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Stand:geändert am 10.06.2021 Gruppenaufsicht

Der aktuelle rechtliche Rahmen zur Versicherungsaufsicht nach Solvency II regelt die Aufsicht über Versicherungsgruppen erstmals auf europäischer Ebene umfassend gesetzlich. Der europäische Gesetzgeber berücksichtigt auf diese Weise die wichtige Rolle von Versicherungsgruppen im europäischen Binnenmarkt.

Die Gruppenaufsicht wird auf der Ebene des obersten Mutterunternehmens ausgeübt, das seinen Sitz in der Gemeinschaft unterhält. Ist der Sitz dieses Unternehmens in Deutschland, so ist die BaFin die Gruppenaufsichtsbehörde. In Ausnahmefällen kann zusätzlich aber auch eine Aufsicht auf Teilgruppenebene erfolgen.

Als Gruppenaufsichtsbehörde überprüft die BaFin die Solvabilität auf Gruppenebene: Das beinhaltet die konsolidierte Solvenzkapitalanforderung für eine Gruppe, die die Risikoexponierung der Gruppe angemessen zu berücksichtigen soll. Daneben muss die Gruppe über ausreichende Eigenmittel verfügen, um ihre Solvenzkapitalanforderung zu decken. Zum Schutz von Versicherungsnehmern und Begünstigten muss auch dafür gesorgt werden, dass die Eigenmittel innerhalb der Gruppe angemessen verteilt und bei Bedarf verfügbar sind.

Ein weiterer Aufsichtsschwerpunkt der BaFin ist die Überwachung von Risikokonzentration und gruppeninternen Transaktionen innerhalb einer Gruppe, da diese die Finanzlage von Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen beeinflussen können. Die BaFin kann auf der Ebene des Versicherungs- oder Rückversicherungsunternehmens geeignete Maßnahmen ergreifen, wenn seine Solvabilität unzureichend ist oder unzureichend zu werden droht.

Und schließlich prüft die BaFin auch, ob die Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen einer Gruppe über geeignete Governance-Strukturen verfügen.

Bei dieser aktuellen Ausgestaltung der Gruppenaufsicht kommt der für die Gruppenaufsicht zuständigen Behörde eine Schlüsselfunktion zu, jedoch spielen auch die für die Einzelaufsicht zuständigen Behörden weiterhin eine wichtige Rolle. Bei diesem innovativen Aufsichtssystem gehen die Befugnisse und Verantwortlichkeiten der Aufsichtsbehörden sozusagen Hand in Hand mit ihrer Verantwortlichkeit. Weitere Informationen zu Aufgaben und Befugnissen der an der Aufsicht beteiligten Behörden sowie zur Zusammenarbeit zwischen Gruppen- und Einzelaufsehern finden Sie in den folgenden Abschnitten.

Rechtlicher Rahmen

Umfangreiche gesetzliche Regelungen zur Gruppenaufsicht finden sich im Versicherungsaufsichtsgesetz, insbesondere im Teil 5 (§ 245 ff.) sowie in der Delegierten Verordnung (EU) 2015/35 unter Titel II „Versicherungsgruppen“. Die europäische Versicherungsaufsichtsbehörde EIOPA hat weiterhin Leitlinien zu wichtigen Gesichtspunkten der Gruppenaufsicht veröffentlicht.

Als Gruppenaufsichtsbehörde ergeben sich aus § 281 VAG für die BaFin die folgenden grundsätzlichen Aufgaben:

• Koordinierung der Sammlung und Verbreitung von wichtigen Informationen
• Aufsichtliche Überprüfung und Beurteilung der Finanzlage der Gruppe
• Beurteilung der Einhaltung der Vorschriften über Solvabilität, Risikokonzentrationen und gruppeninternen Transaktionen
• Beurteilung des Governance-Systems
• Planung und Koordinierung der laufenden Beaufsichtigung und der Aufsichtstätigkeiten in Krisenzeiten
• Sonstige Aufgaben, insbesondere im Zusammenhang mit internen Modellen und Gruppensolvabilität
• Als Gruppenaufsichtsbehörde führt die BaFin weiterhin den Vorsitz in einem Aufsichtskollegium (siehe folgender Abschnitt) sofern die Gruppe nicht ausschließlich im Inland tätig ist, d.h. Tochterunternehmen in anderen Mitgliedsstaaten hat.

Aufsichtskollegien

Mitglieder des Aufsichtskollegiums (englisch „Supervisory College“) sind nach §283 VAG die Gruppenaufsichtsbehörde, die Aufsichtsbehörden aller Mitgliedstaaten, in denen Tochterunternehmen ihren Sitz haben, und gemäß Artikel 21 der Verordnung (EU) Nr. 1094/2010 die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung.

Aufsichtsbehörden bedeutender Zweigniederlassungen und verbundener Unternehmen dürfen im Aufsichtskollegium mitwirken. Ihre Teilnahme ist jedoch darauf beschränkt, einen effizienten Informationsaustausch zu gewährleisten.

Ziele

Die Zusammenarbeit im Kollegium der Aufsichtsbehörden dient zwei Kernzielen:

Einerseits sollen der Gruppenaufsichtsbehörde durch die formalisierte Zusammenarbeit und die gesetzliche Einbindung der anderen Behörden die Planung und Koordination von grenzüberschreitenden Aufsichtstätigkeiten erleichtert werden. Dazu gibt die Gruppenaufsichtsbehörde dem Kollegium mit sog. Koordinierungsvereinbarungen einen formellen organisatorischen Rahmen. Weiterhin koordiniert und steuert sie die Aufsichtstätigkeiten der Behörden des Kollegiums über einen gemeinsamen Arbeitsplan, der auf Sitzungen des Kollegiums erarbeitet und beschlossen wird.

Andererseits werden die ins Kollegium eingebundenen Aufsichtsbehörden durch die institutionalisierte Zusammenarbeit schneller und besser mit Informationen versorgt. Dadurch können die Behörden Risiken besser und früher erkennen und ihre originären Aufsichtstätigkeiten in höherer Qualität wahrnehmen.

Das Kollegium sichert dabei, dass der rechtliche Rahmen der Verfahren für die Zusammenarbeit, der Informationsaustausch und die Konsultation zwischen den dem Aufsichtskollegium angehörenden Aufsichtsbehörden wirksam angewendet werden. Die Zusammenarbeit wird dabei flexibel entlang organisatorischer Erfordernisse und inhaltlicher Fragestellungen organisiert. So können z.B. spezialisierte Arbeitsgruppen eingerichtet werden, die sowohl permanente Gestalt als auch Projektcharakter haben können. Daneben sind auch gemeinsame örtliche Prüfungen mit Teilnehmern verschiedener europäischer Aufsichtsbehörden möglich.

Rechtlicher Rahmen

Der aktuelle gesetzliche Rahmen Solvency II wurde in Deutschland mit dem Gesetz zur Modernisierung der Finanzaufsicht über Versicherungen geschaffen. Das VAG regelt nun in § 283 explizit, dass Aufsichtskollegien einzurichten sind. Die anderen Mitglieds- und Vertragsstaaten haben korrespondierende Regelungen in ihren jeweiligen Aufsichtsgesetzen geschaffen.

Die Regeln des VAGs zu Aufsichtskollegien werden von verschiedenen delegierten Rechtsakten der Europäische Kommission ergänzt. Diese sind verbindlich und gelten unmittelbar in jedem Mitglieds- und Vertragsstaat. Der umfassendste dieser Rechtsakte, die Delegierte Verordnung (EU) 2015/35 regelt viele Details für die Kernelemente der Zusammenarbeit von Kollegien (Abschluss von Koordinierungsvereinbarungen, Sitzungen, Arbeitspläne, Informationsaustausch), die sonst immer wieder neu einzeln besprochen werden müssten. Er reduziert in diesem Sinne die Komplexität der Zusammenarbeit und schafft so Raum für die vertiefte inhaltliche Zusammenarbeit. Dahingehend ergänzt auch der Technische Durchführungsstandard (EU) 2015/2014 die Regelungen zum Informationsaustausch, in dem er Verfahren und Muster für die Übermittlung von Informationen beschreibt.

Innerhalb dieser umfassend geregelten Zusammenarbeit ist im Sinne des Proportionalitätsgedankens jedoch Raum für eine den Bedürfnissen der Aufsichtsbehörden entsprechende Ausgestaltung der Zusammenarbeit: So beschreibt zwar Artikel 357 der oben genannten Delegierten Verordnung, welche Informationen grundsätzlich im Kollegium systematisch auszutauschen sind, lässt dabei aber dem Kollegium Raum, diese Inhalte über die schriftlichen Koordinierungsvereinbarungen anzupassen bzw. zu reduzieren.

In Ergänzung der gesetzlichen Regelungen hat die europäische Versicherungsaufsichtsbehörde EIOPA Leitlinien zu fast allen Gesichtspunkten der Zusammenarbeit in Kollegien herausgegeben. Diese finden sich aktuell in zwei Dokumenten: Den Leitlinien zur operativen Funktionsweise von Kollegien und den Leitlinien zum systematischen Informationsaustausch innerhalb von Kollegien. Daneben enthalten die Leitlinien zum aufsichtlichen Überprüfungsverfahren wichtige Aspekte der Einbindung von Aufsichtskollegien in den Aufsichtsprozess.

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