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Thema Versicherungsvermittler Versicherungsvertrieb

Beitrag aus dem Jahresbericht 2017 der BaFin

Umsetzung der Versicherungsvertriebsrichtlinie

Die EU-Mitgliedstaaten mussten die IDD, die Richtlinie über den Versicherungsvertrieb (Insurance Distribution Directive)1, bis zum 23. Februar 2018 in nationales Recht umsetzen. Der deutsche Gesetzgeber hat daher das „Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Januar 2016 über Versicherungsvertrieb und zur Änderung weiterer Gesetze“ beschlossen und am 28. Juli 2017 im Bundesgesetzblatt verkündet.2 Einige Vorschriften, wie das Sondervergütungs- und Provisionsabgabeverbot (§ 48b VAG), sind schon am Folgetag in Kraft getreten.

Anwendungsbeginn verschoben

Mitte November 2017 akzeptierte die EU-Kommission einen Vorschlag des EU-Parlaments und der Mitgliedstaaten, den Anwendungsbeginn der IDD durch die Versicherungsbranche vom 23. Februar auf den 1. Oktober 2018 zu verschieben. Dies gilt allerdings nicht für die Mitgliedstaaten; sie müssen die IDD nunmehr spätestens bis zum 1. Juli 2018 in nationales Recht umsetzen. Die durch den deutschen Gesetzgeber im Juli 2017 auf Basis der IDD beschlossenen Änderungen des VAG, des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) und der Gewerbeordnung (GewO) sind hiervon nicht betroffen und gelten seit dem 23. Februar 2018 ohne Einschränkung.

Die Gesetzesänderungen beruhen nicht nur auf der IDD. Das Sondervergütungs- und Provisionsabgabeverbot (§ 48b VAG) und das Durchleitungsgebot (§ 48c VAG) stellen nationale Besonderheiten dar, die dem Verbraucherschutz dienen sollen.

Um die vom Gesetzgeber beabsichtigte Stärkung der Honorarberatung zu unterstützen, wird die Aufsicht künftig ein besonderes Augenmerk auf die Einhaltung des Durchleitungsgebots legen. Versicherungsnehmer sollen nämlich in den Genuss der Prämienreduzierungen kommen, die in § 48c VAG vorgesehen sind. Zugleich sollen jedoch auch klassische Vertriebsformen wie die Versicherungsvermittlung nicht vernachlässigt werden. Die BaFin versteht die Delegierte Verordnung zu Versicherungsanlageprodukten so, dass der provisionsbasierte Vertrieb nicht verboten oder unverhältnismäßig erschwert werden soll, und legt dieses Verständnis auch ihrer Aufsichtspraxis zugrunde.

Rechtsakte zur IDD

Ende Dezember 2017 wurden im EU-Amtsblatt zwei auf der IDD basierende Delegierte Verordnungen veröffentlicht, die sich im Wesentlichen mit dem Vertrieb von Versicherungsanlageprodukten3 und dem Produktgenehmigungsverfahren4 (im VAG: Produktfreigabeverfahren) beschäftigen. Neben den Delegierten Verordnungen der EU-Kommission wurde eine Durchführungsverordnung zur Festlegung eines Standardformats für ein Informationsblatt zu (Nichtleben-)Versicherungsprodukten verabschiedet.5

Ferner hat die EIOPA auf Grundlage von Artikel 30 Absätze 7 und 8 der IDD die „Guidelines under the Insurance Distribution Directive on Insurance-based investment products that incorporate a structure which makes it difficult for the customer to understand the risk involved“ veröffentlicht. Hierbei handelt es sich um Leitlinien mit Kriterien, anhand deren nationale Aufsichtsbehörden und Versicherungsvermittler bzw. Versicherungsunternehmen bewerten können, ob ein Versicherungsanlageprodukt komplex ist.

Als komplex eingestufte Versicherungsanlageprodukte sollen nicht ohne Beratung per Telefon oder Internet vertrieben werden dürfen (Execution-Only Sales). Bei nicht komplexen Versicherungsanlageprodukten ist dies grundsätzlich möglich, sofern sich der jeweilige Mitgliedstaat bei der Umsetzung der Richtlinie dazu entschieden hat, von der Execution-Only-Option (Artikel 30 Absatz 3 IDD) Gebrauch zu machen, und die weiteren Voraussetzungen von Artikel 30 Absatz 3 IDD erfüllt sind. Die BaFin wird die Leitlinien in ihre Aufsichtspraxis übernehmen.

Produktfreigabeverfahren

Artikel 25 IDD bestimmt Aufsichts- und Lenkungsanforderungen für den Vertrieb von Versicherungsprodukten. Diese Vorgaben sind besser bekannt unter dem Kürzel „POG“, das für Product Oversight and Governance Requirements steht. Das auf der IDD beruhende Produktfreigabeverfahren nach § 23 Absatz 1a bis 1c VAG und die europäischen Vorgaben gelten für Erstversicherungsunternehmen, die unter die Solvency-II-Richtlinie fallen. Versicherungsprodukte, deren Zweck die Versicherung von Großrisiken im Sinne des § 210 Absatz 2 Versicherungsvertragsgesetz ist, sind nicht betroffen.

Das Produktfreigabeverfahren, das dem Verbraucherschutz dient, formuliert Anforderungen an den Produkthersteller, aber auch an Versicherungsunternehmen, wenn diese, insbesondere innerhalb von Gruppen, den Vertrieb für andere Versicherungsunternehmen übernehmen (vgl. § 23 Absatz 1c VAG). Das Produktfreigabeverfahren ist Teil der Geschäftsorganisation der Versicherungsunternehmen und unterliegt dem Proportionalitätsprinzip.

Produktfreigabepolitik

Die Versicherungsunternehmen in ihrer Eigenschaft als Produkthersteller haben eine Produktfreigabepolitik zu entwickeln, die die Anforderungen an das Produktfreigabeverfahren definiert, und sodann für jedes konkrete neue Versicherungsprodukt oder jede wesentliche Änderung eines bestehenden Versicherungsprodukts das Produktfreigabeverfahren anzuwenden.

Die Produktfreigabepolitik ist in einer schriftlichen internen Leitlinie niederzulegen – bezeichnet als „Grundsätze der Aufsicht und Lenkung“ im Sinne der oben genannten Delegierten Verordnung.6

Im Produktfreigabeverfahren haben die Versicherungsunternehmen vor allem einen Zielmarkt für die von ihnen hergestellten Versicherungsprodukte festzulegen. Der Zielmarkt beschreibt den Adressatenkreis bzw. die Kundengruppe auf abstrakter Ebene. Der Versicherer muss prüfen, ob das Produkt über seine gesamte Lebensdauer den Bedürfnissen, Zielen und Merkmalen des Zielmarkts entspricht. Ein Vertrieb außerhalb des Zielmarktes kann zulässig sein. Gegenüber den Kunden maßgeblich sind die zivilrechtlichen Vorgaben zur Beratung und Information der Kunden.

Fußnoten:

  1. 1 RL (EU) 2016/97, ABl. EU L 26/19.
  2. 2 BGBl. I 2017, Seite 2789.
  3. 3 Delegierte Verordnung (EU) 2017/2359, ABl. EU L 341/8.
  4. 4 Delegierte Verordnung (EU) 2017/2358, ABl. EU L 341/1.
  5. 5 Vgl. hierzu Kapitel II 2.6.1.
  6. 6 Delegierte Verordnung (EU) 2017/2358, ABl. EU L 341/1.

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