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Entwicklungen auf europäischer Ebene

Beitrag aus dem Jahresbericht 2018 der BaFin

Reform der Eigenmittelverordnung und der Eigenmittelrichtlinie

Anfang Dezember 2018 haben sich die europäischen Finanzminister auf umfassende Reformen zur Stärkung des europäischen Bankensektors geeinigt. Die Europäische Kommission hatte Ende 2016 ein Paket von Reformvorschlägen zur Überarbeitung der Eigenmittelverordnung (Capital Requirements RegulationCRR) und der Eigenmittelrichtlinie (Capital Requirements Directive IV – CRD IV) vorgelegt. Der Trilog von Europäischer Kommission, Europäischem Rat und Europäischem Parlament startete im Juli 2018 und nahm ab September 2018 an Fahrt auf. Der Europäische Rat und das Europäische Parlament werden voraussichtlich in den ersten Monaten des Jahres 2019 über das Paket entscheiden. Die Änderungen der CRR werden dann größtenteils zwei Jahre nach Inkrafttreten unmittelbar gelten. Allerdings wird es Ausnahmen für einzelne Regelungen sowohl hinsichtlich einer früheren als auch späteren unmittelbaren Geltung geben. Die Frist, um die geänderte Richtlinie CRD in nationales Recht zu überführen, wird für den Großteil der Artikel voraussichtlich 18 Monate nach Inkrafttreten der geänderten Fassung betragen.

Intensive Trilogverhandlungen

Im Laufe der Trilogverhandlungen kristallisierte sich eine Reihe von Themen heraus, bei denen der Rat für Wirtschaft und Finanzen und das Europäische Parlament unterschiedliche Auffassungen vertraten. Hervorzuheben sind unter anderem die Kennzahlen für die Ermittlung einer langfristigen Refinanzierungsquote (Net Stable Funding RatioNSFR)1 und für die Verschuldung (Leverage Ratio) oder die Bemessung des Kreditrisikos. Auch zur Frage der Eigenmittel gab es diverse kontroverse Punkte. Diese betrafen insbesondere die dauerhafte Werthaltigkeit von aktivierter Software, ausschüttungsfähige Posten, die Berücksichtigung von Eigenmitteln, die mit einem Ergebnisabführungsvertrag verbunden sind, aber auch die Höhe der Mindestanforderung an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten (Minimum Requirement for Own Funds and Eligible LiabilitiesMREL). Darüber hinaus waren verschiedene weitere Themen strittig, etwa die Berücksichtigung zwischengeschalteter Mutterunternehmen und die Frage, inwieweit Infrastrukturprojekte oder Vermögenswerte, die umweltpolitische oder soziale Ziele verfolgen (Stichwort „Green Supporting“ oder alternativ „Brown Penalising Factor“), durch spezifische Kapitalanforderungen gefördert werden sollten.

Proportionalität

Eine wesentliche Frage bei der Überarbeitung von CRR und CRD IV lautete, wo und in welchem Umfang es im aufsichtsrechtlichen Regelwerk möglich ist, für mehr Proportionalität zu sorgen. Die Aufsichtsregeln sollten so flexibel werden, dass sie es erlauben, die Größe und Komplexität von Instituten bis zu einem gewissen Grad zu berücksichtigen. Sind beispielsweise die aufsichtsrechtlichen Vorgaben und Pflichten, die für die Beaufsichtigung einer internationalen Großbank angemessen sind, gleichermaßen dafür geeignet, ein kleines regionales Institut zu beaufsichtigen? Bei der Überarbeitung von CRR und CRD IV ging es also zum einen darum, Themenbereiche und einzelne Normen zu identifizieren, bei denen Erleichterungen abhängig von der Institutsgröße sinnvoll sind, und darum, wie diese dann auszugestalten wären. Zum anderen war zu definieren, für wen die neuen Erleichterungen gelten sollen, also ab wann eine Bank „klein“ oder „groß“ ist.

Erleichterungen für kleine Banken

In unterschiedlichen Bereichen von CRR und CRD IV war es möglich, Ansätze für eine verhältnismäßige Abstufung der Aufsichtsanforderungen zu entwickeln. Entsprechende Erleichterungen für kleine Banken finden sich vor allem in den Bereichen Offenlegung und Meldewesen sowie im Liquiditätsmanagement. So wird es gerade bei der Offenlegung ein ausdifferenziertes System dafür geben, welche Anforderungen speziell nur große Institute und welche Anforderungen auch kleine, nicht komplexe Institute erfüllen müssen. Aber auch in anderen Bereichen des Aufsichtsrechts sollen kleinen, nicht komplexen Instituten zum Teil deutliche Erleichterungen gewährt werden, etwa bei der Berechnung der NSFR und den Vergütungsregeln. Besonders erwähnenswert ist auch, dass die CRR für den Komplex der Proportionalität ein Mandat für die EBA vorsieht. Diese soll in einem Bericht Vorschläge unterbreiten, wie durch aufsichtsrechtliche Erleichterungen in den Bereichen Meldewesen und Offenlegung künftig Kostenminderungen für Institute von mindestens zehn Prozent, idealerweise jedoch von 20 Prozent, erzielt werden können.

Definition von „kleinen, nicht komplexen Instituten“

Darüber hinaus wird die CRR in Artikel 4 künftig die Begriffe „kleine, nicht komplexe Institute“ und „große Institute“ präzisieren. Die neue Definition von kleinen, nicht komplexen Instituten sieht einen absoluten Schwellenwert vor, wonach die Bilanzsumme im Durchschnitt fünf Milliarden Euro über die vergangenen vier Jahre nicht überschreiten darf. Diesen Schwellenwert können die betroffenen EU-Mitgliedstaaten bei Bedarf bis auf eine Bilanzsumme von 200 Millionen Euro absenken. Dadurch können kleinere Mitgliedstaaten den Schwellenwert an die Gegebenheiten ihres Bankenmarktes anpassen. So soll vermieden werden, dass ein zu großer Teil des nationalen Bankenmarktes nur vereinfachten Regeln unterliegt, weil dies ansonsten die nationale Finanzstabilität gefährden könnte.
Neben diesem zentralen Schwellenwert setzt die Definition von kleinen und nicht komplexen Instituten zudem mehrere qualitative Kriterien voraus: So muss das Institut von den Anforderungen an die Sanierungs- und Abwicklungsplanung2 befreit sein oder die Möglichkeit haben, erleichterte Anforderungen zu erfüllen. Außerdem muss das Handelsbuchvolumen des Instituts als „klein“ im Sinne der CRR einzuordnen sein. Die Derivatepositionen, die das Institut hält, dürfen bestimmte Schwellenwerte im Verhältnis zur Gesamtbilanz des Instituts nicht überschreiten. Die Aktiva und Passiva des Instituts müssen sich größtenteils auf Aktivitäten innerhalb des europäischen Binnenmarktes beschränken. Darüber hinaus darf es keine internen Modelle verwenden, um die aufsichtsrechtlichen Anforderungen zu erfüllen.
Außerdem wird die zuständige Aufsichtsbehörde es ablehnen können, einzelne Institute aufgrund bestimmter Kriterien als „klein“ und „nicht komplex“ einzuordnen. Zu Ablehnungen wird es vor allem dann kommen, wenn eine Bank aufgrund ihres speziellen Risikoprofils, ihres Geschäftsmodells oder ihrer Vernetzung innerhalb des Finanzmarktes bei objektiver Betrachtung nicht als „klein“ oder „wenig komplex“ einzuordnen ist, obwohl das Institut die Voraussetzungen eigentlich erfüllt. Umgekehrt können sich auch die von der Definition erfassten Institute freiwillig gegen eine entsprechende Einordnung als „klein“ und „nicht komplex“ entscheiden – sie unterliegen dann weiterhin vollständig den Anforderungen von CRR und CRD IV.

Definition von „großen Instituten“

Als „großes Institut“ im Sinne der CRR gilt ein Institut demgegenüber künftig dann, wenn es:

  • als global systemrelevantes Institut (Global Systemically Important Institution – G-SII) oder
  • als anderes systemrelevantes Institut (Other Systemically Important Institution – O-SII) im Sinne der CRD IV einzustufen ist;
  • wenn es in seinem Sitzland zu einem der drei größten Institute – gemessen an der Bilanzsumme – gehört oder
  • seine Bilanzsumme auf Einzelbasis oder bei konsolidierter Betrachtung bei 30 Milliarden Euro oder darüber liegt.

Mit den Definitionen „kleiner“, „nicht komplexer“ sowie „großer Institute“ existiert nunmehr ein grundsätzlicher Rahmen, der künftig entsprechend dem Prinzip der Proportionalität Erleichterungen bzw. Ausdifferenzierungen bei aufsichtsrechtlichen Regeln erlaubt. Dieser Rahmen geht über die konkreten Einzelmaßnahmen in der geltenden Fassung von CRR und CRD IV hinaus.

EU-Harmonisierung von Covered Bonds

Das Rechtsetzungsvorhaben der Europäischen Union (EU) zur Harmonisierung der nationalen Regeln für gedeckte Schuldverschreibungen (Covered Bonds) ist im Jahr 2018 deutlich vorangeschritten. Es umfasst den erstmaligen Erlass einer Richtlinie, die Mindestvorgaben für die strukturelle Gestaltung gedeckter Schuldverschreibungen aufstellt – „Covered Bond Directive (CBD) – sowie Änderungen der Risikogewichtsprivilegierung nach Artikel 129 der CRR. Um diese Regelungen noch in der – bis zu den EU-Parlamentswahlen im Mai 2019 – laufenden Legislaturperiode verabschieden zu können, haben Rat der Europäischen Union, Europäisches Parlament und EU-Kommission ihren Trilog im ersten Quartal 2019 abgeschlossen.

Mindeststandard für Covered Bonds

Die CBD-Richtlinie wird lediglich zentrale Prinzipien für die nationalen Covered-Bond-Bestimmungen regeln und dadurch einen Mindeststandard setzen. Daher ist davon auszugehen, dass der europäische Vorschlag weitgehend dem hohen Qualitätsanspruch des deutschen Pfandbriefrechts entspricht. Aus deutscher Sicht dürfte der Harmonisierungseffekt daher zunächst überschaubar bleiben, da die Prinzipien stark auf nationale Besonderheiten etablierter Regime Rücksicht nehmen. Davon profitiert auch der deutsche Pfandbrief. Insgesamt schafft das Regelwerk somit vornehmlich eine europarechtliche Rechtfertigung für die Privilegien und Sonderregelungen, die für gedeckte Schuldverschreibungen, einschließlich des deutschen Pfandbriefs, nach der EU-Finanzmarktregulierung bereits gelten.

Der größte Diskussionsbedarf im Trilog hat bei den Regelungen zu den deckungsgeeigneten Werten und bei dem für eine Risikogewichtungsprivilegierung nach CRR zulässigen Ausmaß von Forderungen an Kreditinstitute der Bonitätsstufe 3 bestanden. Da erstmals EU-rechtliche Rahmenbedingungen gedeckter Schuldverschreibungen erlassen werden, ist mit einer vergleichsweise längeren Umsetzungsfrist zu rechnen. Auch wenn lediglich eine Mindestharmonisierung angestrebt wird, welche die nationalen Besonderheiten berücksichtigt, wird das deutsche Recht gedeckter Schuldverschreibungen – einschließlich des Pfandbriefrechts – angepasst werden müssen.

EBA-Leitlinien zu Auslagerungen

Die EBA hat die aus dem Jahr 2006 stammenden Leitlinien des Ausschusses der Europäischen Bankenaufsichtsbehörden CEBS (Committee of European Banking Supervisors) unter Mitwirkung der BaFin überarbeitet und die Neufassung im Februar 2019 veröffentlicht.3 Die Überarbeitung war insbesondere wegen der fortschreitenden Digitalisierung und neuen Geschäftsmodelle im Fintech-Bereich, die in hohem Maß auf Auslagerungen zurückgreifen, notwendig geworden. Außerdem wurde auch bei klassischen Kreditinstituten beobachtet, dass diese zunehmend Funktionen oder Aktivitäten auslagern, um Kosten zu sparen oder ihre Effizienz zu steigern. Die bereits Ende 2017 verabschiedeten EBA-Empfehlungen zu Auslagerungen an Cloud-Dienstleister4 wurden in die neuen Leitlinien integriert und werden ab Inkrafttreten der Leitlinien (durch die jeweilige nationale Implementierung) ihre Gültigkeit verlieren. Das gleiche gilt für die alten CEBS-Leitlinien.
Gestärkt werden sollen durch die neuen Leitlinien die Befugnisse und Kompetenzen der internen Revision der Kreditinstitute in Bezug auf den Dienstleister und analog dazu die Kompetenzen der Aufsicht: Beide erhalten für ihre Zwecke uneingeschränkte Zutritts- und Prüfungsrechte beim Dienstleister. Außerdem muss jedes Institut ein Auslagerungsregister führen, mit dessen Hilfe das Institut Konzentrationsrisiken erkennen kann. Dieses Register muss auf Verlangen auch der Aufsicht zur Verfügung gestellt werden, die damit über die Ermittlung von Konzentrationsrisiken auf Einzelinstitutsebene hinaus noch Konzentrationsrisiken im Finanzsektor insgesamt ermitteln kann.

Fußnoten:

  1. 1 Vgl. Jahresbericht 2017, Seite 67.
  2. 2 RL (EU) 2014/59, ABl. EU 173/190.
  3. 3 EBA/GL/2019/02.
  4. 4 Vgl. Kapitel Merkblatt zu Auslagerungen an Cloud-Anbieter.

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