BaFin - Navigation & Service

Erscheinung:01.11.2006 | Thema Governance Tarifgenehmigung gem. § 9 Abs. 1 BSpKG

Verwaltungspraxis

Auf einem Workshop vom 17.02.2005 (zwischen Vertretern der Bausparkassen und der BaFin) wurden u. a. die derzeitige Verwaltungspraxis bzgl. der Genehmigung der ABB und AGG gemäß § 9 Abs. 1 i. V. m. § 5 Abs. 2 und 3 des Gesetzes über Bausparkassen -BSpKG- erläutert und Verbesserungspotentiale dieser Tarifgenehmigungspraxis erörtert. Dabei bestand in den wesentlichen Punkten Einigkeit zwischen den Vertretern der Bausparkassen und denen der Aufsicht. Im Folgenden möchte ich die besprochenen Aspekte zusammenfassend darstellen. Die dabei angesprochenen Punkte, die über die derzeitige Verwaltungspraxis hinausgehen, sind für alle tarifbezogenen Anträge ab dem 01.04.2005 maßgeblich.

Grundsätzlich ist zwischen Tarifanträgen, die sich auf das Neugeschäft beziehen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 BSpKG) und denen, die sich (auch) auf bestehende Verträge beziehen (§ 9 Abs. 1 Satz 2 BSpKG), zu unterscheiden. Darüber hinaus wird bei der Bearbeitung eines Antrags und der Bemessung der Gebühren bei Anträgen, die sich auf das Neugeschäft beziehen, zwischen der Einführung eines Neutarifs und der Änderung eines bestehenden Tarifs unterschieden. Auch Änderungen eines bestehenden Tarifs, die diesen in seiner Struktur ändern, gelten dabei als Einführung eines Neutarifs. Die Einstufung als Neutarif erfolgt u. a. immer dann, wenn eine Tarif-Version mit einem iSKLV des Optimierers > 1 entsteht. Lediglich zur Kenntnis genommen werden (§ 9 Abs. 1 Satz 4 BSpKG) nur solche Änderungen der Vertragswerke, die nicht in einem Paragraphen vorgenommen werden, der genehmigungspflichtige Bestimmungen gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 und 2 enthält.

Immer dann, wenn eine Änderung der ABB oder der AGG nur für das Neugeschäft genehmigt wird, entsteht eine neue ABB- bzw. AGG-Version, die mit dem Datum ihrer Einführung bezeichnet werden sollte. Bei allen Vertragswerken (ABB bzw. AGG) ist auf der Vorderseite deutlich zu machen, um welche Version es sich handelt. Bei Anträgen, die auch für bestehende Verträge gelten, ist hervorzuheben, auf welche ABB- bzw. AGG-Versionen sich der Antrag bezieht.

Den Tarifanträgen sind folgende Unterlagen beizulegen:

(a) Antrag, der sich (auch) auf den Bestand bezieht:

  • Alle betroffenen ABB-Versionen einerseits unter deutlicher Hervorhebung der beantragten Änderungen (evtl. Synopse und kurze Beschreibung der Änderung) und andererseits in Lesefassung (jeweils einfache Ausfertigung; evtl. Austauschseiten).

  • Alle betroffenen AGG-Versionen einerseits unter deutlicher Hervorhebung der beantragten Änderungen und andererseits in Lesefassung (jeweils einfache Ausfertigung evtl. Austauschseiten).

  • Ergebnisse von Simulationsrechnungen.

  • Aktuelle Tarifübersicht, in der u. a. die iSKLV-Werte des jeweiligen Optimierers und der Anteil eines jeweiligen Tarifs am Kollektiv aufgeführt werden.

  • Ausführliche Begründung der Erforderlichkeit i. S. d. § 9 Abs. 1 S. 2 BSpKG der zur Genehmigung beantragten Änderungen bei Änderungen, die sich (auch) auf den Bestand beziehen.

(b) Antrag auf Änderung eines bestehenden Tarifs nur für das Neugeschäft:

  • ABB einerseits unter deutlicher Hervorhebung der beantragten Änderungen (evtl. Synopse und kurze Beschreibung der Änderung) und andererseits in Lesefassung (jeweils einfache Ausfertigung; evtl. Austauschseiten).

  • AGG einerseits unter deutlicher Hervorhebung der beantragten Änderungen und andererseits in Lesefassung (jeweils einfache Ausfertigung; evtl. Austauschseiten).

  • Ergebnisse von Simulationsrechnungen.

  • Aktuelle Tarifübersicht, in der u. a. die iSKLV-Werte des jeweiligen Optimierers und der Anteil eines jeweiligen Tarifs am Kollektiv aufgeführt werden.

(c) Antrag für einen Neutarif:

  • ABB in zweifacher Ausfertigung.

  • Evtl. ABB unter Hervorhebung der Änderungen im Vergleich zu einem Vorgängertarif (evtl. Synopse und kurze Beschreibung der Änderung) in einfacher Ausfertigung.

  • AGG in zweifacher Ausfertigung.

  • Evtl. AGG unter Hervorhebung der Änderungen im Vergleich zu jenen für einen Vorgängertarif gültigen AGG in einfacher Ausfertigung.

  • Ergebnisse von Simulationsrechnungen.

  • Aktuelle Tarifübersicht, in der u. a. die iSKLV-Werte des Optimierers und der Anteil eines Tarifs am Kollektiv aufgeführt werden.

Zusätzlich ist bei Anträgen, durch deren Genehmigung eine Tarif-Variante mit einem iSKLV des Optimierers > 1 entstehen würde oder sich die iSKLV-Werte des Optimierers der verschiedenen Tarife bzw. Tarif-Varianten um mehr als 0,2 unterscheiden würden, der Nachweis (z. B. durch Barwertrechnungen) zu erbringen, dass Bausparer in den betreffenden Varianten nicht systematisch benachteiligt werden.

Die AGG sind ohne die Spar- und Tilgungspläne einzureichen, wobei die Ergebnisse dieser Pläne Bestandteil der AGG bleiben und unter Abschnitt A (Bausparmathematische Berechnungen) zu nennen sind. Die einem Antrag beizulegende(n) Lesefassung(en) der ABB und der AGG kann (können) alternativ zur Papierform der BaFin auch elektronisch zur Verfügung gestellt werden.

Die Simulationsrechnungen sollten einen Horizont von 10 Jahren abbilden (bei Änderungen bzw. Einführungen von Tarifen sollte der Horizont 20 Jahre abbilden, wenn in dem jeweiligen Kollektiv ein Tarif oder eine Tarifvariante mit einem iSKLV des Optimierers > 1 existiert oder ein solcher bzw. eine solche in das Kollektiv eingeführt werden soll). Die Darstellung der Simulationsergebnisse sollte mindestens mit dem letzten abgelaufenen Jahr beginnen, wobei für dieses Jahr die tatsächlich eingetretenen Werte (Ist-Werte) darzustellen sind. Vorzulegen sind die Ergebnisse eines Standard-Szenarios und geeigneter Stress-Szenarien. Bei Bestandsänderungen ist zusätzlich ein Basis-Szenario (Entwicklung ohne die beantragten Änderungen) erforderlich. Darüber hinaus sind bei Bestandsänderungen auch die für den Standard gewählten Stress-Szenarien ohne Berücksichtigung der beantragten Änderungen vorzulegen.

Die Ergebnisdarstellung sollte folgende Angaben enthalten:

1 Angenommene Zinsentwicklung

2a Neugeschäft in den verschiedenen Tarifen (Tarifvarianten)

2b Neugeschäft gesamt

3a Jahresdurchschnittsbestände der Bauspareinlagen

3b Jahresdurchschnittsbestände der Bauspardarlehen

4a Zinsaufwand für Bauspareinlagen

4b Zinsaufwand für außerkollektive Refinanzierung

4c Zinsertrag aus Bauspardarlehen

4d Zinsertrag aus außerkollektiver Anlage (aus der Anlage der Differenz zwischen Bauspareinlagen und Bauspardarlehen

4e Zinsertrag aus außerkollektiver Anlage (aus sonstigen außerkollektiv angelegten Mitteln)

4f Zinsüberschuss

5a Provisionsüberschuss

5b Allgemeiner Verwaltungsaufwand

5c Teilbetriebsergebnis

6a durchschnittliche Verzinsung der Bauspareinlagen

6b durchschnittliche Verzinsung der außerkollektiven Refinanzierung

6c durchschnittliche Verzinsung der Bauspardarlehen

6d durchschnittliche Verzinsung der außerkollektiven Anlage

7 kSKLV

Die Ergebnisdarstellung ist ausführlich zu erläutern. Wichtig ist insbesondere eine genaue Beschreibung der Annahmen, die der Simulation zu Grunde liegen und der Wirkung, die sie auf die verschiedenen Simulationsparameter haben (evtl. Kurzbeschreibung des Modells). Dabei ist u. a. auf das Zinsniveau, das Neugeschäft sowie die Darlehensverzichter und Kündiger einzugehen. Notwendig ist auch eine detaillierte Beschreibung der Simulationsparameter selbst einschließlich der bei diesen berücksichtigten Abhängigkeiten. Ferner ist zu den Punkten 4b, 4d und 4e genau zu erläutern, welche Mittel (Art, Höhe) wie (und warum so) verzinst wurden. Schließlich ist zu begründen, warum die gewählten Stress-Szenarien für das jeweilige Kollektiv bzw. die jeweilige Bausparkasse einen Stress bedeuten und wie sich die Annahmen dieser Szenarien von denen des Standard-Szenarios unterscheiden.

Grundsätzlich ist eine hohe Qualität der Prognose erstrebenswert. Ist für bestimmte, in der Ergebnisdarstellung enthaltene Werte eine Vorhersage bis zum Simulationshorizont von 10 (bzw. 20) Jahren nicht möglich, sollte hierauf in den den Simulationsergebnissen beizufügenden Informationen hingewiesen werden. Ab dem Zeitpunkt, an dem für diese Werte eine Vorhersage nicht mehr möglich ist, kann die Ergebnisdarstellung z. B. durch Fortschreibung erfolgen.

Im Folgenden möchte ich noch auf die Punkte (a) "Kann-Bestimmungen", (b) Hinweis in der Präambel auf den Tausch von Leistungen, (c) uneingeschränkte Wechselmöglichkeit bei Tarifen/Varianten mit iSKLV des Optimierers > 1 und (d) redaktionelle bzw. neutrale Änderungen eingehen:

Zu (a): Grundsätzlich sind für Bausparer relevante Sachverhalte aus Gründen der Transparenz in den ABB zu regeln. Sollte allerdings Bausparern eine Tarifwechselmöglichkeit durch das Angebot der Bausparkasse eingeräumt werden sollen, gestehe ich im Rahmen einer Ausnahmeregelung zu, dieses ausschließlich in den AGG zu regeln. Dies gilt nicht für Variantenwechsel, die weiterhin in den ABB zu regeln sind.

"Kann-Bestimmungen" sind aus Gründen der Transparenz und der kollektiven Gerechtigkeit in den ABB zu konkretisieren. Nur wenn die Entscheidung der Bausparkasse bei einer "Kann-Bestimmung" ausschließlich von bauspartechnischen Gründen abhängt, ist ein Hinweis hierauf in den AGG zu treffen und für die Konkretisierung ausreichend. Die Regelung in den "Muster-AGG" bzgl. der Sonderzahlungen ist demnach in Zukunft nicht genehmigungsfähig, weil diese nur ein Beispiel für einen bauspartechnischen Grund aufnimmt, so dass auch andere als bauspartechnische Gründe für die Verweigerung der Zustimmung zur Annahme der Sonderzahlungen in Frage kommen könnten, was nicht gemeint ist. Somit ist zukünftig zumindest in den AGG darauf hinzuweisen, dass Sonderzahlungen nur aus bauspartechnischen Gründen abgelehnt werden. Nur wenn der bauspartechnische Grund klar benannt werden kann, bietet sich nach wie vor eine Konkretisierung der "Kann-Bestimmung" in den ABB an. Behält sich die Bausparkasse durch "Kann-Bestimmungen" die Möglichkeit vor, dem Bausparer in der Zukunft bestimmte Angebote zu unterbreiten, ist (zumindest in den AGG) festzulegen und sicherzustellen, dass das Angebot nur dann unterbreitet wird, wenn das Kollektiv hierdurch nicht gefährdet wird. Zudem ist durch die Regelung in den Vertragswerken (ABB oder AGG) sicherzustellen, dass alle betroffenen Bausparer von dem Angebot unterrichtet werden. Auch ist in den AGG zu regeln, dass die BaFin von der Absicht der Unterbreitung des Angebots in Kenntnis gesetzt wird. Beispiele hierfür sind die Wahl- und Mehrzuteilung und der Tarifwechsel.

Zu (b): In der Präambel ist auf einen eventuellen Tausch von Leistungen aus Gründen der Transparenz hinzuweisen. Dies betrifft sowohl einen Tausch von Zinsen gegen Leistungen (z. B. niedrige Darlehenszinsen gegen hohe Spar- bzw. Tilgungsleistungen) als auch einen Tausch von Leistungen als solche (z. B. niedriger Tilgungsbeitrag auf Grund einer hohen Sparleistung).

Zu (c): Weist eine Tarifvariante ein iSKLV des Optimierers von > 1 auf, so ist eine uneingeschränkte Wechselmöglichkeit aus dieser Variante in eine andere Variante des Tarifs, deren iSKLV des Optimierers < 1 ist, erforderlich. Soll ein eigenständiger Tarif mit iSKLV des Optimierers von > 1 aufgelegt werden, ist entsprechend eine uneingeschränkte Wechselmöglichkeit in einen anderen Tarif mit iSKLV des Optimierers von < 1 in den ABB einzuräumen.

Zu (d): An die Genehmigung von Änderungen der ABB und AGG mit Wirkung für bestehende Verträge wird ein höherer Prüfungsmaßstab als an neugeschäftsbezogene Änderungen gesetzt, weil zu prüfen ist, ob die beantragte Änderung erforderlich im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 2 BSpKG ist. Nach der amtlichen Begründung von 1990 darf die Genehmigung von Änderungen der ABB auch mit Wirkung für bestehende Verträge demnach nur erteilt werden, wenn die Wahrung der Belange der Bausparer auf anderen Wegen nicht gewährleistet erscheint. Die Erforderlichkeit sehe ich daher grundsätzlich nur als gegeben an, wenn eine kollektive Notlage droht. Allerdings möchte sich die Aufsicht Änderungen, die für Bausparer uneingeschränkt vorteilhaft sind, ohne das Kollektiv zu schädigen, nicht grundsätzlich versperren. Bestandsbezogene Änderungen, die diese Kriterien erfüllen, können daher ausnahmsweise genehmigt werden. Nicht genehmigungsfähig sind dagegen redaktionelle Änderungen. Gleiches gilt für so genannte "Neutrale Änderungen", die sich in ihrer Wirkung aufheben und daher nicht uneingeschränkt vorteilhaft für die Bausparer sind.

Schließlich weise ich darauf hin, dass die Aufsicht durch die präventive Tarifkontrolle die zukünftige kollektive Liquidität und die zukünftige Ertragslage einer Bausparkasse (und damit die dauerhafte Erfüllbarkeit der Bausparverträge) derzeit nur zu einem bestimmten Zeitpunkt überprüfen kann, da die dem jeweiligen Antrag beigefügten Ergebnisse von Simulationsrechnungen auf der Durchführung einer stichtagsbezogenen Prognose beruhen. Die dauerhafte Erfüllbarkeit der Bausparverträge kann jedoch durch die Sicherstellung, dass im Bedarfsfall (z. B. wenn sich getroffene Annahmen nicht erfüllen oder sich entscheidende Marktparameter stark ändern) seitens der Bausparkasse geeignete Maßnahmen rechtzeitig eingeleitet werden, gewährleistet werden. Diese Sicherstellung sollte durch regelmäßige Vor-Ort-Prüfungen der Dokumentation und Umsetzung des Risikomanagements einer Bausparkasse durch die Aufsicht überprüft werden. Im Hinblick auf die Tarifkontrolle gehören hierzu mindestens die laufende Überwachung des Kollektivs mittels geeigneter Methoden, die Festlegung von Limiten und entsprechenden Eskalationsstufen sowie die regelmäßige Berichterstattung an den Vorstand.

Zusatzinformationen

Fanden Sie den Beitrag hilfreich?

Wir freuen uns über Ihr Feedback

Es hilft uns, die Webseite kontinuierlich zu verbessern und aktuell zu halten. Bei Fragen, für deren Beantwortung wir Sie kontaktieren sollen, nutzen Sie bitte unser Kontaktformular. Hinweise auf tatsächliche oder mögliche Verstöße gegen aufsichtsrechtliche Vorschriften richten Sie bitte an unsere Hinweisgeberstelle.

Wir freuen uns über Ihr Feedback