,
  4. Provisionserträge,
  5. Provisionsaufwendungen,
  6. Nettoertrag bzw. Nettoaufwand aus Finanzgeschäften und
  7. sonstige betriebliche Erträge (einschließlich Leasing-Ergebnis).

(4) Aufwendungen für ausgelagerte Tätigkeiten dürfen den relevanten Indikator nur dann vermindern, wenn diese Aufwendungen an nach § 10a des Kreditwesengesetzes gruppenangehörige Unternehmen oder an Unternehmen, die einer vergleichbaren Aufsicht unterliegen, geleistet werden.

(5) 1Bei Instituten, die ihren Jahresabschluss mit befreiender Wirkung nach einem anderen Rechnungslegungsstandard erstellen, ist der relevante Indikator so zu berechnen, dass der Definition in Absatz 1 entsprochen wird. 2Die Absätze 2 bis 4 sind entsprechend anzuwenden. 3Gleiches gilt für die konsolidierte Berechnung. 4Der für die Berechnung des Anrechnungsbetrags für das operationelle Risiko zugrunde liegende Konsolidierungskreis kann dem verwendeten Rechnungslegungsstandard entsprechen und insofern vom Kreis der nach § 10a des Kreditwesengesetzes zusammenzufassenden gruppenangehörigen Unternehmen abweichen, wenn plausibel dargelegt werden kann, dass dies die Höhe des relevanten Indikators nicht wesentlich reduziert.

§ 270 Berechnung des Anrechnungsbetrags

(2) 1Der Dreijahresdurchschnitt des relevanten Indikators ist anhand der letzten drei Jahreswerte zum Ende des Geschäftsjahres des Instituts zu bestimmen. 2Wenn keine durch Abschlussprüfer geprüften Werte vorliegen, können auch institutsinterne Schätzungen dieser Werte verwendet werden.

Leitsatz

Provisionsaufwendungen für wesentliche Auslagerungen, die nicht an gruppenangehörige oder vergleichbar beaufsichtigte Unternehmen geleistet werden, sind vom relevanten Indikator abzuziehen und können durch konservative Schätzungen ermittelt werden. Aufwendungen für wesentliche Auslagerungen, die nicht als Provisionsaufwand gebucht sind und die an gruppenangehörige oder vergleichbar beaufsichtigte Unternehmen geleistet werden, dürfen den relevanten Indikator in Höhe der tatsächlich gebuchten Beträge vermindern.

Auslegung (Stand 20.10.2008)

Aufwendungen für ausgelagerte Aktivitäten werden entweder als Provisionsaufwendungen oder als sonstige Sachaufwendungen (Verwaltungsaufwendungen oder sonstiger betriebliche Aufwendungen) gebucht. Unabhängig von der buchhalterischen Erfassung sind nach § 271 Abs. 4 SolvV Aufwendungen für wesentliche ausgelagerte Aktivitäten nur dann bei der Berechnung des relevanten Indikators zu berücksichtigen, wenn diese Aufwendungen an gruppenangehörige Unternehmen nach § 10 a KWG oder an Unternehmen, die einer vergleichbaren Aufsicht unterliegen, geleistet werden. Wird der relevante Indikator nach § 271 Abs. 5 Satz 4 SolvV anhand des konsolidierten Jahresabschlusses ermittelt, gelten die im handelsrechtlichen Konsolidierungskreis enthaltenen Unternehmen als gruppenangehörige Unternehmen.

Die in der Berechnung des relevanten Indikators berücksichtigten Provisionsaufwendungen sind um Aufwendungen für wesentliche ausgelagerte Aktivitäten an Unternehmen, die weder vergleichbar beaufsichtigt werden noch gruppenangehörige Unternehmen sind, zu vermindern. Sonstige Sachaufwendungen für wesentliche ausgelagerte Aktivitäten, die an gruppenangehörige Unternehmen oder an Unternehmen, die einer vergleichbaren Aufsicht unterliegen, geleistet werden, können vom relevanten Indikator abgezogen werden. Im Falle der Ermittlung des relevanten Indikators nach § 271 Abs. 5 Satz 4 SolvV anhand des handelsrechtlichen Konzernabschlusses sind gruppeninterne Umsätze bereits konsolidiert, so dass diesbezüglich keine Korrekturen erforderlich sind.

Die Höhe der Auslagerungsaufwendungen, um die die Provisionsaufwendungen zu vermindern und damit der relevante Indikator zu erhöhen sind, ist grundsätzlich aus dem Rechnungswesen abzuleiten. Sofern die Aufwendungen für einzelne wesentliche Auslagerungen, bspw. von qualifizierten Minderheitsbeteiligungen, nicht vorliegen bzw. die genaue Höhe von Aufwendungen nur mit hohem Aufwand zu erheben wäre, kann dieser Betrag durch eine konservative Schätzung unter Berücksichtigung der vertraglichen Vereinbarungen ermittelt werden.

Die Höhe der Auslagerungsaufwendungen als Teil der sonstigen Sachaufwendungen, um die der relevante Indikator vermindert werden kann, ist dagegen anhand der tatsächlichen Buchungen zu ermitteln. Unschädlich ist, wenn hierbei einzelne Beträge nicht erfasst und somit nicht in Abzug gebracht werden.

Die Korrekturbeträge und im Falle der Provisionsaufwendungen gegebenenfalls die Schätzverfahren sind angemessen zu dokumentieren.

Bei der Beurteilung, ob eine ausgelagerte Aktivität wesentlich ist, sind die Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk AT 9) zu beachten.

Als vergleichbar beaufsichtigt gelten alle Institute mit Sitz im europäischen Wirtschaftsraum, die einer Aufsicht entsprechend den Richtlinien EU 2006/48/EG und 2006/49/EWG unterliegen, einschließlich der EU-Mutterinstitute und EU-Mutterfinanzholding-Gesellschaften sowie die in deren Eigenmittelanforderung einbezogenen Unternehmen. Auslagerungsaufwendungen an nicht gruppenangehörige Institute in anderen Staaten können in Abstimmung mit der Bundesanstalt entsprechend behandelt werden, wenn in diesem Staat eine vergleichbare Aufsicht besteht (siehe auch Auslegung zur SolvV T028N001 Liste von "Drittstaaten mit einem dem KWG gleichwertigen Aufsichtssystem").

Begründung

Durch die Regelung in § 271 Abs. 4 SolvV wird gemäß der Begründung zur Solvabilitätsverordnung sichergestellt, „dass bei der Ermittlung der Anrechnungsbeträge für die einzelnen Institute einer Gruppe Doppelzählungen im relevanten Indikator vermieden werden. Solche Doppelzählungen könnten entstehen, da sonstige betriebliche Erträge im Indikator zu erfassen sind, wohingegen sonstige betriebliche Aufwendungen“ und Verwaltungsaufwendungen „zu keiner Verringerung des relevanten Indikators führen. Nach Absatz 4, 2. Halbsatz können auch geleistete Aufwendungen für ausgelagerte Tätigkeiten an beaufsichtigte Unternehmen außerhalb der Gruppe zum Abzug gebracht werden. Mit dieser Regelung wurde das Wahlrecht in Anhang X Teil 1 Tz. 7 Satz 3 der Bankenrichtlinie mit dem Ziel ausgeübt, die oben genannten Doppelzählungen auch bei beaufsichtigten Unternehmen zu vermeiden. Dies führt im Ergebnis zu einer Wettbewerbsgleichheit zwischen beaufsichtigten und nicht der Aufsicht unterliegenden Dienstleistungsanbietern. Denn Letztere unterliegen keiner regulatorischen Eigenkapitalanforderung und müssen diese somit nicht in der Preisgestaltung berücksichtigen, während beaufsichtigte Dienstleistungsanbieter regulatorische Eigenkapitalkosten berücksichtigen müssen. Diesem Kostenaspekt steht bei Auslagerungen an beaufsichtigte Unternehmen eine Verringerung des relevanten Indikators im auslagernden Institut gegenüber.“

Der relevante Indikator spiegelt das Ausmaß der operationellen Risiken im Institut wider, Bereinigungen sind daher nur dann vorzunehmen, wenn diese aus Risikosicht wesentlich sind. Dies ist der Fall, wenn eine wesentliche Auslagerung im Sinne der Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk AT 9 Nr.2) vorliegt. Hiernach muss „das Institut auf der Grundlage einer Risikoanalyse eigenverantwortlich festlegen, welche Auslagerungen von Aktivitäten und Prozessen unter Risikogesichtspunkten wesentlich sind (wesentliche Auslagerungen).“

Aus diesen beiden Aspekten heraus sind zum einen die Provisionsaufwendungen um diejenigen Aufwendungen für wesentliche Auslagerungen zu vermindern und damit der relevante Indikator zu erhöhen, die nicht an gruppenangehörige Unternehmen oder an Unternehmen, die einer vergleichbaren Aufsicht unterliegen, geleistet wurden. Zum anderen können Aufwendungen für wesentliche Auslagerungen, die nicht als Provisionsaufwand gebucht sind, vom relevanten Indikator abgezogen werden, wenn diese an gruppenangehörige Unternehmen oder an Unternehmen, die einer vergleichbaren Aufsicht unterliegen, geleistet wurden.

Sofern die Höhe der Provisionsaufwendungen für wesentliche Auslagerungen nicht gesondert erfasst ist oder nur unter sehr hohem Aufwand anhand der einzelnen Buchungen auf Konten ermittelt werden kann, können diese Aufwendungen nach § 270 Abs. 2 SolvV anhand von konservativen Schätzungen ermittelt werden, da in diesen Fällen keine durch den Abschlussprüfer geprüften Werte für diese Positionen vorliegen. Diese Vorgehensweise ist insbesondere in solchen Fällen zulässig, in denen die einzelnen Buchungen nicht vorliegen (z.B. Minderheitsbeteiligungen). Sofern die Beträge ohne Weiteres aus den Konten abgeleitet werden können, ist § 270 Abs. 2 SolvV nicht anwendbar und eine Schätzung somit nicht zulässig.

Eine Verminderung des relevanten Indikators durch den Abzug von Auslagerungsaufwendungen an gruppenangehörige bzw. vergleichbar beaufsichtigte Unternehmen, die in den sonstigen Sachaufwendungen gebucht sind, ist nur dann zulässig, wenn die Höhe der relevanten Aufwendungen aus dem Rechnungswesen genau ermittelt werden kann. Dies ist angemessen, da diese Beträge nicht im relevanten Indikator nach § 271 Abs. 1 SolvV enthalten sind und deren fakultative Berücksichtigung den Anrechnungsbetrag verringert.

Hinweise

EU-RL 2006/48/EG, Anhang X, Teil 1, Nr. 7

Capital Requirements Directive Transition Group (CRDTG), Frage 81 (www.c-ebs.org)

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