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Thema Risikomanagement Risikomodelle im Bankensektor

Beitrag aus dem Jahresbericht 2016 der BaFin

Noch vor zwei Jahren konnte in der öffentlichen Diskussion über Bankensteuerung und -regulierung der Eindruck entstehen, es sollte allen Modellen an den Kragen gehen. Gefragt waren einfache Regeln, die bei allen Banken zu vergleichbaren Ergebnissen führen sollten. Dies schien nur mit Standardansätzen erreichbar zu sein.

Doch ebenso wenig wie man bei der Wettervorhersage auf modellgestützte Prognosen verzichten kann, kommen Banken und Aufsicht ohne Modelle aus. Im Gegenteil: Die jüngsten Entwicklungen, etwa zum Rechnungslegungsstandard IFRS 91 zeigen, dass die Nutzung von Modellen auch außerhalb ihres ursprünglichen Einsatzgebietes weiter steigt.

Entscheidend ist vielmehr, dass sie nur dann zum Einsatz kommen, wenn es eine ausreichenden Prognosegrundlage gibt, der Empfänger von Modellergebnissen um deren Grenzen weiß und die damit verbundenen Risiken und Beschränkungen berücksichtigt werden.

Beide Aspekte standen im Jahr 2016 im Fokus von zwei wesentlichen Entwicklungen: Die Reform des Baseler Regelwerks zu Internen Modellen befindet sich auf der Zielgeraden. Und im Einheitlichen Aufsichtsmechanismus SSM haben 19 nationale Aufsichtsbehörden zusammen mit der EZB das Projekt TRIM (Targeted Review of Internal Models) aufgesetzt.

Über die aktuellen Ergebnisse bzw. vorläufigen Zwischenstände wird im Folgenden berichtet.

Reform des Baseler Regelwerkes zu internen Modellen

Die erste Zulassung interner Modelle für Marktrisiken 1996 im Market Risk Amendment zum Baseler Regelwerk und 2004 für Kredit- und operationale Risiken im Regelwerk Basel II hat dazu geführt, dass die Banken die Qualität der zu modellierenden Daten und ihre Risikomanagement-Prozesse wesentlich verbessert haben, um eine ausreichende Basis für die Modellierung und die aufsichtliche Genehmigung der Risikomodelle zu schaffen. Viele Kreditinstitute haben sich seitdem in oft jahrelangen Projekten auf die Prüfung dieser Modelle vorbereitet. Umgekehrt haben die internen Modelle dazu beigetragen, das Risikomanagement zu verbessern, nämlich durch eine intensive Risikoanalyse, qualitativ hochwertige Daten, eine dem Risikoprofil angemessene Risikomessung und entscheidungsorientierte Risikoberichte. Wichtigste Voraussetzung hierfür war und ist die Risikosensitivität der eingesetzten Modelle.

In den vergangenen Jahren jedoch stand nicht die Angemessenheit des internen Modells für das einzelne Institut im Fokus, sondern die Vergleichbarkeit von Modellergebnissen über Institute hinweg. Interne Modelle wurden als mögliche Quelle einer nicht gewünschten Variabilität von Kapitalanforderungen gesehen.

Spannbreite durch Ausreißer bestimmt

Prinzipiell haben einige internationale und europäische Vergleichsstudien gezeigt, dass für die allermeisten untersuchten Banken die Bandbreite der ermittelten risikogewichteten Aktiva in einem durchaus akzeptablen Rahmen liegt. Die in der Tat zu beobachtende Spannbreite wird vor allem durch wenige Ausreißer bestimmt, und insgesamt ist ein großer Teil der Unterschiede auf die unterschiedlichen Risiken der Banken zurückzuführen.2

Der Basler Ausschuss arbeitet daran, die verbleibende unerwünschte Variabilität einzudämmen und das regulatorische Rahmenwerk für Banken – Basel III – entsprechend weiterzuentwickeln. Dabei bewegt sich der Ausschuss im Spannungsfeld der drei Ziele „risikosensitiv – einfach – vergleichbar“.

Nachdem der Basler Ausschuss im November 2015 einen Bericht über die Fortschritte bei der Weiterentwicklung des aufsichtlichen Regelwerkes nach der Finanzkrise publiziert hatte, veröffentlichte er im März 2016 ein Konsultationspapier zur Verringerung der Variabilität der risikogewichteten Aktiva im Kreditrisiko mittels Einschränkungen bei der Nutzung interner Modelle. Die darin enthaltenen Vorschläge basieren auf einer Analyse der Verwendbarkeit interner Modelle zur regulatorischen Kapitalberechnung anhand verschiedener Kriterien wie der Datenverfügbarkeit sowie der Modellierungstechnik und Validierung.

Das Konsultationspapier umfasst Vorschläge zu folgenden Bereichen:

  • Abschaffungen bzw. Einschränkungen der Möglichkeiten zur Verwendung des internen ratingbasierten Ansatzes (Internal Ratings-Based Approach – IRBA) für einzelne Portfolien für die regulatorische Kapitalberechnung
  • Einführung von Untergrenzen auf Positionsebene für einzelne Modellparameter für die Portfolien, in denen der IRBA angewandt werden darf
  • Spezifikationen und Vorgaben für die Parameterschätzungen im IRBA mit dem Ziel, die Variabilität aufgrund unterschiedlicher Vorgehensweisen zu verringern

Das Papier kündigt zudem die wahrscheinliche Einführung eines Output Floors an, der eine Untergrenze für die regulatorische Kapitalberechnung auf Basis der jeweiligen Standardansätze darstellen soll. Über das Design und die Kalibrierung dieses Floors wird noch verhandelt.3

Auswirkungsstudie

Parallel zum Konsultationspapier führte der Basler Ausschuss eine quantitative Auswirkungsstudie durch, um unter anderem beurteilen zu können, inwieweit die vorgeschlagenen Anpassungen vereinbar sind mit der Forderung der Gruppe der Zentralbankpräsidenten und Leiter der Bankenaufsichtsinstanzen (Group of Central Bank Governors and Heads of Supervision – GHOS), das regulatorische Kapital durch die Anpassungen nicht signifikant zu erhöhen.

Die Vorschläge des Konsultationspapiers sind auf Basis der zusätzlichen Informationen aus der Auswirkungsstudie und den Diskussionen im Jahr 2016 in Teilen angepasst worden. Die Arbeiten sind bereits weit fortgeschritten, allerdings noch nicht abgeschlossen. Deutsche Banken setzten im internationalen Vergleich relativ viele interne Modelle ein. Der Aufmerksamkeitsgrad der deutschen Aufsicht in diesem Punkt ist daher sehr hoch. Die Anforderungen der Modell-Experten von BaFin und Deutscher Bundesbank an die regelkonforme und professionelle Nutzung interner Modelle in den Banken bewegen sich qualitativ am oberen Ende des regulatorischen Rahmens – wobei selbstverständlich das Proportionalitätsprinzip beachtet wird.

Risikosensitivität als Prinzip

Die BaFin ist in den Baseler Verhandlungen zu den internen Modellen stark engagiert und vertritt die Ansicht, dass eine Einschränkung der Anwendung interner Modelle für die regulatorische Kapitalberechnung in Einzelfällen durchaus sinnvoll ist, dass aber die Risikosensitivität als regulatorisches Prinzip nicht aufgegeben werden solle. BaFin und Bundesbank legen daher großen Wert darauf, die wesentlichen Errungenschaften der internen Modelle zu erhalten.

Interne Modelle sind kein Selbstzweck, sie sollen das Risikomanagement eines Instituts stärken. Im Ergebnis ist mit der Einführung interner Modelle die Qualität der Informationen, die für die Steuerung einer Bank zur Verfügung stehen, erheblich gestiegen. Alternative nicht-risikosensitive Ansätze können zu Fehlanreizen führen und bergen damit das Risiko einer Fehlsteuerung.

Daher sollten Risikosensitivität und die Anforderungen an Risikomanagementprozesse nicht dem Streben nach Vereinheitlichung und Einfachheit geopfert werden. Das Regelwerk sollte so einfach wie möglich sein, aber eben nicht einfacher, denn nur so kann es der Komplexität der Produkte und Risikoprofile gerecht werden.

SSM-Projekt TRIM

Das übergreifende Ziel von TRIM (Targeted Review of Internal Models) besteht darin, das seit der Finanzkrise stark erschütterte Vertrauen in die Nutzung von Modellen zur Risiko- und Kapitalbedarfsrechnung wiederherzustellen. Zugleich sollen gleiche Risiken im Vergleich der Modellebanken auch zu gleichen Kapitalanforderungen führen und die Aufsicht über diese Modelle innerhalb des SSM vereinheitlicht und gestärkt werden.

Schwerpunkte

Das Baseler Regelwerk und seine Umsetzung durch die europäische Kapitaladäquanzverordnung (Capital Requirements RegulationCRR) sind bereits sehr umfangreich. Die EBA hat diesen Texten weitere zahlreiche Konkretisierungen und Auslegungen hinzugefügt. Trotzdem interpretieren die Länder, bedingt durch nationale Besonderheiten, das Regelwerk unterschiedlich und haben unterschiedliche Aufsichtspraktiken entwickelt. Zugleich stehen die Banken angesichts der komplexen Regulierung vor Herausforderungen und fragen nach Orientierung. Eine wesentliche Harmonisierungsaufgabe im SSM besteht also darin, diese Unterschiede zu erkennen, die ihnen zugrundeliegenden nationalen Besonderheiten zu verstehen und – wo möglich – einheitliche Herangehensweisen zu finden.

Im Projekt TRIM wird daher nicht die breite Themenpalette einer Modelleprüfung betrachtet, vielmehr stehen gezielt ausgewählte Themen im Mittelpunkt und geben dem Projekt seinen Namen: „Targeted Review of Internal Models“. Ein Projekt dieser Größenordnung an der Verbindungsstelle zwischen aufsichtlichem Regelwerk und Aufsichtspraxis muss eng mit der Entwicklung regulatorischer Reformen, laufender Modelleaufsicht und regulären Modelleprüfungen verzahnt werden.

Projektverlauf

Im Jahr 2016 haben verschiedene Arbeitsgruppen die in TRIM zu behandelnden Themenfelder identifiziert und dazu jeweils gemeinsame „aufsichtliche Erwartungen“ an Banken sowie Leitlinien und Instrumente für Prüfer formuliert. Diese Anforderungen bewegen sich im vorgegebenen regulatorischen Rahmen.

Die „aufsichtlichen Erwartungen“ bilden die Grundlage für das TRIM-Projekt und den Austausch mit den Banken. Im Laufe des Projekts werden sie mit den Erfahrungen aus Aufsichtsgesprächen und Prüfungen angereichert und gegen Ende des Projektes nach einer Konsultation final durch den Supervisory Board des Einheitlichen Aufsichtsmechanismus SSM beschlossen, in dem auch die BaFin vertreten ist.

Der Austausch mit den Banken hat 2016 mit themenbezogenen Umfragen und Aufsichtsgesprächen begonnen und wird 2017/18 mit dem Abschluss der Aufsichtsgespräche und Modelleprüfungen zu den ausgewählten Themen fortgesetzt.

Fazit und Ausblick

Die aktuell zur Entscheidung stehenden Änderungen im Baseler Regelwerk führen nicht zum befürchteten Kahlschlag bei internen Modellen, sondern werden voraussichtlich interne Modelle in den Bereichen zulassen, in denen durch ausreichende Daten und Informationen eine Prognose und deren Überprüfung möglich sind.

Ein Grundanliegen beim Baseler Regelwerk war es, mit internen Modellen einen risikosensitiven Ansatz für die Ermittlung des Eigenkapitals zuzulassen, der – gerade wegen der Risikosensitivität – auch für das Risikomanagement genutzt werden kann. Diesem Anliegen würde nach wie vor Rechnung getragen, wenn auch der oben genannte Output Floor die Vorteile interner Modelle bei der Ermittlung des Eigenkapitalbedarfs einschränken könnte.

Das Projekt TRIM leistet einen wesentlichen Beitrag zur einheitlichen Interpretation und Umsetzung dieser Regeln. Dabei stellt TRIM besonders hohe Ansprüche an die regelmäßige und umfassende Validierung der Modelle und an Tauglichkeitstests durch qualifiziertes, durchsetzungsstarkes und ausreichendes Personal in den Banken.

Zudem stellt TRIM einen wichtigen Schritt zu einer integrierten und harmonisierten Aufsicht über Interne Modelle im SSM dar, bei der die nationalen Aufsichtsbehörden die Vorteile ihrer Nähe zu den Instituten und ihre langjährige Erfahrung mit den Besonderheiten ihres Bankensystems nutzen können.

Die hier vorgestellten Entwicklungen werden höhere Anforderungen an den Einsatz von internen Modellen zur Folge haben, was das gerechtfertigte Vertrauen in die Modelle weiter stärken wird. Die verschärften Anforderungen dürfen aber nicht auf interne Modelle zur Berechnung der Eigenkapitalanforderungen beschränkt bleiben, sondern müssen in gleicher Weise auch für alle anderen in einer Bank eingesetzten Modelle gelten.

Fußnoten:

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