BaFin - Navigation & Service

Erscheinung:14.08.2009 | Geschäftszeichen BA 54-FR 2210-2008/0001 | Thema Risikomanagement MaRisk - Veröffentlichung der Neufassung

An alle Verbände der Kreditwirtschaft

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich habe Ihre Stellungnahmen zum zweiten Entwurf vom 24.06.2009 eingehend geprüft und freue mich, Ihnen heute die offizielle Neufassung der MaRisk zuleiten zu können. Die neuen MaRisk sowie einige weitere Dokumente sind diesem Schreiben als Anlagen beigefügt. Alle Dokumente sind darüber hinaus unter www.bafin.de und www.bundesbank.de abrufbar.

Auf die maßgeblichen Beweggründe für die Neufassung der MaRisk bin ich bereits im Anschreiben zum ersten Entwurf vom 16.02.2009 eingegangen. Es sind vor allem die Empfehlungen des Financial Stability Boards sowie diverse „Anschlussarbeiten“ (v. a. Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht, EU-Richtlinienvorhaben), die eine Anpassung der MaRisk erforderlich machten. Ich habe mich ganz bewusst dafür entschieden, die grundsätzliche Ausrichtung der MaRisk von den Neuregelungen unberührt zu lassen: Dem in § 25a KWG fest verankerten Proportionalitätsgrundsatz wird auch künftig ein hoher Stellenwert eingeräumt. Dies gilt vor allem für die zahlreichen kleineren Institute in Deutschland, die auf regulatorische Spielräume angewiesen sind.

Lassen Sie mich nunmehr auf einige wichtige inhaltliche Punkte eingehen.

Einbindung des Aufsichtsorgans

Um die Governance-Strukturen der Institute weiter zu stärken, habe ich bestehende Pflichten der Geschäftsleitung gegenüber dem Aufsichtsorgan weiter ausgebaut. Insbesondere haben die Geschäftsleiter dem Aufsichtsorgan ein direktes Auskunftsrecht gegenüber der Internen Revision einzuräumen, damit es seine Überwachungsfunktion noch effektiver wahrnehmen kann. Da das Aufsichtsorgan und die Interne Revision aufgrund ihrer Aufgaben das gesamte Institut im Blick haben, bietet sich ein solches Auskunftsrecht an. In diesem Zusammenhang geäußerte Vorbehalte der Kreditwirtschaft konnte ich zum Teil nachvollziehen. Ich habe daher einige Anpassungen vorgenommen. So soll der Vorsitzende des Aufsichtsorgans sein Auskunftsersuchen an den Leiter der Internen Revision richten, um die Kommunikation zu kanalisieren. Zudem ist die Geschäftsleitung über derartige Auskunftsersuchen zu informieren.

Das Deutsche Institut für Interne Revision (DIIR) sieht im Übrigen in der Neuregelung eine „wirkungsvolle Stärkung der Unternehmensüberwachung und der Funktion der Internen Revision.“ Dem schließe ich mich an, denn auch ich bin mir sicher, dass das gesamte Institut von der Neuregelung profitieren kann. Dies setzt natürlich voraus, dass dem Aufsichtsorgan die maßgeblichen Regelungen der MaRisk bekannt sind. Ich bitte daher die Geschäftsleiter der Institute, ihre Aufsichtsorgane entsprechend zu informieren.

Risikokonzentrationen

Die Finanzmarktkrise hat deutlich gezeigt, wie verheerend sich Risiken aus Konzentrationen auswirken können, wenn sie erst einmal schlagend werden. Die Anforderungen in den MaRisk sollen dazu beitragen, dass die Institute für solche Verlustgefahren sensibilisiert werden. Das gilt natürlich auch für Institute mit regionaler Ausrichtung oder spezialisierte Institute, die sich - schon aus Eigeninteresse - intensiv mit ihren jeweiligen „Klumpen“ befassen sollten. Die Anforderungen der MaRisk statuieren jedoch keinen „Zwang zur Diversifizierung“, wie ich bereits im Anschreiben zum zweiten Entwurf vom 24.06.2009 zum Ausdruck brachte.

Risiken aus Konzentrationen sind vielschichtig. Sie können sich auch auf der Ertragsseite der Institute ergeben. Ich halte es daher für erforderlich, dass sich die Institute mit Ertragskonzentrationen befassen (AT 4.2 Tz. 2). Die Spitzenverbände der Kreditwirtschaft haben mich darum gebeten, den Sinn und Zweck dieser Anforderung näher zu erläutern. Diesem Wunsch trage ich gerne Rechnung. Die Finanzmarktkrise hat u. a. deutlich gemacht, dass bei Instituten, die stark abhängig von bestimmten Ertragsquellen sind, tendenziell eine höhere Anfälligkeit gegenüber (Markt)veränderungen besteht. Vor diesem Hintergrund halte ich es für zweckmäßig, dass die Institute Ertragskonzentrationen berücksichtigen. Bei der Anforderung geht es nicht um "potentielle Ertragseinbußen" oder anspruchsvolle "Systeme zur Gesamtbanksteuerung". Es geht allein darum, dass sich die Institute etwaiger Ertragskonzentrationen bewusst sind und diese in ihr Kalkül einbeziehen. Das setzt selbstverständlich voraus, dass die Institute ihre wesentlichen Erfolgsquellen kennen und diese voneinander abgrenzen (bspw. die Abgrenzung von Konditionen- und Strukturbeitrag im Zinsbuch).

Risikomanagement auf Gruppenebene

Um den gesetzlichen Regelungen zum gruppenweiten Risikomanagement (§25a Abs. 1a KWG) noch mehr Bedeutung zu verleihen, habe ich bestehende MaRisk-Anforderungen ergänzt und diese in das neue Modul AT 4.5 überführt. Die Anforderungen sind an das jeweils übergeordnete Unternehmen gerichtet und in Abstimmung mit den nachgeordneten Unternehmen umzusetzen. Die gruppenbezogenen Anforderungen erstrecken sich auf Strategien, Risikotragfähigkeit, Risikosteuerungs- und –controllingprozesse, prozessuale Vorgaben (bspw. abgestimmte Kommunikationswege) und Konzernrevision. Die Ausgestaltung des Risikomanagements auf Gruppenebene hängt von Art, Umfang, Komplexität und Risikogehalt sowie den gesellschaftsrechtlichen Möglichkeiten ab. Zu berücksichtigen sind alle wesentlichen Risiken der Gruppe, unabhängig davon, ob sie von konsolidierungspflichtigen Unternehmen verursacht werden oder nicht. Soweit sie für die Gruppe ein wesentliches Risiko darstellen, sind also auch z.B. Zweckgesellschaften oder Industrieunternehmen vom gruppenweiten Risikomanagement zu erfassen.

Vergütungssysteme

Eine bedeutende Neuerung stellen die Anforderungen an die Vergütungssysteme dar. Aggressive Vergütungssysteme haben – neben anderen Faktoren – mit zur Finanzmarktkrise beigetragen. Fehlanreize in den Vergütungssystemen führten teilweise zu extremen Ausweitungen von Risikopositionen. Vor diesem Hintergrund ist es nicht überraschend, dass sich auch die maßgeblichen internationalen Gremien des Themas „Vergütung“ angenommen haben. Die neuen Regelungen der MaRisk orientieren sich insbesondere an den „Principles for Sound Compensation Practices“ des Financial Stabilty Boards vom 02.04.2009 und den „High-level Principles for Remuneration Policies“ des Committee of European Banking Supervisors (CEBS) vom 20.04.2009, die im Übrigen deckungsgleich in die Änderungsrichtlinie zur Bankenrichtlinie überführt werden sollen.

Die neuen Anforderungen stellen keinen Eingriff in die Entlohnungssysteme der Privatwirtschaft dar. Sie statuieren vielmehr Prinzipien, die bei der Ausgestaltung der Vergütungssysteme zu berücksichtigen sind. Während sich die allgemeinen Anforderungen auf alle Vergütungssysteme beziehen, geht es bei den besonderen Anforderungen um die variable Vergütung von Geschäftsleitern oder Mitarbeitern, die aufgrund ihrer Kompetenzen hohe Risikopositionen begründen können. Die besonderen Anforderungen sind insoweit an „risk taker“ gerichtet und nicht etwa an Bankmitarbeiter, deren dreizehntes Monatsgehalt eine variable Vergütung darstellt.

Nach den „allgemeinen Anforderungen“ ist z.B. sicherzustellen, dass die Vergütungssysteme mit den in den Strategien niedergelegten Zielen in Einklang stehen. Die Vergütungssysteme müssen ferner so ausgerichtet sein, dass schädliche Anreize zur Begründung unverhältnismäßig hoher Risikopositionen vermieden werden. Abhängig von Art, Umfang, Komplexität und Risikogehalt der Geschäftsaktivitäten sowie der Vergütungsstruktur des Instituts hat die Geschäftsleitung ferner einen Ausschuss einzurichten, der sich mit der Ausgestaltung und Weiterentwicklung der Vergütungssysteme befassen soll. Durch den Vergütungsausschuss, dem Mitarbeiter aus unterschiedlichen Bereichen angehören (bspw. Personalabteilung, Markt, Risikocontrolling, Interne Revision), können etwaige Fehlentwicklungen frühzeitig erkannt und beseitigt werden. Er schafft zudem mehr Transparenz. Solange die Geschäftsleitung im Wege der Delegation nichts anderes vorsieht, hat der Ausschuss keine Entscheidungskompetenzen. Unter dem Gesichtspunkt des Datenschutzes halte ich seine Einrichtung für unproblematisch, denn der Ausschuss soll sich mit der Ausgestaltung und Weiterentwicklung der Vergütungssysteme befassen und nicht etwa mit den Personalakten einzelner Mitarbeiter.

Die „besonderen Anforderungen“ sehen u. a. vor, dass die variable Vergütung auch „künftige negative Entwicklungen“ zu berücksichtigen hat. Die „risk taker“ sollen also nicht nur am Erfolg partizipieren, sondern auch an einem etwaigen Verlust. Die Spitzenverbände haben in diesem Zusammenhang problematisiert, dass eine Zuordnung des Erfolgs bzw. des Nicht-Erfolgs zu den jeweils Betroffenen „realistischerweise nicht möglich ist“. Dem kann ich nicht uneingeschränkt folgen, denn die Festlegung vergütungsrelevanter individueller Ziele ist in solchen Vergütungssegmenten bereits üblich, so dass auch eine individuelle Zuordnung möglich sein sollte.

Sollten bestehende Verträge nicht mit den neuen Vergütungsregelungen korrespondieren, empfehle ich, schon aus Eigeninteresse auf eine Anpassung hinzuwirken. Wie bei allen Neuregelungen, werden auch die neuen Vergütungsregelungen in der praktischen Anwendung eine Reihe von Fragen aufwerfen. Ich halte es daher für zweckmäßig, wenn sich das MaRisk-Fachgremium nochmals intensiv mit dem Thema auseinandersetzt. Dabei soll es allerdings nicht um eine Neuauflage der Konsultation gehen, sondern vielmehr um die Diskussion praktischer Umsetzungsbeispiele, die gemeinsam mit Vergütungsexperten geführt wird. Natürlich bieten sich auch andere Themen der MaRisk für eine derartige Diskussion an. Ich denke dabei insbesondere an den Themenkomplex „Risikotragfähigkeit“, bei dem sich in der praktischen Anwendung häufig offene Fragen ergeben.

Die neuen MaRisk sind grundsätzlich bis zum 31.12.2009 umzusetzen. Sofern sich bei der Umsetzung der Anforderungen Schwierigkeiten ergeben sollten, die nicht auf Versäumnisse des Instituts zurückzuführen sind, werde ich bis zum 31.12.2010 von bankaufsichtlichen Maßnahmen absehen. Die Krise hat deutlich gemacht, dass ein funktionsfähiges Risikomanagement von essentieller Bedeutung für jedes Institut ist. Ich bitte daher alle Institute, die Umsetzungsarbeiten mit entsprechendem Nachdruck zu betreiben.

Wie ich eingangs bereits erwähnte, führt die Neufassung nicht zu einer Abkehr von der prinzipienorientierten Ausrichtung der MaRisk. Soweit es um die Qualität der bankinternen Strukturen geht, halte ich diesen Regulierungsansatz gegenüber ausbuchstabierten Detailregelungen immer noch für leistungsfähiger. Die Öffnungsklauseln der MaRisk räumen den Instituten also nach wie vor vielfältige Spielräume für maßgeschneiderte Umsetzungslösungen ein. Ich gehe davon aus, dass diese Spielräume von den Instituten auf sachgerechte Weise mit Leben gefüllt werden. Rein formale Umsetzungen oder gar ein „Schaulaufen“ für die Aufsicht sind weder im Interesse der Institute noch der Aufsicht.

Mit freundlichen Grüßen
Sabine Lautenschläger

Fanden Sie den Beitrag hilfreich?

Wir freuen uns über Ihr Feedback

Es hilft uns, die Webseite kontinuierlich zu verbessern und aktuell zu halten. Bei Fragen, für deren Beantwortung wir Sie kontaktieren sollen, nutzen Sie bitte unser Kontaktformular.

Wir freuen uns über Ihr Feedback