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Thema Makroaufsicht MiFID II und MiFIR

Beitrag aus dem Jahresbericht 2017 der BaFin

Mehr Transparenz und mehr Anlegerschutz

Zu den prägenden Themen des Jahres 2017 gehörte die Umsetzung der MiFID II, die zweite europäische Finanzmarktrichtlinie (Markets in Financial Instruments Directive).1 Deren Regelungen gelten seit dem 3. Januar 2018. Ziel der Novelle ist es, die Funktionsweise und Transparenz der Finanzmärkte zu verbessern und Verbraucher in der Europäischen Union (EU) besser zu schützen.2 Der deutsche Gesetzgeber hat die MiFID II mit dem Zweiten Finanzmarktnovellierungsgesetz umgesetzt.

Die MiFID II betraut die Wertpapieraufsicht mit einigen neuen Aufgaben, etwa der Zulassung und Überwachung von organisierten Handelssystemen (Organised Trading Facilities – OTF). Es handelt sich dabei um Handelsplattformen, die zuvor nicht reguliert waren. Des Weiteren werden auch Positionen in Warenderivaten transparenter. Diese müssen die Marktteilnehmer ab einer jeweils definierten Höhe nun offenlegen. Die Aufsichtsbehörden überwachen daneben zusätzlich Datenbereitstellungsdienste. Ziel ist es, dass Marktdaten – etwa zu abgeschlossenen Geschäften in Finanzinstrumenten – transparenter und kostengünstiger zur Verfügung gestellt werden.

Neben diesen marktbezogenen Neuerungen umfasst die MiFID II zahlreiche Vorgaben für einen verbesserten Anlegerschutz.

Anlegerschutz verbessert

Die MiFID II sorgt beispielsweise dafür, dass Kunden besser über die Kosten von Finanzdienstleistungen informiert werden. Wertpapierdienstleister müssen dem Kunden die Gesamtkosten und deren Auswirkungen auf die Rendite darstellen. Dabei müssen sie zwischen den Kosten für das Produkt und denen für die Dienstleistungen differenzieren.

Darüber hinaus fördert die MiFID II die unabhängige Anlageberatung. Die Richtlinie untersagt es Banken und anderen Finanzdienstleistern, die unabhängige Anlageberatungen erbringen, dafür Zuwendungen von Dritten anzunehmen. So steht es bereits im Honoraranlageberatungsgesetz, das Anfang August 2014 in Kraft getreten ist. Das Verbot der MiFID II umfasst auch Vergütungen, die der Emittent eines Finanzinstruments dem Unternehmen als Vertriebsprovision zahlt.

Zielmarkt bestimmen

Die MiFID II macht darüber hinaus EU-weit umfangreiche Vorgaben zum Produktfreigabeverfahren. Die Richtlinie umspannt die gesamte Wertschöpfungskette vom Produktgeber bis zum Kunden und regelt die damit einhergehenden Organisations- und Wohlverhaltenspflichten neu. Das Ziel: Finanzprodukte sollen so beschaffen sein, dass sie den Bedürfnissen der Kunden entsprechen. Emittenten müssen daher nun schon bei der Schaffung eines Produktes festlegen, für welchen Zielmarkt, also welche Kunden, das Produkt bestimmt ist. Dazu sollen die Emittenten bestimmte Kriterien heranziehen, etwa die Kundenkategorie (Privatkunde, professioneller Kunde), die Kenntnisse und Erfahrungen der Kunden, ihre Finanzsituation und Risikotragfähigkeit, ihre Risikotoleranz, Anlageziele und Bedürfnisse.

Vom Vertrieb fordert die MiFID II, dass er den vom Hersteller vorgegebenen Zielmarkt kritisch prüft, mit Blick auf seinen Kundenstamm konkretisiert und dies im Vertrieb praktisch umsetzt. Der Hintergrund ist der, dass ein Hersteller die oben genannten Kriterien oft nur sehr allgemein berücksichtigen kann. Ergänzt werden die Vorgaben um Produktüberwachungspflichten, auch im Nachgang zum Vertrieb.

Deutsche Produkthersteller und ihre Verbände haben die neuen Regeln zum Anlass genommen, einen Marktstandard zu schaffen, der eine einheitliche Basis für den Vertrieb in unterschiedlichen Geschäftsmodellen und Produktwelten des deutschen Finanzmarkts ermöglicht.

Aufzeichnungspflichten

Für Kunden werden die Neuerungen der MiFID II vor allem in der Anlageberatung spürbar. Das Beratungsprotokoll gehört der Vergangenheit an. Stattdessen gibt es die Geeignetheitserklärung, in der unter anderem dargestellt werden muss, wie die Beratung auf die Präferenzen, Ziele und sonstigen Merkmale des Kleinanlegers abgestimmt worden ist. Der Vertrag über das empfohlene Geschäft darf erst geschlossen werden, nachdem der Kunde die Geeignetheitserklärung erhalten hat, es sei denn, der Vertrag wurde im Wege der Fernkommunikation abgeschlossen. Dann gelten Ausnahmen.

Die Aufzeichnungspflichten der Wertpapierdienstleister gehen allerdings über die Geeignetheitserklärung hinaus. Erteilen Kunden ihrem Berater im Anschluss an die Beratung einen Auftrag, so müssen Zeitpunkt und Ort der Besprechung, die dort Anwesenden, der Initiator des Gesprächs und Angaben zum Auftrag selbst dokumentiert werden. Wertpapierdienstleister müssen nun auch die externe und interne elektronische Kommunikation und Telefongespräche aufzeichnen, die sich auf Kundenaufträge beziehen (Taping). Kunden müssen darüber vorab informiert werden und können der Aufzeichnung widersprechen. Dann darf das Unternehmen die Dienstleistung nicht auf diesem Weg erbringen. Die Aufzeichnungen sind für fünf Jahre aufzubewahren. Kunden können verlangen, dass ihnen die Aufzeichnungen oder Kopien zur Verfügung gestellt werden.

Mitarbeiterqualifikation

Die MiFID II erweitert und harmonisiert zudem die Anforderungen an die Qualifikation von Mitarbeitern. Neu sind Deutschland Vorgaben zu Kenntnissen und Erfahrungen sowie zur Zuverlässigkeit von Finanzportfolioverwaltern. Sie treffen – im Gegensatz zu Anlageberatern – eigenständig Anlageentscheidungen für Kunden und sind zur Verfügung über Kundengelder ermächtigt.

Unverändert bleiben hingegen die bestehenden Anzeigepflichten. In das Mitarbeiter- und Beschwerderegister werden künftig aber weiterhin nur Anlageberater, Vertriebsbeauftragte und Compliance-Beauftragte anzuzeigen sein.

MiFIR regelt Produktintervention

Flankiert wird die MiFID II durch die Finanzmarktverordnung MiFIR (Markets in Financial Instruments Regulation). Als europäische Verordnung ist die MiFIR unmittelbar anwendbar. Sie schafft nun europaweit die Möglichkeit, dass die nationalen Aufsichtsbehörden den Vertrieb und den Verkauf von Finanzinstrumenten verbieten oder beschränken können. Auch die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA (European Securities and Markets Authority) und die Europäische Bankenaufsichtsbehörde EBA (European Banking Authority) haben jetzt in bestimmten Fällen diese Möglichkeit. Die Interventionsbefugnisse der MiFIR werden zudem durch die europäische PRIIPs-Verordnung3 flankiert, die seit dem 1. Januar 2018 unmittelbar anwendbar ist. Dort finden sich für die europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersvorsorge EIOPA wie auch für die nationalen Aufsichtsbehörden parallel ausgestaltete Befugnisse etwa zu bestimmten Versicherungsanlageprodukten.

Das Produktinterventionsrecht hatte der deutsche Gesetzgeber schon 2015 eingeführt – und zwar mit dem Kleinanlegerschutzgesetz. Die BaFin hat davon auch bereits Gebrauch gemacht, indem sie die Vermarktung, den Vertrieb und den Verkauf von finanziellen Differenzkontrakten (Contracts for DifferenceCFDs) eingeschränkt hat.4 Interventionsmaßnahmen kann die BaFin auch weiterhin ergreifen. Sie werden aber mit der MiFIR auf neue Rechtsgrundlagen gestellt.

MaComp angepasst

Die BaFin hat ihre Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion (MaComp) an die Änderungen der MiFID II angepasst und die Novelle im März 2018 veröffentlicht.5 Die BaFin hat bestehende Module angepasst und neue Module hinzugefügt, durch die sie ESMA-Leitlinien nach Artikel 16 ESMA-Verordnung (ESMA-VO) umgesetzt hat. Alle Module sind sprachlich und inhaltlich an die neuen Rechtsgrundlagen im Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) und in der Delegierten Verordnung (EU) 2017/565 angepasst worden.

Das Modul zum Zuwendungs- und Verwendungsverzeichnis, das das bisherige Modul AT 8.2 ersetzt, hat die Aufsicht gänzlich neu formuliert. Insbesondere wurden folgende Anpassungen vorgenommen:

  • Bei der Überwachung der Mitarbeitergeschäfte (BT 2)6 wird es keine Stichprobenverfahren mehr geben, da nach Artikel 29 Absatz 5b Durchführungsverordnung (DV) Wertpapierdienstleistungsunternehmen künftig unverzüglich über jedes persönliche Geschäft informiert werden müssen. Wertpapierdienstleistungsunternehmen, die kein Zweitschriftenverfahren durchführen, keine Anzeigepflicht oder keinen Zustimmungsvorbehalt eingeführt haben, müssen ihre Vorkehrungen entsprechend anpassen.
  • Das neu gefasste Modul BT 5 setzt die ESMA-Leitlinien vom Juni 2017 zur Product Governance7 um. Die Leitlinien konzentrieren sich auf eine EU-weit einheitliche Bestimmung des Zielmarktes, der das oben erwähnte Kernstück der Vorgaben der MiFID II zum Produktfreigabeverfahren bildet.

    Die Pflichten zur Zielmarktbestimmung richten sich sowohl an Hersteller als auch an Vertriebsunternehmen. Neben den oben genannten Kriterien für die Bestimmung des Zielmarktes8 spielen auch die Produkteigenschaften eine Rolle. Je komplexer ein Produkt ist, desto detaillierter muss der Zielmarkt bestimmt werden, um auszuschließen, dass ungeeignete Zielkundengruppen erfasst werden. Das Vertriebsunternehmen muss den Zielmarkt konkretisieren und dabei insbesondere festlegen, über welche Dienstleistung ein bestimmtes Produkt angeboten werden kann.

    Hersteller und Vertriebsunternehmen müssen jeweils auch eine Vertriebsstrategie festlegen. Die Leitlinien sehen in diesem Zusammenhang einen Informationsaustausch zwischen beiden darüber vor, über welche Kundeninformationen das Vertriebsunternehmen verfügen muss und über welche Dienstleistungen die Produkte vertrieben werden können, bevor der Konzepter die Vertriebsstrategie festlegt.

    Die Compliance-Funktion muss am Produktüberwachungsprozess beteiligt werden und ist verpflichtet, die Geschäftsleitung über die vom Wertpapierdienstleistungsunternehmen konzipierten und empfohlenen Finanzinstrumente zu informieren, insbesondere über die Vertriebsstrategie.
  • Das neu gefasste Modul BT 9 legt fest, dass Staffelprovisionen ausdrücklich in der Policy zum Umgang des Unternehmens mit Interessenkonflikten zu benennen sind. Das Modul ist das Ergebnis der thematischen Arbeit zum Thema Staffelprovisionen im Jahr 2017. Die BaFin hat dabei festgesellt, dass es bei den Staffelprovisionsmodellen unterschiedliche Ansätze gibt, von denen einige dazu führen, dass Interessenkonflikte nicht auszuschließen sind.
  • Die MiFID II erweitert und harmonisiert zudem die Anforderungen an die Qualifikation von Mitarbeitern. Neu sind in Deutschland Vorgaben zu Kenntnissen und Erfahrungen sowie zur Zuverlässigkeit von Finanzportfolioverwaltern und Vertriebsmitarbeitern. Mitarbeiter in der Finanzportfolioverwaltung treffen – im Gegensatz zu Anlageberatern – eigenständig Anlageentscheidungen für Kunden und sind ermächtigt, über Kundengelder zu verfügen. Vertriebsmitarbeiter sind Mitarbeiter, die Kunden über Finanzinstrumente, strukturierte Einlagen, Wertpapierdienstleistungen oder Wertpapiernebendienstleistungen informieren.

    Unverändert bleiben hingegen die bestehenden Anzeigepflichten. In das Mitarbeiter- und Beschwerderegister werden künftig aber weiterhin nur Anlageberater, Vertriebsbeauftragte und Compliance-Beauftragte anzuzeigen sein.

    BT 11 behandelt die Qualifikation der Mitarbeiter von Wertpapierdienstleistungsunternehmen, setzt die entsprechenden ESMA-Leitlinien aus 2015 um und ergänzt die Regelungen der WpHG-Mitarbeiteranzeigeverordnung (WpHGMaAnzV). BT 11 beschreibt u. a. durch Beispiele gute Vorgehensweisen, wie Wertpapierdienstleistungsunternehmen dauerhaft sicherstellen können, dass ihre Mitarbeiter die fachlichen Anforderungen erfüllen und auch bewahren.
  • Die BaFin plant, Module zur Geeignetheitsprüfung und zu den Anforderungen an die Vergütungssysteme zu veröffentlichen, sobald die ESMA die maßgeblichen Leitlinien publiziert hat.

Fußnoten:

  1. 1 ABl. EU L 173/349.
  2. 2 Vgl. hierzu Kapitel I 5 und Kapitel II 2.
  3. 3 Packaged Retail and Insurance-based Investment Products. Verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte, die einem Anlagerisiko unterliegen. Als verpackt im Sinne der PRIIPs-Verordnung gelten alle Anlageprodukte und -verträge, bei denen das Geld der Kunden nicht direkt, sondern indirekt am Kapitalmarkt angelegt wird oder deren Rückzahlungsanspruch auf andere Weise an die Wertentwicklung bestimmter Papiere oder Referenzwerte gekoppelt ist.
  4. 4 Vgl. hierzu Kapitel I 3 und Kapitel II 2.
  5. 5 „Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion und die weiteren Verhaltens-, Organisations-, und Transparenzpflichten nach §§ 63 ff. (WpHG).“
  6. 6 BT steht für Besonderer Teil.
  7. 7 Guidelines on MiFID II product governance requirements.
  8. 8 Vgl. "Mehr Transparenz und mehr Anlegerschutz" oben.

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