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Erscheinung:25.07.2024 | Thema Wertpapiere Aufsichtsmitteilung

ESMA-Leitlinien zu Fondsnamen

Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) hat am 14. Mai 2024 Leitlinien für Fondsnamen veröffentlicht. Die Leitlinien setzen sich mit der Frage auseinander, unter welchen Bedingungen ein Fonds im Namen Wörter wie Umwelt (Environment), Soziales (Social), gute Unternehmensführung (Governance) oder andere nachhaltigkeitsbezogene Begriffe verwenden kann. Damit gibt es auf diesem Feld zum ersten Mal europaweit einheitliche Vorgaben. Die BaFin wird die ESMA-Leitlinien in ihrer Verwaltungspraxis berücksichtigen. Diese werden die bisherige BaFin-Verwaltungspraxis zu nachhaltigen Investmentvermögen vollständig ablösen.

Der Name eines Fonds vermittelt einen ersten Eindruck von der Anlagestrategie und den Anlagezielen des Produkts und beeinflusst die Entscheidungen der Anleger. Auch für den EU-Gesetzgeber ist es bei der vor kurzem veröffentlichten Änderung der Richtlinie über die Verwalter alternativer Investmentfonds und der Richtlinie zu Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren wichtig, die Bedeutung des Namens hervorzuheben (Richtlinie (EU) 2024/927 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. März 2024) und die Kapitalverwaltungsgesellschaften (KVGen) auf ihre Verpflichtung diesbezüglich hinzuweisen. Sie müssen sicherstellen, dass die Informationen bezüglich ihrer Produkte korrekt, redlich und klar sind und keine irreführende oder verwirrende Botschaft vermitteln, die die Anleger fälschlicherweise beeinflussen würde. Diese Änderungsrichtlinie beinhaltet das Mandat an die ESMA, Leitlinien zu Fondsnamen zu entwickeln.

ESMA-Leitlinien definieren Schwellenwert und Mindestausschlüsse

Die wesentlichen Inhalte der ESMA-Leitlinien im Überblick:

Die Grafik zeigt die wesentlichen Inhalte der ESMA-Leitlinien im Überblick. (c) BaFin Die wesentlichen Inhalte der ESMA-Leitlinien im Überblick:

Die ESMA-Leitlinien unterscheiden drei Begriffsgruppen (linke Spalte der Grafik):

  • Transition-, sozial- oder Governance-verwandte Begriffe
  • Umwelt- oder Impact-verwandte Begriffe
  • Nachhaltigkeit-verwandte Begriffe

Dazu müssen KVGen weitere Bedingungen erfüllen, je nachdem welchen Begriff sie im Fondsnamen nutzen (obere Zeile der Grafik). Die ESMA legt dabei nicht nur fest, wie und in welcher Höhe der Fonds in bestimmte Vermögensgegenstände investieren muss, damit er in einer bestimmten Art und Weise bezeichnet werden darf. Sie führt darüber hinaus unterschiedliche Mindestausschlüsse ein. Diese richten sich nach der sog. Benchmark-Verordnung (EU) 2016/1011. Diese enthält zwei nachhaltigkeitsbezogene Referenzwerte: Den so genannten Referenzwert für den klimabedingten Wandel (Climate Transition Benchmark (CTB)) und den Paris-abgestimmten EU-Referenzwert (Paris-Aligned Benchmark (PAB)), wobei der PAB mehr und höhere Mindestausschlüsse enthält, also „strenger“ ist. Diese Ausschlüsse richten sich zwar ausschließlich an die Administratoren von EU-Referenzwerten; die ESMA-Leitlinien machen sich aber diese Ausschlüsse zu eigen, indem sie darauf Bezug nehmen. Je nach Bezeichnung des jeweiligen Fonds gelten entweder die strengeren Mindestausschlüsse des PAB oder die weniger strengen Ausschlüsse des CTB. So muss z.B. ein Fonds, der „Transition“ oder „Transformation“ im Namen hat, die weniger strengen Ausschlüsse des CTB beachten. Für einen Fonds, dessen Namen den Begriff „Umwelt“ beinhaltet, gelten dagegen die strengeren Ausschlüsse des PAB.

In der Praxis bedeutet das folgendes: Wenn ein Fonds in seinem Namen beispielsweise den Begriff „Umwelt“ verwendet (siehe Tabelle: linke Spalte, Zeile 2), dann müssen 80 Prozent des Fondsvermögens in Übereinstimmung mit den verbindlichen nachhaltigen Elementen der Anlagestrategie investiert werden. Zusätzlich müssen die vordefinierten nachhaltigkeitsbezogenen Ausschlüsse nach dem Paris-abgestimmten Referenzwert beachtet werden. Investitionen in die folgenden Unternehmen sind danach nicht möglich:

  • Unternehmen, die an Aktivitäten im Zusammenhang mit umstrittenen Waffen beteiligt sind,
  • Unternehmen, die am Anbau und der Produktion von Tabak beteiligt sind,
  • Unternehmen, die gegen die Grundsätze der Initiative „Global Compact“ der Vereinten Nationen (UNGC) oder gegen die Leitsätze der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) für multinationale Unternehmen verstoßen,
  • Unternehmen, die 1 Prozent oder mehr ihrer Einnahmen mit der Exploration, dem Abbau, der Förderung, dem Vertrieb oder der Veredelung von Stein- und Braunkohle erzielen,
  • Unternehmen, die 10 Prozent oder mehr ihrer Einnahmen mit der Exploration, der Förderung, dem Vertrieb oder der Veredelung von Erdöl erzielen,
  • Unternehmen, die 50 Prozent oder mehr ihrer Einnahmen mit der Exploration, der Förderung, der Herstellung oder dem Vertrieb von gasförmigen Brennstoffen erzielen und
  • Unternehmen, die 50 Prozent oder mehr ihrer Einnahmen mit der Stromerzeugung mit einer THG-Emissionsintensität von mehr als 100 g CO2 e/kWh erzielen.

Im Folgenden wird anhand des Begriffs „Transition“ (siehe Tabelle: linke Spalte, Zeile 1) auf die einzelnen Voraussetzungen detaillierter eingegangen.

„Transitionsfonds“ investieren das Geld der Anleger beispielsweise in Unternehmen, Industriezweige, etc., um einen Wandel zu erreichen, zum Beispiel einen schnelleren Ausstieg aus dem Abbau von Stein- und Braunkohle.
Sollten diese Fonds den Begriff „Transition“ oder damit verwandte, themenbezogene Wörter wie z. B. „Fortschritt“ oder „Entwicklung“ im Namen nutzen, müssen sie nach den ESMA-Leitlinien die folgenden Voraussetzungen erfüllen:

  • Zunächst muss die KVG, wie auch bei der Verwendung anderer nachhaltigkeitsbezogener Begriffe, 80 Prozent des Fondsvermögens im Einklang mit den verbindlichen Elementen der Anlagestrategie zur Erfüllung ökologischer oder sozialer Merkmale oder nachhaltiger Anlageziele investieren. Die verbindlich festgelegte Anlagestrategie müssen KVGen unter anderem in den Anlagebedingungen des Fonds offenlegen.
  • Die KVG muss außerdem die Ausschlüsse nach der weniger strengen Climate Transition Benchmark beachten, so dass Investitionen eines „Transitionsfonds“ in die folgenden Unternehmen nicht möglich sind:
    - Unternehmen, die an Aktivitäten im Zusammenhang mit umstrittenen Waffen beteiligt sind,
    - Unternehmen, die am Anbau und der Produktion von Tabak beteiligt sind und
    - Unternehmen, die gegen die Grundsätze der Initiative „Global Compact“ der Vereinten Nationen (UNGC) oder gegen die Leitsätze der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) für multinationale Unternehmen verstoßen.

Dass „Transitionsfonds“ weniger strenge Ausschlüsse zu beachten haben als beispielsweise Fonds, die einen umweltbezogenen Begriff im Namen führen (siehe Tabelle: linke Spalt, Zeile 2), ist konsequent: Das soll diesen speziellen Fonds die Möglichkeit geben, mit den eingesetzten Geldern einen Wandel zu erreichen, gerade auch in solchen Unternehmen, die beispielsweise noch mehr als 10 Prozent ihrer Einnahmen mit der Exploration, der Förderung, dem Vertrieb oder der Veredelung von Erdöl erzielen.

In ihren Leitlinien verbindet die ESMA diese Lockerung mit der Verpflichtung an die KVG, einen klaren und messbaren „Transitionspfad“ darzulegen. Genauere Vorgaben zu solch einem Transitionspfad macht die ESMA nicht. Für die mitunter sehr unterschiedlichen Industriezweige, die sich auf einen Transitionsweg begeben wollen und dafür Kapital einwerben möchten, gibt es somit keine „Transitions-Schablone“. Stattdessen können die Unternehmen die jeweiligen Transitions-Projekte und (Zwischen-)Ziele individuell festlegen. Diese Informationen müssen aber nachvollziehbar und z. B. durch Science-Based Targets (SBT) auch nachprüfbar sein. Mit diesen SBT, also wissenschaftsbasierten (Klima-)Zielen, können Unternehmen beispielsweise Emissionsreduktionsziele festlegen.

Solche von den Zielunternehmen erstellten Informationen kann die KVG nach eigener Prüfung und (Risiko-)Bewertung als Basis nutzen, um die Vorgabe der ESMA-Leitlinien zum Transitionspfad darzustellen. Zudem könnte sie die Auskünfte der Zielunternehmen aufarbeiten und beispielsweise in den Fonds-Verkaufsprospekten als Informationsmaterial für die Anlegerinnen und -anleger nutzen.

Offene Auslegungs- und Anwendungsfragen

Neben dem Thema „Transitionspfad“ bleiben nach der Veröffentlichung der ESMA-Leitlinien noch weitere wichtige Auslegungs- und Anwendungsfragen offen. Die Leitlinien enthalten auslegungsbedürftige Begriffe, etwa die Verpflichtung der KVG „meaningfully“, also „bedeutsam“ in nachhaltige Anlagen im Sinne von Artikel 2 Absatz 17 der EU-Offenlegungsverordnung (SFDR) zu investieren. Diese Fragen werden in künftigen Arbeitssträngen der ESMA besprochen, um einen EU-weiten Konsens zu erzielen.

Auch die Erwerbbarkeit von grünen Anleihen („Green Bonds“ als „untechnischer“ Begriff, d.h. nicht zwingend Green Bonds im Sinne der VO (EU) 2023/2631 vom 22.11.2023) für Fonds, die die ESMA-Leitlinien und damit die Mindestausschlüsse beachten müssen, ist noch nicht für alle Marktteilnehmerinnen und -teilnehmer klar. „Green Bonds“ sind zum Beispiel Anleihen, deren Zweck darin besteht, das durch ihre Emission beschaffte Kapital in Unternehmen oder Projekte zu investieren, die einen Beitrag zum Umwelt-, Natur- oder Klimaschutz leisten. Nach derzeitigem Stand sind solche „Green Bonds“ nicht immer für Fonds erwerbbar, die z. B. die Begriffe Umwelt oder Nachhaltigkeit im Namen führen. Das liegt an den für diese Fonds geltenden Mindestausschlüssen, jedenfalls dann, wenn die „Green Bonds“ z. B. von Unternehmen ausgegeben werden, die unter die oben genannten Mindestausschlüsse fallen. Bei der Beurteilung von „Green Bonds“ soll die KVG also nicht auf das konkret zu finanzierende Projekt abstellen, sondern auf das Unternehmen, das die „Green Bonds“ emittiert.

„Transitionsfonds“ können eher in „Green Bonds“ investieren, denn für diese Fonds gelten im Hinblick auf die Mindestausschlüsse weniger strenge Regeln (s.o.). Natürlich muss der Transitionspfad entsprechend dargelegt werden und die zugehörigen Informationen klar formuliert sein.

Zeitplan zu den ESMA-Leitlinien zu Fondsnamen:

In den nächsten Monaten stehen die folgenden Meilensteine an:

  • Mit der Veröffentlichung des Final Reports inkl. der Leitlinien auf Englisch leitete die ESMA den Übersetzungsprozess ein, damit die Leitlinien in alle offiziellen EU-Landessprachen übersetzt werden. Das dürfte ca. zwei Monaten dauern. Das heißt, die ESMA könnte die Leitlinien voraussichtlich im Juli 2024 in allen offiziellen EU-Landessprachen auf ihrer Website veröffentlichen.
  • Zwei Monate nach dieser Veröffentlichung müssen alle nationalen Aufsichtsbehörden, für Deutschland also die BaFin, gegenüber der ESMA erklären, ob sie die Leitlinien anwenden (Comply) und, falls sie das nicht planen, weshalb sie darauf verzichten (Explain).
  • Drei Monate nach der Veröffentlichung der Leitlinien in allen offiziellen EU-Landessprachen auf der Internetseite der ESMA gelten die ESMA-Leitlinien für alle neuen EU-Fonds, die entsprechende nachhaltigkeitsbezogene Begriffe im Fondsnamen nutzen (Anwendungsdatum).
  • Sechs Monate nach diesem Anwendungsdatum (also insgesamt neun Monate nach der Veröffentlichung der Leitlinien in allen offiziellen EU-Landessprachen auf der Internetseite der ESMA) müssen auch diejenigen Fonds die Leitlinien beachten, die bereits aufgelegt waren, bevor die Leitlinien in allen offiziellen EU-Landessprachen auf der Internetseite der ESMA veröffentlicht werden und die entsprechende nachhaltigkeitsbezogene Begriffe im Fondsnamen verwenden.

BaFin passt ihre Verwaltungspraxis bereits jetzt an

Bereits vor zwei Jahren hatte die BaFin eine Verwaltungspraxis zur Nutzung von Nachhaltigkeitsbegriffen im Namen von deutschen Publikumsfonds festgelegt. Die ESMA-Leitlinien richten sich dagegen nun an alle in der EU regulierten Fonds, also auch an Spezialfonds, die nur von professionellen Anlegern erworben werden können. Neben Fonds, deren Namen Nachhaltigkeitsbegriffe enthalten, fielen auch solche Fonds in den Anwendungsbereich der BaFin-Verwaltungspraxis, die Anlegerinnen und Anlegern gegenüber als nachhaltig vertrieben wurden. Dazu reichte es beispielsweise aus, wenn der Fonds in den Marketing-Materialien als ein explizit nachhaltiges Produkt dargestellt wurde.

Für die Bearbeitung aller neu eingehenden Anträge berücksichtigt die BaFin ab sofort nur noch die Vorgaben der ESMA-Leitlinien. Dies bedeutet insbesondere auch, dass nunmehr allein das Vorhandensein von Nachhaltigkeitsbegriffen im Fondsnamen eine Prüfung der Anlagebedingungen im Sinne der vormaligen Prüfung auf Erfüllung der Anforderungen der BaFin-Verwaltungspraxis begründet. Die Frage, ob ein Fonds als „explizit nachhaltig“ vertrieben wird, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle mehr.

Bei der Umstellung von Bestandsfonds mit Nachhaltigkeitsbezug auf die Anforderungen der ESMA-Leitlinien betrachtet die BaFin eine Anpassung der Anlagebedingungen in der Regel weder als eine Änderung der Anlagegrundsätze noch als eine anlegerbenachteiligende Änderung wesentlicher Anlegerrechte. Dies gilt insbesondere, wenn die Anlagebedingungen bereits den Anforderungen der bisherigen BaFin-Verwaltungspraxis zu nachhaltigen Investmentvermögen entsprechen. Ebenso gilt dies, wenn die Angaben im vorvertraglichen ESG -Anhang zum Verkaufsprospekt von Fonds, die ihre Nachhaltigkeitsmerkmale nach Artikel 8 oder Artikel 9 der EU-Offenlegungsverordnung (VO (EU) 2019/2088, SFDR) offenlegen, bereits Mindestzusagen und Ausschlusskriterien als verbindliche Merkmale der ESG-Strategie enthalten, die mit den Ausschlüssen der ESMA-Leitlinien vergleichbar sind.

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