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Globales Rahmenwerk

Beitrag aus dem Jahresbericht 2017 der BaFin

Globale Eigenmittelstandards

Die Internationale Vereinigung der Versicherungsaufsichtsbehörden IAIS (International Association of Insurance Supervisors) arbeitet seit mehreren Jahren an einem ersten globalen, risikosensitiven Solvenzregime für Versicherungsgruppen. Die BaFin wirkt daran mit und setzt sich sehr für eine Kompatibilität mit dem europäischen Regelwerk Solvency II1 ein.

Im Sommer 2017 hat die IAIS für eine erweiterte Feldstudie2 den ICS 1.0 veröffentlicht, die erste Version des Insurance Capital Standards.3 Dieser globale Kapitalstandard soll für alle großen international tätigen Versicherungsgruppen (Internationally Active Insurance Groups – IAIGs) gelten. In der Feldstudie sollen verschiedene Optionen für die unterschiedlichen Elemente des ICS, unter anderem Diskontierung oder Kriterien für Eigenmittel, getestet werden. Die so gewonnenen Erkenntnisse fließen in die Weiterentwicklung des ICS von Version 1.0 hin zu Version 2.0 ein, die dann keine Optionen mehr enthalten soll.

Anschließend hat die IAIS begonnen, die Ergebnisse der bereits im Mai 2017 gestarteten Feldstudie zu analysieren, an der auch deutsche Unternehmen teilgenommen haben. Nach intensiver Diskussion, an der auch die BaFin beteiligt war, gab die IAIS im November bekannt, wie der ICS 2.0 ab 2020 von der Entwicklungs- in die Implementierungsphase überführt werden soll.4

Weiteres Prozedere

Von 2020 an soll der ICS 2.0 zunächst in einer fünfjährigen Überwachungsphase (Monitoring) nur noch auf Grundlage der marktwertbasierten Bewertung berichtet werden. Die dann vorliegenden Ergebnisse bilden eine weitere Informationsgrundlage, um die Solvabilität von IAIGs zu beurteilen, ohne jedoch während der Überwachungsphase Grundlage für aufsichtliche Maßnahmen zu sein. Außerdem können die auf diese Weise gewonnenen Daten in den Aufsichtskollegien (Colleges) zu einer besseren Vergleichbarkeit beitragen. Nach Abschluss der Überwachungsphase soll der ICS 2.0 nach dem Willen der IAIS und der Mitglieder als bindender Kapitalstandard weltweit eingeführt werden.

BaFin spricht sich für Interne Modelle aus

Der BaFin ist es ein Anliegen, dass zur Berechnung des ICS neben der Standardmethode, die alle Unternehmen während der Überwachungsphase anwenden sollen, auch interne Modelle gleichwertig zugelassen werden. Eine Überprüfung interner Modelle als zulässiger Alternative zur Standardmethode, während der Überwachungsphase nur als Ergänzung vorgesehen, ist spätestens zum Abschluss der Überwachungsphase geplant. Derzeit befasst sich die IAIS damit, Anwendungskriterien für interne Modelle festzulegen. Dieser Prozess soll planmäßig bis zur nächsten Runde der Feldstudie 2018 abgeschlossen sein. Andere IAIS-Mitglieder bevorzugen eine Methode auf Basis angepasster Rechnungslegungsstandards (GAAP+)5, die ebenfalls nach fünf Jahren einer Prüfung standhalten müssen. Der vereinbarte Plan sieht auch vor, die unterschiedlichen Vorstellungen zügig zusammenzuführen und zu konkretisieren und die Optionen in der Feldstudie zu reduzieren.

Es geht unter anderem um die Methodik, mit der die Zinskurve zur Diskontierung der Verbindlichkeiten bestimmt wird. Zugleich muss eine umfassende Methodologie zur Berechnung der risikofreien Zinskurve vereinbart werden. Außerdem müssen sich die IAIS-Mitglieder auf Kriterien zur Einteilung der vorhandenen Eigenmittel in verschiedene Tiers einigen, damit eine Solvenzquote bestimmt werden kann. Weitere offene Punkte sind die Berechnung einzelner Elemente der Kapitalanforderungen und die Berechnung der Risikomarge.

Identifizierung von G-SIIs und ABA

Der Finanzstabilitätsrat FSB (Financial Stability Board) hat im Jahr 2017 darauf verzichtet, global systemrelevante Versicherungsunternehmen (Global Systemically Important Insurers – G-SIIs) zu benennen.6 Die aufsichtlichen Maßnahmen für G SIIs bleiben jedoch für die bereits 2016 identifizierten neun Versicherungsgruppen unverändert in Kraft. Der FSB hob hervor, dass im Jahr 2018 erneut über eine Designierung diskutiert werden soll, auch im Licht der fortschreitenden Arbeiten an einem Ansatz, der auf den verschiedenen Aktivitäten der Unternehmen basiert (Activities Based Approach – ABA).

Direktes und indirektes systemisches Risiko

Der ABA zur Beurteilung systemischer Risiken in der Versicherungswirtschaft wird derzeit als Ergänzung zu dem auf Unternehmen abstellenden Ansatz entwickelt. Die BaFin wirkt an der Entwicklung des ABAs mit. Bei dem auf Unternehmen basierenden Ansatz steht die Frage im Vordergrund, ob die (unkontrollierte) Insolvenz eines Unternehmens direkte negative Auswirkungen auf das Finanzsystem haben kann (Domino-Effekt).7 Der ABA betrachtet systemische Risiken aus einem anderen Blickwinkel. Entscheidend ist hierbei, ob bestimmte Aktivitäten, die mehrere Akteure kollektiv unternehmen, das Potenzial haben, die Finanzmärkte negativ zu beeinflussen (Tsunami-Effekt). Diese Unterscheidung von direktem und indirektem systemischem Risiko ist aus Sicht der BaFin sehr wichtig, und beide können in einem hybriden Ansatz zusammengeführt werden.8 Ein solches hybrides Verfahren, das die BaFin befürwortet, verbindet beide Sichtweisen und ermöglicht eine umfassende Überwachung – und folglich auch eine Reduzierung systemischer Risiken.

Die IAIS hat die Arbeiten am ABA im Jahr 2017 intensiviert und im Dezember ein erstes Konsultationspapier9 veröffentlicht. Darin beschreibt das Gremium ein mögliches Rahmenwerk und einen denkbaren Anwendungskreis eines ABA. Das Rahmenwerk basiert auf den bisherigen Arbeiten der IAIS zu systemischen Risiken. Neben der Identifizierung potenziell systemrelevanter Aktivitäten – eine Arbeit, die 2018 fortgesetzt wird – sieht die IAIS vor, die vorhandenen aufsichtlichen Instrumente mit den identifizierten Risiken dieser Aktivitäten abzugleichen. Wenn sich dabei Lücken im IAIS-Werkzeugkasten offenbaren, sollen diese geschlossen werden.

Kreis der erfassten Unternehmen

Während bei der bisherigen Identifizierung von G-SIIs nur etwa 50 Unternehmen in die Datenabfrage einbezogen wurden, sollte dieser Kreis nach Ansicht der BaFin bei einem ABA weiter gefasst werden. Erst dann lassen sich eventuelle negative Auswirkungen bestimmter Aktivitäten beurteilen. Die BaFin ist überzeugt, dass auch bei einem ABA der Grundsatz der Proportionalität, der in Solvency II verankert ist, beachtet werden sollte. Dies gelte sowohl für mikro- als auch für makroökonomische Risiken.

Fußnoten:

  1. 1 Mehr zu Solvency II unter 1.2.
  2. 2 Einzelheiten sind unter www.iaisweb.org zu finden.
  3. 3 Vgl. hierzu auch BaFinJournal August 2017, Seite 47 f.
  4. 4 Vgl. hierzu auch BaFinJournal November 2017, Seite 12 f.; zu ICS 2.0 vgl. auch Jahresbericht der BaFin 2015, Seite 168 f.
  5. 5 Generally Accepted Accounting Principles (Allgemein anerkannte Rechnungslegungsgrundsätze).
  6. 6 Vgl. BaFinJournal Dezember 2017, Seite 14.
  7. 7 Vgl. Global Financial Stability Report (GFSR), April 2016, Kapitel 3, Seite 90 f., und http://www.imf.org/~/media/websites/imf/imported-full-text-pdf/external/pubs/ft/gfsr/2016/01/pdf/_text.ashx
  8. 8 Vgl. Hufeld, Felix: A Regulatory Framework for Systemic Risk in the Insurance Industry. In: Hufeld, Felix; Koijen, Ralph S. J.; Thimann, Christian: The Economics, Regulation, and Systemic Risk of Insurance Markets, Oxford University Press, Oktober 2016.
  9. 9 https://www.iaisweb.org/page/news/press-releases/file/70446/iais-press-release-interim-public-consultation-on-an-activities-based-approach.

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