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Marktuntersuchungen

Beitrag aus dem Jahresbericht 2016 der BaFin

Im kollektiven Verbraucherschutz hat die BaFin im Jahr 2016 verschiedene aufsichtsrechtliche Themenschwerpunkte gesetzt, die sie unter anderem in Marktuntersuchungen umfassend beleuchtet hat. Anstöße für die einzelnen Untersuchungen erhält die BaFin zum Beispiel aus Beschwerden, aus der laufenden Aufsicht, aber auch aus Erkenntnissen der europäischen Aufsichtsbehörden und der Aufsichtsbehörden anderer EU-Mitgliedstaaten. Die BaFin richtet in solchen Fällen eine allgemeine Abfrage an die beaufsichtigten Unternehmen und wertet die Antworten anschließend systematisch aus. Zeigen sich bei einzelnen Instituten Auffälligkeiten, greift die BaFin diese zum Beispiel im Rahmen ihrer Vor-Ort-Aufsicht auf. Ergeben sich aus der Auswertung gravierende oder systematische Fehlentwicklungen, ergreift die BaFin auch aufsichtsrechtliche Maßnahmen – gegenüber einzelnen oder mehreren Unternehmen. Denkbar ist auch, dass die BaFin auf Basis einer solchen Marktuntersuchung Best-, Good- and Bad-Practices formuliert und an die beaufsichtigten Unternehmen weitergibt.

Transparenzdefizite beim Closet Indexing

In einer Marktuntersuchung hat sich die BaFin 2016 dem Thema Closet Indexing gewidmet (siehe Infokasten). Sie hat dazu deutsche Aktienfonds mit einem Volumen ab 10 Millionen Euro und einer Aktienquote von mindestens 51 Prozent überprüft. Zuvor hatte bereits die ESMA eine ähnlich gelagerte Untersuchung durchgeführt.

Die Untersuchung der BaFin umfasste einen quantitativen, rein kennzahlenbasierten Teil und eine qualitative Prüfung. Bei der quantitativen Analyse hat die BaFin zunächst ausschließlich anhand spezifischer Kennzahlen potenzielle Closet-Indexing-Fonds identifiziert. Ziel der qualitativen Prüfung war es, anhand von ausgewählten potenziellen Closet-Indexing-Fonds zu überprüfen, ob die betroffenen Kapitalverwaltungsgesellschaften tatsächlich Closet Indexing betreiben.

Nach Abschluss der qualitativen Untersuchung reduzierte sich die Zahl der auffälligen Fonds auf wenige Einzelfälle.

Diese Investmentvermögen verlangten allerdings eine deutlich niedrigere Verwaltungsvergütung, als sie bei aktiv verwalteten üblich ist. Darüber hinaus werden sie nicht mehr aktiv vertrieben.

BaFin fordert mehr Transparenz

Mit Blick auf die Untersuchungsergebnisse sieht die BaFin derzeit keinen Anlass, in die Vergütungsstrukturen der Kapitalverwaltungsgesellschaften einzugreifen. Sie verpflichtet die Fondsindustrie allerdings zu mehr Transparenz.

Kapitalverwaltungsgesellschaften müssen künftig bei Publikumsfonds mit einem Aktienanteil von mindestens 51 Prozent im Verkaufsprospekt angeben, ob diese aktiv verwaltet werden oder nur einen Index nachbilden. Nutzen die Gesellschaften einen Referenzwert, müssen sie diesen nennen und erläutern, ob und in welcher Höhe der Referenzwert über- oder unterschritten werden soll. Ein Chart soll darüber hinaus deutlich machen, wie sich der Fonds und der genutzte Referenzwert über einen längeren Zeitraum im Vergleich entwickelt haben.

Auch werden sich die Kapitalverwaltungsgesellschaften künftig eindeutiger dazu äußern müssen, welchen Managementansatz sie verfolgen. Sie müssen die zusätzlichen Angaben künftig nämlich in den Verkaufsprospekt aufnehmen, der ein Haftungsdokument ist. Bislang enthalten die Verkaufsprospekte der Fonds in aller Regel dazu keine konkreten Informationen. Die verschärften Transparenzvorgaben machen es für Anleger möglich, die Aktivität von Fondsprodukten besser zu beurteilen.

Bonitätsanleihen im Fokus

In einer weiteren Marktuntersuchung hat sich die BaFin mit bis dato so genannten Bonitätsanleihen befasst. Diese sind eine Unterform der Anlageform Zertifikate, bei denen Anleger in die Kreditwürdigkeit eines Referenzunternehmens investieren. Die Struktur des Produkts Bonitätsanleihen ist im Vergleich zu anderen Anlageprodukten sehr komplex: Ausschlaggebend für Verzinsung und Rückzahlung des investierten Geldbetrags sind Kreditrisiken von Referenzunternehmen. Ob ein Kreditereignis in Bezug auf die zugrundeliegende Referenzverbindlichkeit eintreten wird, können Privatkunden regelmäßig schwer einschätzen.

Fragen an Emittenten

Die BaFin hat deshalb untersucht, in welchem Umfang und in welcher Ausgestaltung Bonitätsanleihen emittiert und inwiefern sie im Beratungsgeschäft auch an Privatkunden vertrieben werden. Hierzu hat die BaFin Anfang März 2016 einen Fragebogen an Emittenten von Bonitätsanleihen versandt. In diesem ging es beispielsweise um das Emissionsvolumen, die Höhe des durchschnittlichen Kupons sowie die Herkunft der bei der Strukturierung verwendeten Kreditrisiken. Außerdem wurden etwa 100 stichprobenhaft ausgewählte Unternehmen zum Vertrieb von Bonitätsanleihen befragt. Dabei war die BaFin unter anderem daran interessiert, wie hoch der Anteil der Privatkunden ist, an die – im Zuge der Anlageberatung oder ohne Beratung – Bonitätsanleihen vertrieben werden. Sie fragte außerdem ab, ob die eingesetzten Anlageberater dafür besonders geschult seien.

Gezielter Vertrieb an Privatkunden

Die Rückmeldungen ergaben, dass Emittenten Bonitätsanleihen gezielt für den Absatz an Privatkunden auflegen und diese häufig auch im Rahmen von Anlageberatungen empfehlen. Es zeigte sich auch, dass Anlageberater Bonitätsanleihen Anlegern aller Risikobereitschaftsstufen empfehlen, also auch Kunden mit geringer Risikobereitschaft. Es scheint aus Sicht der BaFin fraglich, ob die Anlageberater in jedem Fall und im erforderlichen Umfang über die Produkteigenschaften und die produktimmanenten Risiken aufgeklärt haben.

Anhörung zu geplantem Verbot

Die Erkenntnisse aus ihrer Untersuchung veranlassten die BaFin, im Sommer 2016 eine Anhörung zu einem Verbot der Vermarktung, des Vertriebs und des Verkaufs von Bonitätsanleihen an Privatkunden zu initiieren. Die Verbände der betroffenen Emittenten und Vertriebsunternehmen nahmen dies zum Anlass, eine umfassende Selbstverpflichtung zu veröffentlichen, um den aufgeworfenen Bedenken zu begegnen. Die BaFin hat daraufhin im Dezember 2016 mitgeteilt, das geplante Verbot zunächst zurückzustellen und die Wirkung der Selbstverpflichtung zu überprüfen.

Restschuldversicherung bei Verbraucherdarlehen

In einer weiteren Untersuchung nahm die BaFin im zweiten Halbjahr 2016 das Thema Restschuldversicherungen unter die Lupe, um sich ein Bild über Art und Ausgestaltung dieser Versicherungen zu machen. Dabei interessierte die BaFin insbesondere, inwieweit der Abschluss einer Restschuldversicherung optional ist, wie die Vertragsanbahnung abläuft, welche Kosten mit dem Abschluss verbunden sind und wie diese Kosten ausgewiesen werden.

Die BaFin hat dafür umfangreiche branchenspezifische Fragebögen an insgesamt 66 Versicherungsunternehmen und Banken versandt. Die Fragen bezogen sich auf Produktgestaltung, Vertragsanbahnung, -durchführung und -abwicklung. Versicherungsunternehmen wurden zusätzlich gebeten, auch Beispielrechnungen sowie Angaben zu Risiko- und Abschlusskostenergebnissen vorzulegen. Bis zum Redaktionsschluss war die Auswertung der umfangreichen Unterlagen noch nicht abgeschlossen.

Ausübung von Zinsanpassungsklauseln

Gegenstand einer anderen Marktuntersuchung der BaFin waren vertragliche Zinsanpassungsklauseln bei variabel verzinsten Verbraucherdarlehen. Die Umfrage, die Ende Juni 2016 gestartet wurde, soll klären, ob die Institute systematisch Kunden benachteiligen, indem sie bei Verbraucherkrediten Zinsänderungen mit ungerechtfertigter Verzögerung an die Kunden weitergeben.

Die BaFin hat dazu 50 Privatbanken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken angeschrieben. 13 der befragten Institute haben mitgeteilt, keine variabel verzinsten Verbraucherdarlehen zu vergeben.

Nach vertiefter Auswertung der übrigen 37 Stellungnahmen ergaben sich bei insgesamt sieben Instituten Hinweise darauf, dass die verwendeten Vertragsklauseln gegen geltende Rechtsprechung verstoßen bzw. den geltenden rechtlichen Anforderungen nicht in vollem Umfang genügen. Die BaFin wird dieses Thema weiter verfolgen.

Umgang mit Bearbeitungsgebühren bei Policendarlehen

Policendarlehen

Als Policendarlehen bezeichnet man Darlehen, die ein Lebensversicherungsunternehmen einem Versicherungsnehmer auf dessen Lebensversicherungsvertrag gewährt. Solche Darlehen sind der Höhe nach auf den Rückkaufswert des entsprechenden Lebensversicherungsvertrages beschränkt.

Die BaFin hat im Jahr 2016 in einer Branchenerhebung untersucht, wie Versicherungsunternehmen mit Bearbeitungsgebühren bei der Gewährung von Policendarlehen umgehen (siehe Infokasten).

Die Aufsicht wollte insbesondere feststellen, in welchem Umfang die Versicherungsunternehmen Bearbeitungsgebühren erhoben haben bzw. erheben und inwieweit die Rechtsprechung vom Bundesgerichtshof (BGH) aus dem Jahr 2014 umgesetzt worden ist (siehe Infokasten „BGH-Rechtsprechung“).

In die Prüfung bezog die BaFin alle 82 Versicherungsunternehmen ein, die zum Stichtag 31. Dezember 2014 Policendarlehen in ihrem Bestand ausgewiesen haben.

BGH-Rechtsprechung

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat im Mai 2014 entschieden, dass bei einem Verbraucherdarlehensvertrag nach §§ 488 Absatz 1, 491 Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) die Erhebung einer – im Rahmen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) vereinbarten – laufzeitunabhängigen Bearbeitungsgebühr mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht vereinbar sei (Urteile vom 13.5.2014, Az. XI ZR 405/12 und XI ZR 170/13). Die entsprechende AGB-Klausel ist daher nach § 307 Absatz 1 Satz 1, Absatz 2 Nr. 1 BGB unwirksam und die Erhebung einer laufzeitunabhängigen Bearbeitungsgebühr im Zusammenhang mit der Gewährung eines Verbraucherdarlehensvertrages somit unzulässig. Diese Rechtsprechung findet nach allgemeinem Verständnis auch Anwendung, wenn ein Versicherungsunternehmen einem Versicherungsnehmer ein Policendarlehen gewährt.

Positives Bild

Die Auswertung der Abfrage zeichnet ein positives Bild: Beim weit überwiegenden Teil der 82 Versicherer spielten solche Bearbeitungsgebühren keine große Rolle. Sie wurden – wenn überhaupt – zumeist nur in einer geringen Höhe von maximal 50 Euro erhoben.

Über 70 Versicherungsunternehmen haben entweder zu keiner Zeit derartige Bearbeitungsgebühren erhoben oder aber die Erhebung von Bearbeitungsgebühren noch weit vor dem Jahr 2014 eingestellt. Nur einige wenige Versicherungsunternehmen haben noch zum Zeitpunkt der BGH-Rechtsprechung Bearbeitungsgebühren erhoben. Diese Unternehmen haben diese Praxis zwischenzeitlich aber ebenfalls eingestellt.

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