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Bankenregulierung in der Europäischen Union

Beitrag aus dem Jahresbericht 2017 der BaFin

Reform von CRR und CRD IV

Am 23. November 2016 hat die Europäische Kommission mit der Vorlage eines Pakets von Reformvorschlägen eine umfassende Überarbeitung der Eigenmittelverordnung (Capital Requirements RegulationCRR) und der Eigenmittelrichtlinie (Capital Requirements Directive IV – CRD IV) sowie der Sanierungs- und Abwicklungsrichtlinie (Bank Recovery and Resolution DirectiveBRRD) angestoßen.1) Die Arbeiten an der BRRD wurden inzwischen abgetrennt und werden in einem separaten Prozess vorangetrieben.2)

Das Reformpaket zur CRR und CRD IV, die unter anderem Basel III umsetzen, enthält eine Vielzahl von Vorschlägen, die die Grundlage für Diskussionen im Europäischen Parlament und Rat bilden sollen.3) Mit ihrer Initiative verfolgt die Kommission im Wesentlichen zwei Ziele:

  • Zum einen müssen noch einige Vorgaben des Baseler Rahmenwerks umgesetzt werden. Dabei geht es um einzelne Anforderungen aus dem Basel-III-Paket, etwa um die Quote für die stabile langfristige Refinanzierung und verbindliche Mindestwerte für die Leverage Ratio, aber auch um Vorgaben zu Markt- und Kontrahentenausfallrisiken.
  • Zum anderen sollen die Erfahrungen bei der praktischen Anwendung der CRR und CRD genutzt werden, um zu prüfen, wie sich deren Effizienz verbessern lässt – auch und gerade mit Blick auf die Proportionalität.

Mehr Proportionalität

Ein zentrales Anliegen des Reformprojekts ist es, dem Proportionalitätsprinzip im bestehenden europäischen Regelwerk mehr Geltung zu verschaffen, und zwar ohne die europäische Harmonisierung zu gefährden. So wird beispielsweise darüber diskutiert, wie sich verhindern lässt, dass die regulatorischen Anforderungen kleine und mittelgroße Banken über Gebühr belasten. Diese Institute können zur Bewältigung ihrer aufsichtsrechtlichen Pflichten nur auf einen sehr viel kleineren Verwaltungsapparat zurückgreifen als die großen und komplexen Häuser.

Deutsches Konzept

Bereits der ursprüngliche Entwurf der Kommission enthielt diverse Vorschläge dazu. Sie gehen aber nach Ansicht einiger Beteiligter nicht weit genug, um kleine und mittlere Institute tatsächlich effektiv zu entlasten. Die BaFin hat daher gemeinsam mit dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) und der Deutschen Bundesbank ein deutsches Proportionalitätskonzept entwickelt, das im Juni und Juli 2017 als Positionspapier in verschiedenen Gremien auf europäischer Ebene vorgestellt wurde.

Das Papier basiert auf der Prämisse, dass sämtliche europäischen Banken je nach Größe, Systemrelevanz und Risikoprofil einer von drei Kategorien zugeordnet werden. Für diese Kategorien würden dann abgestufte, unterschiedlich strenge und detaillierte regulatorische Anforderungen gelten. Die Institute der höchsten Kategorie, die neben den systemrelevanten auch die potenziell systemisch relevanten Institute umfassen würde, sollen weiterhin den vollen regulatorischen Anforderungen unterliegen. Die Institute der mittleren Kategorie könnten mit punktuellen Erleichterungen in einzelnen Regelungsbereichen rechnen, insbesondere in Bezug auf Meldewesen, Offenlegung und Vergütung. Für die kleinen und nicht komplexen Institute, die sich in der untersten Kategorie wiederfänden, könnte man noch weiter reichende Erleichterungen und Befreiungen einführen oder sie möglicherweise sogar einem eigenen, vereinfachten Aufsichtsregime unterwerfen.

Schwierige Verhandlungen

Eine zentrale Herausforderung besteht darin, auf europäischer Ebene einen Konsens über Abgrenzungskriterien und Schwellenwerte für die Einteilung der Institute in Kategorien zu erarbeiten. Die Unterstützung durch die europäischen Partner fiel bislang eher zurückhaltend aus. Dies dürfte vor allem der facettenreichen Bankenlandschaft innerhalb der EU geschuldet sein. Die einzelnen Mitgliedstaaten setzen mit Blick auf ihre jeweiligen nationalen Besonderheiten vollkommen unterschiedliche Prioritäten. Einige sehen nicht einmal Handlungsbedarf, was das Thema Proportionalität angeht. Einige befürchten auch eine Aufweichung des Single Rulebook, und wieder andere betonen, dass auch von kleinen Banken erhebliche Risiken ausgehen können. Die Einigung auf ein konkretes Konzept, das von allen Beteiligten mitgetragen wird, dürfte sich daher nicht ganz unkompliziert gestalten.

Punktuelle Erleichterungen für kleinere Institute in einzelnen Regelungsbereichen könnten unabhängig davon schon beim laufenden CRR-/CRD-Review geschaffen werden. Mit dem Beginn des Trilogs ist nicht vor dem zweiten Quartal 2018 zu rechnen; der Abschluss der Verhandlungen und die anschließende Veröffentlichung der geänderten Regelungen sind nicht vor Sommer 2019 zu erwarten.

Schwellenwerte

Im europäischen Gesetzgebungsverfahren lässt sich eine proportionale Anwendung spezifischer Regelungen insbesondere durch Schwellenwerte erreichen. Signifikante Erleichterungen für kleine Institute dürfte insbesondere die geplante Neufassung des Artikels 94 CRR bringen, der das Volumen an Handelsgeschäften definiert, dessen Überschreitung erst die Einstufung als Handelsbuchinstitut und die Anwendung der Marktrisikoregeln begründet. Vorgesehen sind nun 50 Millionen Euro statt – wie bisher – 15 Millionen Euro. Ergänzend dazu wird ein weiterer Schwellenwert für mittelgroße Institute eingeführt, deren Handelsbuchpositionen sowohl unter der Grenze von zehn Prozent der Gesamtaktiva liegen als auch unter dem Nominalvolumen von 500 Millionen Euro. Dieser Schwellenwert ermöglicht es ihnen, den vereinfachten Standardansatz für die Bestimmung ihres Marktrisikos zu verwenden. Diese Möglichkeit dürfte der Mehrzahl der deutschen Institute den hohen Implementierungsaufwand für den verhältnismäßig komplexen Baseler Standardansatz ersparen.

Vorschlag zu Net Stable Funding Ratio

Auf dem Gebiet der Liquiditätsregulierung wiederum ist ein Vorschlag für eine vereinfachte Kennziffer für die langfristige stabile Refinanzierung (Net Stable Funding RatioNSFR) in die europäischen Verhandlungen eingebracht worden. Er findet sich im Berichtsentwurf des Europäischen Parlaments wieder. Dem Vorschlag liegt die Abwägung zugrunde, eine übertriebene Fristentransformation durch ein ausreichendes Maß an struktureller Refinanzierung des Bankgeschäfts zu begrenzen, ohne aber einen übermäßigen Aufwand für die Implementierung des Meldewesens sowie die Aufbereitung und Qualitätskontrolle der Daten zu verursachen.

Das Konzept einer vereinfachten NSFR versucht dieses Dilemma für kleine und mittlere Institute aufzulösen, indem an dem gebotenen Verhältnis von verfügbarer und erforderlicher struktureller Refinanzierung festgehalten, zugleich aber der Differenzierungsgrad bei der Festsetzung der Faktoren für verfügbare und erforderliche Refinanzierung deutlich reduziert wird. Während das Baseler Regelwerk hier sehr granular vorgeht, um Klippeneffekte im Liquiditätsrisikomanagement großer internationaler Banken zu reduzieren, sieht das deutsche Konzept der vereinfachten NSFR vor, gesonderte Faktoren für das Laufzeitband zwischen sechs Monaten und einem Jahr zu streichen, von einer Erfassung belasteter Aktiva abzusehen und Finanzinstrumente, denen auch bisher schon identische Faktoren zugewiesen wurden, zu Kategorien zusammenzufassen.

Während sich das Datenvolumen auf diese Weise um mehr als 90 Prozent verringern ließe, wäre der mit diesen Vereinfachungen verbundene Verlust an Informationen bei Instituten mit traditionellem Geschäftsmodell und wenigen Finanzinnovationen vertretbar. Um überdies zu verhindern, dass die stark vereinfachte Berechnung zur Aufweichung der Kennziffer führt, würden aggregierte Positionen jeweils mit einem Faktor belegt, der zu einer höheren Ausprägung der Kennziffer führte. Nur auf diese Weise kann ausgeschlossen werden, dass das vorgesehene Wahlrecht der Kreditinstitute zur Berechnung der vereinfachten NSFR für Regulierungsarbitrage genutzt wird.

Leitlinien Corporate Governance

An der Überarbeitung der Leitlinien der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde EBA (European Banking Authority) zur internen Governance von Kreditinstituten4) hat sich die BaFin aktiv beteiligt. Ziel der Überarbeitung ist es – im Einklang mit den Anforderungen der CRD IV –, Governance-Systeme, -Prozesse und -Mechanismen in Instituten europaweit zu harmonisieren und zu verbessern.

Das Hauptaugenmerk liegt auf den Pflichten und Verantwortlichkeiten des Aufsichtsorgans und der Rolle der verschiedenen Ausschüsse dieses Organs. Außerdem sollen der Status der Risikomanagementfunktion im Unternehmen sowie der Informationsfluss zwischen dieser und dem Leitungsorgan verbessert und eine effektivere Überwachung des Risikomanagements durch die Aufsichtsbehörden gewährleistet werden.

Leitungsorgane und Schlüsselfunktionen

Zusammen mit der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA (European Securities and Markets Authority) hat die EBA zudem Leitlinien veröffentlicht, anhand deren die Eignung von Mitgliedern des Leitungsorgans und von Inhabern der Schlüsselfunktionen in Kreditinstituten beurteilt werden kann. Auch an der Entwicklung dieser Leitlinien hat sich die BaFin beteiligt. Bei der Eignungsprüfung wird untersucht, ob die Kandidaten über die erforderlichen Kenntnisse, Qualifikationen und Fähigkeiten verfügen, um eine ordnungsgemäße und umsichtige Führung des Instituts zu gewährleisten. Die Leitlinien heben die Rolle der Institute bei diesen Prüfungen besonders hervor. Sie zielen darauf ab, die Eignungsprüfungen in den einzelnen Finanzsektoren zu harmonisieren und zu verbessern. Zudem sollen sie gewährleisten, dass die Kreditinstitute nach den Vorgaben der CRD IV und der Finanzmarktrichtlinie (Markets in Financial Instruments Directive II – MiFID II) robuste Governance-Systeme installieren.

Beide Leitlinien sollen zum 30. Juni 2018 für die zuständigen nationalen Behörden und für die betroffenen konsolidierten Institute in Kraft treten.

Fußnoten:

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