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Thema Zulassung Brexit

Beitrag aus dem Jahresbericht 2017 der BaFin

In Brüssel sind die politischen Verhandlungen für die Zeit nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union (EU) angelaufen. Konkrete Verhandlungsergebnisse lagen 2017 noch nicht vor. Von immenser Bedeutung für Unternehmen, Finanzregulierer und Politik ist die Frage: Wie gestaltet man für die Zeit nach dem Brexit den Zugang des Vereinigten Königreichs zum Binnenmarkt der EU-27-Staaten und vice versa?1 Mit knapp der Hälfte der Gesamtexporte bildet die EU den weltweit größten Absatzmarkt des Vereinigten Königreichs. Ähnlich sieht es bei den Importen aus. Was den Finanzsektor angeht, stellt sich die Lage besonders komplex dar, denn noch fungiert London als der zentrale Knotenpunkt für Kapitalflüsse innerhalb der EU.

Nach jetzigem Stand2 ist damit zu rechnen, dass das Vereinigte Königreich nach dem Brexit zu einem Drittstaat wird, also keinen Sonderstatus erhält. Auf den angemessenen Umgang mit dieser Herausforderung bereiten sich Unternehmen und nationale wie europäische Aufsichtsbehörden derzeit mit Hochdruck vor.

Die BaFin hat ihren Dialog mit interessierten Unternehmen auch im vergangenen Jahr fortgesetzt und erneut Workshops veranstaltet. Zahlreiche Banken und Finanzdienstleistungsinstitute beabsichtigen, ihren Standort unter anderem nach Deutschland zu verlagern, weil sie infolge des Brexits den sogenannten Europäischen Pass verlieren, mit dem sie in den Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) Geschäfte betreiben können. Ziel von Aufsicht und Politik ist es, diesen Instituten Hilfestellung bei ihren Vorhaben in Deutschland zu geben, Rechtssicherheit zu bieten und zugleich die Stabilität des deutschen Finanzplatzes zu wahren.

Interne Modelle in der Übergangsphase

Insgesamt hat die BaFin bislang über 100 Gespräche mit interessierten Unternehmen geführt. Dabei hat sie auch deutlich gemacht, dass es ihr wichtig ist, dass die Unternehmen überall im Euro-Währungsgebiet nach denselben Standards beaufsichtigt und reguliert werden. Dieser Gleichbehandlungsgrundsatz gilt auch für interne Modelle, die die Aufsicht prüfen und genehmigen muss, bevor Institute sie zur Ermittlung ihres Eigenkapitalbedarfs verwenden dürfen.

Derzeit erkennen sowohl die deutsche Aufsicht als auch der Einheitliche Aufsichtsmechanismus SSM (Single Supervisory Mechanism) unter Leitung der Europäischen Zentralbank (EZB) an, wenn die britische Aufsicht, die Prudential Regulation Authority (PRA), interne Modelle bereits genehmigt hat. Die PRA legt bei der Prüfung interner Modelle zumindest bis zum Brexit dieselbe Messlatte an wie die BaFin und die EZB, nämlich die europäische Eigenmittelverordnung (Capital Requirements RegulationCRR). Das ermöglicht der BaFin und der EZB die Verwendung interner Modelle, die die PRA genehmigt hat, zunächst ohne eine umfassende und zeitaufwändige Prüfung für eine Übergangszeit zu tolerieren.

Dazu haben die deutschen Modelleaufseher bei der BaFin und der Deutschen Bundesbank den interessierten Instituten – im Einklang mit europäischen Regeln – einen mehrstufigen Weg vorgegeben, auf dem sie die Unternehmen in Workshops und Aufsichtsgesprächen eng begleiten.

Mit diesem Vorgehen will die deutsche Aufsicht zwei Ziele erreichen: Die Unternehmen, die im Zuge des Brexits Aktivitäten von London nach Deutschland verlagern, können hier ohne Zeitverlust ihre von der PRA genehmigten internen Modelle einsetzen. Zugleich begeben sie sich gemeinsam mit der deutschen bzw. der europäischen Modelleaufsicht auf einen Weg, der sicherstellt, dass die hohen deutschen und europäischen Anforderungen an interne Modelle dauerhaft eingehalten werden.

Für eine begrenzte Zeit – und im Einklang mit der EZB – ist die BaFin auch bereit, die internen Modelle, die bereits von der PRA genehmigt worden sind, zur Kapitalberechnung bei Schwesterinstituten zuzulassen, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Zunächst müssen die Institute die hierfür erforderlichen Anträge inklusive Aktionsplan bei der BaFin einreichen. Erst danach können verbindliche Absprachen über das weitere Vorgehen getroffen werden.

Back-to-Back-Modelle

So sind beispielsweise Back-to-Back-Modelle nicht grundsätzlich abzulehnen. Bei diesen Geschäften schließen EU-Unternehmen Transaktionen in Finanzinstrumenten ab und gehen gleichzeitig entgegengesetzte Handelsgeschäfte mit einer in London ansässigen Gesellschaft ein, um die Marktpreisrisiken zu transferieren. Allerdings müssen die Banken die verbleibenden Risiken durch ausreichend geschultes Personal jederzeit sinnvoll managen können.

Vielen Unternehmen ist auch daran gelegen, Back-Office-Tätigkeiten und interne Kontrollfunktionen wie Risikocontrolling, Compliance oder Interne Revision weitestgehend von einer in London ansässigen Gesellschaft ausüben zu lassen. Auch hier gilt: Wie auch in vielen anderen Fällen sind Auslagerungen grundsätzlich möglich. Es kommt auf das richtige Maß an. Ausschließlich an Gruppenstrukturen anzudocken, wird die Aufsicht nicht zulassen. Es muss in den in der EU ansässigen Unternehmen entsprechende Kontrolleinheiten geben. Auslagerungen werden vor allem dort Grenzen gesetzt, wo es um Kernbereiche des Geschäftsbetriebs sowie der Kontrollfunktionen geht.

Zudem hat die BaFin Abfragen unter Banken und Versicherern, die in Deutschland im Rahmen des Europäischen Passes tätig sind, durchgeführt, und sie analysiert derzeit die Angaben der Unternehmen über die Geschäfts- und Notfallplanung zu den Austrittsszenarien.

Euro-Clearing

Seit 2017 steht auch das Euro-Clearing im Fokus. Mehr als 95 Prozent aller Zinsswaps in Euro werden bislang über London abgewickelt. Die EU-Kommission hat am 13. Juni 2017 ihre Vorstellungen von einer strengeren Aufsicht über zentrale Gegenparteien mit Sitz außerhalb der EU veröffentlicht (siehe Infokasten „Zentrale Gegenparteien mit Sitz außerhalb der EU“).

Zentrale Gegenparteien mit Sitz außerhalb der EU

Die EU-Kommission hat am 13. Juni 2017 einen Vorschlag zur Anpassung der europäischen Marktinfrastrukturverordnung (European Market Infrastructure RegulationEMIR ) in Bezug auf die Aufsicht über zentrale Gegenparteien (Central CounterpartiesCCPs) vorgelegt, der insbesondere eine Stärkung der Rolle der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA (European Securities and Markets Authority) bei der Aufsicht über Drittstaaten-CCPs zum Gegenstand hat. ESMA soll künftig erweiterte Aufsichtskompetenzen für Drittstaaten-CCPs erhalten. Diese sollen zukünftig in die Kategorien „not systemically important or not likely to become systemically important (Tier 1 CCP)“ beziehungsweise „systemically important or likely to become systemically important (Tier 2 CCP)“ eingestuft werden. Nur für Tier-1-Drittstaaten-CCPs soll die Drittstaatenregelung in der bisherigen Form weiter Anwendung finden. Für Tier-2-Drittstaaten-CCPs sollen dagegen weitergehende Aufsichtsanforderungen eingeführt werden. So ist beispielsweise vorgesehen, dass sie die Vorgaben der EMIR parallel zu den nationalen Vorgaben des Heimatlandes einhalten sollen. Darüber hinaus soll künftig die EU-Kommission (gegebenenfalls unter Einbeziehung weiterer Organe) die Befugnis erhalten, auf gemeinsamen Vorschlag von ESMA und der zuständigen Zentralbank Drittstaaten-CCPs mit einer besonderen systemischen Bedeutung die Anerkennung zu versagen. Derart klassifizierte Drittstaaten-CCPs müssten sich für das Clearing in der EU ansiedeln (Location Policy).

Fußnoten:

  1. 1 Zum Brexit vgl. auch Brexit.
  2. 2 Redaktionsschluss 31. März 2018.

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