BaFin - Navigation & Service

Thema OTC-Derivate OTC-Derivate

Beitrag aus dem Jahresbericht 2016 der BaFin

Sanierung und Abwicklung zentraler Gegenparteien

Auch als Reaktion auf die Finanzkrise hat der europäische Gesetzgeber mit der Europäischen Marktinfrastrukturverordnung (European Market Infrastructure Regulation – EMIR)1 die Pflicht eingeführt, standardisierte außerbörsliche Derivategeschäfte (Over-the-Counter-Derivate – OTC-Derivate) über eine zentrale Gegenpartei (Central Counterparty – CCP) zu verrechnen. Diese brauchen eine Zulassung und unterliegen regulatorischen Anforderungen. Der Handel mit standardisierten OTC-Derivaten ist sicherer geworden, weil Ansteckungsgefahren reduziert werden. Allerdings können die zentralen Gegenparteien selbst so groß werden, dass sich dort möglicherweise systemische Risiken bilden. Fiele eine solche zentrale Gegenpartei aus, könnte die Finanzmarktstabilität Schaden nehmen.

Um diesen Risiken adäquat zu begegnen, hat die Europäische Kommission im November 2016 den Entwurf einer Verordnung zur Sanierung und Abwicklung für zentrale Gegenparteien veröffentlicht. Mit dem neuen Regelwerk werden im Wesentlichen die internationalen Empfehlungen des CPMI-IOSCO (Committee on Payments and Market Infrastructures – International Organization of Securities Commissions) zur Sanierung und vom Finanzstabilitätsrat (Financial Stability Board – FSB) zur Abwicklung von zentralen Gegenparteien umgesetzt. Der Verordnungsentwurf der Europäischen Kommission soll sicherstellen, dass auch im Sanierungs- und Abwicklungsfall die für den Finanzmarkt kritischen Funktionen der zentralen Gegenpartei aufrechterhalten werden. Die Verhandlungen auf europäischer Ebene zur endgültigen Ausgestaltung der Verordnung haben im Februar 2017 begonnen.

Der Verordnungsentwurf enthält zum einen Regelungen zu Sanierungs- und Abwicklungsmaßnahmen, die das Glattstellen offener Positionen und den Ausgleich ungedeckter Verluste ermöglichen, die sonst beim Ausfall von Clearing-Mitgliedern entstehen können (Default Losses). Zum anderen werden Regelungen vorgeschlagen, mit denen über Sanierungs- und Abwicklungsmaßnahmen auch Verluste ausgeglichen werden, die durch den operativen Betrieb einer zentralen Gegenpartei entstehen können (Non-Default Losses).

Überprüfung von EMIR

Daneben veröffentlichte die EU-Kommission einen Bericht zur EMIR, in dem sie Stellungnahmen von Marktteilnehmern zur Implementierung der Verordnung bewertet. Zugleich stellte die Kommission Maßnahmen in Aussicht, um bestehende Anforderungen insbesondere für sogenannte nichtfinanzielle Gegenparteien (also andere Unternehmen als Banken, Versicherungen oder Fondsgesellschaften) zu vereinfachen und effizienter zu gestalten und unverhältnismäßig hohe Kosten und Belastungen zu verringern.

Der Bericht geht auf verschiedene Felder der EMIR-Regulierung ein. So wird zum Beispiel die Frage aufgeworfen, ob die Schwellenwerte, ab denen für nichtfinanzielle Gegenparteien höhere gesetzliche Anforderungen gelten, angemessen sind. Weiter geht es darum, ob es bei den Meldungen solcher Derivategeschäfte an Transaktionsregister in jedem Fall notwendig ist, dass beide beteiligten Parteien jeweils einen Datensatz melden. Aufgrund verschiedener Faktoren ist es gerade für kleinere Unternehmen, die der Clearingpflicht unterliegen, schwierig, einen Zugang zu einer zentralen Gegenpartei tatsächlich zu erhalten, um dieser gesetzlichen Pflicht auch nachkommen zu können. Dies kann beispielsweise daran liegen, dass diese Unternehmen aufgrund ihrer geringen Größe darauf angewiesen sind, ein sogenanntes Clearing Member einzuschalten. Diese sind Banken und unterliegen der Capital Requirements Regulation(CRR)2. Danach sind für solche Dienstleistungen relativ hohe Kapitalunterlegungspflichten vorgesehen, so dass sich diese Dienstleistung gerade bei nur kleinen Kunden nicht rechnet. Im Bereich der Aufsicht über Zentrale Kontrahenten erwägt die Kommission zusätzliche Transparenzanforderungen, um prozyklische Effekte bei der Stellung von Sicherheiten an einen Zentralen Kontrahenten zu vermeiden und damit zu verhindern, dass das Clearing über Zentrale Kontrahenten in Krisensituationen zu einem zusätzlichen Druck auf die Banken beiträgt.

Der EMIR-Review hatte 2015 mit einer Konsultation der Kommission begonnen. Nachdem erste Diskussionen mit den Mitgliedstaaten durchgeführt worden sind, werden erste Gesetzgebungsvorschläge im ersten Halbjahr 2017 erwartet.

Besicherungspflicht für nicht zentral abgewickelte Kontrakte

Die Delegierte Verordnung zu Risikominderungstechniken für nicht standardisierte OTC-Derivate3 trat am 4. Januar 2017 in Kraft.4 Den zugrunde liegenden Technischen Regulierungsstandard hatten die drei europäischen Aufsichtsbehörden (European Supervisory Authorities – ESAs) gemeinsam entwickelt.

Europäische Regelungen

Bereits 2012 hatte die EU in der EMIR unter anderem Mindestanforderungen an das Risikomanagement und die Transparenz bei Transaktionen von OTC-Derivaten festgelegt. So fordert Artikel 11 Absatz 3 EMIR für OTC-Derivate, die nicht von einer zentralen Gegenpartei (Central Counterparty – CCP) gecleart werden, Risikomanagementverfahren, die einen rechtzeitigen und angemessenen Austausch von Sicherheiten vorschreiben.

Die Delegierte Verordnung präzisiert diese Vorschrift und orientiert sich dabei auch an den Prinzipien des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht BCBS (Basel Committee on Banking Supervision) und der Internationalen Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden IOSCO (International Organization of Securities Commissions), um ein Maximum an internationaler Harmonisierung und Konsistenz sicherzustellen. Sie enthält zum einen Anforderungen an Risikomanagementverfahren, die einen rechtzeitigen und angemessenen Austausch von Sicherheiten ermöglichen. Zum anderen regelt sie die Verfahren, welche die Gegenparteien und die zuständigen Behörden bei der Freistellung gruppeninterner Geschäfte von der Besicherungspflicht zu beachten haben, und legt die Kriterien fest, die dazu erfüllt sein müssen.

Besicherungsarten

Als Besicherungsinstrumente hat sich die EU für Einschusszahlungen in Form von Nachschüssen (Variation Margin) und Ersteinschusszahlungen (Initial Margin) entschieden. Die Variation Margin dient dabei dem regelmäßigen Ausgleich von laufenden Wertschwankungen der Derivatekontrakte. Die Initial Margin hingegen soll aktuelle und künftig zu erwartende Wertschwankungen in der Zeit zwischen der letzten Entgegennahme von Einschusszahlungen und der Veräußerung von Positionen abdecken. Um die Initial Margin zu berechnen, können Kontrahenten einen Standardansatz oder ein internes Modell nutzen. Die Delegierte Verordnung enthält sowohl Anforderungen an diese Modelle als auch an den Zeitpunkt, zu dem Sicherheiten gestellt werden.

Außerdem definiert diese Regelung, welche Vermögensgegenstände als Sicherheiten in Frage kommen. Des Weiteren enthält sie Vorschriften zur Bewertung dieser Gegenstände und den dazugehörigen Sicherheitsabschlägen (Haircuts). Sie thematisiert darüber hinaus die Anforderungen zur Abgrenzung (Segregation) von Ersteinschusszahlungen. Und sie verlangt, dass die sicherungsnehmende Gegenpartei Ersteinschusszahlungen, die sie als Sicherheit entgegengenommen hat, nicht weiterverpfänden oder anderweitig wiederverwenden darf. Konzentrationsgrenzen für entgegengenommene Ersteinschusszahlungen sollen darüber hinaus sicherstellen, dass es eine ausreichende Auswahl an einzelnen Emittenten, Arten von Emittenten und Anlageklassen gibt.

Anwendungsbereich

Die Anforderungen gelten für finanzielle Gegenparteien, zu denen unter anderem Banken und Versicherungsunternehmen zählen, und für nicht-finanzielle Gegenparteien, die die Clearingschwelle gemäß Artikel 10 EMIR überschreiten. Um die Verhältnismäßigkeit zu wahren, definiert die Delegierte Verordnung bestimmte Schwellenwerte auf Gruppenebene, unter denen bestimmte Anforderungen nicht greifen. Zudem enthält sie Produktausnahmen.

Darüber hinaus kann die zuständige Aufsichtsbehörde unter bestimmten Voraussetzungen OTC-Derivate von der Besicherungspflicht ausnehmen, die zwischen Kontrahenten derselben Gruppe bestehen.

Beginn der Besicherungspflicht

Für Marktteilnehmer mit einem Nominalvolumen nicht zentral abgewickelter OTC-Derivate von über drei Billionen Euro besteht seit dem 4. Februar 2017 die Pflicht, Initial und Variation Margin auszutauschen. Kontrahenten mit geringeren Volumina hatten dank einer schrittweisen Einführung der Regelungen mehr Zeit, sich auf deren Anwendung vorzubereiten. Die Variation-Margin-Pflicht gilt für sie seit dem 1. März 2017. Die Verpflichtung zum Austausch von Initial Margin erfolgt in vier weiteren Schritten, beginnend am 1. September 2017.

Ausblick

Eine gemeinsame Arbeitsgruppe von BCBS und IOSCO (Monitoring-Gruppe) beschäftigte sich 2016 mit der Frage, welche Probleme bei der nationalen Umsetzung der globalen Besicherungsstandards auftreten können. Sollte sie gravierende Widersprüche bei der Implementierung feststellen, kann sie mittelfristig Änderungen an den weltweiten Standards vorschlagen.

Auch auf europäischer Ebene ist eine einheitliche Anwendung sicherzustellen. Die drei europäischen Aufsichtsbehörden beabsichtigen hierzu Fragen und Antworten zur Delegierten Verordnung zu entwickeln und zu veröffentlichen.

Fußnoten:

Fanden Sie den Beitrag hilfreich?

Wir freuen uns über Ihr Feedback

Es hilft uns, die Webseite kontinuierlich zu verbessern und aktuell zu halten. Bei Fragen, für deren Beantwortung wir Sie kontaktieren sollen, nutzen Sie bitte unser Kontaktformular. Hinweise auf tatsächliche oder mögliche Verstöße gegen aufsichtsrechtliche Vorschriften richten Sie bitte an unsere Hinweisgeberstelle.

Wir freuen uns über Ihr Feedback