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Aufsicht über Beratung und Vertrieb im Wertpapiergeschäft

Beitrag aus dem Jahresbericht 2016 der BaFin

Mitarbeiter- und Beschwerderegister

Das Mitarbeiter- und Beschwerderegister (siehe Infokasten) ist ein probates Instrument des kollektiven Verbraucherschutzes. Es ermöglicht der BaFin, unmittelbar und kurzfristig zu kontrollieren, ob Wertpapierdienstleistungsunternehmen ihren Wohlverhaltenspflichten bei der Anlageberatung von Privatkunden nachkommen. Die Beschwerden, welche die Unternehmen der BaFin anzeigen müssen, sind für die Aufsicht nämlich ein Indikator für eventuelle Missstände (siehe Tabelle 4 „Zahl der angezeigten Beschwerden“).

Tabelle 4 Zahl der angezeigten Beschwerden1

Zahl der angezeigten Beschwerden

Tabelle: Zahl der angezeigten Beschwerden Quelle: BaFin Zahl der angezeigten Beschwerden

Mitarbeiter- und Beschwerderegister

Die Unternehmen, die Wertpapierdienstleistungen erbringen, müssen nach § 34d Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) ihre Anlageberater und Vertriebsbeauftragten sowie die Compliance-Beauftragten an das Mitarbeiter- und Beschwerderegister der BaFin melden. Bei Anlageberatern besteht die Besonderheit, dass der BaFin auch gemeldet wird, wenn sich Privatkunden im Zusammenhang mit deren Tätigkeit in der Anlageberatung beschweren.

Die BaFin wertet sie daher laufend auf Häufungen aus und untersucht die zugehörigen Beratungs- und Beschwerdedokumentationen.

Bei der Kontrolle liegt ein Schwerpunkt auf der Geeignetheit von ausgesprochenen Kauf-, Verkaufs- und Halteempfehlungen.

Aus den Mitarbeiteranzeigen (siehe Tabelle 5 „Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“) und deren Identifikationsnummern gewinnt die BaFin ein Bild über Fluktuationen in der Anlageberatung und im Vertrieb. Unternehmen dürfen Anlageberater und Vertriebsbeauftragte nur bei der BaFin anzeigen, wenn sie deren Sachkunde für die jeweilige Tätigkeit und die Zuverlässigkeit positiv festgestellt und dokumentiert haben. Erst nach der Anzeige dürfen die Mitarbeiter mit der Tätigkeit betraut werden.

Tabelle 5 Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter2

Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Die Tabelle zeigt die Anzahl der Mitarbeiter bei Banken, Finanzdienstleister und Zahlungsinstituten. Quelle: BaFin Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Ergeben sich anhand der Anzeigen im Register Zweifel an der Sachkunde oder Zuverlässigkeit eines Mitarbeiters oder fallen Mitarbeiter durch Verstöße gegen aufsichtsrechtliche Vorschriften auf, leitet die BaFin Ermittlungen ein und konfrontiert das Unternehmen und den Mitarbeiter mit dem Vorwurf. Meist ergreifen in solchen Fällen die Unternehmen von sich aus Konsequenzen – etwa indem sie den Mitarbeiter nachschulen, ihn nicht mehr in der anzeigepflichtigen Tätigkeit einsetzen oder ihm kündigen. Die BaFin kann den Unternehmen andernfalls den Einsatz des Mitarbeiters bis zwei Jahre untersagen. In Fällen, in denen solche Mitarbeiter bei anderen Wertpapierdienstleistungsunternehmen tätig wurden, ohne dass dem neuen Arbeitgeber die Verstöße bekannt sind, hat die BaFin im Jahresverlauf Maßnahmen ergriffen.3

Hand in Hand mit dem Mitarbeiter- und Beschwerderegister geht eine Aufsicht vor Ort. Die BaFin besuchte im Jahresverlauf 153 Hauptstellen und Filialen und sprach dort mit 810 Mitarbeitern, von denen 229 in der Anlageberatung und 207 in der Vertriebssteuerung tätig waren.

Aufsichtsschwerpunkt Vertriebsvorgaben

Der Vertrieb von Finanzinstrumenten und die Wahrung der Kundeninteressen stehen in einem Spannungsfeld. Wertpapierdienstleistungsunternehmen sind verpflichtet, Vertriebsvorgaben so auszugestalten, umzusetzen und zu überwachen, dass Kundeninteressen nicht beeinträchtigt werden. Diese Maßnahmen der Vertriebssteuerung müssen sie auch dokumentieren.

Zu den Fragen, ob Vertriebsvorgaben vorliegen und wie Vertriebsbeauftragte einzuordnen sind, hat die BaFin Ende 2013 auf ihrer Homepage Informationen veröffentlicht. Der Begriff der Vertriebsvorgaben findet beispielsweise auch dann Anwendung, wenn nur eine mittelbare Beziehung zu den von Anlageberatern ausgesprochenen Empfehlungen vorliegt. Somit fallen weiche Hinweise an die Institutsmitarbeiter, bestimmte Gattungen von Finanzinstrumenten anzusprechen, genauso unter den Begriff „Vertriebsvorgaben“ wie harte wöchentliche Sollzahlen für Beraterteams, die das Unternehmen aus seiner Gesamtplanung ableitet.

Die BaFin untersucht regelmäßig die Vertriebsstrukturen in den Filialen.4 Die Gespräche vor Ort erfolgen routinemäßig oder aber anlassbezogen – zum Beispiel nach Informationen von Hinweisgebern. Um zusätzlich einen Gesamtüberblick über die Vertriebspraxis zu erhalten, legte die BaFin 2016 bei Instituten, die sie nach Risikogesichtspunkten ausgewählt hatte, unter anderem einen Schwerpunkt auf die Frage, ob dort Vertriebsvorgaben existieren, die über die Organisations- und Arbeitsanweisungen hinausgehen. Hintergrund: Wenn Teamleiter unzulässigen Druck aufbauen, um Vertriebsvorgaben schneller zu erreichen oder zu übertreffen, besteht die Gefahr, dass Kundeninteressen beeinträchtigt werden. Wichtig sind daher effektive Kontrollsysteme der Institute, mit deren Hilfe in erster Linie der Vertrieb selbst und in der zweiten Linie die WpHG-Compliance-Funktion über die Regelgerechtigkeit der Vertriebssteuerung wachen (first and second lines of defense).

Für ausgewählte Prüfungen veranlasste die BaFin nicht nur, die Dokumentationslage und Gespräche mit den Mitarbeitern zum Thema Vertriebsvorgaben auszuwerten. Sie ordnete außerdem eine Kontrolle der internen Kommunikation an. Die von ihr beauftragten Wirtschaftsprüfer untersuchten für ausgewählte Zeiträume die gesamte E-Mail-Kommunikation derjenigen Vertriebsbeauftragten, die an wichtigen Schnittstellen in der Vertriebshierarchie tätig sind. Aufgrund des sehr großen Volumens setzten sie bei der Analyse der E-Mail-Texte und Dateianhänge Stichwortanalysen ein und gingen Ähnlichkeitsmustern nach, die sie teilweise auch softwaregestützt identifizierten.

Die Prüfungen ergaben, dass die Organisation in den geprüften Unternehmen generell geeignet war, eine Beeinträchtigung der Kundeninteressen durch Vertriebsvorgaben zu vermeiden. In einzelnen Fällen brauchten Vertriebsbeauftragte weitere Schulungen oder mussten Kontrollsysteme vereinheitlicht werden. In einem Fall ging die BaFin der Ausgestaltung von Vertriebsvorgaben der Institute nach, die über die interne Vertriebssteuerung der Institute hinausging.

Maßnahmen und Bußgeldverfahren

Maßnahmen

Ende 2016 überprüfte die BaFin in 23 laufenden Verfahren die Erkenntnisse über die Unzuverlässigkeit von Anlageberatern und Vertriebsbeauftragten. In einem Fall stand die Sachkunde eines Mitarbeiters in Frage. In einem anderen Verfahren sprach die BaFin eine Verwarnung aus, nachdem ein Anlageberater wiederholt gegen Verhaltenspflichten verstoßen hatte, die bei der Anlageberatung zu beachten sind. Die internen Kontrollen des Unternehmens hatten den Fall selbst identifiziert. Ein zweites Verwarnungsverfahren dauerte Ende 2016 noch an. In diesem Fall untersuchte die BaFin Beschwerdehäufungen im Mitarbeiter- und Beschwerderegister, stellte wiederholte Verstöße fest und identifizierte den betroffenen Mitarbeiter, der die Unternehmen gewechselt hatte.

Bußgeldverfahren der BaFin

Im Jahr 2016 eröffnete die BaFin sieben neue Bußgeldverfahren, insbesondere wegen Verstößen gegen die Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten und schloss acht Verfahren mit einer Geldbuße ab. Von insgesamt zehn eingestellten Verfahren wurden sechs aus Opportunitätsgründen abgeschlossen. Aus dem Vorjahr waren noch 65 Verfahren anhängig.

Bußgeldverfahren vor dem Amtsgericht Frankfurt am Main

Vor dem Amtsgericht Frankfurt am Main (AG Frankfurt am Main) wurde ein Verfahren wegen vier vorsätzlichen Verstößen gegen die Beratungsdokumentationspflicht verhandelt.5 Das betroffene Kreditinstitut hatte eine interne organisatorische Anweisung ausgegeben, auch Kunden, die im Rahmen eines persönlichen Gesprächs unter Anwesenden beraten wurden, auf entsprechenden Wunsch einen sofortigen Geschäftsabschluss zu ermöglichen, ohne ihnen vorher das Beratungsprotokoll zur Verfügung zu stellen. Entgegen der Ansicht des Kreditinstituts war es jedoch nicht zulässig, den etwa für eine telefonische Anlageberatung gesetzlich vorgesehenen Ausnahmetatbestand auf die Präsenzberatung auszudehnen. Dieser Ausnahmetatbestand soll allein die Fälle regeln, in denen sowohl die Anlageberatung als auch der Geschäftsabschluss mit Kommunikationsmitteln erfolgen, die eine zwischenzeitliche Aushändigung des Protokolls vor Geschäftsabschluss nicht gestatten. Das AG Frankfurt am Main verhängte Geldbußen in Höhe von insgesamt 32.000 Euro.

Fußnoten:

  1. 1 Die jeweilige Summe der Beschwerden ist um Berichtigungsanzeigen bereinigt. Beschwerdeanzeigen von Wertpapierdienstleistungsunternehmen, die zum Zeitpunkt der Datenbankabfrage nicht mehr nach dem 6. Abschnitt des WpHG (§§ 31 ff.) beaufsichtigt wurden, sind nicht berücksichtigt. Zudem können Institute von einer Institutsgruppe in eine andere wechseln. Hinzu kommt, dass – anders als in älteren Jahresberichten – sowohl die Zahlen für 2015 als auch die für 2016 aus den jeweiligen Quartalssummen gebildet wurden. Die Summen aus unterschiedlichen Abfragezeiträumen (Quartale, Jahre oder Gesamtzeitraum) können deshalb je nach Abfragezeitpunkt voneinander abweichen. Die hier dargestellten Zahlen können daher von zuvor oder anderweitig publizierten Daten abweichen. Ferner müssen bei einem künftigen Vergleich die Beschwerden berücksichtigt werden, die nach den einschlägigen Vorschriften über die Dauer der Speicherung gelöscht wurden.
  2. 2 Mitarbeiter können mehrere Tätigkeiten ausüben, so dass die Summe aus den Tätigkeiten die Gesamtzahl der Mitarbeiter übersteigt. Der Datenbestand verändert sich entsprechend den laufenden Änderungs- und Berichtigungsanzeigen. Mitarbeiteranzeigen von Wertpapierdienstleistungsunternehmen, die zum Zeitpunkt der Datenbankabfrage nicht mehr nach dem 6. Abschnitt des WpHG (§§ 31 ff.) beaufsichtigt wurden, werden nicht berücksichtigt. Aus diesen Gründen können die hier dargestellten Zahlen von zuvor publizierten Daten abweichen.
  3. 3 Vgl. hierzu Maßnahmen und Bußgeldverfahren.
  4. 4 Vgl. BaFinJournal Dezember 2015, Seite 28 ff.
  5. 5 Zu den Sanktionen des Geschäftsbereichs Wertpapieraufsicht vgl. auch Bußgeldverfahren der Wertpapieraufsicht und Bußgeldverfahren.

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