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Thema Solvabilität Regulierung in der Europäischen Union

Beitrag aus dem Jahresbericht 2018 der BaFin

Solvency II

Solvency-II-Review

Überprüfung der Standardformel

Die Europäische Kommission hat im Rahmen des laufenden Solvency-II-Review eine Überarbeitung der Delegierten Verordnung vorgelegt. Diese enthält Durchführungsbestimmungen zu Solvency II. Grundlage der Überarbeitung waren technische Empfehlungen der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersvorsorge EIOPA (European Insurance and Occupational Pensions Authority). Diesen folgte die Europäische Kommission überwiegend.

Die Empfehlungen von EIOPA zum Zinsänderungsrisiko übernahm die Europäische Kommission allerdings nicht. Stattdessen verschob sie die Überprüfung des Zinsänderungsrisikos auf den Gesamtüberprüfungsprozess im Jahr 2020, den 2020-Review. Die BaFin hingegen hält es weiterhin für dringend geboten, das Zinsänderungsrisiko anzupassen, und unterstützt daher den Vorschlag von EIOPA.

Die geänderte Fassung der Delegierten Verordnung sieht vor, verschiedene Risikofaktoren zu rekalibrieren, insbesondere bei der Ermittlung des versicherungstechnischen Risikos Nicht-Leben. Außerdem enthält sie Vereinfachungen für einzelne Risikomodule wie das Gegenparteiausfallrisiko. Die BaFin begrüßt diese Vereinfachungen. Weiterhin können zukünftig für die Anlageklassen „risikoärmere nicht geratete Anleihen/Darlehen“ sowie „risikoärmere nicht gelistete Aktien“ unter bestimmten Voraussetzungen geringere Risikofaktoren angesetzt werden. Schließlich wurden in der Delegierten Verordnung Leitprinzipien für die Berechnung der verlustmindernden Wirkung der latenten Steuern ergänzt. Die Europäische Kommission wird die geänderte Delegierte Verordnung voraussichtlich im ersten Quartal 2019 dem Rat und dem Europäischen Parlament vorlegen. Diese haben dann ein dreimonatiges Widerspruchsrecht.

2020-Review

In einem weiteren Review, dem 2020-Review, überprüft die Europäische Kommission ausgewählte Vorgaben der Solvency-II-Rahmenrichtlinie. Änderungsempfehlungen müssen im Jahr 2020 dem Rat sowie dem Europäischen Parlament vorgelegt werden. Die Europäische Kommission übermittelte EIOPA dazu bereits im April 2018 eine erste Informationsanfrage; im Februar 2019 wurde zudem ein umfangreicher Call for Advice an EIOPA gerichtet.

Die Überprüfung der Maßnahmen für langfristige Garantien, der Long-term-guarantee-Maßnahmen (LTG-Maßnahmen), spielt im Rahmen des Review eine zentrale Rolle. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der Reduktion künstlicher Volatilität.

Neben den LTG-Maßnahmen sollen im 2020-Review Teile der Standardformel, Risikominderungstechniken und die Mindestkapitalanforderung (Minimum Capital Requirement – MCR) überprüft werden. Auch bei Themen wie makroprudenziellen Instrumenten, Restrukturierungs- und Abwicklungsplänen, Gruppenaufsicht, Eigenmitteln, Berichtswesen und Proportionalität erbittet die Kommission von EIOPA Antworten auf gezielte Fragen. Die BaFin arbeitet in allen relevanten Arbeitsgruppen aktiv mit und setzt sich unter anderem für eine umfassende Weiterentwicklung des Proportionalitätsgedankens ein – insbesondere auch bei den qualitativen und quantitativen Berichtspflichten. Außerdem strebt die BaFin eine Weiterentwicklung des Regelwerks mit dem Ziel an, Produkte mit langfristigen Garantien risikogerechter abzubilden. EIOPA muss die Antwort auf den Call for Advice bis zum 30. Juni 2020 an die Kommission übermitteln.

Aufgrund der Themenbreite des bereits in der Omnibus-II-Richtlinie verankerten Review hat EIOPA unter intensiver BaFin-Mitwirkung bereits in den letzten Jahren wichtige Vorarbeiten geleistet. Zum Großteil werden diese im aktuellen Call for Advice aufgegriffen. Besonders erwähnenswert sind in diesem Zusammenhang die jährlichen Berichte zu den LTG-Maßnahmen1 und die EIOPA-Empfehlung zur Rekalibrierung des Zinsänderungsrisikos2.

Proportionalität

Nicht zuletzt durch die Umstellung auf einen prinzipienbasierten Aufsichtsansatz hat das Proportionalitätsprinzip eine zentrale Bedeutung erlangt (vgl. Infokasten „Jahreskonferenz der Versicherungsaufsicht“. Das Proportionalitätsprinzip sorgt dafür, dass die aufsichtsrechtlichen Vorgaben flexibel und im Einklang mit der Risikosituation des jeweiligen Versicherungsunternehmens umzusetzen sind. Es eröffnet weitere Gestaltungsspielräume, die sowohl die Versicherungsunternehmen als auch die Aufsicht ausfüllen müssen. Dies kann gerade in der Anfangszeit eines neuen Aufsichtsregimes zu unterschiedlichen Sichtweisen und damit auch zu Divergenzen in der Anwendung führen. Aufsicht und Unternehmen müssen daher einen umfassenden Dialog miteinander pflegen.

Gerade für kleinere und mittlere Versicherungsunternehmen stellt Solvency II eine Herausforderung dar. Um die Belastungen auf ein angemessenes, risikogerechtes Maß zu reduzieren, ist es für diese Versicherer besonders wichtig, das Proportionalitätsprinzip als Korrektiv optimal anzuwenden.

Jahreskonferenz der Versicherungsaufsicht


Am 13. November 2018 fand die achte Jahreskonferenz der Versicherungsaufsicht in Bonn statt. In seiner Eröffnungsrede vor rund 450 Vertretern von Versicherungsunternehmen und Branchenverbänden bekräftigte Exekutivdirektor Dr. Frank Grund, dass sich die BaFin an dem bevorstehenden Solvency-II-Review aktiv beteiligen wird. „Mir ist wichtig, dass Solvency II nicht zerredet wird. Das Aufsichtsregime hat sich im Grunde bewährt. Aber man kann es natürlich noch besser machen“, kommentierte Grund.

Nach einem Vortrag zur Zukunft der Altersversorgung von Prof. Dr. Bernd Raffelhüschen von der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg wurden in drei Panel-Diskussionen die Themen Proportionalität, Digitalisierung und Nachhaltigkeit von Kapitalanlagen vertieft.

Ein Streitgespräch zwischen Grund und den Bundestagsabgeordneten Dr. Gerhard Schick, Bündnis 90/Die Grünen, und Frank Schäffler, FDP, rundete das Programm ab. Dabei ging es unter anderem um das Instrument des Provisionsdeckels. Zum Abschluss beantworteten die Gesprächsteilnehmer Fragen aus dem Publikum.

Proportionalitätsprinzip hat sich bewährt

Nach Einschätzung der Aufsicht hat sich das Proportionalitätsprinzip bisher bewährt. Dies heißt jedoch nicht, dass es seit Inkrafttreten des neuen Aufsichtsregimes immer und überall zur allgemeinen Zufriedenheit bestmöglich angewendet wurde und es keinen weiteren Optimierungsbedarf gibt. Im Gegenteil: Die Anwendung des Prinzips ist ein fortwährender Prozess, der im Dialog zwischen Aufsicht, Unternehmen und Branchenvertretern weiterzuentwickeln ist. Denn tatsächliche praktische Anwendungsprobleme konnten identifiziert werden, nachdem Solvency II scharfgeschaltet worden war.

Im Rahmen des Solvency-II-Review 2020 wird die BaFin Probleme adressieren, die sie bei der Anwendung des Proportionalitätsprinzips auf nationaler Ebene identifiziert hat. Sie wird sich auch dafür einsetzen, dass die Spielräume vergrößert werden, damit das Proportionalitätsprinzip zu sachgerechten Entlastungen insbesondere für risikoärmere Versicherungsunternehmen, einschließlich der Spezialversicherer, führt. Ziel der BaFin ist unter anderem, den Proportionalitätsgedanken im Berichtswesen insgesamt weiter zu stärken. Dies soll etwa durch eine Neukonzeption der narrativen Berichte oder eine reduzierte Anzahl von Berichtsformularen erfolgen.

Entscheidung über die Zusammenarbeit bei der Aufsicht über grenzüberschreitende Versicherungen

Am 10. Oktober 2018 nahm der Rat der Aufseher von EIOPA eine wichtige Erklärung zur internationalen Zusammenarbeit in der Versicherungsaufsicht an. Diese regelt die Kooperationspflichten der Mitgliedstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) bei der Aufsicht über grenzüberschreitende Vertriebstätigkeiten von Versicherungsunternehmen und Versicherungsvermittlern unter der Versicherungsvertriebsrichtlinie (Insurance Distribution DirectiveIDD) und den zugehörigen Delegierten Verordnungen.3 Neben der BaFin bekannte sich auch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) dazu, die in der Erklärung genannten Grundsätze für die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch einzuhalten. Die Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden in der Unternehmensaufsicht regelt darüber hinaus das „General Protocol“4.

Fußnoten:

  1. 1 Der unter aktiver Beteiligung der BaFin entstandene dritte LTG-Bericht wurde am 18. Dezember 2018 veröffentlicht und beschreibt, wie die Versicherer die Maßnahmen anwenden, wie sich die Maßnahmen auswirken und in welchem Umfang sie in den verschiedenen Märkten genutzt werden. ,
  2. 2 Vgl. Kapitel 7 ab Seite 125 des Berichts.
  3. 3 EIOPA, Decision of the Board of Supervisors on the cooperation of the competent authorities of the Member States of the European Economic Area with regard to Directive (EU) 2016/97 of the European Parliament and of the Council of 20 January 2016 on insurance distribution.
  4. 4 EIOPA, Decision on the collaboration of the insurance supervisory authorities.

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