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Thema Risikomanagement Interne Modelle in der Versicherungswirtschaft

Beitrag aus dem Jahresbericht 2016 der BaFin

Laufende Aufsicht über interne Modelle unter Solvency II

Interne Modelle gehören zu den wesentlichen Neuerungen des Aufsichtssystems Solvency II, das zum 1. Januar 2016 in Kraft getreten ist. Die BaFin hat einer Reihe von Versicherungsunternehmen auf Antrag genehmigt, ihre Solvabilitätskapitalanforderung mit eigens dazu entwickelten Risikomodellen zu berechnen, anstatt die einheitlich vorgegebene Standardformel zu verwenden. Insgesamt 36 interne Modelle von Einzelunternehmen hat die BaFin bis Ende 2016 genehmigt. Ihr Branchenanteil verdeutlicht die Bedeutung interner Modelle (siehe Tabelle „Genehmigte interne Modelle“). Daneben verwenden fünf deutsche Versicherungsgruppen ein internes Modell zur Berechnung der Gruppen-Solvabilitätskapitalanforderung.

Tabelle 7 Genehmigte interne Modelle

Stand: 31.12.2016

Genehmigte interne Modelle

Tabelle: Genehmigte interne Modelle * Als Volumengröße wurden die technischen Rückstellungen gemäß Solvabilitätsübersicht verwendet. Quelle: BaFin Genehmigte interne Modelle

Modelle in der laufenden Aufsicht

Die Genehmigungen waren jeweils das Ergebnis eines sechsmonatigen Entscheidungsverfahrens, dem zum Teil eine mehrjährige Vorantragsphase mit einer Vielzahl von örtlichen Prüfungen vorausgegangen war. Mit der Genehmigung bestätigte die BaFin den Versicherungsunternehmen, dass sie – zum Zeitpunkt der Antragstellung – die einschlägigen gesetzlichen Anforderungen erfüllten.

Das Leistungsvermögen eines internen Modells ändert sich – etwa mit dem Risikoprofil des Unternehmens. Dieses wiederum hängt von zahlreichen unternehmensinternen und -externen Faktoren ab. Aber auch nach der Genehmigung muss das interne Modell dauerhaft in ausreichendem Maße leistungsfähig sein. Um das zu gewährleisten, muss die BaFin im Überprüfungsverfahren gemäß § 294 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) regelmäßig prüfen, ob die Unternehmen mit einem internen Modell die einschlägigen Vorgaben (§§ 111–121 VAG) fortlaufend einhalten.

Noch 2015 hat die BaFin diesen Teil des aufsichtlichen Überprüfungsverfahrens, die laufende Aufsicht über interne Modelle, konzipiert. Seit Beginn des Jahres 2016 gestaltet die Behörde dieses Konzept nach und nach im Kontakt mit den Unternehmen aus. Dabei werden unter anderem individuelle Vereinbarungen zum regulären Austausch von Informationen zum internen Modell getroffen.

Modelländerungen

Wesentlicher Bestandteil der laufenden Aufsicht ist die Überprüfung von Modelländerungen. Fast alle Unternehmen stellten bereits 2016, im ersten Jahr nach der Erstgenehmigung, einen Antrag auf Genehmigung von größeren Anpassungen ihres internen Modells und zeigten darüber hinaus kleinere Änderungen an. Die Bearbeitung von Modelländerungen nahm einen unerwartet großen Raum in der laufenden Aufsicht ein. Das lässt sich einerseits auf die umfangreichen Nacharbeiten der Unternehmen zurückführen, die noch in direktem Zusammenhang mit den Erstgenehmigungen standen. So haben die Versicherer geringfügige Mängel beseitigt, Modellverbesserungen umgesetzt, die sie aufgrund der Antragstellung aufgeschoben hatten, und den beschränkten Anwendungsbereich des internen Modells erweitert. Andererseits machte auch die Dynamik des (Kapital-) Marktumfeldes Modelländerungen erforderlich. Aus Zeitgründen war es nicht in allen Fällen möglich, die Entscheidung im formalen Antragsverfahren durch eine Vorantragsphase vorzubereiten.

Umfassende laufende Aufsicht

Die Überprüfung von Modelländerungen allein griffe jedoch viel zu kurz. Für ein umfassendes Urteil darüber, ob die Versicherer die geltenden Anforderungen einhalten, muss die BaFin ebenso prüfen, ob die Entscheidung des Unternehmens angemessen gewesen ist, das Modell in den übrigen Bereichen ohne Änderung zu bestätigen. Entsprechend weit muss die laufende Aufsicht über interne Modelle gefasst sein.

Kongruente Anforderungen an Unternehmen und Aufsicht

Eine effiziente laufende Aufsicht baut auf den gewonnenen Modellkenntnissen und Erfahrungen (aktuell im Wesentlichen aus den Prüfungen der Vorantrags- und Antragsphase) auf und zieht größtmöglichen Nutzen aus den Ergebnissen der mit genehmigten unternehmensinternen Prozesse und Analysen, welche die Modellweiterentwicklung bestimmen. Der Gesetzgeber hat dementsprechend den oben genannten Auftrag an die Aufsicht und die Anforderungen gemäß § 120 Absatz 1 VAG an die Versicherer zur regelmäßigen Validierung ihres Modells weitgehend kongruent gestaltet.

In der Validierung überprüfen die Unternehmen selbst ihr Modell auf Schwachstellen und identifizieren den bestehenden Anpassungsbedarf. Der Aufsicht gegenüber geben sie eine detaillierte Selbsteinschätzung ab, was die Einhaltung der rechtlichen Anforderungen angeht. Auch machen sie der BaFin gegenüber ihre Entscheidungen zur Änderung bzw. Nichtänderung des Modells transparent. Die mindestens jährliche Berichterstattung der Unternehmen zur Validierung ist daher für die BaFin ein zentraler Aufsatzpunkt für die laufende Aufsicht. Sie muss die Ergebnisse nachvollziehen und kritisch hinterfragen.

Breite Informationsgrundlage

Die Aufsicht muss detaillierte Kenntnis nicht nur des internen Modells dauerhaft sicherstellen, sondern auch – und insbesondere modellunabhängig – des Risikoprofils und des Risikomanagementsystems des Unternehmenns. Erkenntnisse dazu liefern – neben eigenen Erhebungen – beispielsweise der Bericht über die unternehmenseigene Risiko- und Solvabilitätsbeurteilung (Own Risk and Solvency AssessmentORSA), der regelmäßige aufsichtliche Bericht (Regular Supervisory Report – RSR) und die Formblätter der quantitativen Berichterstattung. Ergänzend dazu hat die BaFin mit den einzelnen Versicherern individuell ein Paket regelmäßig einzureichender Informationen zur Kalibrierung ihres Modells vereinbart.

Quervergleich: Ein vielversprechendes Instrument

Die BaFin hat 2016 begonnen, die erstmals im Laufe des Jahres von den Unternehmen regulär nach Solvency II übermittelten Informationen auszuwerten. Die Ergebnisse spezifischer Analysen, die im Rahmen der laufenden Aufsicht zu einzelnen Aufsichtsobjekten durchgeführt werden, erörtert die BaFin übergreifend und ordnet sie im Quervergleich ein. Solche Vergleichsanalysen können wertvolle Erkenntnisse für das einzelne Aufsichtsobjekt liefern, beispielsweise wenn es gilt, unternehmensindividuelle Ergebnisausprägungen im Vergleich zur Branche einzuschätzen. Ebenso interessant können diese Analysen für die gesamte Branche sein, etwa wenn sich methodische Ansätze zur Risikomessung oder Bewertung weiterentwickeln. Zudem tragen sie zu einer konsistenten aufsichtlichen Beurteilung und Vorgehensweise bei und berücksichtigen auch makroprudenzielle Perspektive.

Die BaFin beteiligt sich auch an den europaweiten Vergleichsstudien der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung EIOPA (European Insurance and Occupational Pensions Authority). Die Marktrisiko-Benchmark-Studie 2016 und die beiden Studien zur Abbildung der dynamischen Volatilitätsanpassung bzw. der Risiken aus Staatsanleihen werden im Laufe des Jahres abgeschlossen.

Effizienz

Nicht nur den Kritikern interner Modelle ist deren hohe – wenn auch in gewissem Maß geforderte – Komplexität und Individualität bewusst. Entscheidend sind aber die Chancen und neuen Möglichkeiten, die sich für die Aufsicht aus der Überwachung dieses maßgeschneiderten Risikomanagementwerkzeugs ergeben.

Die laufende Modellaufsicht – und auch die fortlaufende Modellweiterentwicklung – ist unumstritten aufwendig und anspruchsvoll. Für Aufsicht und Unternehmen kommt es darauf an, den Informationsaustausch und die damit verbundenen Prozesse möglichst effizient und effektiv auszugestalten – und dabei alle rechtlichen Anforderungen einzuhalten. Das gilt auch und vor allem in Anbetracht begrenzter Ressourcen. Es gilt, die in der Praxis gewonnene Erfahrung – etwa zu den ineinandergreifenden Prozessen der Modellvalidierung und -änderung – zu nutzen und Verbesserungspotenziale zu identifizieren. Eine effiziente und effektive laufende Aufsicht trägt langfristig zum Erfolg und zur Akzeptanz interner Modelle am Markt bei.

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