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Erscheinung:02.10.2024 | Thema Verbraucherschutz Allgemeinverfügung bezüglich Zinsanpassungsklauseln bei Prämiensparverträgen

Maßnahme nach § 4 Abs. 1a Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz

Gemäß § 41 Absätze 3 und 4 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) in Verbindung mit § 4 Absatz 1a Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz (FinDAG) wird folgende Allgemeinverfügung zum Zwecke der Bekanntgabe bekannt gemacht.

Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit wird die Allgemeinverfügung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht bezüglich Zinsanpassungsklauseln bei Prämiensparverträgen vom 21.06.2021 angepasst und Ziffer 1 wie folgt gefasst:

  1. Ich ordne an, alle betroffenen Verbraucherinnen und Verbraucher, mit denen ein langfristiger Prämiensparvertrag mit uneingeschränktem einseitigem Leistungsbestimmungsrecht bezüglich des Vertragszinses abgeschlossen wurde, über die Unwirksamkeit der darin enthaltenen Zinsanpassungsklausel zu unterrichten und dies zu verbinden mit

    a) der unwiderruflichen Zusage, eine zivilgerichtliche ergänzende Vertragsauslegung zur Basis einer Nachberechnung der bisherigen Zinsberechnung seit Vertragsbeginn zu machen,

    oder

    b) dem Angebot der Vereinbarung einer sachgerechten, die Vorgaben des BGH aus dem Urteil vom 13.04.2010 – XI ZR 197/09 berücksichtigenden Zinsanpassungsklausel im Rahmen eines individuellen Änderungsvertrages.

    Die Unterrichtung muss mindestens enthalten:

    - die im jeweiligen Vertrag verwendete unwirksame Zinsanpassungsklausel mit uneingeschränktem einseitigem Leistungsbestimmungsrecht bezüglich des Vertragszinses,


    - die Erläuterung, dass der BGH diese Art von Klauseln mit Urteil vom 17.02.2004 – XI ZR 140/03 für unwirksam erklärt hat,


    - die Erläuterung, dass dadurch eine Lücke im Vertrag hinsichtlich der Zinsvereinbarung entstanden ist und zur Schließung dieser Lücke


    entweder der Vertrag ergänzend ausgelegt werden muss


    oder eine individuelle Vereinbarung getroffen werden kann,


    - die Erläuterung, dass als Reaktion auf das Urteil des BGH vom 17.02.2004 – XI ZR 140/03 von Seiten des Kreditinstituts für das Bestandsgeschäft einseitig neue Zinsparameter bestimmt wurden,


    - die Erläuterung, dass aufgrund der unwirksamen Klausel unter Umständen Zinsen in zu geringer Höhe gezahlt wurden.

  2. Ziffern 2. bis 5. der Allgemeinverfügung vom 21.06.2021 bleiben unberührt.

  3. Diese Allgemeinverfügung wird am 02.10.2024 öffentlich bekannt gemacht und gilt zwei Wochen nach der öffentlichen Bekanntmachung als bekannt gegeben.

Begründung

Die BaFin verpflichtete Kreditinstitute mit ihrer am 21.06.2021 veröffentlichten Allgemeinverfügung dazu, Prämiensparkunden über unwirksame Zinsanpassungsklauseln zu informieren und ihnen entweder eine unwiderrufliche Zusage zu erteilen, eine noch zu erwartende zivilgerichtliche ergänzende Vertragsauslegung zur Basis einer Nachberechnung der bisherigen Zinsberechnung seit Vertragsbeginn zu machen (1a)) oder einen Änderungsvertrag mit einer wirksamen Zinsanpassungsklausel, die die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem Jahr 2010 (Urteil vom 13.04.2010 – XI ZR 197/09) berücksichtigt, anzubieten (1b)). Die Frage, welche öffentlich zugängliche Zeitreihe einen geeigneten Referenzzins für die Zinsanpassungen abbilden würde, war seinerzeit in der Zivilgerichtsbarkeit höchstrichterlich noch nicht entschieden.

Inzwischen hat der BGH in seinen Urteilen vom 09.07.2024 – XI ZR 44/23 und XI ZR 40/23 erstmals für die den Verfahren zugrundeliegenden Prämiensparverträge sämtliche benötigten Parameter für die Zinsnachberechnung festgelegt. Er hat für die dort streitgegenständlichen Verträge die Umlaufsrenditen börsennotierter Bundesanleihen mit einer Restlaufzeit von über 8 bis 15 Jahren (Zeitreihe der Deutschen Bundesbank mit der ehemaligen Kennung WU9554) als taugliche Zeitreihe zur Bestimmung des Referenzzinssatzes bestätigt. Infolge dieser Urteile des BGH vom 09.07.2024 wird Ziffer 1 des Tenors nunmehr teilweise klargestellt bzw. neu gefasst (§ 49 Abs.1 VwVfG). Im Übrigen bleibt die Allgemeinverfügung vom 21.06.2021 samt ihrer Begründung unberührt.

Aufgrund der nunmehr vorhandenen höchstrichterlichen Rechtsprechung, die zumindest eine bestimmte Zeitreihe als tauglichen Referenzzinssatz anerkannt hat, liegen alle erforderlichen Parameter für eine mögliche ergänzende Vertragsauslegung vor, die es ermöglichen, die in den Verträgen entstandenen Vertragslücken zu schließen. Diese höchstrichterliche Rechtsprechung schließt andere Zeitreihen als tauglichen Referenzzinssatz jedoch nicht aus. Eine allgemeinverbindliche gerichtliche ergänzende Vertragsauslegung dürfte vor diesem Hintergrund nicht mehr zu erwarten sein. Die Unterrichtungspflicht ist entsprechend einzuschränken. Des Weiteren ist die Anordnung nach Ziff. 1a), eine Zusage zur Nachberechnung auf Grundlage einer noch fehlenden gerichtlichen Vertragsauslegung zu treffen, anzupassen. Insoweit ist klarzustellen, dass die Zusage auf die Nachberechnung auf Basis einer zivilgerichtlichen ergänzenden Vertragsauslegung, mithin entweder einer bereits vorhandenen zivilgerichtlichen ergänzenden Vertragsauslegung oder einer künftigen einschlägigen zivilgerichtlichen ergänzenden Vertragsauslegung, zu beziehen ist.

Im Übrigen ist die Anordnung aufrechtzuerhalten. Eine Vielzahl von Kreditinstituten passt nach wie vor die Zinsen einseitig an und lässt die betroffenen Verbraucherinnen und Verbraucher im Unklaren über die rechtswidrige Lage. Ergänzende Vertragsauslegungen unter Einhaltung der zivilgerichtlich bestimmten Parameter oder individualvertragliche Einigungen sind auch zwanzig Jahre nach der Entscheidung des BGH hinsichtlich der Unwirksamkeit von Zinsanpassungsklauseln, die dem Kreditinstitut ein einseitiges uneingeschränktes Ermessen einräumen, weiterhin die Ausnahme.

In Ausübung pflichtgemäßen Ermessens ist der bisherige Tenor zu Ziffer 1 der Allgemeinverfügung anzupassen, § 49 Abs. 1 Satz 1 VwVfG. Die Änderung ist geeignet, erforderlich und angemessen, um die ursprüngliche Anordnung unter Berücksichtigung der verbraucherschützenden Zwecksetzung des § 4 Abs. 1a FinDAG an die aufgrund der jüngsten BGH-Rechtsprechung geänderte Sach- und Rechtslage anzupassen. Bei der Streichung in Ziffer 1a) handelt es sich um eine Klarstellung. Vorsorglich übt die Bundesanstalt aber auch hinsichtlich dieser Anpassung das Ermessen nach § 49 Abs. 1 Satz 1 VwVfG im vorgenannten Sinne aus, um die Anordnung an die geänderte Sach- und Rechtslage anzupassen.

Die Bekanntmachung dieser Allgemeinverfügung erfolgt am 02.10.2024 auf der Internetseite der BaFin. Die Bekanntgabe der Allgemeinverfügung erfolgt in öffentlicher Form, weil diese Bekanntgabe ausdrücklich vorgesehen ist (vgl. § 41 Absatz 4 Satz 1 VwVfG i.V.m. § 17 Absatz 2 FinDAG). Die Möglichkeit der öffentlichen Bekanntmachung im Sinne von § 41 Absatz 4 Satz 1 VwVfG auf der Internetseite der BaFin ergibt sich aus § 17 Absatz 2 Satz 2 FinDAG. Der Verwaltungsakt gilt zwei Wochen nach der ortsüblichen Bekanntmachung als bekannt gegeben (§ 41 Absatz 4 Satz 3 VwVfG).

gez. Dr. Thorsten Pötzsch

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