Erscheinung:27.03.2025 | Thema Geldwäschebekämpfung Aufsichtsmitteilung
Prävention von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung:
Risiken im Zusammenhang mit Umgehungsgeschäften
Verhinderung von Missbrauch durch Umgehungsgeschäfte, insbesondere mit Iran-Bezug
Die Finanzaufsicht BaFin weist darauf hin, dass Umgehungsgeschäfte erhebliche Risiken im Hinblick auf Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung für Verpflichtete mit sich bringen. Unter Umgehungsgeschäften im Finanzsektor sind Geschäfte oder Transaktionen zu verstehen, die bewusst darauf abzielen, gesetzliche, regulatorische oder vertragliche Vorgaben zu umgehen. Sie dienen dazu, Transparenz und Kontrollen zu unterlaufen, indem sie den tatsächlichen wirtschaftlichen oder länderspezifischen Hintergrund verschleiern. Dies hindert Verpflichtete regelmäßig daran, die erforderlichen Sorgfaltspflichten gemäß §§ 10 ff. Geldwäschegesetz (GwG) ordnungsgemäß zu erfüllen. Liegen Anhaltspunkte für Umgehungsgeschäfte vor, ist von einem höheren Risiko auszugehen. Entsprechend sind verstärkte Sorgfaltspflichten gemäß § 15 GwG anzuwenden, um die Risiken für Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zu mitigieren.
Kann der Verpflichtete die allgemeinen oder verstärkten Sorgfaltspflichten nicht erfüllen, bleiben beispielsweise Zweifel an der Kundenidentität, der Identität des oder der wirtschaftlich Berechtigten oder der Herkunft der Vermögenswerte, greift die Beendigungspflicht gemäß § 15 Absatz 9 GwG in Verbindung mit § 10 Absatz 9 GwG.
Verdachtsmeldungen nach § 43 Abs. 1 GwG sind ggf. zu erstatten.
Typische Merkmale und Risiken von Umgehungsgeschäften
Umgehungsgeschäfte sind vielfältig, haben jedoch gemeinsam, dass sie gezielt Überwachungs- und Kontrollmechanismen der Verpflichteten unterlaufen. Der tatsächliche Zweck von Geschäftsbeziehungen und Transaktionen wird bewusst verschleiert. Umgehungsmodelle nutzen häufig:
- Komplexe Produkt- und Abwicklungsstrukturen
- Briefkasten- und Scheinfirmen
- Zahlreiche Intermediäre im In- und Ausland
- Aufteilung von Transaktionen oder Geschäftsbeziehungen auf mehrere Akteure
- Auffällige Transaktionsmuster (unter anderem runde Transaktionsbeträge, generische Verwendungszwecke, Transaktionen, die nicht zum Kundenprofil passen)
Die hiermit verbundene Intransparenz erschwert die Identifizierung des wirtschaftlich Berechtigten gemäß § 10 Absatz 1 Nr. 2 GwG und des Zwecks der Geschäftsbeziehung sowie die Nachverfolgbarkeit von Geldflüssen. Durch solche Umgehungsmodelle soll gezielt und systematisch die Anwendung verstärkter Sorgfaltspflichten bei den Verpflichteten umgangen werden, um den tatsächlichen wirtschaftlichen oder länderspezifischen Hintergrund zu verschleiern.
Verpflichtete sollten daher sicherstellen, dass sie über ein wirksames Risikomanagement verfügen und insbesondere die institutsinternen Sicherungsmaßnahmen einschließlich der im Institut genutzten Monitoring-Systeme vor diesem Hintergrund sorgfältig prüfen und anpassen, um verdächtige Muster identifizieren zu können. Verpflichtete sollten daneben auch die Möglichkeit des Informationsaustauschs zwischen Verpflichteten gemäß § 47 Absatz 5 GwG ausschöpfen, um ihre Pflichten nach dem GwG wahrzunehmen.
Konkrete Erkenntnisse aus der Aufsichtspraxis zu Umgehungsgeschäften mit Iran-Bezug
In der Aufsichtspraxis wurden vermehrt Umgehungsaktivitäten festgestellt, die den Iran-Bezug von Transaktionen und Geschäftsbeziehungen verschleiern sollten.
Die Gründe für die fehlende Offenlegung von Iran-Geschäften können unterschiedlich sein. Neben der Umgehung von Primärsanktionen kann die Vermeidung von Sekundärsanktionen eine Rolle spielen. Der Iran-Bezug wird oftmals auch gegenüber eingebundenen Instituten verschleiert, um eine Ablehnung aus geschäftspolitischen Erwägungen zu verhindern und der Anwendung verstärkter Sorgfaltspflichten gemäß § 15 Absatz 3 Nr. 2 GwG in Verbindung mit§ 15 Absatz 5 GwG zu entgehen. Auf der Grundlage des Artikels 9 der Vierten Geldwäscherichtlinie (EU) 2015/849 hat die Europäische Kommission mit der Delegierten Verordnung (EU) 2016/1675 vom 14. Juli 2016 in der jeweils gültigen Fassung unter Berücksichtigung insbesondere der jüngsten öffentlichen Bekanntgaben der Financial Action Task Force (FATF) Drittstaaten mit hohem Risiko festgelegt. Der Iran wurde hier als Drittstaat mit hohem Risiko ermittelt. Bei allen Geschäftsvorfällen in Bezug auf den Iran, die unter die Tatbestände des § 15 Absatz 3 Nr. 2 GwG fallen, also wenn es sich um eine Geschäftsbeziehung oder Transaktion handelt, an der der Iran oder eine im Iran ansässige natürliche oder juristische Person beteiligt ist, sind mindestens sämtliche in § 15 Absatz 5 GwG aufgeführten verstärkten Sorgfaltspflichten zu erfüllen.
Der Iranbezug ist dabei weit auszulegen und kann sich nicht nur aus dem (Wohn-) Sitz des der Kundin bzw. des Kunden oder wirtschaftlich Berechtigten im Iran oder einer direkten Transaktion in den/aus dem Iran ergeben. Vielmehr sind sämtliche Anhaltspunkte, die für einen Iran-Bezug oder für gängige Umgehungsmodelle sprechen, in die Bewertung mit einzubeziehen.
Bekannte Umgehungsmodelle
Im Rahmen der Aufsichtstätigkeit wurden mehrere Umgehungsmodelle mit Iran-Bezug identifiziert. Die nachfolgende Darstellung ist nicht abschließend. Auch abseits der hier aufgeführten Konstellationen können erhöhte Risiken vorliegen, denen angemessen begegnet werden muss. Die Letztverantwortung für die Bewertung der Risiken verbleibt beim einzelnen Verpflichteten.
1. Einbindung von „Exchange Trading Houses"
Bereits 2011 wurde festgestellt, dass iranische Auftraggeber vermehrt eine Praxis etabliert haben, bei der grenzüberschreitende Zahlungen von iranischen Auftraggebern an Empfänger in der EU zunächst an eine Zwischenempfängerin bzw. –einen Zwischenempfänger mit Sitz in einem Golfstaat wie Dubai geleitet werden (vgl. Rundschreiben 1/2011 (GW)). Diese Zwischenempfängerinnen und -empfänger – häufig sogenannte „Exchange Trading Houses“ – fungieren als Zahlungsakteur für den eigentlichen Auftraggeber. Sie überweisen die erhaltenen Beträge anschließend an die Endempfängerin oder den Endempfänger bzw. dessen oder deren Institut im Inland. Zweck dieser Einbindung ist die gezielte Verschleierung des Iran-Bezuges der Transaktion, wodurch Sicherungs- und Kontrollmechanismen der inländischen Institute umgangen werden sollen.
2. Einbindung von „Payment Agents"
Hohe Risiken bestehen regelmäßig bei Einbindung von (unlizenzierten) Drittunternehmen („Payment Agents“), die die Zahlungsabwicklung übernehmen ohne in das zugrundeliegende Handelsgeschäft involviert zu sein. Die BaFin hat im Rahmen ihrer Aufsichtstätigkeit „Payment Agents“ mit Sitz in den Drittstaaten Vereinigte Arabische Emirate, Hongkong, China, Türkei und Schweiz festgestellt. Diese „Payment Agents“ werden als „alternativer“ Zahlungsweg genutzt, um Sanktionen gegen iranische Banken und Sperrung bestimmter Banken im SWIFT-System zu umgehen. Die „Payment Agents“ zahlen direkt an den Exporteur des eigentlichen Handelsgeschäftes oder im Rahmen der Deckungsanschaffung auf ihr Konto bei der jeweiligen Korrespondenzbank. Die im Hintergrund agierenden Parteien und stattfindenden Zahlungsflüsse sind regelmäßig unbekannt. Der Zweck der Einbindung entspricht dem der „Exchange Trading Houses“: der Iran-Bezug wird bewusst verschleiert und die geschilderte Zahlungspraxis führt dazu, dass das Risiko besteht, dass die Sicherungssysteme der inländischen Verpflichteten nicht mehr greifen.
3. Missbrauch von Handelsfinanzierungen
Die Außenhandelsfinanzierung („Trade Finance") ist ein zentraler Bestandteil des internationalen Handels, jedoch anfällig für Umgehungsgeschäfte. Aufgrund der Beteiligung mehrerer Unternehmen und komplexer Lieferketten entstehen oftmals verschachtelte Strukturen, die Transparenz und Nachverfolgbarkeit von Geld- und Warenflüssen erheblich erschweren. Die Intransparenz birgt erhebliche Risiken für Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, da illegale Finanzströme leichter verborgen werden können. Insbesondere bei dokumentenbasierter Abwicklung können gefälschte und manipulierte Handelsdokumente eingesetzt werden, um unrechtmäßige Geldflüsse als legitimiert darzustellen. Die internationale Dimension des Produkts der Handelsfinanzierung sowie die Vielzahl involvierter Akteure können zudem die wirksame Umsetzung von Kontroll- und Sanktionsmechanismen erschweren.
In der Aufsichtspraxis wurden verstärkt Umgehungsmethoden festgestellt, die gezielt zur Verschleierung des Iran-Bezuges bei Handelsfinanzierungen eingesetzt werden. Zu den häufigsten Methoden zählen:
- Phantomhandel: Abrechnung von Waren, die tatsächlich nie geliefert werden
- Preismanipulation: Über- oder Unterfakturierung von Warenwerten, um unrechtmäßige Vermögensverschiebungen zu ermöglichen
- Mehrfache Rechnungsstellung: Mehrfach-Fakturierung derselben Waren, um die Vermögensverschiebungen zu verschleiern
- Einsatz von Briefkasten- und Scheinfirmen: Nutzung von verschachtelten Unternehmensstrukturen, um wirtschaftlich Berechtigte zu verbergen
- Involvierung mehrerer Akteure ohne legitimen Grund: Durchlaufcharakter von Transaktionen und Zwischenschaltung deutscher Gesellschaften zwischen Importeuren und Exporteuren in Drittstaaten ohne plausiblen Grund oder erkennbare ökonomische Notwendigkeit
- Gefälschte Dokumente: Vorlage von manipulierten Rechnungen oder gefälschten elektronischen Kontoauszügen als Nachweis der Mittelherkunft
- Proforma-Rechnungen: Nutzung von Proforma-Rechnungen ohne nachvollziehbaren Grund
Hinsichtlich weiterer Risikofaktoren im Zusammenhang mit Außenhandelsfinanzierungen und möglicher Wege der Mitigation wird auf die Leitlinien zu den Risikofaktoren für Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, EBA/GL/2021/02, dort Leitlinie 13, verwiesen.
Gesamtaufsichtliche Einordnung von Verstößen gegen das GwG am Beispiel von Kreditinstituten
Verpflichtete unterliegen den jeweils für sie einschlägigen Organisationspflichten. So müssen beispielsweise Kreditinstitute gemäß § 25a Kreditwesengesetz (KWG) über eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation verfügen, die die Einhaltung der vom Institut zu beachtenden gesetzlichen Bestimmungen und der betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten gewährleistet. Eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation umfasst auch die in diesem Schreiben dargestellten Vorgaben. Die Verantwortung eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation sicherzustellen obliegt der Geschäftsleitung. Verstöße gegen § 25a KWG in Verbindung mit dem GwG können Maßnahmen wie Mängelbeseitigungsanordnungen, erhöhte Kapitalanforderungen oder eine Verwarnung der Geschäftsleitung zur Folge haben. Insbesondere bei schwerwiegenden Fällen oder bei nachhaltigen Verstößen kommen geschäftsbeschränkende Maßnahmen, eine Abberufung der Geschäftsleitung bis hin zu einem Entzug der Erlaubnis in Betracht.
Fazit
Die aufgezeigten Erkenntnisse über Arten von Umgehungsgeschäften verdeutlichen, dass diese Methoden gezielt zur Verschleierung von tatsächlichen wirtschaftlichen oder länderspezifischen Hintergründen eingesetzt werden, um illegale Finanzströme zu begünstigen. Die identifizierten Methoden erschweren die Nachverfolgbarkeit von Geldflüssen und erhöhen für die Verpflichteten erheblich das Risiko, für Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung missbraucht zu werden. Alle Verpflichteten sind daher gehalten, ihre institutsinternen Präventionsmaßnahmen und insbesondere die Monitoring-Systeme regelmäßig zu prüfen und an aktuelle Risikoszenarien anzupassen, um auffällige Transaktionsmuster frühzeitig zu erkennen und potenzielle Risiken unverzüglich mitgieren zu können.
Bei Hinweisen auf Umgehungsgeschäfte sind verstärkte Sorgfaltspflichten gemäß § 15 GwG anzuwenden. Liegen konkrete Anhaltspunkte vor, wie Zweifel an der Kundenidentität, der Herkunft oder des Nachweises der Vermögenswerte oder der Identität des oder der wirtschaftlich Berechtigten, ist gegebenenfalls die Verpflichtung zur Abgabe einer Meldung nach § 43 GwG zu prüfen. Können vor dem Hintergrund dieser Zweifel oder aus anderen Gründen allgemeine oder verstärkte Sorgfaltspflichten nicht erfüllt werden, darf die Geschäftsbeziehung nicht begründet oder fortgesetzt bzw. eine Transaktion nicht durchgeführt werden (§§ 15 Absatz9 in Verbindung mit10 Absatz 9 GwG).