BaFin - Navigation & Service

Thema Zulassung Brexit

Beitrag aus dem Jahresbericht 2018 der BaFin

Bis zum 31. März 20191 war noch nicht absehbar, zu welchem Zeitpunkt und zu welchen Bedingungen das Vereinigte Königreich die Europäische Union (EU) verlassen wird. Ursprünglich war vorgesehen, dass das Vereinigte Königreich die EU in der Nacht vom 29. März auf den 30. März 2019 verlässt. Nachdem das britische Unterhaus einen von Premierministerin Theresa May mit der EU ausgehandelten Vertrag am 29. März 2019 erneut abgelehnt hatte, standen ein Austritt des Vereinigten Königreichs ohne Abkommen am 12. April 2019 und eine lange Verschiebung des Brexits mit einer Teilnahme des Landes an der Europawahl Ende Mai als Alternativen im Raum.

Politik und Aufsicht stellte die bis zuletzt unklare Lage vor erhebliche Herausforderungen. Auch für ein No-deal-Szenario mussten Vorbereitungen getroffen werden. Ein ungeregelter Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU würde ein erhebliches Risikopotenzial bergen. Im Finanzsektor könnte er dazu führen, dass Unternehmen aus dem Vereinigten Königreich, die bislang das grenzüberschreitende Betreiben von Bankgeschäften, Finanzdienstleistungen oder Versicherungsgeschäften im Rahmen des Europäischen Passes an die BaFin notifiziert haben, dieses Marktzutrittsrecht verlieren würden.

Doch sind die grenzüberschreitenden Geschäfte, die sie zuvor auf der Basis des Europäischen Passes abgeschlossen haben, vertraglich vielfach so ausgestaltet, dass ihre Verpflichtungen und Wirkungen über diesen Stichtag zum Teil weit hinausreichen. Dies betrifft etwa bei Derivaten zahlreiche Verträge mit sehr großen Geschäftsvolumina. Zudem enthalten gerade langlaufende Verträge in der Regel keine besonderen Vorkehrungen für den Fall des Brexits.

Von immenser Bedeutung für Unternehmen, Aufsicht und Politik ist die Frage, wie sich im Falle eines Brexits der künftige gegenseitige Marktzugang im Verhältnis zwischen dem Vereinigten Königreich und den verbliebenen 27 Staaten der EU gestaltet. Mit knapp der Hälfte der Gesamtexporte ist die EU der größte Absatzmarkt des Vereinigten Königreichs; bei den Importen sieht es ähnlich aus. Im Finanzsektor ist die Lage noch komplexer. Denn London fungiert nicht nur als zentraler Knotenpunkt für Kapitalflüsse in Richtung EU, sondern ist auch ein zentraler Clearing-Standort, über den beispielsweise rund 90 Prozent aller Zinsswaps in Euro abgewickelt werden.2

Die BaFin setzte ihren aktiven Dialog mit interessierten Unternehmen auch im Jahr 2018 fort und veranstaltete wie schon im Vorjahr Brexit-Workshops. Insgesamt führte die BaFin bislang über 200 Gespräche, um den Unternehmen Klarheit, Unterstützung und vor allem einen verlässlichen Rahmen zu bieten. Dieser soll es ihnen ermöglichen, auch unter den neuen politischen Bedingungen Finanzdienstleistungen zu erbringen. Dabei muss natürlich sichergestellt sein, dass die Unternehmen nach denselben Standards beaufsichtigt und reguliert werden.

Zahlreiche Banken und Finanzdienstleistungsinstitute mit Sitz im Vereinigten Königreich beabsichtigen, ihren Standort unter anderem nach Deutschland zu verlagern – sie verlieren nämlich durch den Brexit den Europäischen Pass, mit dem sie in den Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) Geschäfte betreiben können. Ziel von Aufsicht und Bundesregierung ist es, diesen Instituten Hilfestellung bei ihren Vorhaben in Deutschland zu geben, rechtliche Sicherheit zu bieten und zugleich die Stabilität des deutschen Finanzplatzes zu wahren. Dabei sind Lösungen auf europäischer Ebene nicht nur erstrebenswert, sondern für Teilbereiche, wie zum Beispiel das Clearing, dringend erforderlich. Andernfalls droht Banken, die weiterhin im Vereinigten Königreich Clearing betreiben, ein massiver Anstieg der Kapitalanforderungen. Außerdem müssten Derivatepositionen reallokiert – also überarbeitet und gegebenenfalls neu zusammengesetzt – werden. Um dem vorzubeugen, hat die Europäische Kommission im Dezember einen Durchführungsbeschluss (Implementing Decision) erlassen, der im Falle eines No-Deal-Szenarios übergangsweise die EMIR3-Äquivalenz des Vereinigten Königreichs feststellt. Was konkret bedeutet, dass die britischen Vorgaben als gleichwertig mit den EU-Regelungen angesehen werden und zentrale Gegenparteien (Central CounterpartiesCCPs) – mit Genehmigung der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA (European Securities and Markets Authority) – für ein Jahr zeitlich begrenzt in gewohntem Umfang in der Europäischen Union aktiv werden können.

Der deutsche Gesetzgeber gibt der BaFin mit dem Brexit-Steuerbegleitgesetz schnell wirkende und rechtssichere Instrumente an die Hand. Damit sollen negative Folgen für die Funktionsfähigkeit oder die Stabilität der Finanzmärkte für den Fall eines ungeregelten Austritts abmildert oder vermieden werden, indem die BaFin britischen Unternehmen übergangsweise gestatten kann, die Regelungen zum Europäischen Pass für eine Zweigniederlassung oder im Wege des grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs in Deutschland entsprechend weiter zu nutzen.

Interne Modelle

Viele der Unternehmen beantragten bei der BaFin, ihre internen Modelle zur Ermittlung des Bedarfs an Eigenkapital auch in Deutschland einsetzen zu dürfen. Die BaFin bot dazu gemeinsam mit der Deutschen Bundesbank und im Einklang mit den Rahmenvorgaben der Europäischen Zentralbank (EZB) ein zweistufiges Genehmigungsverfahren an:

  • 1. Stufe: eine zeitlich befristete Tolerierung der internen Modelle, welche die Prudential Regulation Authority (PRA) unter Zugrundelegung europäischer Anforderungen genehmigt
  • 2. Stufe: eine reguläre Modellgenehmigung, die auf einer späteren intensiven Vor-Ort-Prüfung basiert

Im Jahr 2018 beantragten neun international tätige Institute die Nutzung ihrer internen Modelle für das Markt-, das Kontrahenten- und das Kreditrisiko. Die BaFin sprach für die meisten beantragten Modelle eine zeitlich befristete Tolerierung aus. Bei zwei Instituten begann sie zudem damit, die Kontrahentenrisikomodelle zu prüfen, was sie 2019 fortsetzt. Die Prüfungen werden die Entscheidungsgrundlage für reguläre Modellgenehmigungen bilden.

Fußnoten:

  1. 1 Redaktionsschluss 31. März 2019.
  2. 2 Vgl. Kapitel Kontrolle der Markttransparenz und Integrität/Aufsicht über Finanzmarktinfrastrukturen: Zentrale Gegenparteien und Zentralverwahrer/Brexit.
  3. 3 European Market Infrastructure Regulation.

Fanden Sie den Beitrag hilfreich?

Wir freuen uns über Ihr Feedback

Es hilft uns, die Webseite kontinuierlich zu verbessern und aktuell zu halten. Bei Fragen, für deren Beantwortung wir Sie kontaktieren sollen, nutzen Sie bitte unser Kontaktformular. Hinweise auf tatsächliche oder mögliche Verstöße gegen aufsichtsrechtliche Vorschriften richten Sie bitte an unsere Hinweisgeberstelle.

Wir freuen uns über Ihr Feedback