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Europäisches Rahmenwerk

Beitrag aus dem Jahresbericht 2017 der BaFin

Solvency-Review-II

Erst Anfang 2016 ist Solvency II1 in Kraft getreten, und doch steht das Regelwerk bereits auf dem Prüfstand (siehe Infokasten „Jahreskonferenz der Versicherungsaufsicht“, Seite XY). „Dass wir uns das Regelwerk so früh noch einmal kritisch ansehen, ist in der Richtlinie so vorgesehen, und es ist auch sinnvoll“, sagt Dr. Frank Grund, Exekutivdirektor Versicherungs- und Pensionsfondsaufsicht. Man habe erste Erfahrungen gesammelt, und die Rahmenbedingungen hätten sich geändert.
Das marktwertbasierte System steht nach Grunds Worten nicht zur Disposition. „Wir wollen es aber anpassen und verbessern“, ergänzt er. Ein Beispiel ist die Standardformel.2

Überprüfung der Standardformel

Die Europäische Kommission hat im Rahmen des Solvency-II-Reviews die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersvorsorge EIOPA (European Insurance and Occupational Pensions Authority) gebeten, bis Februar 2018 verschiedene Elemente der Delegierten Verordnung3, die Durchführungsbestimmungen zu Solvency II enthält, zu prüfen. Das Ziel war, die Standardformel für die Berechnung der Solvenzkapitalanforderung (Solvency Capital Requirement – SCR) unter Solvency II zu vereinfachen und ein proportional angemessenes sowie technisch konsistentes Aufsichtsregime zu schaffen.

EIOPA legte der Europäischen Kommission im Oktober 2017 den ersten Satz an technischen Empfehlungen zur Überarbeitung der Delegierten Verordnung vor. Im November und Dezember folgte die öffentliche Konsultation des zweiten Satzes,
der schließlich am 28. Februar 2018 von EIOPA veröffentlicht wurde. Gegenstand des zweiten Satzes an technischen Empfehlungen waren viele SCR-Themen, die für den deutschen Markt wichtig sind und welche die BaFin mit Nachdruck auf europäischer Ebene verhandelt hat.

Zinsänderungsrisiko

Beim Zinsänderungsrisiko wird eine neue Methodik vorgeschlagen, die insbesondere das Niedrigzinsumfeld mit negativen Zinsen angemessen abbilden soll.

Latente Steuern und Risikomarge

Zum Umgang mit der verlustabsorbierenden Wirkung latenter Steuern entwickelte EIOPA verschiedene Leitprinzipien, die insbesondere bei der Prüfung der Werthaltigkeit aktiver latenter Steueransprüche Anwendung finden sollen. Bei der Risikomarge beschränkte sich die Überprüfung auf den Kapitalkostensatz. Die Ergebnisse bestätigten den Wert von sechs Prozent.

Einfachere Standardformel

Die Vorschläge zur Vereinfachung der Standardformel betrafen insbesondere das Gegenparteiausfallrisiko, das Katastrophenrisiko und die Fondsdurchschau (Look-Through).

Behebung technischer Inkonsistenzen

Vorschläge zur Behebung technischer Inkonsistenzen werden unter anderem in dem Nicht-Leben Prämien und Reserverisiko Modul vorgenommen. Für das Nicht-Leben-Prämien- und Reserverisiko wurde für einige Geschäftsbereiche, zum Beispiel die Rechtsschutzversicherung, eine Anpassung der Risikofaktoren vorgeschlagen. Des Weiteren wurde für das Volumenmaß im Prämienrisiko vorgeschlagen, die im Volumenmaß existierende Prämienlücke für Mehrjahresverträge zu schließen.

Aufsicht befürwortet Überprüfung

Die BaFin begrüßt die Überprüfung der Standardformel. Sie hat die deutschen (Rück-)Versicherer, die den Regelungen von Solvency II unterliegen, ermutigt, sich an den Konsultationen zu beteiligen und auch an den Datenabfragen teilzunehmen. Bei der erstmaligen Überprüfung der Standardformel war es wichtig, nochmals auf die Besonderheiten des deutschen Versicherungsgeschäfts aufmerksam zu machen, damit diese – entsprechend ihrer Bedeutung für den deutschen Markt – Berücksichtigung finden.

EIOPA-Bericht zu Maßnahmen für langfristige Garantien

EIOPA veröffentlichte am 21. Dezember 2017 zum zweiten Mal einen Bericht zu den Maßnahmen für langfristige Garantien (Long-Term-Guarantee-Maßnahmen -LTG) und zu den Maßnahmen für das Aktienrisiko, die mit der Omnibus-II-Richtlinie in Solvency II verankert wurden.4 Bei EIOPA ist eigens ein Projekt zur Überprüfung der LTG-Maßnahmen eingerichtet worden, an dem Vertreter der BaFin mitwirken.

Der Bericht beschreibt, wie die Versicherer die genannten Maßnahmen anwenden. Er behandelt neben den Auswirkungen der Maßnahmen auf die Solvenzsituation der Versicherungsunternehmen auch die Auswirkungen auf die Wahrung der Interessen der Begünstigten aus den Versicherungsverträgen, die Verfügbarkeit von Versicherungsprodukten, das Kapitalanlageverhalten der Versicherer sowie die Stabilität der Finanzmärkte.

Zudem enthält der Bericht Angaben dazu, in welchem Umfang die einzelnen Maßnahmen in den verschiedenen Märkten genutzt werden. Teil des Berichts ist auch eine Analyse der Informationen zur Anwendung der LTG- und Aktienrisiko-Maßnahmen, die Versicherer in ihren Berichten über die Solvabilitäts- und Finanzlage (Solvency and Financial Condition Report – SFCR) veröffentlichten.

Jahreskonferenz der Versicherungsaufsicht

Rund 250 Vertreter von Versicherungsunternehmen und Branchenverbänden kamen am 11. Oktober 2017 zur 7. Jahreskonferenz der Versicherungsaufsicht nach Bonn.

Schwerpunkte der Veranstaltung waren Solvency II, die Digitalisierung im Versicherungssektor und die Fortentwicklung der Regulierung. In seiner Eröffnungsrede berichtete Exekutivdirektor Dr. Frank Grund über die aktuellen Themen und die wirtschaftliche Situation der Branche. Versicherer, die Geschäfte in Großbritannien betreiben, mahnte er, sich auch auf das Szenario eines harten Brexits einzustellen. Mit Blick auf externe Run-offs betonte Grund, dass bei der BaFin keine neuen Anträge von Lebensversicherern eingegangen oder angekündigt seien. Aber „auch in künftigen Fällen werden wir die Belange der Versicherten wahren – nicht nur in finanzieller Hinsicht“, bekräftigte er. Gastrednerin Dr. Nathalie Berger, Referatsleiterin bei der EU-Kommission, berichtete über die Fortentwicklung der Versicherungsregulierung aus europäischer Perspektive.

Im Anschluss an die Vorträge diskutierten Branchenvertreter und Aufsicht über die Spannungsfelder unter Solvency II in der Praxis sowie die Chancen und Risiken der Digitalisierung.

Deutsche Versicherer

Für den deutschen Markt stellen die Übergangsmaßnahmen für die Bewertung der versicherungstechnischen Rückstellungen, die Volatilitätsanpassung sowie die Extrapolation der Zinskurve die drei wichtigsten LTG-Maßnahmen dar. Im Jahr 2017 wendeten 82 deutsche Versicherer die Volatilitätsanpassung nach § 82 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) an. 63 Unternehmen nutzten die Übergangsmaßnahmen für versicherungstechnische Rückstellungen gemäß § 352 VAG.

In den nächsten Jahren werden weitere LTG-Jahresberichte folgen. 2020 wird EIOPA als Ergebnis der Arbeiten der Projektgruppe Empfehlungen zu der LTG-Maßnahmen für die Kommission formulieren.

Paneuropäisches Privates Altersvorsorgeprodukt

Als Teil der geplanten Kapitalmarktunion beabsichtigt die EU-Kommission, ein einfaches, effizientes und wettbewerbsfähiges EU-Produkt der privaten Altersvorsorge zu etablieren. Einen ersten Verordnungsentwurf für ein solches Pan European Personal Pension Product (PEPP) hat die Kommission am 29. Juni 2017 vorgestellt.5 Grundlage für den Entwurf waren unter anderem ein EIOPA-Bericht aus dem Jahr 20166 und die Konsultation und öffentliche Anhörung von Stakeholdern zu diesem Thema.

Die Kommission will mit ihrem Vorschlag die Anbieter von Altersvorsorgeprodukten in die Lage versetzen, europaweit ein einfaches und innovatives privates Altersvorsorgeprodukt anzubieten. Sparern soll das neue Produkt bei ihrer Altersvorsorge größere Auswahlmöglichkeiten eröffnen. PEPPs sollen EU-weit einheitliche Merkmale aufweisen und, basierend auf dem Vorschlag der Kommission, von unterschiedlichen Unternehmen angeboten werden: von Versicherungsunternehmen, Banken, betrieblichen Rentenkassen, Wertpapierfirmen und Vermögensverwaltungsgesellschaften. PEPPs sollen die bestehende gesetzliche, betriebliche und nationale private Altersvorsorge ergänzen, die private Vorsorge aber weder ersetzen noch harmonisieren.

Steuerliche Behandlung

Die Kommission legt den Mitgliedstaaten nahe, PEPPs bei der steuerlichen Behandlung mit ähnlichen nationalen Produkten gleichzustellen. Die neue Produktkategorie soll ferner dazu beitragen, dass in der EU mehr Ersparnisse in langfristige Investitionen fließen können, wodurch letztendlich auch das Projekt einer Kapitalmarktunion unterstützt würde.7

Genaue Einzelheiten zu den PEPPs werden derzeit in der zuständigen Arbeitsgruppe des Europäischen Rats verhandelt, in der das Bundesfinanzministerium vertreten ist. Die BaFin steht dem Ministerium bei Bedarf beratend zur Seite.

Fußnoten:

  1. 1 RL 2009/138/EG, ABl. EG L 335/1.
  2. 2 Vgl. Kapitel I 6.
  3. 3 Delegierte Verordnung (EU) 2015/35, ABl. EU L 12/1.
  4. 4 https://eiopa.europa.eu/Publications/Reports/2017-12-20%20LTG%20Report%202017.pdf.
  5. 5 Vgl. http://europa.eu/rapid/press-release_MEMO-17-1798_de.htm und Jahresbericht 2016, Seite 139.
  6. 6 „Final advice from EIOPA on the development of an EU single market for personal pension products“.
  7. 7 Vgl. http://europa.eu/rapid/press-release_IP-17-1800_de.htm.

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