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Thema Maßnahmen Meinung: Béatrice Freiwald zu Sanktionen und Maßnahmen

Beitrag aus dem Jahresbericht 2016 der BaFin

Aufsichtliche Maßnahmen, welche die BaFin zum Zweck der Gefahrenabwehr erlässt, und Bußgelder, die den Adressaten zur Einhaltung seiner gesetzlichen Pflichten ermahnen sollen, werden oft in einen Topf geworfen und als Sanktionen bezeichnet. Die Gründe dafür liegen auf der Hand, assoziiert man doch im nichtjuristischen Sprachgebrauch mit dem Begriff „Sanktion“ jegliche aufsichtliche Reaktion auf ein pflichtwidriges Verhalten. Es besteht offenbar der Eindruck, dass die Aufsicht immer dann sanktioniert, wenn Aufsichtsrecht nicht eingehalten wird. Ein solch pauschales Begriffsverständnis wird dem komplexen deutschen Recht jedoch nicht gerecht.

Besondere Gewerbeaufsicht über natürliche und juristische Personen

Die BaFin übt neben der Marktaufsicht eine besondere Gewerbeaufsicht aus. Auch wenn der Gesetzgeber ihr im Laufe der Jahre viele weitere Aufgaben übertragen hat, geht es nach wie vor in der täglichen Aufsichtspraxis um die zentrale Frage, ob Maßnahmen1 zu ergreifen sind, um die Solvenz von Banken und Versicherungsunternehmen zu gewährleisten oder die Integrität und Transparenz des Finanzmarktes bzw. die Verbraucher2 zu schützen. Und falls ja, stellt sich die Anschlussfrage, welche Maßnahme im konkreten Einzelfall erforderlich und angemessen ist, um dieses Ziel zu erreichen.

Der BaFin steht ein umfassender Katalog von Maßnahmen zur Verfügung, der in den jeweiligen Fachgesetzen, etwa dem Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG), dem Kreditwesengesetz (KWG) und dem Wertpapierhandelsgesetz (WpHG), niedergelegt ist. Dieser Katalog erlaubt es der BaFin, Maßnahmen sowohl gegenüber juristischen Personen (Unternehmen) als auch natürlichen Personen zu ergreifen. Sie kann etwa gegenüber einem Kreditinstitut erhöhte Eigenkapitalanforderungen festsetzen, wenn dessen Solvenzrisiken durch das vorhandene Eigenkapital nicht hinreichend abgedeckt werden. Sie kann ferner Geschäftsleiter verwarnen und deren Abberufung verlangen, wenn diese als nicht hinreichend fachlich geeignet oder als unzuverlässig im aufsichtlichen Sinne anzusehen sind. Vergleichbares gilt für Aufsichtsräte und Personen mit Schlüsselaufgaben in Versicherungsunternehmen (§ 24 VAG) und Anlageberater (§ 34d WpHG).

Eingriffe in die Rechte der Aufsichtsadressaten

Jeder Eingriff in die Rechte der beaufsichtigten Unternehmen und natürlichen Personen bedarf einer ausreichenden gesetzlichen Ermächtigung. Der Eingriff selbst erfolgt regelmäßig in Form eines Verwaltungsaktes und grundsätzlich erst nach vorheriger Anhörung des Adressaten. Richtet sich die Maßnahme ausnahmsweise nicht gegen einen einzelnen Adressaten, sondern einen bestimmbaren Adressatenkreis, kann sich die BaFin der Allgemeinverfügung bedienen, wie jüngst im Rahmen der Anhörung zur Beschränkung des Vertriebs von finanziellen Differenzgeschäften (CFDs) geschehen.3 Will sie darüber hinaus eine Vielzahl von Sachverhalten allgemeinverbindlich regeln, kann sie in bestimmten gesetzlich vorgesehenen Fällen Rechtsverordnungen erlassen.

Maßnahmen erfolgen in der Regel präventiv zum Zwecke der Gefahrenabwehr

Weit überwiegend wird die BaFin präventiv zum Zweck der Gefahrenabwehr tätig. Um eine Gefahrenlage zunächst festzustellen, kann sie neben der Durchführung turnusmäßiger Aufsichtsgespräche und Prüfungen Auskünfte verlangen, sich Unterlagen vorlegen lassen und Prüfungen aus besonderem Anlass anordnen. Nicht selten werden im Rahmen solcher Gefahrerforschungseingriffe Organisationsmängel festgestellt, und die BaFin fordert das betroffene Unternehmen im Anschluss zur Abhilfe auf – zunächst auf nicht förmliche Weise. Meist leisten die Unternehmen den informellen Aufforderungen der BaFin Folge.

Es kommt aber auch vor, dass die BaFin mit Blick auf die Gefahrenabwehr förmlich einschreiten muss. Dann ordnet sie gegenüber einem Unternehmen an, in einer bestimmten Weise zu handeln oder etwas zu unterlassen, trifft Anordnungen zu Mitgliedern der Organe (z.B. Verwarnung oder Abberufungsverlangen) oder solche, die das weitere Betreiben der Geschäfte betreffen (z.B. Untersagung des Betreibens von Neugeschäften, Erlaubnisaufhebung, Abwicklungsanordnung). Auch diese Maßnahmen, die mitunter stark in die Rechte von Unternehmen bzw. Personen eingreifen, dienen dazu, Gefahren für das Finanzsystem, für Gläubiger, Verbraucher oder Versicherte abzuwenden.

BaFin kann Anordnungen mit Zwangsmitteln durchsetzen

Leisten die Adressaten den Anordnungen der Aufsicht nicht Folge, kann die BaFin gemäß § 17 Abs. 1 FinDAG – nach vorheriger Androhung – Zwangsmittel festsetzen. Das Zwangsgeld, das regelmäßig in Betracht kommt, kann bis zu 2,5 Mio. Euro betragen – für jede Nichtbefolgung. Obwohl Zwangsgelder auf den ersten Blick sanktionierende Elemente aufzuweisen scheinen, zählen sie nicht zu den repressiven Verwaltungsmaßnahmen, sollen sie doch lediglich die Verpflichtung einer natürlichen oder juristischen Person durchsetzen, etwas zu tun oder zu unterlassen.

Sofortige Vollziehbarkeit

Die große Bedeutung präventiv wirkender Gefahrerforschungs- und Gefahrenabwehrmaßnahmen der Aufsicht kommt insbesondere durch § 49 KWG, § 310 (2) VAG und verschiedene Normen des WpHG zum Ausdruck. Darin ordnet der Gesetzgeber an, dass Rechtsbehelfe gegen die dort genannten Maßnahmen und die damit im Zusammenhang stehenden Zwangsmittel keine aufschiebende Wirkung entfalten. Anders als sonst üblich, kann also die Durchsetzung derartiger Maßnahmen nicht allein durch die Einlegung eines Widerspruchs oder durch die Erhebung einer Anfechtungsklage verhindert oder verzögert werden. Wegen der vom Gesetzgeber anerkannten Dringlichkeit und Unaufschiebbarkeit kann die BaFin ihre Anordnungen vielmehr regelmäßig unverzüglich durchsetzen.

Prävention

Beim präventiven Aufsichtshandeln, das der Abwehr von Gefahren dienen soll, muss keine Pflichtverletzung vorliegen. Im besten Fall wird diese sogar vermieden. Zwar reagiert die BaFin auch auf Verstöße gegen aufsichtliche Pflichten – etwa gegen Meldepflichten – mit Maßnahmen, indem sie beispielsweise feststellt, dass die Geschäftsabläufe mangelhaft organisiert sind, und infolge dessen einen Kapitalaufschlag für die Abdeckung der daraus resultierenden Risiken anordnet, bis deren Ursachen beseitigt sind. Auch solche Maßnahmen dienen jedoch nicht der Ahndung der konkreten Verstöße, sondern der Abwehr daraus resultierender Gefahren.

vs. Repression

Von der Gefahrenabwehr zu unterscheiden ist die Möglichkeit der BaFin, bestimmte Verstöße gegen Pflichten aus den Aufsichtsgesetzen mit Geldbußen zu ahnden.4 Die Ahndung von Verstößen ist allein Aufgabe des – repressiv wirkenden – Ordnungswidrigkeitenrechts und des Strafrechts, das allerdings in die ausschließliche Zuständigkeit der Strafverfolgungsbehörden fällt.

Keine Geldbuße ohne Gesetz

Der in der Verfassung verankerte Grundsatz „keine Strafe ohne Gesetz - nulla poena sine lege“ gilt im Strafrecht und im Ordnungswidrigkeitenrecht (§ 3 OWiG). Daher kann die BaFin nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen Verstöße gegen Aufsichtsrecht mit Geldbußen ahnden. Infolge europarechtlicher Vorgaben ist der Katalog der Bußgeldtatbestände insbesondere im KWG und im WpHG in jüngster Vergangenheit deutlich ausgeweitet worden, was auch für den Bußgeldrahmen gilt.5 Ein solcher Rahmen bestimmt, wie hoch eine Geldbuße, die in jedem Einzelfall angemessen sein muss, maximal ausfallen darf. Grob vereinfacht heißt das, die Höhe eines Bußgelds soll mindestens den durch einen Verstoß erlangten wirtschaftlichen Vorteil überschreiten.6 Nach § 39 Abs. 4a Satz 2 Nr. 1 WpHG darf sie beispielsweise maximal, je nach Schwere des Verstoßes, bis zu 15 Mio. Euro bzw. 15 Prozent des Gesamtumsatzes einer juristischen Person oder Personenvereinigung betragen oder bis zum Dreifachen des aus dem Verstoß gezogenen wirtschaftlichen Vorteils.

Unterschiedliche Bedeutung des Begriffs „Sanktion“

Herkömmlich umfasst der Begriff „Sanktion“ im deutschen Aufsichtsrecht allein die Ahndung der in den Fachgesetzen festgelegten Ordnungswidrigkeiten. Andere Rechtsordnungen kennen diese Beschränkung nicht; sie fassen traditionell auch präventive Maßnahmen als Sanktionen auf. Das erschwert den Vergleich von Statistiken und führt immer wieder zu Missverständnissen. Während die BaFin ausschließlich Ordnungswidrigkeitenverfahren statistisch als Sanktionen erfasst, weisen andere Länder unter diesem Oberbegriff sämtliche oder zahlreiche belastende aufsichtliche Maßnahmen aus.

Kein Unwerturteil, sondern Pflichtenmahnung

Präventives und repressives Verwaltungshandeln können sich wegen desselben Verstoßes gegen ein und denselben Adressaten richten. Bei beiden handelt es sich aber nicht um disziplinarische Maßnahmen; weder soll ein Unwerturteil gefällt noch begangenes Unrecht vergolten werden. Mit präventivem Verwaltungshandeln soll ein drohender oder festgestellter Missstand mit Mitteln des Verwaltungsrechtes verhindert bzw. beseitigt werden (Gefahrenabwehr). Repressives Verwaltungshandeln sanktioniert einen Gesetzesverstoß durch Festsetzung eines Bußgeldes als nachdrückliche Pflichtenmahnung zur Beachtung der gesetzten Ordnung.

BaFin im internationalen Vergleich

Oft wird auch die Frage gestellt, ob die Bußgelder der BaFin im internationalen Vergleich nicht deutlich zu niedrig seien. Im anglo-amerikanischen Rechtssystem sind – anders als im deutschen – erhebliche Strafzahlungen oder Vergleichssummen in zwei- bis dreistelliger Millionenhöhe üblich, in Einzelfällen geht es auch um Zahlungen und Summen in Milliardenhöhe.

Will man die Höhe der Bußgelder miteinander vergleichen, muss man berücksichtigen, dass sich die Rechtstraditionen, gesetzlichen Rahmen und Bemessungsmethoden deutlich voneinander unterscheiden. Ein Bußgeld dient, wie oben beschrieben, der Pflichtenmahnung und enthält eben kein Unwerturteil. Zudem gibt es nach deutschem Recht keine Möglichkeit, ein Bußgeldverfahren ohne Feststellung des Verschuldens im Wege eines Vergleichs zu beenden, wie Aufsichtsbehörden in den USA oder Großbritannien dies gelegentlich praktizieren. Schwerwiegende Verstöße gegen Aufsichtsgesetze sind in Deutschland darüber hinaus oft als Straftatbestände definiert, die durch die zuständige Staatsanwaltschaft verfolgt werden, was eine gesonderte Verfolgung durch die BaFin ausschließt.

Unter anderem aus diesen Gründen waren die Bußgelder in der Vergangenheit vergleichsweise moderat. Allerdings hat der Europäische Gesetzgeber, wie oben erwähnt, nach der Finanzmarktkrise 2007/2008 nachgezogen.

Veröffentlichungspflichten

Aus Sicht der Adressaten stellen nicht nur die Maßnahmen selbst, sondern auch deren gesetzlich vorgesehene Veröffentlichung eine Belastung dar. Je nach Maßnahme kann eine solche Veröffentlichung durchaus erhebliche Auswirkungen haben und beispielsweise den Aktienkurs eines Unternehmens beeinflussen. Allerdings gibt es bei der Bekanntmachung aufsichtlicher Maßnahmen, etwa auf Grundlage von § 60b KWG, keinen Automatismus. Voraussetzung ist vielmehr regelmäßig, dass die Maßnahme bestandskräftig geworden ist, also nicht mehr mit Rechtsbehelfen angefochten werden kann.7 Außerdem ist bei namentlicher Nennung des Adressaten der Maßnahme sicherzustellen, dass keine Persönlichkeitsrechte verletzt werden, die Finanzmarktstabilität nicht erheblich gefährdet wird und kein unverhältnismäßig großer Schaden entsteht. Für die Veröffentlichung unanfechtbar gewordener Bußgeldentscheidungen gilt Entsprechendes.

BaFin handelt angemessen

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Gesetzgeber die BaFin mit zahlreichen präventiven, aber auch repressiven Befugnissen ausgestattet hat, welche die Aufsicht mit Bedacht und in angemessener Art und Weise anwendet. Die Adressaten derartiger Eingriffe können diese überprüfen lassen; Widerspruchs- und Klageverfahren ermöglichen eine behördliche und gerichtliche Kontrolle, und im Wege des einstweiligen Rechtschutzes können Sachverhalte innerhalb kurzer Zeit vorläufig gerichtlich entschieden werden. Tatsächlich reicht der Rechtsweg von den Verwaltungsgerichten 1. und 2. Instanz über das Bundesverwaltungsgericht bis hin zum Europäischen Gerichtshof. In Bußgeldsachen ist dagegen nach dem Einspruch der Zivilrechtsweg einschlägig.

Fazit

Strafzahlungen in Rekordhöhe wecken stets Neugier und Aufmerksamkeit. Anders als anglo-amerikanische Rechtsordnungen sieht die deutsche traditionell keine solchen Strafzahlungen vor, auch wenn die zur Verfügung stehenden Bußgeldrahmen inzwischen vergleichsweise hohe Bußgelder ermöglichen. Das bedeutet aber nicht, dass die deutsche Aufsicht weniger effizient ist. Sie ist eben nur weniger auffällig .

Fußnoten:

  1. 1 Zu Maßnahmen vgl. Maßnahmen und Bußgeldverfahren, Beanstandungen und Maßnahmen und Lage der Versicherer.
  2. 2 Mit dem Kleinanlegerschutzgesetz wurde der kollektive Verbraucherschutz als Aufgabe der BaFin gesetzlich fixiert.
  3. 3 Vgl. Anhörung zu Contracts for Difference
  4. 4Zu Bußgeldern vgl. Maßnahmen und Bußgeldverfahren, Bußgeldverfahren der BaFin und Bußgeldverfahren. Zu den neuen WpHG-Bußgeldleitlinien der BaFin vgl. Neue WpHG-Bußgeldleitlinien der BaFin.
  5. 5 Vgl. Beanstandungen und Maßnahmen, Neue WpHG-Bußgeldleitlinien der BaFin und BaFinJournal März 2017, Seite 15 ff.
  6. 6 Vgl. § 17 Abs. 4 OWiG.
  7. 7 Anders z.B. § 26b Vermögensanlagengesetz (VermAnlG) sowie Bekanntmachungen nach dem WpHG.

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