Datum: 22.12.2022Kommen Anlagen in Kryptowerten für das Sicherungsvermögen von Versicherungsunternehmen in Frage?
Hinsichtlich der Anlagen für das Sicherungsvermögen für die Versicherungsunternehmen gelten seit Einführung des grundlegenden Regelwerks Solvency II unterschiedliche Vorschriften. Die Vorgaben von Solvency II betreffen Erst- und Rückversicherungsunternehmen sowie Versicherungsgruppen mit Sitz in der Europäischen Union. Ausgenommen sind allerdings kleine Versicherungsunternehmen, deren jährlich gebuchte Bruttobeitragseinnahmen unter fünf Millionen Euro liegen und deren gesamte versicherungstechnische Rückstellungen ohne Abzug der einforderbaren Beträge aus Rückversicherungsverträgen und von Zweckgesellschaften einen Betrag von 25 Mio. € nicht überschreiten.“ (§211 Abs. 1 VAG i.V.m. Richtlinie 2009/138/EG). Im Rahmen des SII-Reviews werden die Schwellenwerte ggf. angepasst / erhöht.
1. Für Versicherer, die den Regelungen von Solvency II unterliegen, besteht grundsätzlich Anlagefreiheit. Sie müssen jedoch ihre gesamten Vermögenswerte nach dem Grundsatz der unternehmerischen Vorsicht anlegen. Dabei haben die Versicherer insbesondere die gesetzlichen Anforderungen des § 124Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) und die Vorgaben der Leitlinien 27 bis 35 der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (European Insurance and Occupational Pensions Authority - EIOPA) zum Governance-System einzuhalten. Ob eine Anlage in Kryptowerte möglich ist, haben die Versicherer in ihren Risikomanagementleitlinien unternehmensindividuell und eigenverantwortlich unter Beachtung der aufsichtsrechtlichen Vorgaben festzulegen. Der Nachweis, dass die mit den Kryptowerten verbundenen Risiken (unter anderem Preisvolatilität, Zugriffsverlust, Liquiditätsrisiken) hinreichend identifiziert, bewertet, überwacht, gesteuert und kontrolliert werden können, dürfte die Versicherer jedoch vor erhebliche Herausforderungen stellen.
Aufgrund der Anlagefreiheit dürfen Solvency II-Unternehmen zwar grundsätzlich Anlagen erwerben, die nicht jedes qualitative Merkmal erfüllen (sofern die Sicherheit, Qualität, Liquidität und Rentabilität des Portfolios als Ganzes sichergestellt ist). Dies bedeutet aber nicht, dass diese Anlagen zwangsläufig auch im Sicherungsvermögen geführt werden. Im Hinblick auf das Sicherungsvermögen von Solvency II-Unternehmen wird in § 125 Abs. 1 VAG geregelt, welche Vermögensgegenstände dem Sicherungsvermögen vorrangig zuzuführen sind. Nur wenn die entsprechenden Anlagen nicht ausreichen, um den Mindestbetrag des Sicherungsvermögens zu bedecken, können auch andere Anlagen dem Sicherungsvermögen zugeführt werden. Diese Regelung dient dazu, eine angemessene Qualität der Anlagen im Sicherungsvermögen im weiteren Sinne sicherzustellen. Kryptowerte sind in § 125 Abs. 1 VAG nicht genannt.
Hinsichtlich des Anlagegrundsatz der Rentabilität ist hierzu grundsätzlich auf die langjährige Verwaltungspraxis gemäß Rundschreiben 11/2017 der BaFin zu verweisen.
2. Für alle Versicherungsunternehmen, die nicht unter die Vorgaben von Solvency II fallen (Solvency I VU), gelten als Maßstab bei der Kapitalanlage für das Sicherungsvermögen § 215 Abs. 2 VAG und die Anlageverordnung (AnlV). Kryptowerte sind nicht in § 215 Abs. 2 VAG enthalten und auch nicht im Anlagekatalog der Anlageverordnung aufgeführt. Die Kryptowerte sind nach dem jetzigen geltenden Aussichtsrecht für Solvency I VU nicht als Kapitalanlage für das Sicherungsvermögen zulässig.
Aus Sicht der BaFin sind Anlagen in Kryptowerte mit erheblichen Risiken verbunden und oft spekulativ, so dass der Anlagegrundsatz der Sicherheit gefährdet wird. Immer wieder fällt auf, wie sehr Kryptowerte von extremen Kurssprüngen und Volatilitäten betroffen sind. Vor diesem Hintergrund haben die Europäischen Finanzaufsichtsbehörden (ESAs) am 17. März 2022 vor den Risiken von Kryptowerten für Verbraucherinnen und Verbraucher gewarnt. Auch die BaFin hat mehrere Warnungen im Zusammenhang mit Kryptowerten veröffentlicht, zuletzt am 22. August 2022.