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Thema Makroaufsicht Ein Jahr MiFID II und MiFIR

Beitrag aus dem Jahresbericht 2018 der BaFin

Die nationalen Aufsichtsbehörden in der Europäischen Union (EU) und die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA (European Securities and Markets Authority) haben große Fortschritte bei der Umsetzung der Markttransparenz an den Sekundärmärkten erzielt, seit die zweite Finanzmarktrichtlinie (Markets in Financial Instruments DirectiveMiFID II)1 und die Finanzmarktverordnung (Markets in Financial Instruments Regulation – MiFIR)2 am 3. Januar 2018 in Kraft getreten sind.3 Daran wirkten auch die Handelsplätze mit.

Die strengere Regulierung der Handelssysteme und die höhere Transparenz des Handels sind zwei wesentliche Antworten des europäischen Gesetzgebers auf die Entwicklungen, die auf die erste Finanzmarktrichtlinie aus dem Jahr 2004 folgten. Die vielfältigen Handelsmöglichkeiten beschränken sich nicht mehr auf geregelte Märkte und multilaterale Handelssysteme. Der zuvor außerbörsliche Handel findet mittlerweile auch über organisierte Handelssysteme und Eigenhändler statt. Diese handeln mit ihren Kunden in erheblichem Maße außerbörslich und werden damit zu systematischen Internalisierern (SI).

Vor- und Nachhandelstransparenzanforderungen gelten für alle bestehenden und neuen Handelsplätze. Grundsätzlich müssen Handelsplätze im Vorhandel Geld- und Briefkurse sowie die Tiefe der Handelspositionen veröffentlichen. Von dieser Pflicht gestatteten die europäischen Aufsichtsbehörden Ausnahmen (Waiver), etwa für großvolumige Aufträge im Vergleich zum marktüblichen Geschäftsumfang (Large in Scale – LIS), und wenn das Handelssystem den Preis des Finanzinstruments durch Referenzierung auf einen anderen Markt ermittelt. Im letztgenannten Fall darf der Handel in dem Finanzinstrument am konkreten Handelsplatz unter dieser Ausnahme allerdings weder vier Prozent des Handels auf allen europäischen Handelsplätzen überschreiten noch darf der Handel unter Waivern in der EU über acht Prozent des Handelsvolumens liegen (Double Volume Cap Mechanism). So wurden zuletzt in der EU Waiver für 342 Finanzinstrumente ausgesetzt.4

Gute Datenlage

Die erforderlichen Berechnungen sind nur mit einer guten Datengrundlage möglich. Die Referenzdatenbank für Finanzinstrumente (Financial Instruments Reference Data System – FIRDS) enthält alle wesentlichen Angaben zu Finanzinstrumenten, die an EU-Handelsplätzen gehandelt werden. Die Datengrundlage verbessern die Aufsichtsbehörden laufend, etwa im Hinblick auf den Legal Entity Identifier (LEI). Auf FIRDS bauen weitere Datenbanken auf, die für die Berechnung des Double Volume Cap Mechanism und des Liquiditätsstatus von Finanzinstrumenten als Grundlage für die Bestimmung der SI-Quotierungspflichten erforderlich sind. Auch die Datenvollständigkeitsindikatoren, welche ESMA zu den beitragenden Handelsplätzen veröffentlicht hat, zeigen den Fortschritt in der Datenqualität.

Eine umfassende Beurteilung der Regulierung und ihrer Auswirkung ist noch nicht möglich. Das liegt daran, dass ein Bereitsteller konsolidierter Datenträger (Consolidated Tape Provider – CTP) bislang noch nicht existiert, was die Übersicht über die Daten erschwert. Auch die erstmalige SI-Schwellenwertberechnung erfolgte erst vor wenigen Monaten; sie umfasste zudem nur einen Teil der relevanten Anlageklassen.

Aufsichtsmaßnahmen ergriffen

Kurzfristig notwendige Korrekturen nahmen ESMA und die nationalen Aufsichtsbehörden bereits unmittelbar nach dem 3. Januar 2018 vor. Dazu gehörte es, gravierende Nachteile des EU-Tickgrößen-Regimes für EU-Handelsplätze zu beseitigen, die bei Drittstaatfinanzinstrumenten und SIs auftraten. Die Tickgröße ist die kleinstmögliche Preisänderung, die bei der Abgabe von Orders und Quotes beim Handel mit Aktien, aktienvertretenden Zertifikaten und börsengehandelten Fonds (ETFs) zu beachten ist. Die Tickgröße hängt vom Auftragspreis und – außer bei ETFs – von der Liquidität ab. Mit Einführung der MiFID II/MiFIR kam es zu erheblichen Liquiditätsabflüssen von den EU-Handelsplätzen hin zu Drittstaaten-Handelsplätzen und SIs.

Um die SI-Problematik zu bewältigen, kommunizierte die BaFin mit den Börsen, Verbänden und Finanzdienstleistern. Die Erkenntnisse brachte die BaFin bei ESMA ein. Das Ergebnis ist ein Vorschlag zur Anpassung der betroffenen Delegierten Verordnung5. Die Europäische Kommission hat den Vorschlag angenommen, aber das Gesetzgebungsverfahren ist noch nicht beendet. Die Änderung bewirkt, dass SIs mit Handelsplätzen nahezu vollständig gleichgestellt sind.

Die Nachteile beim Handel mit Drittstaatfinanzinstrumenten wurden durch Einzelmaßnahmen der deutschen Börsenaufsichtsbehörden – durch die BaFin EU-weit und mit ESMA abgestimmt – und durch Anpassung der betroffenen Delegierten Verordnung6 abgestellt. Deren Neufassung ist allerdings noch nicht in Kraft getreten. Künftig kann die für ein Drittstaatfinanzinstrument zuständige Börsenaufsichtsbehörde die Liquidität am Heimatmarkt des betroffenen Drittstaatfinanzinstruments in die Kalkulation des Liquiditätsbandes einbeziehen, das für die Tickgröße maßgeblich ist.

Probleme erkannt und angegangen

Die BaFin greift laufend Beschwerden7 aus dem Markt auf, die bei ihr eingehen, analysiert diese und stimmt sich nötigenfalls mit ESMA und anderen Aufsichtsbehörden in der EU ab. Aktuell prüft die BaFin zusammen mit ESMA periodische Auktionsmodelle (Frequent Batch Auctions) und Marktdatenkosten. ESMA führt dazu Marktabfragen durch.

Bei den Beschwerden über stark gestiegene Marktdatenkosten, welche die Handelsplätze primär mit der Umsetzung der Vorgaben aus MiFID II begründen, ist noch fraglich, ob und welche Maßnahmen die Aufsichtsbehörden der Länder ergreifen können. Die Preismodelle verschiedener EU-Handelsplätze sind sehr heterogen, was dazu führt, dass diese nur eingeschränkt vergleichbar sind. Außerdem hat die Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe wie dem der „angemessenen kaufmännischen Bedingungen“, die sich die Marktteilnehmer wünschen, eine direkte Auswirkung auf die Preisfindung. Eventuelle Aufsichtsmaßnahmen sind also rechtlich und ökonomisch genau abzuwägen und EU-weit abzustimmen.

Auch neue periodische Auktionsmodelle (Frequent Batch Auctions) werden derzeit auf ihre Vereinbarkeit mit den MiFID-II-Transparenzanforderungen überprüft. ESMA startete zu diesem Thema eine Abfrage zur bestehenden Marktpraxis (Call for Evidence). Mit dieser Maßnahme will ESMA die verschiedenen im Markt bestehenden Systeme analysieren und eine belastbare Abgrenzung der marktüblichen von neuen, eventuell unzulässigen Modellen erarbeiten.

Fußnoten:

  1. 1U1 Markets in Financial Instruments Directive. Richtlinie 2014/65/EU, ABl. EU L 173/349.
  2. 2 Markets in Financial Instruments Regulation. Verordnung (EU) Nr. 600/2014, ABl. EU L 173/84.
  3. 3 Vgl. zu MiFID II auch Ein Jahr MiFIDII.
  4. 4 Die jeweiligen Listen werden von ESMA erstellt. Die national zuständigen Börsenaufsichtsbehörden prüfen daraufhin, ob ein einschlägiger Waiver erlassen wurde und ob Instrumente darunter fallen. Nach dem Auslaufen des sogenannten XETRA-BEST-Waivers Ende 2018 ist Deutschland nicht mehr betroffen.
  5. 5 Delegierte Verordnung (EU) 2017/587, ABl. EU L 87/387.
  6. 6 Delegierte Verordnung (EU) 2017/588, ABl. EU L 87/411.
  7. 7 Vgl. Verbraucherbeschwerden und Anfragen.

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