Thema Verbraucherschutz Ein Jahr MiFID II
Beitrag aus dem Jahresbericht 2018 der BaFin
Positives Gesamtfazit
Die Finanzmarktrichtlinie (Markets in Financial Instruments Directive – MiFID II)1 brachte in der Verhaltensregulierung erhebliche Veränderungen für das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) mit sich.2 Gerade im Geschäft der Wertpapierdienstleistungsunternehmen mit Privatkunden waren umfangreiche Umstellungen erforderlich.
Die Institute haben daher mit den Vorbereitungen auf die MiFID II schon weit vor deren Inkrafttreten begonnen. Mit Blick auf den Umfang des Umsetzungsvorhabens und darauf, dass MiFID II nicht das einzige große Regulierungspaket war, das Anfang Januar 2018 umgesetzt werden musste, zieht die BaFin denn auch in ihren Marktuntersuchungen zur MiFID II für das erste Jahr unter dem neuen Regime ein insgesamt positives Fazit.
Dennoch stellten sich – wenig überraschend – am 3. Januar 2018 vereinzelt Schwierigkeiten bei der Umsetzung ein. In bestimmten Bereichen bestand auch ein Jahr nach Inkrafttreten der neuen Regelungen weiterer Umsetzungsbedarf. Allerdings ist auch das angesichts des Umfangs der neuen Regulierung nicht überraschend.
Eine besondere Herausforderung besteht darin, europaweit einheitliche und praktikable Lösungen zu entwickeln. Dies ist allein durch kontinuierliche und vertrauensvolle Zusammenarbeit auf europäischer Ebene erreichbar. Die BaFin befindet sich daher in engem Austausch mit den anderen nationalen Aufsichtsbehörden und der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA.
Marktuntersuchungen zur MiFID II
Marktuntersuchungen zu den Wohlverhaltensregeln der MiFID II
Schon unmittelbar nach Inkrafttreten der MiFID II nahm die BaFin eine erste Marktuntersuchung bei Kreditinstituten zu verschiedenen neuen Wohlverhaltensregeln in Angriff. Ziel war es, sich frühzeitig einen Überblick über den Stand der Umsetzung zu verschaffen. Im zweiten Halbjahr 2018 weitete die BaFin die Untersuchung im Rahmen einer zweiten Marktuntersuchung auf Finanzdienstleistungsinstitute aus, um so einen marktweiten Überblick zu erhalten.
Beide Marktuntersuchungen konzentrierten sich auf die Aufzeichnungspflichten (Taping), die Geeignetheitserklärung und Ex-ante-Kosteninformationen und damit auf neue Wohlverhaltensregeln, die für Verbraucher besonders relevant sind. An den Marktuntersuchungen beteiligten sich freiwillig insgesamt 20 Privat- und Auslandsbanken, jeweils zehn Sparkassen und Genossenschaftsbanken aus den jeweiligen Regionalverbänden sowie 25 Finanzdienstleistungsinstitute und fünf Wertpapierhandelsbanken.
Die beteiligten Institute haben beachtliche finanzielle und personelle Ressourcen eingesetzt und einen erheblichen Aufwand betrieben, um die neuen Vorgaben der MiFID II umzusetzen. Dies lässt sich für den gesamten Markt feststellen, und zwar unabhängig von der Größe und den Geschäftsmodellen der einzelnen Institute.
Im Rahmen der ersten Marktuntersuchung bei Banken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken kam die BaFin zu den nachfolgend dargestellten Resultaten. Diese wurden dem Grunde nach durch die zweite Untersuchung bestätigt.
Aufzeichnungspflichten
Seit Beginn des Jahres 2018 müssen die Institute Telefongespräche und sonstige elektronische Kommunikation aufzeichnen, bei denen es um Kundenaufträge geht (Taping). Schon die erste Marktuntersuchung zeigte, dass sie dieser Pflicht nachkommen und die technische Umsetzung weitgehend geglückt ist.
Dennoch wurden bei 20,3 Prozent der Telefonaufzeichnungen Gesprächsteile nicht aufgezeichnet, die hätten aufgezeichnet werden müssen. Vereinzelt fiel auch auf, dass lediglich nachträgliche Zusammenfassungen der Gespräche aufgezeichnet wurden, was nicht ausreicht.
Die Kunden hatten bisweilen mit Unbehagen auf die Aufzeichnung von Telefonaten reagiert. Die Zahl der Widersprüche gegen diese Praxis stellte sich bei der Abfrage allerdings mit 0,12 Prozent als sehr gering heraus.
Geeignetheitserklärung
Wertpapierdienstleistungsunternehmen müssen nach einer Anlageberatung schriftlich erklären, inwiefern ihre Empfehlung zum Kunden passt – insbesondere was dessen Anlageziele, die Anlagedauer, dessen Risikobereitschaft und Verlusttragfähigkeit sowie dessen Kenntnisse und Erfahrungen angeht.
Im Rahmen der Auswertung durch die BaFin verblieben in nur wenigen Fällen, nämlich 3,6 Prozent, Zweifel daran, ob die Empfehlung für den Kunden geeignet war. Jedoch dokumentierten die Unternehmen in den Geeignetheitserklärungen selten den vollständigen Abgleich zwischen den Angaben des Kunden und den Eigenschaften des empfohlenen Finanzinstruments. Die Fehlerquote lag bei 89,6 Prozent. Häufig fand sich lediglich eine formelhafte Behauptung, das Produkt sei geeignet, was den Anforderungen nicht gerecht wurde.
Hervorzuheben ist, dass die meisten Institute Freitextfelder in die Geeignetheitserklärung eingefügt hatten, um den Inhalt des Beratungsgesprächs zu erfassen. Dies ermöglicht eine individuelle Begründung, was aus Sicht des Verbraucherschutzes positiv ist.
Ex-ante-Kosteninformationen
Die Regelungen zur Ex-ante-Kosteninformation sehen vor, dass den Kunden die Kosten von Wertpapieren und Wertpapierdienstleistungen rechtzeitig offengelegt werden müssen. Die Kunden sollen die unterschiedlichen Produkte und Dienstleistungen so besser vergleichen und auf dieser Grundlage eine fundierte Entscheidung treffen können. Bereits die erste Marktuntersuchung zeigte, dass sich zu Aufbau, Struktur und Berechnungsmethoden bisher noch keine einheitlichen Marktstandards etabliert haben. Es ist also für Kunden nach wie vor schwierig, Kosten zu vergleichen.
Positiv fiel jedoch auf, dass sich die von den Instituten verwendeten Kosteninformationen überwiegend auf das konkrete Wertpapier bezogen, das Gegenstand der jeweiligen Transaktion war. Die meisten Institute hatten die Kosteninformationen auch auf Grundlage tatsächlich investierter Anlagebeträge erstellt, obwohl eine Berechnung anhand angenommener Anlagebeträge ebenfalls zulässig ist.
Einige wenige Institute hatten ausschließlich generische Kostenausweise verwendet, welche die Kosten nur auf Basis ganzer Vermögensklassen angeben und nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Solche generischen Kostenausweise weisen zudem eine überproportional hohe Fehlerquote auf.
Die stichprobenhafte Auswertung der Kostenausweise zeigte auch Schwachstellen, was deren Vollständigkeit und rechnerische Richtigkeit anging: Über die gesamte eingeholte Stichprobe verteilt zeigte sich, dass in einigen Fällen gesetzlich vorgeschriebene Kostenkomponenten fehlten. Außerdem war in 13 Prozent der Stichproben festzustellen, dass die Beträge in der Kosteninformation und in der Wertpapierabrechnung deutlich voneinander abwichen.
Marktuntersuchung zur Product Governance nach MiFID II
Eine dritte Marktuntersuchung, die ebenfalls im zweiten Halbjahr 2018 stattfand, widmete sich neuen Product-Governance-Vorgaben nach MiFID II. Sie befragte 55 Institute nach dem Stand der Umsetzung; darunter waren 25 Finanzdienstleistungsinstitute, fünf Wertpapierhandelsbanken sowie 25 Banken und Sparkassen. Dabei untersuchte die BaFin Prozesse der Institute in deren Rolle als Konzepteure und als Vertriebsunternehmen – und zwar anhand von insgesamt 187 Geschäftsvorfällen.
Umsetzung im Wesentlichen erfolgreich
Diese dritte Marktuntersuchung ergab, dass die Product-Governance-Vorgaben im Wesentlichen erfolgreich umgesetzt wurden. Die überwiegende Zahl der Institute orientiert sich bei ihrer Umsetzung zum einen an den ESMA-Leitlinien zu den Produktüberwachungsanforderungen der MiFID II bzw. den Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion und weitere Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten (MaComp) (BT 5)3.
Zum anderen konnten sich die Institute auf den gemeinsamen Mindeststandard der Deutschen Kreditwirtschaft, des Bundesverbands Investment und Asset Management (BVI) und des Deutschen Derivate Verbands (DDV) zur Zielmarktbestimmung für Wertpapiere stützen. Dieser Standard vereinfacht nicht nur den Prozess der Zielmarktbestimmung durch Konzepteure, sondern auch die Konkretisierung des Zielmarktes bzw. den Zielmarktabgleich durch die Vertriebsunternehmen. Das einheitliche Format erlaubt eine reibungslose Kommunikation zwischen Konzepteuren und Vertriebsunternehmen. Darüber hinaus wird es so möglich, die Zielmarktinformationen in den Bestand des von zahlreichen Häusern genutzten WM Datenservice zu integrieren.
Ausführungen zu bestimmten Zielmarktkategorien verbesserungswürdig
Die Untersuchung ergab, dass Erstellung, Konkretisierung und Abgleich der Zielmärkte dank der Standardisierung gut funktionieren. Vereinzelt erscheinen die Ausführungen zu bestimmten Zielmarktkategorien verbesserungswürdig: So ergaben viele Stichproben über alle Klassen von Finanzinstrumenten hinweg, dass die Anlageziele des Kunden mit „Vermögensbildung bzw. Optimierung“ angegeben worden waren. Bei einigen dieser Produkte hätte sich die BaFin eine stärkere Differenzierung gewünscht. Die Aufsicht geht jedoch davon aus, dass die Bestimmung des Zielmarktes in der kommenden Zeit zunehmend an Kontur gewinnen wird. So ist beispielsweise absehbar, dass sich die Nachhaltigkeitsinitiative der Europäischen Kommission auf die einzelnen Kriterien des Zielmarktes auswirken dürfte, insbesondere auf die Anlageziele des Kunden.
Umgang mit dem negativen Zielmarkt
Die BaFin wird den weiteren Umgang mit dem negativen Zielmarkt und die Umsetzung des Proportionalitätsprinzips aufmerksam verfolgen: Nur die wenigsten Konzepteure und Vermögensverwalter für Anlagestrategien hatten für ihre Produkte einen negativen Zielmarkt festgelegt. Zudem war in wenigen Fällen nicht ersichtlich, dass Konzepteure und Vertriebsunternehmen bei besonders risikoreichen, komplexen oder illiquiden Produkten eine höhere Sorgfalt bei der Umsetzung der Product-Governance-Prozesse an den Tag gelegt hatten als bei den übrigen Produkten, obwohl dies gesetzlich gefordert ist.
Neue Prozesse sind eine Herausforderung für alle Institute
Die Marktuntersuchung zu den neuen Product-Governance-Vorgaben nach MiFID II zeigte, dass es kleineren Instituten zunehmend schwererfällt, komplexen und umfangreichen regulatorischen Vorgaben neben ihrem Tagesgeschäft Rechnung zu tragen. Die größeren Häuser hingegen sahen sich der Herausforderung ausgesetzt, die neuen Prozesse in das Gefüge der bereits bestehenden Abläufe einzufügen, wie etwa dem Neu-Produkt-Prozess nach den Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk), ohne dass die neuen Prozesse untergehen. Um dem entgegenzuwirken, wird sich die BaFin für entsprechende Handreichungen – wie die ESMA-Leitlinien zu den Produktüberwachungsanforderungen auf europäischer Ebene – einsetzen und nationale Hilfestellungen anbieten, wie etwa die MaComp.
Fußnoten:
- 1 ABl. EU L 173/349. Die MiFID II wurde umgesetzt durch das Zweite Finanzmarktnovellierungsgesetz vom 23.6.2017, BGBl. I Seite 1693.
- 2 Vgl. zu MiFID II auch Kapitel Ein Jahr MiFID II und MiFIR.
- 3 Rundschreiben 5/2018 (WA) – Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion und weitere Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten – MaComp.