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Europäisches System der Finanzaufsicht auf dem Prüfstand

Beitrag aus dem Jahresbericht 2017 der BaFin

Das Europäische System der Finanzaufsicht (ESFS) wird derzeit geprüft. Von Beginn an war vorgesehen zu prüfen, wie effektiv das ESFS und damit auch die Europäischen Aufsichtsbehörden (European Supervisory Authorities – ESAs) arbeiten, und sie gegebenenfalls zu reformieren. Im März 2017 legte die EU-Kommission einen Reformvorschlag zur Konsultation vor, der im September in einem Entwurf zur Änderung der ESA-Verordnungen mündete. Dieser sieht eine weitreichende Zentralisierung und damit eine fundamentale Veränderung der bisherigen Aufsichtsarchitektur in der EU vor.

Neue Kompetenzen der ESAs

Um die Aufsichtskonvergenz innerhalb der EU zu stärken, schlägt die Kommission vor, den ESAs zusätzliche Aufgaben und Befugnisse zu übertragen. So sollen sie künftig EU-weit gültige aufsichtsrechtliche Ziele (Strategic Supervisory Plans) festlegen, an denen die zuständigen Behörden gemessen werden sollen. Überdies plant die Kommission eine Einbindung der ESAs bei wesentlichen Auslagerungen (Outsourcing) durch Unternehmen, die in der EU beheimatet sind, in Drittstaaten. Die ESAs sollen zu den Erlaubnisverfahren Stellung nehmen können. Auch bei Entscheidungen der EU-Kommission zur Drittstaatenäquivalenz sollen die Befugnisse der ESAs gestärkt werden.

Für die Versicherungsaufsicht schlägt die Kommission eine maßgebliche und frühzeitige Einbindung der EIOPA in den Zulassungsprozess sowie in die laufende Aufsicht über interne Modelle vor. Die EIOPA soll in diesem Zusammenhang eine Doppelfunktion einnehmen, das heißt, sie soll einerseits Stellungnahmen abgeben können und andererseits bei Meinungsverschiedenheiten die betroffenen Aufsichtsbehörden dabei unterstützen, zu einer Einigung zu kommen.

Die umfangreichsten Änderungsvorschläge betreffen die ESMA. Geplant ist zum einen die Einführung einer direkten Aufsichtskompetenz über Zentrale Gegenparteien (Central CounterpartiesCCPs). Dazu hatte die Kommission bereits im Juni einen Entwurf1 zur Änderung der Marktinfrastruktur-Verordnung (European Market Infrastructure RegulationEMIR) veröffentlicht. Zum anderen soll die ESMA eine originäre Zuständigkeit für die Genehmigung, Überwachung (einschließlich der Markt- und Werbungsüberwachung) und Sanktionierung bestimmter Prospektarten erhalten. Darüber hinaus soll die ESMA künftig für die Genehmigung und die Aufsicht über Datenbereitstellungsdienste (Data Reporting Services) sowie für die Genehmigung, Registrierung und Aufsicht über bestimmte Fonds bzw. deren Investmentmanager zuständig sein.

In Bezug auf die interne Steuerung (Governance) der ESAs plädiert die Kommission in ihrem Vorschlag für eine teilweise Abkehr vom Grundsatz mitgliedergeführter Organisationen. Die Räte der Aufseher (Boards of Supervisors – BoS), die aus den Leitern der zuständigen nationalen Behörden bestehen, sollen zwar Hauptentscheidungsorgane der ESAs bleiben, insbesondere bei der Regulierung. Allerdings soll es zusätzlich jeweils eine Geschäftsleitung (Executive Board) geben, und zwar anstelle der bestehenden Verwaltungsräte (Management Boards), die sich, wie die Räte der Aufseher, derzeit aus Leitern der zuständigen Behörden zusammensetzen. Dem Executive Board sollen nach Vorstellung der Kommission der ESA-Vorsitzende und bei der EBA und EIOPA jeweils drei bzw. bei der ESMA fünf weitere ESA-Vertreter angehören. Sie sollen sämtliche Entscheidungen des BoS mit einer Stellungnahme vorbereiten. Ferner ist geplant, wichtige Kompetenzen (wie beispielsweise zu Stresstests und den eingangs erwähnten neuen Aufgaben und Befugnissen) auf das Executive Board zu übertragen.

Zur Finanzierung der ESAs schlägt die EU-Kommission vor, die Beiträge der nationalen Aufsichtsbehörden durch eine Industriefinanzierung zu ersetzen. Die Beiträge der EU sollen künftig variabel sein und bis zu 40 Prozent des Budgets der ESAs betragen. Derzeit verhandelt der Rat über die Vorschläge der EU-Kommission.

BaFin sieht die Pläne kritisch

Bereits im Rahmen der Konsultation hatte sich die BaFin kritisch zu den Änderungsplänen der EU-Kommission geäußert. Das Europäische System der Finanzaufsicht (siehe Infokasten „Europäisches System der Finanzaufsicht“) ist im Jahr 2010 bewusst als Netz aus nationalen und europäischen Aufsichtsbehörden konstruiert worden und hat sich als solches bewährt.

Selbstverständlich unterstützt die BaFin ausdrücklich eine aktivere Rolle der ESAs, was die Schaffung von Aufsichtskonvergenz und einer gemeinsamen Aufsichtskultur in der EU angeht. Sie spricht sich aber dagegen aus, eine „Aufsicht über die Aufsicht“ zu schaffen oder den ESAs Informationsbefugnisse zu gewähren, die den nationalen Aufsichtsbehörden zustehen. Auch der Plan, den ESAs zu ermöglichen, in nationale Erlaubnisverfahren einzugreifen, lehnt die BaFin ab. Mit Blick auf das Subsidiaritätsprinzip hat sich die BaFin außerdem von Beginn an dafür ausgesprochen, bei der Übertragung neuer Aufgaben auf die ESMA maßzuhalten, um den Bogen des rechtlich Zulässigen nicht zu überspannen. Präsident Felix Hufeld hat die Position der BaFin auch bei einer Anhörung am 27. Februar 2018 zum „Review of the European System of Financial Supervision” vor dem Europäischen Parlament dargelegt.2

Fußnoten:

  1. 1 https://ec.europa.eu/info/law/better-regulation/initiative/30988/attachment/090166e5b2ff17c9_en.
  2. 2 Die Rede von BaFin-Präsident Felix Hufeld bei der Anhörung zum „Review of the European System of Financial Supervision“ ist in deutscher und englischer Sprache auf www.bafin.de abrufbar.

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