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Erscheinung:08.07.2016 | Thema Solvabilität Erste Erkenntnisse aus dem Berichtswesen zum neuen Aufsichtssystem Solvabilität II

Anlage zur Pressemitteilung vom 08.07.2016

Die Versicherungsunternehmen haben im Mai 2016 erstmals Daten für die regelmäßige quantitative Berichterstattung nach Solvabilität II (S II) vorgelegt. Das „Day 1 Reporting“ umfasst die Solvabilitätsübersicht (Solvenzbilanz) zum Beginn des neuen Aufsichtsregimes und war nur einmalig vorzulegen. Zu Day1 zeigten lediglich drei Unternehmen eine Unterdeckung der Solvabilitätskapitalanforderung (SCR, Solvency Capital Requirement) auf. Die BaFin steht mit diesen Unternehmen in engem Kontakt. Sie haben bereits, wie gesetzlich vorgesehen, Maßnahmen zur Bereinigung der Bedeckungssituation ergriffen. Alle Unternehmen sind ihrer Verpflichtung zur Vorlage der Berichtsformulare vollständig und termingerecht nachgekommen.

Im Folgenden werden die wesentlichen Erkenntnisse des „Day 1 Reporting“ und des ersten Quartals 2016 zusammengefasst. Dabei beziehen sich alle Aussagen auf die Gesamtheit der zurzeit 342 Einzelunternehmen, die unter S II berichtspflichtig sind.

Das SCR berücksichtigt alle quantifizierbaren Risiken, denen ein Versicherungsunternehmen ausgesetzt ist. Im aktuellen Marktumfeld stellen Schwankungen an den Kapitalmärkten die bedeutendste Teilrisikoart dar. An zweiter Stelle, aber vergleichsweise deutlich weniger bedeutend, stehen die versicherungstechnischen Risiken.

Bei Betrachtung der Anlageklassen entfällt auch unter SII weiterhin der größte Teil auf Anleihen. Direkt gehaltene Aktien und Immobilien nehmen nur einen sehr geringen Anteil am Marktwert der gesamten Kapitalanlagen von rund 1,8 Billionen Euro zum Start von S II ein.

Zusammenfassung der Kapitalanlagen

Grafik zur Anlage zur Pressemitteilung vom 08.07.2016 betr. Berichtswesen Solvabilität II Abbildung 1: Zusammensetzung der Kapitalanlagen; Quelle: BaFin


Unter SII werden Vermögenswerte und Verbindlichkeiten marktkonsistent bewertet. Hierdurch entsteht eine erhöhte Volatilität gegenüber einer Bewertung nach Buchwerten. Ausschlaggebend für das Risiko, dem ein Unternehmen ausgesetzt ist, ist die Schwankung der zur Verfügung stehenden Eigenmittel (Überschuss der Vermögenswerte über die Verbindlichkeiten). Risikomindernd kann sich auswirken, dass sowohl die Aktiv- als auch die Passivseite schwankt. Sicherlich bedarf es jedoch einer Eingewöhnungsphase für alle Beteiligten, die systemimmanente Volatilität angemessen deuten zu lernen.

Zusammenfassung der Kapitalanlagen

Grafik zur Anlage zur Pressemitteilung vom 08.07.2016 betr. Berichtswesen Solvabilität II Abbildung 2: Passivseite der Solvenzbilanz zu Solvency II; Quelle: BaFin

Die Höhe der anrechnungsfähigen Eigenmittel betrug zu Day 1 rund 410 Mrd. Euro (Q1: rund. 401 Mrd. Euro). Diese bedecken das SCR in Höhe von rund 134 Mrd. Euro (Q1: rund 143 Mrd. Euro). Der in Abbildung 2 dargestellte Bereich oberhalb des SCR zeigt die reine Überdeckung. Die mittlere Bedeckungsquote der Branche sank von rund 305% zum Stichtag 01.01.2016 auf rund 280% in Q1. Bei den Einzelergebnissen gab es eine relativ große Spannbreite.

Zur Einschätzung der Risikolage ist wesentlich, wie stark sich die Veränderungen innerhalb der Solvenzbilanz auf das SCR und die zu seiner Bedeckung anrechnungsfähigen Eigenmittel auswirken. An den nahezu parallelen Verbindungslinien in Abbildung 2 erkennt man, dass selbst erhebliche Schwankungen im marktkonsistenten Wert der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten im Branchenmittel nur abgeschwächt auf die Risikosituation durchschlagen.
Dies zeigt sich deutlich in den Veränderungen der Werte von Day 1 zu Q 1. In diesem Zeitraum stieg die Solvenzbilanzsumme um 83 Mrd. Euro an. Auf der Aktivseite resultieren dabei rund 69 Mrd. Euro aus der Veränderung im Marktwert der Kapitalanlagen. Auf der Passivseite stieg der marktkonsistente Wert der Verbindlichkeiten im ersten Quartal um rund 92 Mrd. Euro an. Diese erheblichen Veränderungen führten im Ergebnis lediglich zu einer Verminderung der anrechenbaren Eigenmittel in Höhe von 9 Mrd. Euro und einem Anstieg des SCR von ebenfalls 9 Mrd. Euro.

Bei dem bisherigen Aufsichtssystem Solvabilität I (S I) waren aufgrund der Buchwertbetrachtung die Auswirkungen von Schwankungen an den Kapitalmärkten auf die Bedeckungsquoten relativ gering. Unter dem neuen Aufsichtssystem S II werden die Schwankungen aus der marktkonsistenten Bewertung der Verbindlichkeiten und der Vermögenswerte nun auch in der Risikomessung sichtbar. Die S II-Bedeckungsquoten lassen sich daher nicht unmittelbar mit den S I-Bedeckungsquoten vergleichen.

Die zur Bedeckung des SCR anrechnungsfähigen Eigenmittel werden in verschiedene Qualitätsklassen eingestuft (Tier 1 bis Tier 3). Deutlich mehr als 90% der anrechnungsfähigen Eigenmittel sind von höchster Qualität (Tier 1). Für Day 1 sind über 370 Mrd. Euro in Tier 1 eingestuft. Dieser Wert übersteigt die Mindestanforderung von 50% des SCR (das entspräche rund 67 Mrd. Euro) deutlich.

Der Umstieg von einer Buchwert- auf eine Marktwertbetrachtung hat weitreichende Konsequenzen für die Unternehmen. Für einen reibungslosen Übergang in das neue System stehen den Versicherern verschiedene Übergangsmaßnahmen zur Verfügung. Ziel dieser Maßnahmen ist es, Marktstörungen zu vermeiden, Beeinträchtigungen bestehender Versicherungsverhältnisse zu begrenzen und zu gewährleisten, dass ausreichend Versicherungsprodukte verfügbar sind. Ihrem Charakter als Übergangsmaßnahmen gemäß sind sie jedoch zeitlich befristet. Die Unternehmen sollten die Möglichkeit der schrittweisen Anpassung daher in jedem Fall nutzen, um den spezifischen Anforderungen von S II so bald wie möglich nachzukommen.

Ein weiteres Grundprinzip von S II ist die korrekte Identifizierung, Messung und Steuerung von Risiken der Unternehmen. Stellt ein Unternehmen fest, dass sein individuelles Risiko über die Standardformel zur Berechnung des SCR nicht angemessen reflektiert wird, gibt es mehrstufige Individualisierungsmöglichkeiten, die durch die Aufsicht im Vorfeld genehmigt werden müssen.

Zunächst können Versicherer die Standardformel durch Nutzung unternehmensspezifischer Parameter anpassen. Diese Parameter wirken sich nur auf Teile der Standardformel aus. Weichen auch andere Teile der Standardformel vom individuellen Risikoprofil des Unternehmens ab, so lassen sich diese Aspekte durch ein internes Partialmodell behandeln. Alternativ kann ein Versicherer entscheiden, sein Risiko anhand eines vollständigen internen Modells zu messen.

Versicherer untereinander allein anhand von Bedeckungsquoten zu vergleichen, erscheint vor diesem Hintergrund nicht zielführend. Bei einer solchen Betrachtung sind stets die vom Gesetzgeber zugelassenen und von der BaFin zu genehmigenden Möglichkeiten der Berechnung zu berücksichtigen.

Zum Start von Solvency II wenden im deutschen Markt 15 Versicherer ein volles internes Modell und 17 ein internes Partialmodell an. Sieben Unternehmen setzen unternehmensspezifische Parameter ein.

Dr. Frank Grund, Exekutivdirektor der Versicherungsaufsicht, ist zufrieden mit den ersten Ergebnissen: „Die Branche ist erfolgreich im neuen Regime angekommen.“ Die BaFin werde im August Einblicke in die spartenspezifischen Erkenntnisse aus dem jetzt erstmals vorgelegten neuen Reporting geben.

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